V orfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude, solange sie sich nicht wie zäher Gummi dahinzieht und man praktisch auf Nadeln sitzt, weil sich das Umfeld als Albtraum entpuppt. Marianne und Heinrich leisteten ganze Arbeit, was den „Naturbaum“ betraf und nörgelten solange herum, bis Opa sich selbst die Flasche Schnaps holte und einen kompletten Kaffeebecher davon ex trank – ich Guter hatte ja extra die riesige Cappuccinotasse genommen. Faszinierenderweise vertrug er die Menge, was ich bei seinem dürren Klappergestell nicht erwartet hatte. Anscheinend wurde man im Alter auch gegen jeden Schwips immun, denn Opa leerte den Schnaps wie Wasser, ohne irgendwelche Anzeichen zu zeigen – im Gegensatz zu Tante Frieda. Sie war so sternhagelvoll, dass Albrecht und Max sie nach dem Mittagessen nach oben bugsierten, damit sie sich vor dem Fest am Abend noch ein wenig den Rausch ausschlafen konnte. Es war auch die einzige Möglichkeit, Clara und Lydia vor ihren Erzählungen des seltsamen zweispitzigen Christbaums zu bewahren. Seit die Kinder zurück waren, waren die Türen ins Wohnzimmer verschlossen, mit viel Überredungskunst hatten Mama und ich sogar Marianne und Heinrich überzeugen können, dass sie aufgrund der Kinder das Wohnzimmer vor der Bescherung nicht mehr betreten durften. Nur Tante Frieda stellte sich mit jedem Gläschen Eierlikör mehr als Problem dar. Sie wollte partout nicht herauskommen – einzig das kleine Mittagessen hatte sie ins Esszimmer gelockt. Papa hatte das Wohnzimmer aus Sicherheitsgründen danach abgesperrt und den Schlüssel versteckt.

So lag Tante Frieda im Hobbyraum und schlief ihren Rausch aus, während Opa und Papa im Esszimmer saßen und Marianne und Heinrich unterhielten – nicht freiwillig, verstand sich, aber irgendwer musste ihnen Gesellschaft leisten. Horst und Albrecht waren schließlich im Garten, bei dem – Zitat Papa – Scheißweihnachtsschlitten. Die Mädchen wollten die Rentiere aus der Nähe sehen, die übrigens eher Kühen mit seltsam deformierten Geweihen ähnelten. Außerdem war Hermes mit von der Partie, was Clara und Lydia gleich doppelt so gut gefiel – er eignete sich viel besser als Rentier. Max hatte sich in mein Zimmer zurückgezogen, er wollte vor dem Abendessen und dem ganzen Spektakel, wie er es nannte, noch etwas an seinem Manuskript arbeiten. Wenn ich die Situation so betrachtete, lag es wohl eher daran, dass er seine Ruhe wollte. Er hatte bereits den ganzen Vormittag mit den Mädchen auf dem Schlitten verbracht, da wollte er sich jetzt nicht auch noch mit Papa zanken. Der stänkerte nämlich bei jeder Kleinigkeit – entweder ihm fielen peinliche Geschichten aus meinem Leben ein, die er Max brühwarm unter die Nase rieb, oder er nörgelte an ihm herum, als müsste Letzterer irgendeine Prüfung bestehen, um an der abendlichen Bescherung teilnehmen zu dürfen.

In Wirklichkeit lag es wohl eher daran, dass Papa Maximilian die Schuld für den Twist mit mir in die Schuhe schob. Vor allem als Mama Papa heimlich zur Seite nahm, indem sie lautstark verkündete, sie müsse mit ihm etwas besprechen. Ihr Blick zu mir, als er wissen wollte, was los sei, war unmissverständlich. Vermutlich die Sebastian-von-Birkheim-Angelegenheit. Als Papa wieder zurückkam, sah er aus, als wäre ihm schlecht. Genauso hatte er dreingeschaut, als Horst und Magdalena heiraten wollten. Wenn ich mich nicht irrte, wirkte er jetzt sogar grau im Gesicht. Zum Glück war Max nicht anwesend – er hatte den Braten womöglich irgendwie gerochen, während ich in die Küche flüchtete. Hier gab es auch einen Braten, einen aus Schwein. Oma hatte nämlich heimlich ohne Mama zu kochen begonnen.

„Es riecht so gut, aber ich bin jetzt schon voll“, murrte Magdalena und setzte sich zu mir auf die Eckbank. Opa hatte mir den Auftrag erteilt, einzelne Kuverts, auf die mit zittriger Schrift unsere Namen geschrieben waren, mit einer bunten Schleife zu dekorieren. Weil ich ohnehin Arbeit suchte und Papa sowie Heinrich und Marianne ausweichen wollte, hatte ich mir Geschenkpapier geholt und verpackte die Umschläge. An jedes eingeschlagene Kuvert kam ein Namenskärtchen. Ich wusste, was darin war – Geldscheine. So machte Opa das jedes Jahr. Obwohl Oma Geschenke mithilfe von Mama besorgte, gaben sie uns auch noch Geld. Für schlechte Zeiten, sagten sie immer. Keiner von uns kannte wirklich schlechte Zeiten. Die Waldwirtschaft ging hervorragend, wir Kinder verdienten alle genug, aber so war das wohl, wenn man selbst den Krieg und die Jahre danach miterlebt hatte – wo es weniger als nichts gab. „Ihr seid jung, ihr braucht es nötiger“, hatte Oma mal zu uns gesagt, weil die Summe eindeutig zu hoch gewesen war. „Wir freuen uns, wenn wir euch helfen können.“

„Wehe, du isst am Abend nichts, wo ich mich extra hinter den Herd stelle“, nuschelte Oma, während sie mit ihren knöchrigen Fingern das Fleisch mit Gewürzen einrieb.

Magdalena linste zu mir, dann wieder zu Oma. „Weiß die Mama, dass du ohne sie kochst?“

„Nein. Muss sie auch nicht. In meinem eigenen Haus brauche ich gerade noch keine Erlaubnis, um zu kochen. So weit kommt’s noch.“

Waren wir also bei diesem leidlichen Thema angekommen. Die Mein-Haus-meine-Sache-Sache!

Als hätte der Radiomoderator Omas Worte gehört, spielte er Oh, du Fröhliche . Ich sah bereits Mamas Mimik vor mir, die vor Fröhlichkeit jede Beherrschung verlieren würde. Gesichtsentgleisung nannte man das.

Magdalena schaute zu mir. Wie ich wusste sie, dass Oma in diesem Zustand leicht reizbar war.

„Die Ich-geh-ins-Bett-Phase haben wir bereits hinter uns“, wisperte ich, während ich mit Hingabe ein Namensschild beschriftete.

Sie nickte verstehend. „Kann aber noch einmal kommen.“ Dann zuckte sie mit den Schultern und zog sich den Teller mit den Keksen näher heran. Ihre Finger schwebten kreisend darüber, bevor sie sich für ein Vanillekipferl entschied und es sich in den Mund steckte.

„Ich dachte, du bist voll?“, sagte ich, ohne zu ihr zu sehen.

„Das eine Kipferl …“, rechtfertigte sie sich und beobachtete mich fasziniert. Dann meinte sie sprunghaft: „Der Max ist unglaublich!“

Ich zog eine Braue hoch und blickte zu ihr, bevor ich mich wieder dem Kuvert widmete. „Ja?“

„Ja.“ Sie wählte den nächsten Keks aus. „Der kann total gut mit Kindern umgehen.“

Ich schmunzelte. Das „Und ich Depp hab’ den Horst geheiratet“ hing unausgesprochen in der Luft.

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Der Horst versteht sich voll gut mit ihm.“ Sie stopfte sich den Keks zwischen die Lippen und kaute hastig, bevor sie erklärte: „Ich bin mir wie ein Depp vorgekommen am Sunnleit’nkogel. Die haben mit den Kindern gespielt und gelacht, als wären sie selbst nicht älter als vier. Ich hab’ den Horst seit Jahren nicht mehr so ausgelassen gesehen.“

Ja, Magdalena hatte recht: Es geschahen noch Zeichen und Wunder! Ich hatte mich nämlich gründlich geirrt. Magdalena hatte soeben ihren Mann gelobt – nicht direkt, aber zumindest durch die Blume hindurch, was besser war als nichts. Die einzige Ähnlichkeit zu meinem vermuteten Ausruf waren die Wörter Horst und Depp, jedoch in einem anderen Zusammenhang als erwartet.

„Und voll der Gentleman“, erzählte sie weiter.

„Wer? Horst? Oder Max?“

„Horst!“ Ihre Worte klangen so entsetzt, als wäre sie selbst erstaunt. „Als wäre Maximilians Benehmen ansteckend. Er hat mir sogar die Tür aufgehalten, als ich vom Auto ausgestiegen bin.“

„Horst?“

Sie nickte.

„Na ja, das hat er ja zu Beginn eurer Beziehung auch gemacht.“

„Schon, nur …“ Sie biss von einem Zimtstern ab. „Als wäre er gegen eine Mauer gelaufen und hätte jetzt eine Gehirnerschütterung. Ich erkenne ihn nicht mehr.“

Ich war versucht aufzulachen. Horst war doch nicht auf Max eifersüchtig, oder? Magdalena hatte schließlich keinen Hehl daraus gemacht, dass sie meinen Gast toll fand. Marianne und Tante Frieda hatten ihr ebenfalls nahegelegt, dass Max eine gute Partie wäre. Versuchte er seine Frau zu beeindrucken?

„Und weißt du was?“ Magdalena schob die Reste des Zimtsterns in ihren Mund und nuschelte, ohne zu kauen oder zu schlucken: „Der hat mir vor Max auf den Hintern gegriffen.“

Ich lugte zu Oma, die ihre volle Konzentration auf den Braten gerichtet hatte und leise das Weihnachtslied mitsummte. Schmunzelnd meinte ich: „Hat er sein Revier markiert?“

Magdalena zuckte mit den Schultern und stibitzte den nächsten Keks vom Teller. „Keine Ahnung … vor wem denn?“

„Max?“

Sie überlegte. „Ja, aber der ist doch …“ Sie schaute zu mir. „Max ist dein Gast.“

Ich rollte mit den Augen, weil sie um den Brei redete – wie alle anderen im Haus, sah man von Albrecht ab. Missgelaunt wickelte ich das nächste Kuvert in Geschenkpapier ein. „Und? Niemand hat Horst jemals gesagt, dass ich …“, ich blickte vorwurfsvoll zu ihr, „… schwul bin. Max wird sich gestern vermutlich nicht geoutet haben, nachdem Mamas Familie so unglaublich nett zu ihm war. Oder hat Horst was gesagt?“

Magdalena musterte mich, dann schüttelte sie den Kopf, ohne auf meine Extrabetonung des Wortes schwul einzugehen. „Nur, dass der Max ein netter Kerl ist.“

Vielleicht hatte er auch nur eins und eins zusammengezählt. Nach den eindeutig zweideutigen Sätzen am Frühstückstisch konnte man annehmen, dass weder Max noch ich hetero waren.

Keine Ahnung, es war auch möglich, dass ich mir selbst die Welt schönredete. Wahrscheinlich hoffte ich, dass es Horst wusste und ihm egal wäre. „So dumm ist er auch nicht.“

„Wer? Mein Mann?“ Magdalena wiegte den Kopf hin und her. „Na ja, er ist kein sonderlicher Schnelldenker.“

Ich sah tadelnd zu ihr. „Meine Güte, gerade hast du so nett über ihn gesprochen – und jetzt?“

Sie zuckte abermals mit den Schultern, als wäre sie absolut unschuldig. „Womöglich hat er was ausgefressen, dass er so zuvorkommend ist. Ich mein’, wir sprechen noch immer über meinen Mann! Horst!“ Die andere Sache war vergessen.

„Ja, ich kenne ihn“, murrte ich deshalb. „Freu dich doch einfach über seine Aufmerksamkeit.“

Nachdenklich schob sie sich einen weiteren Keks in den Mund, dann spähte sie zur Küchentür, wo Mama erschienen war. Letztere stemmte die Hände gereizt in die Seiten und fixierte Oma – mit einem Blick …

Bingo! Gesichtsentgleisung hoch drei! Nein, was sage ich: hoch tausend!

„Was machst du da?“, zischte sie, als wüsste sie nicht ganz genau, was Oma machte.

„Kochen! Was sonst!“ Oma warf ihr ebenfalls einen Blick zu, der Bände sprach.

„Aber ich koche!“

„Nicht heute. Zu Weihnachten koche immer noch ich.“

„Du kochst schon seit Jahren nicht mehr!“ Mama griff nach der Pfanne und zog sie von Oma weg.

Natürlich schnappte diese danach. „Jetzt nimm deine Finger weg!“

Aus dem Radio erklang das erste Stille Nacht des Tages.

„Gleich geht sie ins Bett, Klappe, die zweite“, wisperte Magdalena.

Ich nickte, während ich mich auf die Kuverts konzentrierte und Omas und Mamas Streit auszublenden versuchte.

„Aber der Max … und du“, flüsterte Magdalena unerwartet und stieß mich mit der Schulter leicht an. „Das hätte ich nie erwartet. Du hast einen tollen Männergeschmack.“ Sie schnaubte. „Ich war wohl betrunken …“

Ich riss den Kopf herum. Erstens, weil sie Horst schon wieder hinstellte, als wäre er der unattraktivste Mann der Welt – was er nicht war. Sie hatte ihn nur zu viel gefüttert und vielleicht ein wenig zu sehr umsorgt. Und zweitens: Dichtete auch sie mir Max an? „Max ist nicht … mein Freund.“

Sie zog beide Brauen nach oben und öffnete sprachlos den Mund. Für Sekunden musterte sie mich. „Nicht?“

Ich schüttelte den Kopf. Es war ein wenig zu zögerlich gewesen, wie ich selbst fand, als würde ich den Umstand bedauern.

„Aber der sagt Häschen zu dir.“ Sie stopfte sich einen weiteren Keks hinein, während sie über mich griff und das Radio lauter drehte. Wahrscheinlich um den Streit zwischen Oma und Mama zu übertönen. Oder um zu verhindern, dass die Streithähne etwas von unserem Gesprächsthema mitbekamen. Ich war mir nicht sicher.

„Ich weiß …“ Ich keuchte leise und widmete mich mit Hingabe der Geschenkschleife. „Aber nur … weil er … keine Ahnung, Papa provozieren will.“

„Papa?“ Sie ächzte, während sie auf den halb leeren Keksteller blickte. „Schau, wie viel ich gegessen habe.“ Sie schob den Teller zur Seite und ließ sich mit der Stirn auf den Tisch sinken. „Als wäre ich nicht schon fett genug.“ Sie drehte den Kopf und sah zu mir. „Papa reagiert gleich wie damals bei Horst …“ Sie schniefte. „Gehst du morgen mit mir laufen?“

Es war ihr also auch aufgefallen? Ich redete mir das nicht nur ein? „Denkst du?“ Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe.

„Was? Ob ich denk’, dass du mit mir laufen gehst?“ Sie machte einen Schmollmund. „Bitte!“, flehte sie wie ein kleines Kind und machte Lydia und Clara alle Ehre.

„Was? Nein …“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich meine, Papa …“

„Ach so … Ja, der ist wie damals beim Horst … oder bei der Karin.“ Sie drehte das Gesicht Richtung Tisch und blieb mit der Stirn voran liegen. „Aber bei der hat es mich nicht einmal gewundert …“ Sie spähte wieder zu mir. „Glaubst du, der verlässt mich irgendwann?“

„Wer?“ Ich sah zu ihr.

„Horst.“

„Quatsch. Er ist doch selbst nicht der Schlankste – und wie schon versprochen, nach den Feiertagen machen wir gemeinsam Sport.“

Magdalena setzte sich wieder auf, strich ihre Weste glatt und holte den Keksteller zurück. „Ja, nach den Feiertagen. Wäre ja schade um die vielen Kekse.“ Sie nahm eine Rumkugel zwischen die Finger.

„Du denkst, Paps reagiert ähnlich wie …?“

Sie nickte heftig. „Genau wie bei Horst.“ Sie blickte zu mir. „Aber wenn du nicht mit ihm zusammen bist, dann …“ Sie unterbrach sich und starrte zu Mama und Oma. Letztere hatte gerade die Pfanne mit dem Fleisch über die Theke geschleudert. Vermutlich hatte Mama sie mundtot gemacht.

„Ich geh’ ins Bett!“, kreischte Oma. „Und du brauchst nicht glauben, dass ich mit euch noch einmal feiere. Ich scheiß’ auf Weihnachten!“

Ich war versucht, laut zu lachen. Das Wort scheißen in Verbindung mit Oma passte nicht. Dummerweise würden es mir sowohl Mama als auch Oma übel nehmen, wenn ich losprustete.

„Bitte, geh! Bin ich froh!“ Mama schnappte die Bratpfanne und marschierte damit zur Spüle. Vermutlich würde sie das Fleisch waschen und die Gewürze entfernen – und das viele Fett in der Pfanne.

„Mach ich!“ Oma riss sich die Schürze vom Körper und humpelte zur Tür. Dort warf sie Letztere auf die Kochzeile. „So was Grausliches, was du bist, ist mir auch noch nie untergekommen. Der Gustl muss besoffen gewesen sein, als er dich geheiratet hat.“

„Du meinst, so wie dein Mann?“ Mama funkelte sie wütend an. „Alle beieinander kann der nicht gehabt haben!“

„Also … das muss ich mir nicht gefallen lassen! Ich geh’ schlafen!“

„Ja! Geh! Warum bist du denn noch immer da?“ Mama lachte gekünstelt, bevor sie das Fleisch in ein Sieb warf und es unter den Wasserhahn hielt.

„Heuer könnt ihr ohne mich feiern!“ Oma riss die Tür auf und stakste in das Vorhaus. Weinerlich rief sie: „Ich will gar nicht mehr leben.“

„Geh, Mama!“ Magdalena schaute kurz zu den Keksen, dann zu Mama. „Du kennst sie doch! Gib doch einfach nach. Ist doch wurscht 16 – das eine Mal mehr, was ich zunehme. Es ist doch Weihnachten.“

„Das eine Mal, genau …“ Mama schnaubte laut. Dann schritt sie zur Küchentür. „Mami! Jetzt komm zurück! Kochen wir halt … gemeinsam.“ Sie blickte zu Magdalena. „Das bereust du noch!“

Magdalena zuckte mit den Schultern, während Oma triumphierend zur Küchentür hereinschlenderte. „Brauchst du mich doch, ha?“

„Nein, aber es ist ja Weihnachten!“ Mama sprach so zischend, dass es ein Wunder war, dass sie beim Reden nicht spuckte.

„Weihnachten“, giftete Oma, während sie sich die Kochschürze umband. „Deswegen kochst du auch nicht besser. Da müsste heuer zum ersten Mal ein Wunder geschehen.“ Sie fixierte Mama herausfordernd, dann krächzte sie laut: „Ein Weihnachtswunder!“

Aus dem Radio erklang Kling Glöckchen, klingelingeling .

Gesichtsentgleisung hoch eine Billion!

Magdalena ging in Deckung und rückte näher zu mir. „Täusche ich mich oder werden die jedes Jahr schlimmer?“

„Das meinte Albrecht auch schon, aber ich bin mir nicht sicher.“ Ich räumte meine Sachen zusammen und erhob mich eilig. Ich wollte aus der Küche sein, wenn Mama ausflippte. Hastig schnappte ich die Kuverts sowie den Rest und schlüpfte aus der Bank. „Ich lege das unter den Baum, bevor die Mädels kommen.“

Magdalena fasste nach dem Keksteller und folgte mir.

Als wir im Vorhaus ankamen, hörten wir Mama fauchen: „Sei froh, dass die Kinder da sind, sonst würdest du heute ein Weihnachtswunder erleben!“

„Ich sage dem Papa, dass er die Oma beschwichtigen muss – es ist nämlich erst kurz nach drei. Wenn die so weitermacht, dann sucht Mama heute noch das Altersheim für sie aus.“ Magdalena schlenderte mit dem Keksteller in den Essraum, während sie mir zuwinkte.

Ich nickte nur und eilte zum Wohnzimmer. Mann, war das schon wieder ein Mordsspektakel. Wie sollte ich da in Weihnachtsstimmung kommen?

„Sebastian?“

Ich blickte zur Treppe. Max kam mit einer Tragebox voller Weihnachtsgeschenke herunter. „Ist die Luft rein? Wegen der Geschenke.“ Er sah sich um. „Sind die Mädchen da?“

„Noch immer draußen. Mit Hermes und Albrecht.“ Ich spähte zu der Box. „Du hast Geschenke? Wann hast du die besorgt?“

„Es ist nichts Besonderes. Weine, Liköre … Champagner. In meinem Haus gibt es genug davon im Keller.“ Er zuckte mit den Schultern. „Irgendwie muss ich mich revanchieren, wenn ich hier schon schlafen darf.“

„Das ist nicht nötig“, sagte ich und fischte den Wohnzimmertürschlüssel aus der Vase im Vorhaus, wo Papa ihn versteckt hatte. Ich schloss auf und ließ Max ein. Den Streit in der Küche ignorierte ich – ich wollte Max nicht diese Art von Weihnachtstradition erklären. Hastig folgte ich ihm und machte hinter mir die Tür zu – zur Sicherheit wegen Lydia und Clara und nur ein klein wenig deshalb, um die Zankerei zu dämmen.

Max blieb wie angewurzelt im Raum stehen und glotzte auf den Christbaum.

„Schön, oder?“, stellte ich fest, obwohl der Baum völlig grotesk ausschaute. Aber wenn ich darüber hinwegtäuschte, würde vielleicht auch Max das Desaster umgehen. Schließlich war er Gast.

Er blickte mit offenem Mund zu mir. Aus dem Vorhaus hörte ich Mama brüllen, die Papa für Oma verantwortlich machte. Als wäre alles seine Schuld.

„Ihr könnt mich gleich alle gernhaben!“, rief Papa zurück.

„Schrei nicht so mit meiner Tochter!“, mischte sich Marianne ein.

Max drehte sich zur Tür. „Ich bin in einem schlechten Film, oder?“ Er musterte wieder den Christbaum. „Er hat zwei Wipfel!“

„Ja, so gewachsen, Opa fand das witzig“, erklärte ich und ignorierte den Streit. „Oder er hat zu viel Schnaps getrunken und war sich nicht sicher, ob die zwei Spitzen echt sind oder er nur doppelt sieht.“

Max nickte stumm. Noch immer starrte er perplex den Baum an.

Von draußen ertönte Omas Stimme: „Schnauz meinen Buben nicht an!“ Vermutlich meinte sie Marianne, die eben Mama vor Papa verteidigt hatte.

„Was brüllt ihr denn alle so?“ Das war Opa, der sich jetzt ebenfalls ins Gefecht stürzte.

„Sag deiner Schwiegertochter, dass ich koche!“ Oma zu Opa.

„Ich? Aber warum? Ich will ja, dass die Mitzi kocht! Die kocht ja besser wie du!“

„Ich geh’ ins Bett!“ Oma warf vermutlich bereits wieder die Schürze von sich.

„Papa – kannst du nicht wenigstens zu Weihnachten deinen Mund halten?“ Paps.

„Ja, genauso wenig wie du!“, fauchte Mama angriffslustig.

Aus dem Hintergrund ertönte Alle Jahre wieder , als würde das Lied den Streit im Vorraum lieblich untermauern. Es war fast unheimlich.

„Sorry“, flüsterte ich und überflog wie Max den Christbaum. Ein Loch am Boden wäre nett gewesen, aber wie immer war es nicht zur Stelle, wenn ich es benötigte.

„Sag mal“, fragte Max und legte den Kopf schief. „Wie zündet ihr die Kerzen an?“

Ich folgte seinem Blick. Die Christbaumkerzen standen wie Stacheln in alle Richtungen ab. Ich zuckte mit den Schultern. „Gar nicht, die sind nur Deko …“

Er schaute zu mir. „Wirklich?“

„Ich lasse mich scheiden!“, schrie Oma lauthals.

„Bin ich froh!“, grölte Opa zurück.

„So ein Wahnsinn!“, brummte Heinrich. „Du hättest niemals in diese Familie einheiraten dürfen!“

„Schöne Weihnachten“, nuschelte ich mitfühlend und stierte den zerfledderten Christbaum an.

Max nickte, dann knurrte er: „Ja, schöne Bescherung auch …“

***

Ich rieb über meine Schläfen, weil ich Kopfschmerzen hatte. Der gesamte Kirchenchor hatte bereits bei uns angerufen – ob Mama heute zur Messe käme.

Sicher würde sie kommen, sie war doch im Chor. Mich beschlich das Gefühl, dass die Frage nur als Vorwand galt, um sich zu erkundigen, ob es hier etwas Neues gab. Ob der Schwule im Haus sich auch benehmen konnte.

Das ganze Durcheinander, der Streit am Nachmittag und Papas wütende Blicke in meine Richtung, die sich durch die vielen Anrufe nicht gebessert hatten – ganz im Gegenteil –, brachten mich langsam zu Fall. Ich spürte meine Fassade bröckeln. Lange konnte ich das Spiel nicht mehr aufrecht halten.

Ich war in mein Zimmer geflüchtet, um durchzuatmen, doch das Glück war mir nicht lange hold gewesen, denn Max war mir gefolgt.

„Du siehst müde aus“, murmelte er, während er selbst gähnte. Er streichelte über Hermes, der alle vier Beine von sich streckte und quer über mein Bett liegend schlief. Er war von den Mädchen völlig fertig. Max setzte sich neben ihn.

„Ich fühle mich auch so“, antwortete ich angebunden, ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen und linste auf die Uhr. Ich sollte mich für das Weihnachtsfest umziehen. Dummerweise war Max bei mir, womit ich mich entscheiden musste, ob ich wartete, bis er wieder ging, oder mich neben ihm auszog.

„Ist das immer so stressig hier?“ Er gähnte erneut hinter vorgehaltener Hand.

Ich zuckte mit den Schultern. „Nein … ja, ich weiß nicht genau. Sonst sind Marianne und Heinrich nicht hier … Heuer ist alles anders.“

„Wegen deines Vaters?“

Ich musterte ihn, dann nickte ich vorsichtig. „Er dreht irgendwie durch, frag mich nicht.“ Ich spähte erneut auf die Uhr. „Ich würde mich gerne umziehen …“, erklärte ich ihm, in der Hoffnung, dass er den Hinweis verstand.

Doch er winkte nur mit der Hand, nach dem Motto: Mach ruhig.

Ich seufzte und erhob mich. Er hatte ja recht, es wäre lächerlich, mich nicht vor ihm auszuziehen. Er hatte mich bereits heute Morgen in Shirt und Pants gesehen, da konnte ich das Shirt auch noch ausziehen. Im Prinzip hatte er mich schon gestern halb nackt angestarrt.

Unruhig schob ich einige Kisten zur Seite, um an meinen Schrank zu kommen. Zielstrebig nahm ich einen meiner Anzüge heraus.

„Ernsthaft?“ Max zeigte auf meine Auswahl. „Ein Anzug?“

„Das ist Tradition – wir ziehen uns alle elegant an.“

„Okay …“ Er überlegte. „Dann habe ich ja Glück, dass ich einen mithabe.“

„Du hast einen Anzug eingepackt?“, fragte ich überrascht, weil ich damit nicht gerechnet hatte, und hing den Kleiderbügel an die Schranktür. Unbeirrt nahm ich ein weißes Hemd aus der Ablage.

„Ja, ist im Wagen. Keine Ahnung, war irgendwie Intuition.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wir haben früher auch Weihnachten gefeiert, als die Kinder meiner Schwester noch kleiner waren. Denkst du, Familienfeste waren bei uns anders?“ Er lachte kurz. „Nein, ich erinnere mich an Weihnachtsfeiern, die einem Verwandtschaftstreffen glichen – und da ging es auch rund. Anders, aber oftmals genauso unter die Gürtellinie wie bei euch.“

„Tut mir leid, dass du das hier mitmachen musst.“

„Muss es nicht“, sagte er. „Irgendwie ist es ja nett. Dein Opa ist wirklich … cool.“

Ich schmunzelte. „Ja, Opa ist die Wucht.“ Unsicher strich ich über meinen Pulli, bevor ich ihn am Saum schnappte und über meinen Kopf streifte. Als ich die Ärmel von meinen Händen zog, ließ sich Max zurück in mein Bett fallen. Er stützte sich auf den Unterarmen ab, winkelte ein Bein an und stellte es auf der Matratze ab. Seine Blicke lagen auf mir.

„Warum feiert ihr nicht mehr?“ So gleichgültig wie möglich warf ich den Pullover über den Schreibtischstuhl.

Er zuckte abermals mit den Schultern. „Na ja, meine Schwester verbringt gemeinsam mit ihrem Mann Weihnachten immer im Süden – irgendwo am Meer, fern von allem Stress. Die Kinder sind erwachsen, haben ihre eigene kleine Familie gegründet. Und meine Eltern …“ Er überlegte kurz. „Mein Vater und ich reden seit Jahren nicht mehr miteinander – das ist eigentlich der Hauptgrund, warum wir Weihnachten nicht mehr gemeinsam feiern.“

Ich blickte verwundert zu ihm. So viele Informationen hatte ich nicht erwartet. „Warum nicht?“, rutschte es mir heraus, bevor ich länger darüber nachdenken konnte. Ich war viel zu neugierig.

„Weil ich vor Jahren den Anwaltsberuf fast ganz für die Schriftstellerei hingeworfen habe“, gab er mir bereitwillig Auskunft. „Und weil ich mich weigerte, eine Scheinehe zu führen, um Kinder in die Welt zu setzen, die später der Tradition nach die Kanzlei übernehmen könnten.“

„Oh!“, meinte ich dümmlich. Mit so viel Offenheit hatte ich nicht gerechnet.

„Ja, oh!“ Er lächelte, dann runzelte er die Stirn und überlegte. „Ihm war es egal, ob ich schwul war oder nicht, solange die Öffentlichkeit nichts erfuhr, solange niemand es in der Kanzlei mitbekam.“ Er schnaubte. „Eigentlich so ähnlich wie bei dir, nur dass mir mein Vater die Frau bereits ausgesucht hatte.“ Er ließ sich zur Gänze in mein Bett sinken. Für Sekunden starrte er an die Zimmerdecke. „Sie war die Tochter einer befreundeten Kanzlei, damit eine wirklich gute Partie. Mit unserer Eheschließung hätte sich die Firma vergrößert. Wir kannten uns seit unserer Kindheit.“ Er unterbrach sich und seufzte leise.

„Aber?“

„Aber“, begann er, „ich war schwul, ich wollte sie nicht unglücklich machen, indem ich sie mit Männern heimlich betrog. Also habe ich ihr die Wahrheit gesagt.“

„Wie hat sie reagiert?“

Er zuckte wieder mit den Schultern. „Sie schlug mir dasselbe vor, was mein Vater verlangte: eine Scheinehe, schließlich galt es die Fassade aufrechtzuerhalten. Doch das wollte ich nicht. Ich wollte mir nicht selbst ein Korsett anlegen. Ich wollte auch nicht ewig den Heteromann mit Vorzeigefamilie mimen. Also habe ich es hingeworfen. Ich tauschte den Gerichtssaal gegen das Notebook.“ Er schaute zu mir. „Mein Vater verweigerte mir folglich jedes Gespräch, solange ich nicht zur Vernunft käme.“ Er seufzte erneut. „Wir haben seit damals nie wieder miteinander gesprochen. Alle Familienangelegenheiten werden über Anwälte und die Kanzlei geregelt.“

„Wann war das?“ Ich sah ihn entsetzt an. Hoffentlich war Paps nicht ähnlich. Ich würde zusammenbrechen, wenn er mich verstieße.

„Vor Jahren, ich war 28.“

„Shit! Das ist eine lange Zeit …“

„Ist es“, erwiderte er gefasst. Fast war es, als wäre er darüber hinweg, als würde es ihn nicht kümmern.

„Und deine Mutter? Ihr redet nicht einmal zu Weihnachten miteinander?“

Er schüttelte den Kopf. „Meine Mutter denkt da ähnlich. Ein schwuler geouteter Sohn sitzt nicht mit ihr an der Weihnachtstafel.“

Ich blickte ihn erschrocken an. Er sagte das völlig gelassen …

„Häschen, ich hatte nie das Verhältnis zu meinen Eltern wie du.“ Er stützte sich wieder auf die Unterarme. „Ich wurde von einem Kindermädchen großgezogen. Deine Eltern würden für dich morden.“

„Denkst du? Ich hoffe es!“ Ich biss mir auf die Unterlippe. Der Kloß in meinem Hals nahm Ausmaße an, dass es mich wunderte, noch nicht erstickt zu sein. Unruhig schaute ich wieder auf die Uhr. „Scheiße, schon so spät …“ Ich zog mein Shirt über den Kopf und warf es achtlos zu dem Pulli.

Max fixierte mich. Seine Augen hafteten regelrecht auf mir. Ich war versucht, meine Kleider zu nehmen und mich im Bad umzuziehen, aber das wäre lächerlich gewesen. Mit zittrigen Fingern knöpfte ich meine Jeans auf, und schlagartig kam ich mir vor, als würde ich es extra für ihn tun. Als würde ich mich langsam und hingebungsvoll für ihn ausziehen.

Die Vorstellung reizte mich. Er war ein Adonis, zu wissen, dass ich ihm gefiel, wäre ein besonderer Kick gewesen. „Du glotzt“, sprach ich leise, während ich geschmeidig meine Hosen nach unten zog.

„Ich weiß“, hauchte er mit rauer Stimme.

Seine Augen lagen auf mir, er wirkte müde, aber auch gespannt, so, als müsste er jede noch so kleine Bewegung von mir beobachten.

„Das gibst du zu?“, fragte ich, ohne von ihm wegzusehen. Ich warf die Jeans neben mich und schlüpfte aus den Socken. Nur mehr mit Pants bekleidet, stemmte ich die Hände in die Seiten. Es sollte anklagend wirken.

„Durchaus!“, antwortete er besonnen. „Warum sollte ich es abstreiten?“ Er schaute zu mir hoch, bevor er mich erneut von oben bis unten musterte.

„Und dein Urteil?“ Ich war mir nicht sicher, ob ich es wissen wollte. Wenn er mich negativ bewertete, würde meine Psyche einen weiteren Knacks bekommen. Seit der Sache mit dem Praktikanten zweifelte ich ziemlich an mir.

„Nett!“

„Nett?“, wiederholte ich, schmunzelte aber. „Das ist alles? Ich bin nur nett?“

„Na ja, was willst du hören?“

„Keine Ahnung, ich …“ Ja, was wollte ich hören? Ich spielte gerade mit Maximilian von Birkheim, jenem Mann, der mich gestern noch verprügeln wollte und vor dem ich echt Schiss hatte. Und jetzt erwartete ich, dass er mit mir flirtete? War ich noch ganz dicht? „Tut mir leid.“ Ich griff unter die Anzugjacke und holte die Hose hervor. Hastig schlüpfte ich hinein und schloss sie. Dann zog ich das weiße Hemd über meine Schultern.

Max seufzte laut, bevor er sich erhob und auf mich zukam. Er griff nach den beiden Hemdseiten, die noch offen standen, und zog mich damit an sich. Nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, hielt er inne. Er war dicht vor meinem Gesicht. „Was wird das?“, flüsterte er. „Wolltest du mich gerade anmachen?“

„Ich …“, wisperte ich und linste auf seinen Mund, der verdammt verlockend war. Mein Hirn gab sich schon wieder einmal die Kugel, und wenn nicht das, musste es Fieber haben, denn ich überlegte tatsächlich, wie es sich anfühlte, ihn zu küssen. „Vielleicht ein wenig“, gestand ich ihm.

„Ein wenig“, wiederholte er und leckte sich über die Lippen.

Ein Schauer glitt mir über den Rücken, und ohne es vermeiden zu können, stöhnte ich leise.

Max grinste. „So schlimm, hm?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Schlimm … es … ich …“ Mein Sprachareal schaltete in den Stand-by-Modus, dafür schossen mir eine Menge Sexualhormone ein. Ohne nachzudenken, ging ich auf die Zehenspitzen und drückte meine Lippen gegen seine.

Max keuchte hörbar, als ich ihn küsste. Für einen Moment schien er überrascht zu sein, dennoch erwiderte er den Kuss. Zunächst vorsichtig und langsam, dann fordernder. Eine seiner Hände schlüpfte unter mein Hemd und glitt um meine Mitte zurück zu meinem Rücken. Mit der zweiten zog er mich am Stoff an sich. Ich stieß gegen seinen harten Körper und schnaufte augenblicklich laut. Meine Hände machten sich selbstständig, umschlangen ihn. Meine Zunge schob sich in seinen Mund. Er keuchte abermals, saugte aber sofort an mir und nahm mir regelrecht die Luft.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir uns küssten, aber als wir endlich voneinander abließen, zitterten meine Beine.

Max hielt mich noch immer am Hemd fest. Er stützte seine Stirn gegen meine und atmete schwer. „Du könntest mir gefährlich werden …“, gab er zu. Seine Finger glitten über meine Wirbelsäule.

Ich schloss kurz die Augen. „Nur können?“

Er stieß ein tiefes Brummen aus. „Du machst tatsächlich keine halben Sachen.“ Seine Hand, die bis jetzt mein Hemd festgehalten hatte, umfasste meinen Nacken. „Du weißt, dass ich dich gestern noch verprügeln wollte?“

Ich nickte und linste zu ihm hoch. „Ich weiß … aber …“

„Aber“, fiel er mir ins Wort. „Häschen, weißt du, was du hier tust?“ Er holte tief Luft. „Du spielst mit dem Feuer.“

„Ich weiß!“ Ich biss mir schmerzhaft auf die Unterlippe. Gott, er hatte ja recht. Ich handelte einfach instinktiv. Mein Verstand und mein logisches Denken hatten sich verabschiedet, dafür wollte mein Körper flachgelegt werden. Unbedingt – um jeden erdenklichen Preis!

Max ächzte laut. Er küsste mich auf die Stirn, dann machte er einen Schritt zurück und begann mein Hemd zuzuknöpfen.

Ich umfasste seine Finger und hielt ihn fest. „Was machst du?“, fragte ich, obwohl mir klar war, was er tat.

„Dich anziehen.“ Er lächelte. „Sieh mich nicht so an, als wäre ich die Spaßbremse. Aber das willst du nicht wirklich.“

„Doch …“ Ich schob seine Hände weg und öffnete wieder den einen Kopf, den er verschlossen hatte. Hastig beugte ich mich zu ihm und küsste ihn erneut.

Er stöhnte abermals und erwiderte den Kuss. Dennoch drängte er meine Finger zur Seite und knöpfte langsam mein Hemd zu, ohne seinen Mund von mir zu nehmen.

Ich schloss die Augen und saugte an seiner Zunge, während er den Knopf meiner Hose aufmachte und den Reißverschluss hinunterzog. Mein Schwanz pochte vor Vorfreude schwer in den Pants. Doch Max stopfte nur das Hemd in meine Hose, streifte mit den Fingern kurz über die Wölbung, bevor er den Reißverschluss und den Knopf wieder zumachte. Noch immer küsste er mich, mittlerweile hatte er meine Zunge zurückgedrängt und erforschte meine Mundhöhle.

Er war wirklich gut. Alleine, wie er seine Zungenspitze um die meine gleiten ließ, machte mich so geil, dass ich Lusttropfen wahrnahm. Doch dann umklammerte er meine Schultern und riss mich ruckartig zurück.

„Wir hören jetzt auf!“

„Warum?“ Ich hörte den Trotz in meiner Stimme. Ich wollte nicht aufhören. Das hier war so viel besser als die Weihnachtsfeier und all der Ärger im Erdgeschoss.

„Weil du immer noch du bist!“, wisperte er.

Ich wich zurück. Für Sekunden starrte ich ihn an. Weil ich ich war? „Aber …“

Sein Finger legte sich auf meine Lippen. „Pst! Lass gut sein.“

Ich biss die Zähne aufeinander. In meinem Inneren erdolchte jemand meine Seele – oder versuchte es zumindest. Ohne es verhindern zu können, schossen mir Tränen in die Augen. Ich stieß seine Hand weg. „Du sprichst über die Scheiße von Wien. Du gibst mir noch immer die Schuld für das … Ende deiner Beziehung.“ Ich schluckte hart.

„Ein wenig … Auch wenn ich zugeben muss, dass ein sehr großer Teil von mir dir vergeben hat.“

„Ich konnte nichts dafür, ich …“

„Ich weiß, dennoch werde ich immer dein Gesicht … mit der Scheiße verbinden.“

Ich schnappte nach Luft, dann schubste ich ihn wütend von mir. „Arschloch – und da lässt du zu, dass ich dich küsse? Da küsst du mich?“

Max schloss die Lider. Als er sie wieder öffnete, griff er nach mir und zog mich an seine Brust. „Ich bestreite nicht, dass es mir gefallen hat, dass ich sogar bereit wäre, weiter zu gehen, aber …“ Er küsste mich auf die Stirn. „Häschen, ich hatte einige One-Night-Stands. Danach fühlst du dich noch leerer als zuvor. Die Einsamkeit frisst dich regelrecht auf. Willst du das?“ Er drückte mich mit einer Hand gegen seine Brust, mit der zweiten umfasste er mein Kinn, womit ich gezwungen war, ihn anzusehen. „Du willst dich gerade nur trösten ...“

Ich rang nach Luft und war versucht, seine Unterstellung abzustreiten. Doch dummerweise hatte er recht. Wir kannten uns kaum, die wenigen Dinge reichten nicht aus, um eine Beziehung einzugehen.

„Shit!“ Ich ließ meinen Kopf gegen seine Brust fallen. „Du würdest mich benutzen, nicht wahr?“ Unsicher sah ich zu ihm hoch. Seine Lippen lockten mich abermals.

„So, wie du mich.“

Würde ich das? Würde ich ihn benutzen – oder würde ich mich danach in ihn verlieben? Würde ich mir wie bei meiner letzten Beziehung etwas einreden, was gar nicht da war?

Nein, das hier war anders. Außerdem hatte er mich abgewiesen, nicht umgekehrt.

Ich atmete tief durch und schob ihn von mir. Weinerlich blickte ich zu ihm auf. „Ich wünschte, wir hätten uns anders kennengelernt und die Umstände wären nicht so kompliziert. Dann hättest du mich mit anderen Augen gesehen und hättest dich in mich verliebt, ohne Vorurteile.“ Ich biss mir auf die Unterlippe. „Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich mich in dich verliebt hätte.“

„Häschen …“ Max tastete nach mir, doch ich wehrte ihn ab.

„Nein, schon okay. Es wäre falsch – das alles hier.“ Eine einzelne Träne lief mir über die Wange. „Ich werde jetzt nach unten gehen, bevor ich noch ausflippe … oder komplett heule.“ Ich wischte mir verzweifelt über das Gesicht. „Hattest du schon mal das Gefühl, etwas unbedingt haben zu wollen, obwohl du wusstest, dass es nicht richtig wäre?“ Ich drückte kurz die Lippen aufeinander, um die Tränen zu bekämpfen. „Genau so fühlt sich das gerade an. Ich weiß, dass es falsch wäre, aber …“ Ich schniefte leise. „Aber ein Teil von mir will dich! Unbedingt! Ein Teil von mir glaubt, er würde nicht mehr ohne dich leben können.“

Max musterte mich. „Häschen …“, raunte er. „Ich …“

„Nein! Sag es nicht noch einmal!“ Ich wischte erneut über mein Gesicht, weil die Tränen jetzt häufiger kamen. „Erschlag nicht auch noch den Rest in mir, der an die eine große Liebe im Leben glaubt.“ Ich biss mir auf die Unterlippe, versuchte zu lächeln, doch es misslang mir. Hastig griff ich nach meiner Anzugjacke und warf sie mir über. „Wir essen bald, also zieh dich um.“ Damit ging ich zur Tür.

„Sebastian“, sprach Max hinter mir.

Ich hielt an, ohne mich zu ihm umzudrehen. „Was?“

„Ich … Ich wollte dich nicht verletzen, aber …“ Er brummte. „Ich kann nicht sagen, was passiert wäre, wenn die Sache in Wien nicht geschehen wäre, aber so?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, wir werden es wohl nie erfahren …“

„Häschen …“ Max trat hinter mich und legte eine Hand um meine Mitte. Vorsichtig zog er mich herum.

Ich schmunzelte gezwungen und linste zu ihm hoch. Er sah beschissen aus. Vorwurf, Sorge, Mitleid und eine Spur Panik lag in seinem Blick. Ich bettete eine Hand an seine Wange und flüsterte: „Mach dir keine Gedanken, ich werde es überleben.“ Ich zwang mich zu einem weiteren Schmunzeln. „Aber vergiss nicht, dass du vom Bett aufgestanden bist und den ersten Schritt gemacht hast.“

Max runzelte die Stirn, dann überkam ihn die Erkenntnis. Mit offenem Mund blickte er mich an.

Ich ging auf Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange, nachdem ich meine Hand zurückgezogen hatte. „Ich habe lediglich die Einladung angenommen.“

***

Es war kurz vor sechs – Zeit, endlich mit dem Essen zu beginnen. Dummerweise hatte Traudi schon zweimal angerufen, dass sie und Sepp sich zum „Rach’n“ verspäteten. Das war so eine Landsache – oder besser gesagt ein Brauchtum. Man gab Glut in eine Kupferpfanne, die man mit Weihrauch bestreute. Damit ging man von Raum zu Raum sowie durch den Stall, wenn man Vieh hatte, um alles zu segnen und „einzuräuchern“. Zusätzlich hatte Sepp immer einen Hut mit dabei, den er über die Pfanne hielt und danach jedem Einzelnen aufsetzte. Der Brauch sollte reinigen, Glück sowie Gesundheit bringen. Wenn ich es richtig im Kopf hatte, gab es zwölf Raunächte, ich konnte mich aber nur an drei Weihnachtstage erinnern, an denen Traudi und Sepp zu uns „rach’n“ kamen: an Heiligabend, zu Silvester und am Dreikönigstag. Als Kind war ich deshalb immer ganz aufgeregt gewesen. Ich fühlte mich danach immer rein und sauber – bereit für das Christkind. Heute sah ich die Sache anders. Die Faszination war verflogen, ich machte mir nichts mehr daraus, ob ich gesegnet wurde oder nicht. Keine Ahnung, vielleicht verlor man mit dem Alter jede Begeisterung bezüglich Wunder und Glaube. Vielleicht lag es auch an meiner Ernüchterung, die ich schon den ganzen Tag verspürte. Obwohl ich mich anstrengte, kam keine Weihnachtsstimmung auf. Stattdessen war ich nervös wie noch nie. Die Sache in meinem Schlafzimmer belastete mich. Ich wusste nicht, was ich mir gedacht hatte, als ich Max küsste. Sicher, er war attraktiv, und seit unserem Gespräch hatte ich ein Stück weit Einblick in sein Leben und auf seinen Charakter erhalten, aber reichte das aus, um von Liebe zu sprechen?

Ich war in solchen Dingen schon immer sehr schnell gewesen. Sobald ich die Aufmerksamkeit eines Mannes erhielt, dachte ich sofort, dass er mich mochte – so richtig. Bei meinem ersten Freund und meinem Ex-Boss war es ähnlich gewesen. Bei Letzterem hatte ich mich komplett verkalkuliert, und bei Frank?

Frank war mein Erster gewesen, ein Studienkollege, der im selben Studentenwohnheim wie ich gelebt hatte. Als er ein Auslandsstipendium für L.A. erhielt, beendete er die Beziehung. Er wollte nicht zurückkommen, tat er auch nicht. Er lebte sein Leben ohne mich weiter.

Ich war ihm damals nicht wichtig genug gewesen, er hatte mich nicht einmal gefragt, ob ich mit der Ausreise einverstanden sei oder mitkommen wolle. Natürlich hätte ich das Geld für L.A. nicht gehabt, aber ich hätte nachreisen können, ich hätte …

Nein, es war, wie es war: Frank hatte mich zwar geliebt, aber als sich in seinem Leben eine neue Tür auftat, war er hindurchgegangen, ohne zurückzublicken – während ich mich nicht mehr erholen wollte. Ich hatte ihm Monate hinterhergeheult, erst nach meinem Studium war ich bereit für eine neue Beziehung gewesen – was sie ja letztendlich nicht war. Für beide Männer hätte ich mein Leben aufgegeben, für beide Männer war ich nicht gut genug gewesen.

Klammerte ich womöglich? Dachte ich, jeder Mann, der höflich und nett zu mir war, stand auf mich?

Ich war mir nicht sicher, aber das mit Max war anders. Ich hätte ihn gestern noch am liebsten zum Teufel gewünscht, erst nachts hatte ich meine Meinung gewechselt. Warum ich ihn geküsst hatte, wusste ich nicht, aber das, was ich Max in meinem Zimmer gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Er berührte etwas in mir. Ein Teil von mir fühlte sich so wohl in seiner Gegenwart, dass er unbedingt bei ihm bleiben wollte. Ich war mir auch sicher, dass wir unter anderen Umständen eine Chance gehabt hätten. Leider sah er die Sache anders, er nagte auch noch viel zu sehr an dem Betrug seines Ex-Freundes.

Mist! Ich hatte genug andere Probleme, ich sollte mir nicht zusätzliche schaffen. Da war noch immer Papa, der mich anfunkelte, als wäre ich ein Verbrecher, und Sepp und Traudi, die irgendwie zur Familie gehörten, schwulenfeindlich waren, aber von mir nichts wussten. Wenn sie von mir erfuhren, würden sie die Angelegenheit womöglich im Dorf verbreiten – ich wusste ja, wie schnell sich der Tratsch über Max herumgesprochen hatte.

Ich könnte nach den Weihnachtstagen flüchten, aber meine Familie musste bleiben. Papa würde mich hassen, wenn er wegen mir aus seiner Stammrunde im Kegelverein flog, und Mama wäre wirklich traurig, nicht mehr im Chor singen zu dürfen. Ich richtete womöglich eine Katastrophe an, zerstörte Leben. War es das alles wert? Warum konnte ich nicht einfach weiterhin so tun, als würde ich die Richtige noch nicht gefunden haben?

Weil der Richtige unter Umständen in meinem Zimmer hockte und vorhatte, in diesem Dorf zu leben. Wenn Max fix hierbleiben und ich ihm immer wieder begegnen würde, wäre das das Ende für mich. Ich würde mich ständig fragen: Was wäre, wenn …

Ich schnaufte und spähte zu Albrecht, der, ebenso im Anzug, gelangweilt mir gegenüber am Esstisch saß. Er wirkte abwesend. Vermutlich dachte er an Mario und Johannes. Er feierte das erste Fest ohne sie.

„Alles okay?“, flüsterte ich in seine Richtung.

Er blickte zu mir, dann nickte er kaum merklich. „Ist nur irgendwie seltsam.“

„Ja, kann ich mir vorstellen. Tut mir leid.“

Er nickte erneut und griff nach der Kaffeetasse, die vor ihm am Tisch stand. Nachdenklich drehte er sie im Kreis.

„Wo bleiben die denn?“, motzte Mama und linste zu Oma, die immer wieder auf die Uhr sah. Die beiden hatten sich wieder versöhnt – so war es immer –, dennoch saß Mama wie auf Nadeln. Je mehr Zeit bis zum Essen verstrich, desto öfter bekam Oma die Gelegenheit, den Braten aufzugießen. Das Resultat: Die Kruste war zu weich. Hier gab es nämlich auch zwei Fraktionen: die Harte-Kruste-Fraktion, zu der Mama, Tante Frieda, ihre Eltern, Magdalena, Opa und ich gehörten, sowie die Weiche-Kruste-Fraktion, zu der Papa, Oma, Albrecht und Horst zählten. Wie jedes Jahr gab es diesbezüglich eine Diskussion, weil Oma immer wieder heimlich aufgoss.

„Ich entschuldige mich für die Verspätung.“ Max kam in das Esszimmer.

Mir fiel die Kinnlade auf den Tisch. Meine Augen sprangen mir regelrecht heraus. Gott, sah er gut aus! Er trug einen dunklen Designeranzug, sicher keinen von der Stange, ein weißes Hemd, extra gestärkt, sowie eine schwarze Krawatte. Auch kein Billigding, sondern gewiss aus Seide. Er hatte sich sogar rasiert und die Haare gegelt. Vom Eingang her erreichte mich eine Wolke von Parfum, Rasierwasser und Aftershave … vermutlich hatte er in den Duftwässerchen gebadet. Auf jeden Fall schaute er aus wie … mir fiel nicht einmal eine passende Beschreibung ein. Ein Model aus einem Hochglanzmagazin? Jene Zeitschriften, aus denen man nicht die Kleider, sondern die Models bestellen wollte? Seine breiten Schultern füllten den Anzug millimetergenau aus, der Hemdkragen saß, als hätte ihn jemand angepasst.

„Sind Sie fesch!“, rief Oma und lächelte warmherzig. „Meine Güte, da werde ich in meinen alten Jahren noch deppert!“

Max lachte. „Danke für das Kompliment, ich kann es nur zurückgeben. Sie sehen wunderbar aus, Frau Lindner!“

Oma trug eine silberglänzende Bluse, darüber ein anthrazitfarbenes Kleid. Um ihren Hals lag eine breite Kette mit roten Steinen besetzt.

„Ja? Finden Sie?“ Sie grinste breit, dann schlug sie Opa, der neben ihr saß, auf das Bein. „Hörst es? Der findet mich fesch!“

Opa schnaubte laut. „Er ist höflich, das ist alles!“

„Höflich! Er hat Augen im Kopf. Nicht so wie du, der langsam blind wird!“

„Ich seh’ genug! Dich muss man nur nicht immer so genau anschauen!“ Opa zog die Unterlippe über die obere und brummte.

„Ja, die anderen Weiber siehst du, da setzt du notfalls sogar eine Brille auf, aber bei mir blickst du nicht einmal hin!“

„Ja, weil es nichts zum Sehen gibt!“, blaffte Opa sie an.

„Bei mir gibt …“

„Mama! Papa! Reißt euch zusammen, wenigstens heute!“ Paps starrte sie gereizt an.

„Wenn’s doch wahr ist!“, maulte Oma. „An jedem fremden Rockzipfel hängt er.“

„Ah, geh, los mich in Ruhe!“ Opa winkte ab und sah demonstrativ von ihr weg.

„Jetzt reißt euch zusammen!“, polterte auch Mama über den Tisch.

Oma und Opa verschränkten zeitgleich die Arme vor der Brust. Beide stierten sie beleidigt über die Tafel.

„Hoppla“, murmelte Max. „Da habe ich wohl etwas angerichtet.“

Albrecht schüttelte den Kopf. „Ah, sie schreit ihm seine Weiber mehrmals am Tag vor. Es war nur mehr eine Frage der Zeit.“

Max schmunzelte, zog den Stuhl neben mir heraus und meinte leise: „Ich dachte ja schon, ich wäre der Letzte …“ Er zeigte zu den leeren Plätzen von Magdalena, Horst und den Kindern. Keine Ahnung, wo diese herumtrödelten.

„Nein, die sind noch oben, die Mädels ein wenig ablenken bis zum Essen“, antwortete Albrecht. „Marianne und Heinrich fehlen auch noch, ebenso Tante Frieda. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die schon ihren Rausch ausgeschlafen hat.“

„Okay, es wäre mir nämlich unangenehm gewesen, wenn ihr auf mich gewartet hättet.“ Max öffnete den Knopf seiner Jacke und setzte sich.

Ich gaffte ihn noch immer an, vielleicht sabberte ich sogar. Mein Verstand schlug nämlich Purzelbäume, beglückwünschte das Sexualtriebareal und legte sich dann schlafen. Sämtliche Hormone schossen abwärts, meine Hose wurde eng.

„Mach den Mund zu, Sebastian!“, riss Albrecht mich aus den Gedanken.

Ich glotzte zu ihm. Er grinste blöd und zwinkerte mich an.

Schlagartig presste ich die Lippen aufeinander und blickte auf den Tisch, der weihnachtlich dekoriert war. Ein Loch – ich brauchte ein Loch, in das ich springen konnte!

War es nicht schon peinlich genug, dass ich Max geküsst und er mich abgewiesen hatte? Musste ich ihn jetzt noch mit den Augen verschlingen? Vor allen?

Vorsichtig spähte ich zu Papa, der mit ernster Miene zu uns sah. Als sich unsere Blicke trafen, schauten wir gleichzeitig weg. Ja, er hatte es auch mitbekommen.

„Vor dem Essen wird noch g’racht “, erklärte Albrecht. „Die Nachbarn kommen mit Pfanne und Weihrauch und räuchern alles durch.“

Max nickte unwissend. „Aha. Und das bringt … Glück? Gesundheit?“

„Ja, so eine Art Segnung, eine Vertreibung des Bösen.“

„Eine Selbstbeweihräucherung“, warf ich ein.

Max musterte mich kurz und nickte erneut. Ich war mir nicht sicher, was in seinem Kopf vor sich ging, aber sein Blick war jetzt anders. Fast war es, als würde er noch immer über meine Worte von vorhin nachdenken.

Vielleicht war es ihm auch scheißegal, und ich redete mir schon wieder einmal etwas ein.

„Wie lange dauert das noch?“, rief Magdalena aus dem Vorraum und kam in den Essraum, womit ich zumindest von Max abgelenkt war. Sie war geschminkt und trug ein bodenlanges, dunkelblaues Abendkleid, das ihr wirklich stand. Um die Hüften lag es etwas eng auf, aber man konnte noch immer ihre Figur von früher erkennen. Der seitliche Schlitz zeigte genug Bein, um Männerfantasien anzuregen. An Horsts Stelle würde ich die Mädels heute Nacht Mama und Papa andrehen.

„Traudi meinte, sie kommen gleich!“ Mama zuckte entschuldigend mit den Schultern.

„Du bist gleich fesch wie der Herr von Birkheim!“, mischte sich Oma wieder ein und vergaß, dass sie eigentlich schmollte.

Magdalena wandte sich zu Max. Für Sekunden starrte sie ihn an, dann schrie sie: „Bist du deppert!“

Max wusste gar nicht, wie ihm geschah, er atmete nur laut ein.

„Meine Güte!“ Magdalena trat näher und strich über seinen Anzug. Ihre Finger umklammerten seine Krawatte. „Ich würde ja an dir lecken, aber der Horst hätte was dagegen.“

Max griff nach ihren Fingern und schob sie von sich. „Herzchen, das hat schon früher nicht funktioniert und tut es noch immer nicht.“ Er lächelte freundlich.

„Ich weiß.“

Hatte ich etwas nicht mitbekommen? Fragend blickte ich von Magdalena zu Albrecht, doch der ignorierte mich.

„Dann leck du, Sebastian“, holte sie mich aus den Gedanken. „Und sag mir danach, wie es war. Aber leck ordentlich!“

Ich riss geschockt den Mund auf. Mein Hirn war noch im Stand-by-Modus, deshalb fand ich keine Worte, was auch nicht nötig war. Denn von Mama als auch Papa kam ein lautes Schnauben.

„Magdalena!“ Mama fixierte sie. Die Worte „Darüber reden wir nicht!“ hingen unausgesprochen im Raum.

Ich stieß leise die Luft aus. Der Kloß in meinem Hals pflanzte sich fort und breitete sich in meinem Magen aus. Mir wurde schlagartig schlecht.

„Jaja“, maulte Magdalena und schaute zwischen Max und mir hin und her. Sie grinste, dann klopfte sie Max auf die Schulter. „Na ja, wenigstens bleibst du in der Familie. Damit bist du nicht ganz vergeudet.“

Max riss den Kopf zu mir herum. „Weiß ich etwas nicht?“

„Nein, du weißt alles“, antwortete ich gereizt und warf Magdalena einen stechenden Blick zu.

Zum Glück klingelte es an der Haustür, womit ich gerettet war. Erleichtert atmete ich auf.

„Endlich“, fauchte Mama und sprang hoch. „Ruft die anderen!“ Sie eilte zur Haustür. Magdalena lief nach oben, um Horst und die Mädels zu holen. Wahrscheinlich auch Marianne, Heinrich und Tante Frieda.

Von draußen hörte man aufgeregtes Schnattern. Traudi erzählte von irgendeinem Missgeschick, während Sepp mehrmals das Wort „Blödsinn“ wiederholte. Anscheinend teilte er ihre Meinung nicht.

Sekunden später erschienen sie im Esszimmer. Ein fröhliches Hallo erklang. Marianne und Heinrich gesellten sich dazu. Alle waren unerwartet gut gelaunt – meiner Meinung nach grenzte es an Scheinheiligkeit. Es wurden Hände geschüttelt und ein schönes Fest gewünscht. Marianne hängte sich an Max’ Arm, auch sie war begeistert von seiner Aufmachung. Als hätte niemand von ihnen bereits zuvor bemerkt, wie gut er aussah. Als wäre nur mir das aufgefallen. Still beneidete ich sie dafür, dass sie ihn anfassen durfte, ohne dafür in Teufels Küche zu kommen.

Max lächelte zuvorkommend, befreite sich aber von ihr, als er Traudi begrüßte. Diese wirkte unruhig in seiner Nähe, wahrscheinlich hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie das ganze Dorf gegen ihn aufwiegelte. Ihre Augen, als er ihr ein Kompliment für ihre extravagante, meiner Meinung nach hässliche Brosche machte, leuchteten. Es war, als würde sie für einen Moment vergessen, dass er schwul war und sie ihn deshalb nicht mögen durfte.

Sepp räucherte in der Zwischenzeit den Raum. Er nebelte ihn so sehr ein, dass ich mir nicht sicher war, ob nicht gleich der Rauchmelder losging. Als er fertig war, nahm er seinen Hut vom Kopf und hielt ihn über die Glut. Wie immer bekamen Oma und Opa den Vortritt.

„Eigentlich ist das Aberglaube, oder?“, sagte Max leise an Albrecht gewandt.

„Ja, befreit dich von all deinen Schandtaten!“ Er grinste breit.

„Aha. So einfach geht das …“ Max schmunzelte. „Hätte ich das mal früher gewusst …“

Ich sah mich um. Magdalena und Horst fehlten noch immer mit den Mädchen. Lydia und Clara waren ob des „Rach’ns“ regelrecht aufgeregt gewesen. Wenn sie es jetzt versäumten, wären sie vermutlich enttäuscht.

„Mich erinnert das an eine Sekte“, sprach Marianne mitten in den Brauch hinein. Sie kicherte dümmlich, als Sepp ihr den Hut aufsetzte. „Unser Kindermädchen für Maria und Frieda machte auch solche Beschwörungen. Das einfache Gesinde war immer leicht anfällig für solche Dinge.“

„Mutti!“, rief Mama sofort.

„Ist ja so. Menschen, ohne Bildung, sind dafür anfälliger.“ Marianne lächelte lieblich, während sie von Sepp zu Traudi blickte. „Dazu gibt es Studien!“

„Jetzt reiß dich zusammen“, zischte Mama gereizt und duckte sich unter Sepps Hut.

Marianne presste die Lippen aufeinander. Sie verstand nicht, was Mama für Probleme hatte. Fast war es, als hätte sie uns nicht gerade als niederes Gesinde mit wenig Bildung beschimpft.

Sepp brummte und ging zu Albrecht weiter. Als Max sich ebenfalls dem Brauch anschloss, hielt er inne. „Sie wollen das auch?“

Max glotzte ihn verdutzt an. Er war sich nicht sicher, was Sepp von ihm wollte. „Ähm …“ Er schaute Hilfe suchend zu Albrecht, der nur mit den Augen rollte, Sepp den Hut wegnahm und Max beweihräucherte.

Sepp riss Albrecht den Hut sofort wieder aus der Hand. „Das hilft bei dem auch nix!“ Er wandte sich Papa zu.

„Wie bitte?“ Max zog eine Braue hoch. Ich war mir nicht sicher, ob er Sepps Worte nicht verstanden hatte oder er die Aussage hinterfragte.

„Nix!“, murrte Sepp unfreundlich, setzte Papa den Hut auf und drehte sich danach mir zu. Ich war versucht, seine Hand wegzustoßen. Wenn Max den Segen nicht verdiente, dann war es bei mir ähnlich. Denn genau das hatte er wohl sagen wollen. Dass der Segen bei Schwulen nicht half, weil wir sündigten.

Der Hut legte sich über meinen Kopf, meine Lippen bebten, aber ich bekam keinen Ton heraus. Dafür rebellierte mein Magen. Wenn sich die Situation noch mehr zuspitzte, würde ich kotzen und Weihnachten am Klo verbringen.

„Setzt euch!“, befahl Opa und zeigte auf den Esstisch, auf dem Kuchen, Strudeln und Kekse hergerichtet waren.

„Ich hole den Kaffee!“ Mama nahm Sepp die Kupferpfanne ab und eilte damit aus dem Raum.

„Magdalena und Horst fehlen noch“, wisperte ich zu Albrecht. „Die Mädchen wollten unbedingt dabei sein.“

Albrecht bejahte. „Sie werden schon noch kommen. Ich bin mir nicht sicher, ob Magdalena sich nicht bewusst etwas Zeit lässt.“

Ich nickte verstehend, während ich mich setzte. Das hieß wohl, sie hatte sich mit Horst aus dem Staub gemacht. Die Besuche von Sepp und Traudi waren immer anstrengend, vor allem zu Weihnachten, wo sie einfach nicht gehen wollten. Seit ihre Tochter erst am Stephanitag mit Mann und Kindern nach Hause kam, saßen sie gerne bei uns herum – womit wir alle auf das Essen warten mussten. Das hatte zur Folge, dass wir die Bescherung auf später verschieben mussten, weil Mama in die Christmette ging. Wenn es ganz blöd lief, schliefen die Mädchen, bevor das Christkind kam.

Sepp ließ sich wie ein Sack Kartoffeln auf den Stuhl fallen. Er stützte sich mit beiden Armen auf den Tisch und betrachtete uns der Reihe nach. So machte er das immer. Als würde er prüfen, ob wir auch alle artig am Tisch saßen und gewaschen waren. Ich machte mich automatisch ein Stück kleiner, als er von Max zu mir sah. Wahrscheinlich wirkte ich neben Max ohnehin wie ein Häufchen Elend. Mein Wissen, dass Sepp schwulenfeindlich war und er uns gerade musterte, erschwerte die Sache nur. Dass ich vor Jahren auf Sepps Schoß gesessen und so getan hatte, als wäre er ein Pferd und ich würde reiten, war vergessen. Er war mir unerwartet fremd.

„Wo ist eigentlich die Karin? Und die Buben?“, riss er mich aus den Gedanken.

Ich schluckte. Ach ja, das leidliche Thema gab es ja auch noch.

Albrecht ächzte. „Nicht mit.“ Ich wusste, er überlegte gerade, ob er die Wahrheit sagen sollte. Dummerweise saßen Marianne und Heinrich am Tisch, die jede Lüge sofort aufdecken würden.

„Wieso nicht? Ist sie krank?“ Traudi setzte sich neben Sepp und zog sich den Keksteller näher.

„Nein, sie ist kerngesund“, gab Albrecht kühl als Antwort. „Wir leben aber in Scheidung, deshalb ist sie bei ihren Eltern. Mit den Jungs.“

Traudi hielt in der Bewegung inne. Der Keks schwebte irgendwo in Höhe ihres Mundes, während sie sprachlos zu Albrecht gaffte. „Scheiden?“, plapperte sie und leckte sich über die Lippen. Vermutlich das Signal, dass ihr Verstand von Sprachlosigkeit auf Buschfunk geschaltet hatte, was so viel bedeutete wie, dass es jetzt nur noch darum ging, so viele Informationen wie möglich zu erhalten. „Scheiden?“, wiederholte sie noch einmal, als müsste sie sich absichern, richtig verstanden zu haben.

Albrecht nickte. Wie ich wusste er, dass Traudi die Kunde sofort, nachdem sie zu Hause angekommen war, im Dorf weitererzählte. Spätestens bei der Christmette wussten es alle, dafür würde sie sorgen.

„So was“, murrte Sepp und nahm sich ein Stück Kuchen. „Scheiden. Bei uns hätte es das früher nicht gegeben.“ Er blickte zu Papa, der stumm zu Albrecht sah. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Paps war vermutlich gerade bewusst geworden, dass er bald doppelt, wenn nicht gar dreifach ins Gerede kam. Zuerst Max, der in seinem Haus übernachtete, dann womöglich ich, weil ich plötzlich nicht mehr hetero sein wollte, und jetzt auch noch Albrechts Scheidung.

Tja, was er wohl falsch gemacht hatte, dass ihm das Schicksal so derartig aufsaß?

„Gustl, findest du nicht? Wir hätten uns das nicht getraut“, wiederholte Sepp, weil Papa bis jetzt nichts zu seinem Urteil gesagt hatte. Fast war es, als würde Sepp Albrecht vorwerfen, sich nicht genug in seiner Ehe angestrengt zu haben.

„Na ja, hilft ja nichts“, gab Paps schließlich von sich. „Wenn es nicht mehr geht …“

„Irgendwie geht es immer!“, konterte Sepp und schaute abermals streng zu Albrecht.

„Nein, leider nicht“, mischte sich Max ein, vermutlich weil er Albrecht unterstützen wollte. „Ich bin Anwalt, Sie glauben nicht, wie hässlich so mancher Ehekrieg werden kann, wenn man zu lange wartet. Albrecht und Karin sind an einem Punkt angelangt, an dem sie beide einsehen, dass es nicht mehr funktioniert, sie aber noch vernünftig denken können, um nicht den Wunsch zu haben, den anderen mit Zwang zu schaden. Das passiert leider viel zu oft.“

Sepp biss von seinem Kuchen ab. Er überlegte aufmerksam, dann erinnerte er sich an die Kernaussage der Worte. „Sie sind Anwalt?“ Er schluckte den Bissen ohne zu kauen nach unten.

Max bejahte ruhig. Er verstand wohl nicht, was das mit dem Thema zu tun hatte.

Sepp spähte zu Traudi, die unruhig an einem Keks knabberte. Ich wusste, was sie dachten: Hoffentlich zeigt uns der nicht an, wenn wir zu viel von ihm im Dorf weitererzählen. Das war nämlich ein Landproblem. Hier wurde sofort jeder immer gleich angezeigt. Als wäre das möglich gewesen. Gegen manche Sachen konnte man eventuell klagen, aber man konnte keine Anzeige machen. Die meisten Einheimischen kannten den Unterschied jedoch nicht. Dementsprechend wurde oftmals jede Kleinigkeit angezeigt – nur verbal verstand sich. Es ging nur darum, den anderen einzuschüchtern und in die Knie zu zwingen.

„So schade um sie“, warf Marianne ein und kam auf das ursprüngliche Thema zurück – was ich ihr nicht vorwerfen konnte. Sie wusste nichts von Sepps und Traudis Vorwürfen. „Karin war so eine nette Frau – und auch so intelligent!“ Sie schaute zu Albrecht. „Na ja, vermutlich hat sie sich gelangweilt. Du bist ja ein einfacher Mann.“ Sie lächelte lieblich, als würde sie sich erinnern, dass Albrecht der Sohn ihrer Tochter war und sie deshalb gezwungen war, ihn zu mögen. „Aber ihr hattet sicher kaum Gesprächsstoff, wo sie doch so gebildet war.“

„Bum!“, flüsterte Max. „Je später der Tag, desto netter die Komplimente.“ Er schüttelte ungläubig den Kopf und nahm sich ein Vanillekipferl von dem Teller vor uns.

Albrecht schnaubte laut. Für Sekunden sagte er nichts, sein Kopf verfärbte sich dennoch rot. Ich wusste, gleich würde er explodieren, scheißegal, ob es sich bei seinem Opfer um Marianne handelte oder jemand anderen. Er schnappte nach Luft, dann zischte er schon über den Tisch: „Ja, du hast recht, die Karin war so intelligent, dass sie sich nicht einmal mehr daran erinnerte, verheiratet zu sein. Vielleicht dachte sie, Bigamie wäre in Österreich erlaubt.“

Papa sah geschockt zu ihm. Vermutlich hatte er nicht gewusst, dass Karin einen anderen hatte. Wahrscheinlich hatte Albrecht nur mir heimlich davon erzählt.

„Bigummi? Was?“ Oma schaute verdutzt zu Paps.

„Bi-ga-mie“, wiederholte Marianne sofort und beugte sich belehrend über den Tisch. „Das ist eine Doppelehe.“

„Was?“ Oma zog das Wort in die Länge. „Darf man das?“

„Nein, darf man nicht!“, knurrte Paps, ohne zu ihr zu sehen. Noch immer blickte er zu Albrecht. Eine Mischung aus Schock, Mitleid und Wut lag in seiner Mimik.

„Ja, und wie geht das dann?“ Oma wandte sich verwirrt an Opa.

„Sie hat einen Neuen!“, schrie dieser so laut, dass es vermutlich sogar Mama bis in die Küche hörte.

Oma riss den Mund auf, sie überlegte kurz, dann meinte sie: „So eine blöde Wabn 17 . Na, sie war eh schon immer so deppert.“

Traudi pflichtete ihr sofort bei. „Ja, die dachte immer, sie wäre was Besseres.“ Sie schaute mitleidend zu Albrecht. „Sei froh, dass du sie los hast. Findest sicher bald eine Neue.“ Vergessen war der Standpunkt, dass man sich nicht scheiden lassen durfte.

Albrecht rollte mit den Augen. „Darum geht’s doch gar nicht.“

„Sicher! Brauchst ja eine, die für dich sorgt.“ Sie biss von einem Keks ab und überlegte intensiv. „So eine blöde Hex’!“

„Hör auf!“, rief Albrecht gereizt über den Tisch. „Sie ist immer noch die Mutter meiner Kinder!“

Traudi glotzte sprachlos zu ihm. Albrecht hatte sie wohl noch nie so angefahren.

„Meine Güte, ihr seid heute alle schlecht gelaunt.“ Sepp zeigte zu mir. „Der Sebastian reagiert heute ja auch auf jede Kleinigkeit.“

Ich griff nach einem Zimtstern und stopfte ihn mir in den Mund, um nicht antworten zu können. Sonst wäre ich vermutlich gleich vorlaut wie Albrecht geworden. Meine Finger zitterten regelrecht vor Unruhe, Wut … und auch vor Angst.

„So sind die immer!“, mischte sich Marianne wichtigtuerisch ein. „Das liegt an der mangelnden Erziehung.“

„Ich hole gleich eine Flasche Harakiri aus dem Auto und misch’ ihn allen in den Kaffee.“ Albrecht sah zu mir. „Dann wird es endlich ein ruhiges und besinnliches Fest, weil dann alle ihren Rausch ausschlafen müssen.“

Ich nickte verstehend. Der genannte Orangen-Kräuterlikör hatte einen Alkoholanteil von 56 %.

„Wie ist denn der Neue von der Karin?“, streute Marianne weiterhin Salz in die Wunde, als hätte sie den Kommentar von Albrecht nicht gehört. „Der hat sicher Universitätsabschluss. Sie wird ja nicht zweimal denselben Fehler machen.“ Lächelnd legte sie die Finger auf Heinrichs Hand. „Erinnere mich, dass ich sie anrufe, wenn wir wieder zu Hause sind. Ich werde sie beglückwünschen.“

Albrecht sog die Luft so laut ein, dass ich kurz befürchtete, er würde aufstehen und Marianne eigenhändig aus dem Haus werfen. Wir hatten ebenfalls Universitätsabschluss – alle drei –, aber das zählte wieder einmal nicht. Im Grunde war es auch unwichtig. Marianne nörgelte einfach gerne.

„Marianne, es reicht langsam, gell? Überspann meine Gastfreundschaft nicht!“, verteidigte Paps plötzlich Albrecht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie herausfordernd an.

„Wie?“ Marianne schaute ihn nichts ahnend an. Ich fragte mich, ob sie die geborene Schauspielerin war oder wirklich nicht checkte, welchen Schwachsinn sie von sich gab.

„Leid kannst du einem tun“, nuschelte Traudi mit vollem Mund und beäugte Albrecht mütterlich besorgt. „Wer kocht denn jetzt für dich? Oder wäscht dir die Wäsche?“

Das war so typisch, als ginge es in einer Beziehung oder Ehe nur darum. Ich war versucht, mit der Stirn auf den Tisch zu schlagen – so fest, dass ich den Schwachsinn gleich wieder vergaß.

„Ich selbst?“ Albrecht linste zum Schrank nebenan – die Minibar. Wahrscheinlich überlegte er gerade, ob er sich selbst etwas Hochprozentiges holen sollte. Der Harakiri war dummerweise im Wagen, zu weit weg, um sich auf dem schnellsten Weg zu betrinken.

„Meine Güte“, brummte Sepp, biss von dem Kuchen ab und meinte, ohne zu schlucken, zu Papa: „Du bist ja doppelt gestraft zu Weihnachten.“

Sofort horchte ich auf. Hitze stieg mir in die Wangen, mein Puls raste. Was sollte das wieder bedeuten?

Als hätte ich die Lunte gerochen, blickte Papa schlagartig zu mir. Er setzte zum Sprechen an, brach aber wieder ab. Dann murrte er endlich: „Man muss es nehmen, wie es kommt.“

Mir wurde abermals schlecht. Hatte Papa Sepp etwa erzählt, dass ich schwul war? Machte er mir Vorwürfe, obwohl er längst selbst damit hausieren gegangen war? Wozu dann das ganze Theater? Warum die Vorhaltungen und Drohungen? Warum warf er mich nicht einfach raus?

„Man bekommt im Leben nix geschenkt“, sprach Papa weiter und stützte sich auf seine Unterarme am Tisch ab.

„Ja, das stimmt.“ Sepp schaute von mir zu Albrecht und am Schluss zu Max. „Anwalt!“, klagte er. „Das wussten wir nicht.“

Traudi schüttelte hastig den Kopf, als würde sie Sepps Worte bestätigen.

Max lachte auf. „Ich habe es auch nirgends angegeben. Wozu auch?“

Meine Güte, er hatte keine Ahnung, was Sepps Worte bedeuteten. Bei Gelegenheit sollte ich ihm sagen, wie eine Dorfgemeinschaft funktionierte. Wenn er weiterhin so naiv und weltoffen wäre, würde er noch vor dem ersten Jänner öffentlich hingerichtet werden.

„Wir dachten, Sie sind Schriftsteller.“

„Bin ich auch. Zurzeit schreibe ich nur.“

„Also kein Anwalt mehr?“ Ich wusste, Sepp wollte nur herausfinden, ob Max zur Gefahr für sie werden könnte.

„Doch, schon. Ich bin nur nicht mehr vor Gericht direkt tätig.“

„Der Herr von Birkheim ist ein sehr gebildeter Mann“, mischte sich Marianne schon wieder ein. „Schriftsteller und Anwalt. Ihre Eltern sind sicher stolz auf Sie.“

Sepp stieß ein sarkastisches Geheule aus. „Ja, das sind sie ganz bestimmt.“

Max runzelte die Stirn, während ich mit Magenkrämpfen kämpfte. Ich wusste genau, was Sepp gemeint hatte. In mir kochte etwas auf. Entweder ich übergab mich gleich oder ich platzte vor Wut – irgendwas musste aus mir raus. „Darauf kommt es im Leben doch gar nicht immer an.“

Sepp schaute zu mir. „Was meinst du? Dass die Eltern auf einen stolz sind?“ Er lachte polternd. „Ja, Bub, was glaubst du denn? Denkst du, der Gustl würde sich nicht kränken, wenn du in Wien was weiß Gott getrieben hättest, statt brav zu studieren und dann zu arbeiten?“

Ich blickte zu Papa. „Was hätte ich denn treiben sollen?“

Sepp winkte ab. „Das war ja nur so dahingesagt. Du warst ja eh immer ein anständiger Bub – im Gegensatz zu anderen.“

Ich linste zu Sepp und schluckte. Magensäure schob sich meine Speiseröhre hoch. Ich atmete tief durch, bevor ich wieder zu Papa sah. „Wäre es manchmal nicht besser, die Entscheidungen seiner Kinder zu akzeptieren, so lange sie nur glücklich sind?“

Paps fixierte mich. Seine Mimik war bar jeder Wut, stattdessen lag Verzweiflung darin.

„Sicher will man, dass die Kinder glücklich sind, aber auf manche Dinge kann man einfach nicht stolz sein, die sind dann eher zum Schämen“, erklärte Sepp seelenruhig, als würde er nicht gerade Anspielungen auf Max’ Sexualität machen.

„Was, zum Beispiel?“, bohrte dieser nach. Er lehnte sich gelassen in seinem Stuhl zurück. Ich hatte ihn eindeutig unterschätzt. Bis jetzt hatte ich gedacht, er ahnte nicht, wohin dieses Gespräch führte, aber er spielte wohl nur nach Sepps Regeln. Grinsend legte er den Arm hinter mir auf die Stuhllehne und blickte Sepp herausfordernd an.

„Na ja“, begann Sepp, weil es ihm plötzlich unangenehm war, direkt auszusprechen, was er bis jetzt nur angedeutet hatte. „Es gibt halt welche, für die man sich genieren muss.“

„Ja“, wiederholte Max mit einem Lächeln, das nicht seine Augen erreichte. „Das sagten Sie bereits. Aber was meinen Sie genau? Nennen Sie uns ein Beispiel!“

Sepp wischte sich unruhig über den Mund und sog laut die Luft ein. „Also … es gibt da … also … Wenn jemand aus der Kirche austritt, zum Beispiel. Als Elternteil schämt man sich da schon.“

„Ah, die Religionsfrage!“ Max grinste, seine Fingerspitzen berührten sachte meinen Nacken.

Ich zuckte. Was machte er da? Wollte er Sepp und die anderen provozieren? Oder mich necken? Er hatte mich bereits abgewiesen, noch einmal mit mir zu spielen, wäre mehr als unfair.

„Die katholische Kirche schließt leider gerne Randgruppen aus, obwohl sie behauptet, vor Gott wären alle Menschen gleich.“

Sepp winkte ab und griff nach einem neuen Stück Kuchen. „Alle sind gleich …“, schwatzte er. „Manches ist gegen die Natur.“

Max nickte verstehend. „Aber schuf Gott nicht die Natur? Wie kann etwas gegen die Natur sein, wenn alles seine Schöpfung ist?“

Sepp riss den Mund auf und schloss ihn wieder. Unbeholfen kratzte er sich am Kopf, während er den Kuchen in seiner Hand musterte.

Spiel – Satz – Sieg!

Ich war versucht aufzulachen, wenn die Situation mich nicht direkt betroffen hätte.

„Bitte überspann den Bogen nicht“, murmelte Albrecht zu Max.

Er linste zu ihm, bevor er sich wieder zu Sepp wandte. Letzterer beäugte noch immer unbeholfen seinen Kuchen.

„Das ist eine sehr interessante philosophische Ansicht“, mischte sich Marianne wieder ein. Bedeutend lächelte sie über den Tisch. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

„Dann tu mir einen Gefallen, und lass es bleiben.“ Opa beugte sich zu ihr und tätschelte ihr die verschränkten Finger am Tisch. „Wir wollen ja nicht, dass du dich überforderst.“

Marianne zog die Nase hoch, Opa grinste breit.

„Papa! Lass das!“ Paps warf ihm einen warnenden Blick zu.

Opa ließ sich wieder in seinen Sessel zurückfallen. Schmunzelnd verschränkte er die Arme vor der Brust.

„Der Kaffee“, trällerte da Mama, und ich wusste nicht, ob es der perfekte Moment war, um die Unterhaltung zum Glück zu unterbrechen, oder Pech, weil die Sache nicht weiter ausdiskutiert wurde. Sie kam mit einem vollen Tablett herein, über das sie kaum sah.

Max sprang auf und eilte ihr entgegen. „Ich nehme das schon.“ Mama konnte ihn nicht einmal abwehren, da trug er das Tablett bereits zum Tisch.

„Danke“, wisperte sie und wirkte völlig überrascht, weil Max – ausgerechnet der nichts ahnende Schwiegersohn in spe – ihr geholfen hatte.

Tja, ich wollte sie ja nicht enttäuschen, aber das wurde nichts mehr. Ein brennender Stich fuhr durch meinen Körper, und ich seufzte laut. Max setzte sich wieder und strich dabei über meine Schultern. Keine Ahnung, ob er die anderen ärgern wollte oder mich trösten. Beides war scheiße, weil eigentlich er der Grund für den Großteil der Konflikte war. Gut, er war unschuldig zum Handkuss gekommen, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass seine Fürsorge oder Herausforderung gerade unpassend war.

„Sebastian, einen Cappuccino für dich!“ Mama reichte mir eine Tasse, bevor sie nach der nächsten griff und hinter mir vorbei zu Max ging. „Und für dich auch, Max, gell?“ Sie stellte die Tasse auf dem Tisch ab und legte uns je einen Arm um die Schultern. „Das weiß ich mittlerweile, wo du doch schon fast zur Familie gehörst!“ Sie drückte uns, hauchte uns jeweils einen Kuss auf die Wange und ging zum Tablett zurück. Damit wollte sie mir wohl klarmachen, dass sie mich liebte und ich noch immer ihr Sohn war – vor Traudi und Sepp. Ein Zeichen, das mich eigentlich glücklich hätte aufspringen lassen sollen. Dummerweise war es gerade etwas ungünstig. Ich schluckte, Max’ Blick lag eisern auf mir.

„Häschen“, flüsterte er. „Weiß ich etwas nicht?“ Seine Finger legten sich erneut um meinen Nacken.

„Doch“, fauchte ich und schüttelte seine Hand ab, „du weißt alles!“

Er murrte, dann nahm er einen Schluck von seinem Cappuccino. „Ich lege dich übers Knie, wenn du hier Spielchen spielst.“

Mein Magen zog sich zusammen, der Duft des Cappuccinos stieg mir in die Nase und ich war versucht, zu würgen. Unsicher linste ich zu Albrecht.

Er schaute zwischen uns hin und her und schmunzelte breit. „Ich schlage euch beide, wenn ihr mich verarscht.“

„Über was habt ihr gerade geredet?“, fragte Mama unwissend in den Raum und verteilte weiterhin den Kaffee.

„Über Gottes Schöpfung haben wir geredet“, erklärte Opa. „Wo ist mein Pu-Tschino ?“

„Ich bringe ihn gleich.“ Mama schob zwei Tassen zu Oma und Opa.

Opa beugte sich vor und rief: „Da ist keine Schokolade drauf!“

Ich seufzte und erhob mich. „Ich geh’ schon.“ Hastig öffnete ich die beiden obersten Knöpfe meines Hemdes. Mir war viel zu heiß, die ganze Situation zwang mich langsam in die Knie. Am liebsten hätte ich auch die Anzugjacke ausgezogen, aber das ging nicht, Marianne hätte sich nur künstlich darüber aufgeregt.

Ich latschte in die Küche, schnappte die Schokoflocken und atmete tief durch. Warum war ich nicht so intelligent gewesen wie Magdalena und Horst? Die saßen sicher oben in ihrem Zimmer und sahen mit den Mädels irgendeinen Weihnachtsfilm an. Ich schnaufte laut aus, dann eilte ich in das Esszimmer zurück und ging zu Opa. Er grinste breit, als er die Schachtel mit den Schokoflocken in meinen Händen sah.

„Wenn Gott alles geschaffen hat, hat er dann auch das Böse erschaffen?“, fragte Heinrich gerade und nahm das Thema von vorhin wieder auf.

Das war genau die Frage, auf die sich Sepp stürzen könnte, wenn er mitdachte.

„Sie meinen, ob Gott Luzifer erschaffen hat?“ Max lehnte sich in seinem Sessel zurück, streckte einen Arm auf meinem Stuhl aus und hielt in der zweiten Hand seine Cappuccinotasse. Er sah so gut aus, dass ich am liebsten zu ihm gelaufen wäre und mich in seine Arme geworfen hätte.

Heinrich nickte und stützte sich interessiert auf den Tisch.

„Luzifer ist ein gefallener Engel, von Gottes Hand geschaffen, aber auch durch ihn gefallen, weil er seine Schöpfung infrage stellte“, erläuterte Max ruhig und nippte dann an seinem Cappuccino. Es war wirklich schade, dass Tante Frieda nicht hier war, sie würde vor Entzückung ausflippen – nicht nur, weil Max so gut aussah, sondern auch weil er so viele Dinge wusste. Und er musste jedes Thema anscheinend ausschlachten, denn er fragte: „Sprechen Sie etwas Bestimmtes an?“

Heinrich nickte abermals. „Na ja, nehmen wir Homosexuelle. Laut Ihrer Beschreibung hätte Gott sich ja etwas gedacht, als er sie schuf.“

Ich riss den Mund geschockt auf und schüttete viel zu viel Schokolade über Opas Pu-Tschino . Ahnte Heinrich etwas, oder war es Zufall?

Ich schaute von Mama zu Papa, die beide Heinrich anblickten, als hätte er gerade ihr Haus für die Pfändung freigegeben.

„Homosexuelle“, wiederholte Max unbeeindruckt. „Er hat sich sicher etwas gedacht – er schuf den Menschen ja nach seinem Ebenbild.“

„Dann meinen Sie, Gott ist homosexuell?“

„Homosexuell, heterosexuell, bisexuell, transsexuell, intersexuell – was macht es für einen Unterschied?“

„Einen gewaltigen!“, mischte sich Sepp ein. Dass Gott schwul sein könnte, war zu viel für ihn. „Der Herrgott hat Frau und Mann erschaffen und nicht Mann und Mann – oder Frau und Frau.“

Max nahm einen weiteren Schluck von seinem Cappuccino, dann lächelte er schelmisch. „Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen. Er liebt die Vielfalt, schließlich hat er uns alle bunt angemalt. Oder denken Sie, die vielen unterschiedlichen Hautfarben waren ein Versehen? Würden Sie damit nicht an Gottes Schöpfung zweifeln? Ähnlich wie Luzifer?“

Albrecht begann zu lachen, er versuchte es nicht einmal hinter einem Hustenanfall zu verstecken.

„Aber in der Bibel steht: Du sollst nicht bei einem Manne liegen.“ Sepp steckte sich triumphierend ein Kuchenstück zwischen die Lippen. „Schlimm genug, dass es manche trotzdem machen.“

Mir wurde schlagartig wieder schlecht.

„In der Bibel steht: Du sollst nicht bei einem Manne und bei einer Frau liegen“, konterte Max. „Also eigentlich bei gar keinem. Wie sollten wir uns dann aber fortpflanzen? Meiner Meinung nach wurde sie zu oft adaptiert, um hier vernünftige Rückschlüsse ziehen zu können. Hätte Gott gewollt, dass wir keinen Geschlechtsverkehr hätten, hätte er uns keine Geschlechtsteile gegeben. Hätte er nicht gewollt, dass wir Spaß haben, hätte er uns keinen Orgasmus geschenkt.“

Sepp starrte Max mit offenem Mund an, dann schloss er ihn. Sprachlos schaute er zu Papa. „Der weiß überall eine Antwort, ha? Immer diese Gstudierten 18 .“

Paps zuckte mit den Schultern, während sein Blick zu mir schweifte. Ich wusste, er würde mich für dieses Gespräch verantwortlich machen.

„Aber der Herr Pfarrer Augustus meinte, dass Gott die Schwulen bestrafen würde, weil das wäre Sodom und Gomorrha“, plapperte Traudi in den Dialog.

„Hat Gott direkt mit Pfarrer Augustus gesprochen, oder maßt sich Pfarrer Augustus hier nur etwas an?“, fragte Max ruhig. „In der Bibel steht nämlich auch: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

„Der Hund macht mich fertig“, murrte Sepp, schüttelte den Kopf und biss wieder von seinem Kuchen ab.

„Hast du die Bibel auswendig gelernt, oder was ist los mit dir?“ Albrecht lachte noch immer. „So kenn’ ich dich ja gar nicht.“

„Ich komme aus einem erzkatholischen Haushalt, und ich lese sehr viel. Denkst du, da hatte ich die Bibel nie in der Hand?“ Max trank wieder von seinem Cappuccino. Um seinen Mund hing ein Lächeln – so musste er aussehen, wenn er vor Gericht einen Fall gewann.

„Na ja, seltsam ist es trotzdem“, murmelte Heinrich. „Homosexuell zu sein, scheint ja momentan in Mode zu sein. Aber seien wir uns ehrlich, wer ist denn homosexuell? Doch immer nur Menschen, die es zu nichts bringen. Als müssten Sie sich zumindest im Schlafzimmer beweisen.“

Marianne nickte zustimmend. „Der Sohn unseres Gärtners ist auch homosexuell. Er ist Mechaniker.“ Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Aber was will man mehr, es sind halt nur sehr einfache Menschen.“

„Dem Siegfried sein Sohn ist schwul?“, fragte Mama sprachlos und setzte sich endlich neben Papa. „Der …“ Sie schaute zu mir, schluckte ihren Satz hinunter und trank hastig von ihrem Kaffee.

„Sie denken also, schwule Männer können nicht erfolgreich sein oder gebildet?“, bohrte Max nach, den das Thema sichtlich nervte. Er lächelte, aber nicht natürlich. Das war das Lächeln eines gerissenen Anwaltes, der gerade nach dem nächsten Beweis suchte und diesen auch schon gefunden hatte. Bei Max wirkte es zumindest so. Als würde er den nächsten Spielzug bereits planen.

Ich streute mit unruhigen Fingern noch einmal Schokoflocken über Opas Pu-Tschino , nur um irgendetwas zu tun zu haben. Ob man mir ansah, dass ich mich bei jedem Satz betroffen fühlte? Meine Wangen glühten vor Hitze.

„Meine Güte!“ Sepp strich sich über das Gesicht. Verzweifelt wandte er sich wieder Paps zu. „Da hab’ ich was angefangen, der hört ja gar nicht mehr auf! Ich komm’ mir schon vor wie vor Gericht!“

Traudi nickte. Ich wusste, dass sie versuchte, sich alles so gut wie möglich einzuprägen, um nachher das Buschfeuer zu eröffnen. Heute Nacht würde das Kaff lichterloh brennen! Weihnachten würde noch nie so hell beleuchtet sein!

„Nennen Sie mir einen erfolgreichen Homosexuellen!“ Heinrich faltete die Hände ineinander.

Max stellte die Tasse am Tisch ab und beugte sich vor. „Hm …“

„Sir Elton John!“, warf ich ein, weil mich das langsam ärgerte. Als müssten wir beweisen, gut genug zu sein.

Heinrich blickte zu mir. Kurz musterte er mich.

„Freddy Mercury“, sagte Albrecht, noch bevor Heinrich etwas erwidern konnte.

„Ricky Martin.“ Ich schaute zur Tür, wo Magdalena und Horst mit den Mädchen standen. Keine Ahnung, wie lange sie schon zuhörten, auf jeden Fall ergriff sie Partei.

„Klaus Wowereit“, antwortete Horst ernst.

Ich starrte perplex zu ihm. Hatte Magdalena mit ihm gesprochen?

„Der Patrick Lindner!“ Opa riss einen Arm in die Luft. „Der ist womöglich sogar verwandt zu uns. Er heißt ja gleich.“

„Alfred Biolek, Judie Foster, Ellen DeGeneres“, zählte Max grinsend auf. „Nicht zu vergessen: Oscar Wilde!“ Er fixierte Marianne, weil sie sicher eines seiner Werke gelesen hatte. Dann deutete er auf sich: „Ich!“

Für Sekunden war es mucksmäuschenstill im Raum. Marianne und Heinrich glotzten ihn verwundert an.

„Sie sind …?“, wisperte Marianne.

„Schwul! Ja!“ Max lächelte selbstgefällig, während seine Augen eisig wirkten. „Und Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass ich nicht erfolgreich oder gebildet bin.“

Heinrich schnaubte, Marianne räusperte sich mehrmals hintereinander. Traudi steckte sich im Sekundentakt Kekse in den Mund, während sie wie am Tennisplatz gespannt zwischen den Fronten hin- und hersah.

„Jetzt muss ich was fragen …“, sagte Oma unerwartet. „Ihr redet da ständig von … homo… homo-was?“

„Von Homosexuellen, Frau Lindner“, krähte Marianne schon wieder so laut, als wäre Oma schwerhörig. „Das ist, wenn zwei Männer …“ Sie hüstelte peinlich berührt.

„Wenn zwei Männer, was?“, bohrte Oma nach.

„Na, wenn zwei Männer im Bett zusammenliegen, statt einer Frau und einem Mann!“, schrie Sepp gleich laut wie Marianne zuvor.

Oma riss den Mund auf, als hätte sie es endlich verstanden. „Ach so!“ Sie sah sich geschäftig um, beäugte Max, bevor sie nach mir schnappte und meinte: „Du, Sebastian, dann ist der Herr von Birkheim ja wie du!“

Ich riss die Augen geschockt auf. Mein Herz überschlug sich, mein Magen rebellierte. Der Essraum wurde mir viel zu eng. Alle gafften von Oma zu mir.

„Du bist was?“, rief Heinrich.

Ich schluckte, in meinen Ohren rauschte es. Paps und Mamas Blicke brannten auf mir. Die plötzliche Last auf meinen Schultern erdrückte mich beinahe. Unsicher schaute ich von Heinrich zu Max, dann zu Albrecht und wieder zurück zu Paps, bevor meine Lippen eine automatische Antwort formten: „Ich bin schwul.“

Traudi schlug sich die Hand vor den Mund, Sepp fixierte mich verstört.

„Du bist was?“, brüllte Heinrich so laut, dass ich zusammenzuckte.

„Jetzt schrei doch nicht so“, mischte sich Mama ein und griff über den Tisch zu Heinrich, der aufgesprungen war. Anklagend baute er sich vor mir auf.

„Ich bin schwul“, wiederholte ich mich zittriger Stimme, als meine Wange auch schon schmerzte. Heinrich hatte mir eine Ohrfeige verpasst.

„Spinnst du?“, rief Mama und lief um den Tisch.

„Drehst du jetzt ganz durch?“, grölte Heinrich und ohrfeigte mich erneut.

Ich stand so unter Schock, dass ich es nicht einmal richtig registrierte. Erst als alle durcheinanderkreischten, kehrte ich in die Realität zurück. „Was willst du dagegen tun?“, fauchte ich Heinrich an.

„Ich werde dir gleich zeigen …“ Heinrich holte erneut aus, als sein Handgelenk blitzartig umklammert wurde.

Max stand neben uns. „Lassen Sie das, oder ich zeige sie wegen Körperverletzung an.“

Heinrich blies die Backen auf und riss sich los. „Was erlauben Sie sich?“

„Alles, was mein Recht ist.“ Max’ breite Schultern schoben sich vor mich.

„Gehen Sie von meinem Mann weg!“, quietschte Marianne säuerlich. „Das ist eine Einschüchterungstaktik.“

Max bewegte sich keinen Zentimeter, er grinste nur selbstgefällig.

„Das ist alles nur, weil du in so eine verrückte Familie einheiraten musstest. Jetzt ist dein Jüngster homosexuell!“, grollte Heinrich zu Mama und spie das Wort förmlich aus.

„Wir kommen nie wieder zu euch zu Weihnachten!“, fügte Marianne beleidigt an.

„Na, dann ist es ja gut!“, maulte ich, weil in diesem Moment etwas in mir durchbrannte. Angriffslustig drängte ich Max vor mir weg. „Es hat euch nämlich gar niemand eingeladen.“

Marianne und Heinrich starrten zu mir.

„Sebastian!“, sagte Mama bestürzt.

„Es stimmt doch!“, giftete ich und sah von ihr zurück zu Marianne und Heinrich. „Ihr seid hier einfach aufgetaucht und habt seit der ersten Minute nur rumgenörgelt. Ihr zerstört das komplette Fest!“

„Das müssen wir uns nicht gefallen lassen“, raunte Marianne eingeschnappt. „Nicht von einem … Schwulen.“

„Ja“, zischte ich weiter. „Ich bin schwul! Und jetzt? Willst du mich aus deinem Testament streichen? Bin ich nicht mehr dein Enkelsohn?“

„Heinrich, sag etwas!“ Sie klopfte ihm panisch auf die Schulter.

„Eine Schande bist du!“ Heinrich wich einen Schritt zurück. „Schämen solltest du dich!“

„Schäm dich doch selbst!“, motzte ich, donnerte die Schokoladeflocken auf den Tisch und drehte mich um. „Leckt mich! Alle!“

„Ja, sag’ mal, Bub, drehst du jetzt ganz durch? Was soll denn dein Vater von dir denken?“ Sepp riss mich am Arm zurück. „Hast du gar kein Ehrgefühl in dir?“

Ich spähte an Sepp vorbei zu Papa. Er sah mich kurz an, dann wandte er sich ab. Wütend riss ich mich los. „Ist doch scheißegal, oder? Was ich auch sage oder tun werde, es ändert nichts daran, dass ich schwul bin! Meinetwegen verleugnet mich, werft mich raus oder was weiß ich! Es ist mir scheißegal! Mich nervt dieses Theater schon seit gestern!“

„Dich nervt es?“, schrie Papa unerwartet von der anderen Seite des Tisches zu mir. „Du drehst doch plötzlich durch – tauchst hier mit einem wildfremden Kerl auf!“ Rügend zeigte er zu Max. „Und jetzt sagst du, dass es dich nervt? Vor allen? Wie redest du eigentlich mit uns? … Du blamierst uns gerade bis auf die Knochen, nur, weil du nicht normal sein kannst!“

„Papa!“ Magdalena hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, während Horst die Mädchen schnappte und sie aus dem Essraum zog. Vermutlich verschwand er noch mal nach oben mit ihnen, bevor sie ihnen danach erklären mussten, was hier gerade passierte.

Ich schluckte, in meinen Schläfen hämmerte es wie wild. Tränen schossen mir in die Augen. „Das bin ich für dich? Nicht normal? Abnormal also?“ Ich wischte mir über die Wangen. „Und was jetzt? Wachsen wir jetzt zusammen ?“

„Überspann den Bogen nicht, Sebastian!“, brummte Papa, obwohl er genau wusste, auf was ich anspielte.

„Sonst was?“, heulte ich. „Los, komm schon! Sag, was du denkst! Sag vor allen, was du wirklich über mich denkst!“

„Sebastian! Ich warne dich!“

„Vor was denn? Willst du mich schlagen? Denkst du, dann bin ich nicht mehr schwul? Dann ficke ich nicht mehr mit Männern?“ Ich schniefte laut. „Das ist es doch, nicht wahr? Du kannst nicht ertragen, dass ich Sex mit Männern habe. Als würde es einen Unterschied machen!“ Ich sah ihn durch einen Schleier von Tränen an. „Los, sag schon! Sag, dass ich gehen soll! Dass ich nicht mehr dein Sohn bin! Dass ich mich nie mehr blicken lassen los!“

„Du beruhigst dich jetzt zuerst wieder einmal“, posaunte Sepp laut und griff abermals nach mir, doch ich wich ihm aus.

„Warum? Damit ich zur Besinnung komme?“ Ich fuhr mir über die Wangen. „Damit sich keiner mehr schämen muss, über den Perversen, der andere Jungs anfasst?“ Vorwurfsvoll fixierte ich Traudi. „Das hast du doch zu mir gesagt! Dass ich mich vor Max in Acht nehmen soll! Bingo, Traudi! Vor mir leider auch! Ich bin dasselbe perverse Schwein!“ Ich schaute wieder zu Sepp zurück. „Meinetwegen könnt ihr jedem Einzelnen im Dorf erzählen, dass ich schwul bin. Es ist mir scheißegal. Wenn ihr wollt, rufe ich Irmi gleich selbst an, damit sie die Nachricht aus erster Hand erfährt. Der jüngste Lindner lässt sich von Männern ficken!“ Ich linste zu Max. „Nur nicht von Maximilian von Birkheim, der denkt nämlich, dass ich ein Arschloch bin, weil mein Freund seinen Freund gefickt hat!“ Ich schniefte abermals laut.

„Verschwinde!“, knurrte Papa in einem so kühlen Ton, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief.

Ich biss die Zähne aufeinander und nickte. „Ja, keine Angst, der Schwule geht!“ Ich drehte mich um und rannte förmlich aus dem Raum.

„Gut gemacht, Papa!“, hörte ich Albrecht tadelnd.

„Halt du dich da raus! Du bist ja nicht besser, lässt dich einfach scheiden!“, fauchte Papa zurück.

Albrecht konterte etwas, aber ich verstand es nicht mehr, weil sich jetzt auch Opa und Mama einmischten.

Als ich bei meinem Zimmer im oberen Stock angekommen war, vernahm ich noch Heinrich, der schon wieder lauthals schrie: „Wir hätten dir niemals erlauben sollen, in diese wahnsinnige Familie einzuheiraten, Maria!“

Wahnsinnig, genau. Ich schlüpfte durch die Tür und drückte sie hinter mir zu. Sekunden später lehnte ich mich dagegen und rutschte daran entlang zu Boden. Dann brach ich endgültig in Tränen aus.

***

Es vergingen vermutlich nur 30 Minuten, bis jemand an meine Zimmertür klopfte. Gefühlt waren es Stunden – trotzdem wollte ich niemanden sehen. Deshalb hatte ich meine Tür auch abgeschlossen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Das Wichtigste zusammenpacken und dann zu Lukas verschwinden? Mit Sicherheit war er bei seiner Familie und feierte Weihnachten. Ja, schöne Bescherung auch, mein Fest war gründlich in die Hose gegangen – meinetwegen.

Wieder klopfte es. Ich war geneigt, die Tür aufzureißen und denjenigen anzubrüllen, entschied mich aber dagegen. Es brachte nichts – auch wenn es mir für einen kurzen Moment vielleicht besser gehen würde.

„Sebastian?“ Mama.

Ich kroch ins Bett und legte mich neben Hermes und Murli, die seit ich in meinem Zimmer war, miteinander schmusten. Sie waren vermutlich die einzigen Friedlichen im Haus.

„Sebastian, die Oma und ich fahren jetzt in die Mette. Bitte, komm nachher raus …“ Sie klang weinerlich. „Ich liebe dich“, murmelte sie.

Ich nickte, obwohl sie es nicht sehen konnte. Ich wusste, dass sie mich liebte, das hatte sie mir heute am Nachmittag schon gesagt – dass es ihr egal war, dass ich immer noch ihr Sohn war. Aber darum ging es nicht, sie hatte mich unten im Essraum auch nicht angegriffen – sondern Papa. Wenn er mich rauswerfen wollte, dann würde er sich gegen sie durchsetzen. Sicher nur für kurze Zeit, denn danach würde sie ihm die Hölle heißmachen, aber fürs Erste würde er sein Ziel erreichen. Ich wollte auch nicht unbedingt in einem Haus bleiben, in dem ich zur Hälfte nicht erwünscht war.

Mama gab die Klopferei auf, Minuten später hörte ich sie mit dem Wagen wegfahren. Wenn sie Pech hatte, hatte Traudi die Kunde bereits im Dorf verbreitet. Dann wusste es auch schon der Kirchenchor – und damit die gesamte Gemeinde.

Ich war am Arsch, nein, eigentlich war ich schlimmer dran. Ich war am Ende.

„Sebastian? Machst du bitte die Tür auf?“ Albrecht klopfte jetzt an.

Ich schüttelte den Kopf, was er natürlich nicht sah, aber das war mir egal.

„Komm schon, Kleiner. Mach auf.“ Er murrte leise. „Ich nerve dich sowieso so lange, bis ich hineindarf.“

Ich rollte mit den Augen und drehte mich im Bett um. Murli leckte gerade über Hermes Bauch, bevor sie sich wieder zusammenkuschelte und weiterschlief. Hermes schnarchte leise vor sich hin.

„Sebastian, komm schon, mach bitte auf.“

Ich schnaubte. Wenn jemand hartnäckig war, dann mein Bruder. Kapierte er nicht, dass er mir nicht helfen konnte? Dass es dieses Mal mit ein paar guten Ratschlägen nicht getan war?

„Sebastian, jetzt mach auf. Ich hole sonst den Werkzeugkoffer und verschaffe mir so Zutritt zu dir! Du weißt, dass ich ernst mache, wenn es sein muss.“

„Mann!“ Ich sprang vom Bett hoch und eilte zur Tür. Gereizt sperrte ich auf.

„Na, endlich!“ Albrecht musterte mich kurz, dann hielt er mir eine Tasse mit heißer Schokolade vor die Nase. Mama hatte mir früher immer Kakao gemacht, wenn ich traurig gewesen war.

„Ich mag nicht.“ Bei dem Geruch drehte sich mir der Magen um.

„Gut … kann ich wenigstens reinkommen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Wozu denn?“

„Um mit dir zu reden.“ Er schob mich zur Seite und trat einfach ein. Vor meinem Bett blieb er staunend stehen. „Die beiden vertragen sich?“ Er zeigte zu Hermes und Murli.

„Scheinst so, ja.“

„Wow!“ Er blickte sich um, dann stellte er die Tasse mit der heißen Schokolade auf den Schreibtisch. „Ich wollte dir nur sagen, dass Mama und Oma zur Christmette gefahren sind.“

„Ja, hat sie mir gesagt.“

„Sie war bei dir im Zimmer?“

Ich schüttelte den Kopf, während ich mich gegen den Schrank lehnte und dort zu Boden ging.

Max nickte verstehend. „Marianne und Heinrich sind abgereist.“

Ich riss den Kopf zu ihm hoch. Shit! Für Sekunden trafen sich unsere Blicke, bevor ich mir hastig über meine Augen wischte, in denen sich schon wieder Tränen sammelten.

Albrecht seufzte und ging vor mir in die Knie. „Sie haben Tante Frieda vergessen. Sie schläft noch immer …“ Er schmunzelte.

„Na, dann hat sie ja das Beste des Tages verpasst.“

Albrecht griff nach mir. „Magdalena und Horst haben die Kinder auf später vertröstet. Sie schauen irgendeinen Weihnachtsfilm mit ihnen.“

Ich nickte. „Tut mir leid, wenn ich den Mädels den Tag versaut habe. Das wollte ich nicht.“

„Das weiß ich doch.“ Er streichelte über meine blauen Finger. „Papa sitzt seit rund einer halben Stunde im Freien auf der Bank vor der Terrassentür vom Wohnzimmer.“

Ich nickte erneut und zog meine Hand zurück. Unruhig zupfte ich an meiner Anzughose herum. Sie war zerknittert und voller Hunde- und Katzenhaare. Die Idee, sich an die zwei Fellbündel in meinem Bett zu kuscheln, war wohl nicht die genialste gewesen. Aber eigentlich war es auch egal.

„Das hast du gestern gemeint, oder?“ Albrecht schob Kartons zur Seite und hockte sich neben mich. Vorsichtig legte er einen Arm um meine Schulter. Ich war versucht, ihn abzuschütteln, aber als er mich an sich zog, ließ ich es zu. Es tat gut, von irgendeiner Seite Zuspruch zu erfahren. „Der hat dir gestern auch schon Vorwürfe gemacht, oder?“

Ich biss die Zähne aufeinander und nickte. Wortlos starrte ich auf meine Beine.

„Er … er beruhigt sich sicher wieder …“

„Nein!“ Ich schüttelte mit Nachdruck den Kopf. „Der beruhigt sich nicht. Der ist nämlich schwulenfeindlich – ebenso wie Sepp und Traudi.“

„Sepp und Traudi …“ Albrecht seufzte. „Traudi wäre dir vorhin am liebsten nachgerannt, aber Mama hat sie aufgehalten, und Sepp … Du kennst ihn, laut und polternd, aber er hat sein Herz am rechten Fleck. Lass ihn die Sache verdauen, dann wird er es akzeptieren.“

„Nein!“ Ich linste zu Albrecht. „Ich will das alles nicht … und warum sollte ich allen Zeit geben? Entweder ist es okay oder eben nicht. Aber ich habe es satt, allen Bedenkzeit zu geben. Als müsste man darüber nachdenken, ob man mich noch liebt. Das ist scheiße! Das ist echt …“ Meine Stimme brach. Ich ließ den Kopf auf meine Brust fallen und schniefte laut.

„Ach, Kleiner, ich verstehe dich ja, nur … für Sepp und Traudi war bereits Max eine Sensation, und jetzt plötzlich bist es auch du. Du bist wir ihr jüngster Sohn! Die beiden haben sich über ihn den Mund zerrissen, und dann … all die Tratschgeschichten treffen nun auch auf dich zu. Sie stecken gerade in einer Zwickmühle.“

„Und?“, murmelte ich anklagend. „Das ist nicht mein Problem – und Max hat ihnen genauso wenig etwas getan.“ Ich schaute zu ihm. „Ist dir aufgefallen, dass sie Panik bekommen haben, als sie erfuhren, dass er Anwalt ist? Plötzlich hatten sie Schiss, dass er sie verklagen könnte, weil sie Gerüchte über ihn in die Welt gesetzt haben …“

Albrecht nickte. „Ja, Max hat …“ Er sah zu mir. „Er hat dich da unten gerade bis aufs Blut verteidigt, hat bei Heinrich und Marianne den Anwalt hervorgeholt und ihnen regelrecht gedroht, er würde sie vor Gericht bringen … Willst du mir noch immer einreden, dass zwischen euch nichts ist?“

Ich schnaubte laut. Max hatte mich verteidigt? Warum denn? Weil er schwul war? Mann, dieselbe Sexualität machte noch lange keine Freunde aus uns. Schon gar keine Partner. „Da ist nichts … vielleicht hast du es ja nicht mitbekommen, aber …“

„Ja, du hast ihm irgendetwas vorgeworfen, das haben wir alle deutlich verstanden, nur … Erklär es mir! Was ist denn mit euch?“

„Nichts ist mit uns!“ Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte nicht den Nerv, ihm von dem Kuss zu erzählen.

„Nichts“, wiederholte Albrecht. „Dafür ist er aber ganz schön auf die Barrikade gegangen …“

„Was weiß ich, welche Probleme er hat …“ Mich nervte es langsam, dass es schon wieder um Max und mich ging. Er wollte mich nicht – Punkt und aus. Ich würde die Tatsache nicht in seine Einzelteile zerlegen, das würde mich nur noch fertiger machen ... „Ich brauche etwas frische Luft.“ Hastig sprang ich hoch, griff nach einer Decke und schlüpfte damit auf den Balkon hinaus. Umständlich wickelte ich mich ein und setzte mich in einen der Korbsessel, die dort standen.

Albrecht folgte mir stumm, ebenfalls mit einer Decke ausgestattet, und ließ sich auf einen zweiten Sessel fallen. Stumm musterte er mich. Ich wusste, er wollte für mich da sein, mir zeigen, dass es für ihn keinen Unterschied machte, ob ich schwul war oder nicht, aber das half mir im Moment nicht. Vielleicht war es, weil mir seine Liebe und Unterstützung gewiss war, weil ich mir über seinen Beistand keine Sorgen machen musste. Seltsamerweise wollte ich diesen gar nicht, viel mehr wünschte ich mir die Fürsorge von Paps. Aber so war das wohl. Jene, die uns bedienungslos liebten, schoben wir von uns, während wir nach jenen lechzten, die uns verletzten oder nicht liebten.

Liebte mich Papa noch? War ich noch sein Sohn?

„Etwas Härteres habe ich auf die Schnelle nicht gefunden“, drang eine gedämpfte Stimme zu mir. Max, er war wohl unter dem Balkon auf der Terrasse.

„Ein Bier“, murrte Papa. „Und Sie bringen mir das?“

Ich horchte auf. Albrecht hatte gesagt, dass Paps auf der Bank vor der Wohnzimmertür zur Terrasse saß, aber nicht, dass Max bei ihm war. Fragend sah ich zu Albrecht, doch der zuckte nur mit den Schultern.

„Sie sehen aus, als hätten Sie es nötig“, antwortete Max.

„Nötig …“ Papa machte eine kurze Pause. „Schaut so aus, als hätten Sie es auch nötig?“

„Ich war so frei und habe mich selbst in der Küche bedient. Ich hätte ja Albrecht gefragt, aber … der ist zu Sebastian hoch in sein Zimmer.“

Pause. Keine Antwort von Papa, nichts. Als hätte ihm die Erwähnung meines Namens den Mund verschlossen.

Ein Keuchen war zu hören, dann ein lautes Schnauben. „Warum sind Sie eigentlich noch da?“ Papa wieder.

„Warum nicht?“

„Na ja …“ Papa seufzte. „Es sind haufenweise unschöne Worte da drinnen gefallen. Ich wäre an Ihrer Stelle gefahren.“

„Unschöne Worte“, wiederholte Max. „Ja, stimmt, aber … die kamen von allen. Von mir genauso wie von Ihnen oder Ihrer Familie. Sebastian ist wohl der Einzige, dem man keinen Vorwurf machen kann.“

Papa brummte laut. „Vor elf Jahren hat er es uns gesagt. Wir haben nie viel darüber geredet.“ Er unterbrach sich. „Ganz im Gegenteil, wir haben so getan, als hätte er die Richtige noch nicht gefunden … und dann gestern … da waren plötzlich Sie da.“ Vorwurf lag in Papas Stimme, vielleicht auch eine Spur Wut. Ich war mir nicht sicher.

„Und da haben Sie sich erinnert, dass er schwul ist? Deshalb der Streit bei mir vor dem Haus?“

„Erinnert!“, wiederholte Papa. „Mir ist bewusst geworden, dass … dass …“

„Dass er tatsächlich auf Männer steht.“ Max lachte leise. „Dazu haben Sie elf Jahre benötigt?“

Ich rollte mit den Augen. Ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, sich über Papa zu amüsieren. Wenn Max Pech hätte, würde er ihn gleich rauswerfen.

„Finden Sie das witzig?“

„Nein, aber Sie müssen zugeben, dass elf Jahre eine lange Zeit sind, bevor es gekracht hat.“

Papa brummte schon wieder. „Es hätte nie gekracht, wenn nicht Sie …“ Er verstummte. „Das gestern Morgen, als Sie Ihre Hände um ihn gelegt haben, das war …“

Albrecht sog laut die Luft ein. Vorwurfsvoll verpasste er mir einen Schlag auf die Schulter. Ich war versucht, es ihm zu erklären, aber Max sprach weiter.

„Als ich ihm die Arme …? Ach so, Sie meinen, als ich half, das Rohr festzuhalten …“ Max hielt kurz inne. „Das war Zufall, das wissen Sie hoffentlich. Er war zu schwach, das ist alles.“

Ich blickte zu Albrecht. War ihm das Antwort genug?

„Ist doch egal, warum Sie es gemacht haben, auf jeden Fall ist mir da bewusst geworden, dass … dass …“

„Dass er Sex mit Männern hat“, half Max aus.

Papa antwortete nicht sofort, wieder vergingen einige Augenblicke. „Ich will mir das nicht vorstellen …“ Ein lautes Keuchen war zu hören, dann ein Schnappen nach Luft.

„Müssen Sie ja nicht. Sie werden sich ja auch nicht vorstellen, wie Ihre Tochter oder Albrecht Sex haben.“

Papa keuchte abermals. Keine Antwort. Vielleicht hatte er auch nur den Kopf geschüttelt.

„Reden Sie mit ihm – sagen Sie ihm …“

„Ich rede heute gar nicht mehr mit ihm!“ Sturheit klang in Papas Stimme mit.

„Gut, dann eben Morgen, aber reden Sie mit ihm. Machen Sie nicht denselben Fehler wie mein Vater.“ Max unterbrach sich kurz. „Mein Vater und ich haben seit rund 15 Jahren nicht mehr miteinander geredet. Wir regeln alles über Anwälte. Lassen Sie Ihren Sohn nicht fahren, ohne mit ihm gesprochen zu haben. Sie werden ihn sonst verlieren.“

Ich hörte Papa erneut nach Luft schnappen, dann entstand wieder eine Pause. Weder er noch Max sagten etwas. Ich war mir nicht sicher, ob Max nicht wieder nach drinnen gegangen war.

„Warum reden Sie nicht mit Ihrem Vater?“, fragte Papa plötzlich.

„Weil er wollte, dass ich eine Scheinehe führe, die Kanzlei übernehme und mich selbst verleugne.“ Max stieß den Atem aus. „Er stellte mir ein Ultimatum.“

„Sie sind es nicht eingegangen, nehme ich an.“

„Nein, bin ich nicht. Er sprach nie wieder mit mir. Ich führe nach wie vor einige Fälle der Kanzlei, Klienten, die mich unbedingt weiterhin als ihren Berater behalten wollten, aber keine Gerichtsfälle mehr.“

„Sie haben Ihren Beruf aufgegeben, um Ihrem Vater eins auszuwischen?“

„Nein!“ Max seufzte. „Sie haben mich missverstanden. Ich bin Schriftsteller – mit Leidenschaft. Das andere, der Anwaltsberuf, die Kanzlei … das war Tradition, keine Frage des freien Willens oder des Wollens. Einfach ein vorherbestimmter Weg – aber nicht der meine. Machen Sie nicht denselben Fehler und schreiben Sebastian vor, was er zu tun hat.“

„Der macht doch ohnehin, was er will.“

„Denken Sie?“ Max hielt kurz inne. „Ich denke nicht. Er hat vielleicht seinen Weg vor sich, sein Leben, wie er es sich vorstellt – aber lebt er es? Um sein Leben, so zu leben, wie er möchte, müsste er glücklich sein. Er dürfte keine Angst davor haben, irgendwann erwischt zu werden, dass er auf Männer steht. Er sollte sich keine Vorwürfe machen müssen, dass er womöglich jemanden enttäuscht. Es ist Ihnen vermutlich nicht bewusst, aber er legt sehr viel Wert auf Ihre Meinung. Wenn er seinen Weg geht, dann will er, dass Sie damit einverstanden sind.“

„Er fragt mich seit Jahren nicht mehr, was …“

„Doch, das tut er. Vielleicht nicht direkt. Aber er kommt nach Hause, erzählt Ihnen von seinem Leben, seinen Entscheidungen … und er hofft, dass sie diesen zustimmen.“

Tat ich das? Wollte ich wirklich Paps Zustimmung? Was meine Sexualität betraf, auf jeden Fall. Ich wollte mich nicht verbiegen müssen.

„Es gibt die eine Sache in seinem Leben, die Sie nicht für gut empfinden, und an der hängt er sich auf. Nicht lieben zu dürfen, wen man gerne möchte, ist für ihn der Mittelpunkt der Welt geworden.“

„Meine Güte, er hat mich doch auch die letzten Jahre nicht gefragt … und jetzt will er mein Okay?“ Papa stieß den Atem aus. „Wie kann ich bei Ihnen zustimmen? Haben Sie sich einmal im Spiegel angesehen?“

„Wie bitte?“ Max wirkte verwirrt. Ich konnte ihn verstehen, Papa labberte dummes Zeug.

„Sie sind einen ganzen Kopf größer als ich, Sie sind so breit, dass sie kaum durch unsere Türen passen! Wie soll ich ihn da beschützen?“

Max antwortete nicht gleich, dann stieß er ein Lachen aus. „Darum geht es? Dass Sie Angst haben, ihn nicht vor dem bösen Mann beschützen zu können, der womöglich in sein Bett steigt?“

Papa brummte. „Bei Horst damals hatte ich wenigstens eine Chance, aber bei Ihnen? Wenn ich Ihnen drohe, ist das, als würde ein Wolf einem Bären drohen …“

Ich riss den Mund auf und starrte perplex zu Albrecht. Das war Papas Problem? Deshalb die ganze Aufregung?

„Warum fixieren Sie sich auf mich?“

„Na, weil Sie sein … Freund sind?“

Max hielt die Luft an, ebenso wie ich. Er würde mich für die Sebastian-von-Birkheim-Sache zur Schnecke machen.

„Weil ich sein …?“ Max unterbrach sich kurz. „Das kleine Scheißerchen!“ Er murrte laut. „Langsam geht mir ein Licht auf … Sie dachten, wir sind zusammen, als Sie gestern bei mir im Haus waren.“ Max wartete kurz, Papa sagte nichts. Vielleicht hatte er nur genickt. „Wir sind es nicht …“ Er hielt erneut inne.

Ich fluchte innerlich. Ja, ich hatte Mist gebaut, weil ich ihm nie direkt bestätigt hatte, dass alle denken, wir wären zusammen, aber seine Abweisung vor Stunden hatte ausgereicht, um mich mit beiden Beinen auf den Boden der Realität zurückzuholen. Ich musste keine zweite Abfuhr mitanhören, die er sogar Paps auf die Nase band.

„Ich will ehrlich sein“, sprach Max weiter. „Gestern hätte ich Ihren Sohn noch gerne verprügelt. Ja, wir kennen uns, aber nicht so, wie Sie denken. Wir sind in Wien einmal aufeinandergetroffen, nur kurz und auch nicht gerade freundschaftlich gesinnt. Wir haben uns hier wiedergetroffen – und ich hätte ihn am liebsten …“ Max hielte inne. „Manchmal spielt einem das Leben seltsame Streiche. Wir sind nicht zusammen, nein, aber … wir haben uns geküsst, ja. Heute Nachmittag.“

Albrecht schlug mir ein weiteres Mal auf die Schulter. Vorwurfsvoll sah er mich an.

Himmel, musste ich ihm jeden Kuss erzählen? Da war nichts – für Max war es nichts gewesen.

„Warum erzählen Sie mir das?“ Papas Stimme bebte leicht.

„Weil … er etwas in mir berührt. Als er mich heute küsste, habe ich ihn abgewiesen, aber …“ Er unterbrach sich. „Das war vermutlich ein Fehler … Ich kann Ihnen nicht sagen, was passieren wird, aber … es wäre eine Lüge, Ihnen zu versichern, dass da zwischen uns nichts ist.“

Bum! Ich schluckte, dann sah ich zu Albrecht, der mich grinsend anblickte. Seine Mimik war eindeutig: „Ich wusste es!“ stand in großen Lettern auf seiner Stirn.

„Meine Güte, wie soll ich ihn vor Ihnen verteidigen?“ Paps.

„Das brauchen Sie nicht, der kann sich ganz gut selbst wehren.“

Papa brummte.

Für Sekunden passierte nichts, dann murmelte Max erneut: „Sprechen Sie mit ihm. Sebastian will doch nur, dass Sie genauso stolz auf ihn sind wie auf seine Geschwister. Dass Sie ihn bedingungslos lieben – egal, ob er schwul ist oder nicht.“

„Und die Leute? Die Leute werden reden …“ Papa schnaufte so laut aus, als wäre er direkt vor mir.

„Die Leute! Lassen Sie sie reden!“

„Wissen Sie, was die über Sie sagen?“ Papa machte eine Pause. „Wenn die dasselbe über Sebastian sagen, dann … Nein, das kann ich nicht zulassen.“

„Dann lassen Sie es nicht zu. Verteidigen Sie Ihren Sohn, beginnen Sie am besten bei diesem Sepp und seiner Frau.“

„Die!“ Papa keuchte. „Die sind unser geringstes Problem!“

Max lachte. „Wen fürchten Sie dann? Sollte das mit Sebastian und mir funktionieren, dann … ich bitte Sie, ich bin noch immer Maximilian von Birkheim. Die Leute mögen hinter meinem Rücken reden, aber keiner hat den Mumm mich direkt anzusprechen. Ihre Nachbarn haben doch auch gleich den Anwalt in mir gefürchtet.“

Ich schluckte. Wenn das zwischen ihm und mir funktionierte? Tickte er noch richtig? Fragte er mich eigentlich auch, was ich davon hielt? Was ich davon hielt, nachdem er mich abgewiesen hatte?

Von Birkheim.“ Papa seufzte. „Ist Ihnen das Gerede egal?“

„Absolut. Ich habe gelernt, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Wenn die Leute reden wollen, werden sie einen Grund finden. Da brauche ich nicht einmal schwul zu sein. Es genügt vermutlich, wenn die Hecke um die Villa im Frühjahr nicht ordentlich geschnitten wird.“ Max hielt kurz inne. „Es wird Gras über die Sache wachsen, die Leute werden neue Geschichten finden, über die sie reden können … und wie ich schon sagte: Ich bin noch immer Maximilian von Birkheim. Anwalt, mit sehr viel Geld und Einfluss. Ein Wink von mir, und mein Vater erhöht die Pacht mancher Grundstücke hier … Sie wissen, dass meiner Familie zwei Drittel des Ortes gehören?“

Was? Ich sah zu Albrecht, der nur mit den Schultern zuckte.

„Nicht genau, aber ich weiß, dass Ihrer Familie das große Sägewerk gehört – und die Mühle vom Gschwandnerbauer auch. Der hat sie nur gepachtet … Wir selbst kümmern uns um den Wald von Ihrer Familie.“

Wieder sah ich fragend zu Albrecht, doch er kannte sich in solchen Dingen auch nicht aus. Der Familienbetrieb war nie unsere Welt gewesen. Eventuell wusste Magdalena Bescheid, sie würde das Unternehmen mit Horst eines Tages übernehmen.

„Ja!“ Max lachte leise. „Ich bin der neue Verwalter – für den Fall, dass die Kanzlei Sie noch nicht informiert hat.“

Papa grunzte. „Sie … Du meine Güte …“

„Keine Angst, ich will Sie damit nicht unter Druck setzen, ganz bestimmt nicht. Ich will Ihnen nur vor Augen führen, was die Leute tun werden … Sie werden nämlich ähnlich reagieren wie Sie. Vielleicht werden Sie hinter meinem Rücken reden, aber vorne rum bekomme ich noch immer einen Handkuss – weil … na ja, weil ich eben ein von Birkheim bin. Bei Sebastian wird es ähnlich verlaufen.“

„Und … das stört Sie nicht? Dass die Leute hinterrücks …“

„Keiner der Leute ist wirklich ein Freund von mir, warum sollte es mich also belasten? Was Sie denken, ist etwas anderes.“

„Ich?“ Papas Stimme war lauter geworden. Vermutlich hatte er seinen Kopf zu Max gedreht. Eventuell kratzte er sich auch gerade am Hinterkopf.

„Na ja, für den Fall, dass sich zwischen mir und Sebastian etwas entwickeln sollte, möchte ich doch, dass mein Schwiegervater in spe mit mir spricht.“

Papa lachte gekünstelt auf. „Hören Sie auf, es reicht, dass die Meinige schon ganz deppert ist deshalb … Sebastian von Birkheim. Den ganzen Nachmittag hat sie mir das unter die Nase gerieben.“

„Ach, so weit sind wir schon …“, murrte Max, während ich mit offenem Mund zu Albrecht starrte. Wo war das Loch – dieses verdammte Loch, in das ich springen konnte?

„Glauben Sie mir, die ist schon viel weiter …“

„Reden Sie mit ihm! Tun Sie mir bitte den Gefallen und reden Sie mit Ihrem Sohn! Bleiben Sie nicht gleich stur wie mein Vater!“

Papa schnaubte. „Dafür, dass Sie mit Ihrem Vater nicht reden, haben Sie ganz schön viel Kontakt, denken Sie nicht? Immerhin hat er Sie als neuen Verwalter hierhergeschickt.“

„Kontakt! Wir kommunizieren über Anwälte, mehr nicht.“

„Und warum machen Sie nicht den ersten Schritt? Vielleicht wartet Ihr Vater ja darauf, dass Sie sich melden?“

„Nein, macht er nicht. Er würde nicht mit mir sprechen, nicht, wenn es um meine Sexualität geht, selbst wenn ich ihn aufsuchen würde. Aber das ist okay so. So ist es nun einmal. Wir hatten nie dieses Verhältnis, das Sie und Ihre Kinder haben. Sie mögen heute Nachmittag alle gestritten haben, aber … sie lieben sich. Sie lieben Sebastian über alles, deshalb ist es auch ein Problem für Sie … Sie können ihn nicht mehr beschützen.“

Ich schluckte. So direkt hätte ich mir das niemals zu sagen getraut.

„Beschützen“, wiederholte Papa. „Er ist unser Jüngster. Während Albrecht und Magdalena erwachsen wurden, war er immer noch unser kleines Kind. Jetzt ist er 26 – und er will sich abnabeln.“

„Abnabeln. Er will glücklich sein, aber das wird er nicht. Er wird nämlich brav zu Hause bleiben, solange er nicht Ihr Okay hat, dass er sein darf, wer er ist.“

Ich schluckte erneut. Warum kannte mich der Mistkerl so gut? Warum wusste er Sachen über mich, die ich mir selbst niemals eingestanden hätte? Würde ich tatsächlich hetero bleiben, nur damit Papa mich liebte?

„Und was, wenn es schiefgeht?“, murrte Papa. „Denn Horst kann ich notfalls verprügeln, die Karin kann ich anschreien, aber Sie? Sie schlagen zurück und verklagen uns dann.“

Ich schnappte nach Luft. Das war also tatsächlich Papas Grund? Er hatte Angst, mich nicht beschützen zu können? Ohne es zu wollen, stiegen mir schon wieder Tränen in die Augen.

„Wenn Sie das über mich denken, dann muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie mich keine Spur kennen.“

„Kennen … Ich kenne Sie von früher, wenn Sie Albrecht oder Magdalena nach Hause gefahren haben. Meine Frau meinte immer: Sie wären zu erwachsen für Ihr Alter.“

Max lachte auf. „Ich hatte gar keine andere Möglichkeit. Wie ich schon sagte, dieses herzliche Verhältnis wie in Ihrer Familie gab es bei mir nicht. Es mag sein, dass Ihre Weihnachtsfeste etwas turbulent sind, aber Sie sind eine Familie. Sie würden für Ihre Kinder morden.“

Papa antwortete nicht, wahrscheinlich starrte er in den Garten und kratzte sich jetzt tatsächlich am Hinterkopf.

Für eine Weile sagten beide nichts, dann murrte Paps unerwartet: „Ich bin übrigens der Gustl!“

„Max.“

Ein leises Klirren erklang. Sie hatten mit den Bierflaschen angestoßen.

***

Für Minuten starrte ich in die Dunkelheit, bevor ich mich endlich erhob und ins Innere ging. Papa verhielt sich so, weil er Angst hatte, mich vor keinem meiner Männer beschützen zu können. Hatten Magdalena und ich recht gehabt, als wir meinten, er würde sich ähnlich wie bei Horst benehmen? Wollte er Max nur vergraulen?

„Weißt du, dass das echt Scheiße ist?“ Ich blickte zu Albrecht, der sich auf meinem Schreibtischstuhl niedergelassen hatte. „Er kann doch nicht jeden Mann, der sich für mich interessiert, rausekeln. Er …“ Frustriert setzte ich mich auf mein Bett am Fußende. Hermes und Murli hatten sich breitgemacht.

„Wird er auch nicht.“ Albrecht zuckte mit den Schultern. „Ich denke, dass das vermutlich ein wenig an Max liegt.“

„Warum?“ Ich schluckte trocken und versuchte die Tränen wegzublinzeln. Einerseits war ich eine Spur erleichtert, andererseits machte die neue Konstellation es nicht leichter.

„Na ja, wäre Max ein gleichaltriger junger Mann in deiner Größe mit deiner Statur, dann hätte er vermutlich nur ein wenig nervös reagiert. Aber du bist mit einem echten Kerl angerückt! Ein Riese eines Mannes! Papa hat sich vorgestellt, was Max alles mit dir machen könnte, ohne dass du dich wehren kannst …“

Ich riss den Mund auf. Das war doch Bullshit. „Ein schmächtigerer Mann könnte mich auch verletzen, er …“

Es klopfte leise. Sekunden später öffnete sich die Tür, und Max schob sich in den Türrahmen. Er passte gerade so hindurch.

Wenn man vom Teufel sprach …

Er trat in den Raum, seine Hände steckten in den Hosentaschen. Nachdenklich musterte er mich. „Häschen“, begann er schließlich. „Hast du mich als deinen Freund ausgegeben?“

Ich riss den Mund auf, um zu antworten, aber mir fiel nichts ein. Ich war auch viel zu ausgelaugt, um mich zu rechtfertigen. „Nicht direkt“, murmelte ich schließlich.

Er brummte. Sein Blick lag auf mir. Er wirkte wütend, vermutlich weil er mich mehrmals gefragt hatte, ob er diesbezüglich etwas nicht wisse. „Keine halben Sachen, was? Immer gleich alles auf einmal ...“

„Wir haben einfach alle eins und eins zusammengezählt“, mischte sich Albrecht ein, vermutlich um mir die Haut zu retten.

„Schon, aber ich habe es am Schluss auch nicht mehr verneint.“ Entschuldigend blickte ich zu Max, der mich noch immer fixierte.

Er seufzte laut, dann schaute er zu Albrecht. „Würdest du uns bitte alleine lassen? Ich muss mit dem Häschen hier etwas klären.“

Albrecht nickte und erhob sich. „Sicher … aber tu mir einen Gefallen und reiß ihm nicht gleich den Kopf deshalb ab. Er verträgt nämlich heute nicht mehr viel.“

Max nickte kurz angebunden, antwortete aber nicht.

Albrecht trat in den Flur. Dort drehte er sich noch einmal um: „Erinnere dich an den Kuss, bevor du ihn zur Schnecke machst.“ Damit schloss er die Tür.

Max sog schlagartig die Luft laut ein. „Du hast ihm davon erzählt?“ Anklagend sah er mich an.

Ich schüttelte den Kopf. „Wir waren bis eben am Balkon … wir haben dich und … Papa gehört …“

Er zog eine Braue hoch, dann nickte er langsam. „Ihr habt unser Gespräch mitangehört …“

„Nicht absichtlich …“ Ich linste zu ihm. „Danke übrigens.“

„Wofür?“

„Dass du mit ihm gesprochen hast, obwohl er mehr als unfreundlich zu dir war … Dass du versuchst, mein Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen … dass du dich für mich stark machst, obwohl dich das alles hier nichts angeht.“

Er schmunzelte, dann zuckte er mit den Schultern. „Ihr beide braucht nur einen Schubs in die richtige Richtung, mehr nicht.“

Ich nickte erneut. „Vielleicht …“

„Dann ist es eigentlich unnötig, dass ich dir eine Standpauke wegen der Sebastian-von-Birkheim-Sache halte, oder?“

Ich zuckte wie er eben mit den Schultern. „Keine Ahnung, wie du möchtest …“

„Wie ich möchte …“ Er trat näher und schob mit seinen Beinen meine Knie auseinander, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. Vorsichtig, als könnte er zu weit gehen, stellte er sich dazwischen.

Mir ging die Fantasie durch. Machte er das mit Absicht? Wollte er noch ein wenig spielen?

„Dann hast du auch den Rest gehört, die Sache mit dem Kuss?“

Ich nickte schon wieder, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich diese Angelegenheit richtig verstanden hatte. Ich wollte nicht schon wieder etwas wo hineininterpretieren. Ganz bestimmt würde ich nicht noch einen Schritt machen.

„Hör zu …“, begann er leise. „Wenn ich ehrlich bin, dann geht das gerade ziemlich schnell, viel zu schnell für mich. Wenn ich dich anschaue, sehe ich immer noch den Kerl, auf dem mein Ex lag … Das Dumme ist, dass du etwas in mir berührst … und ja, du hattest recht: Ich bin heute Nachmittag aufgestanden und habe dich regelrecht aufgefordert mich zu küssen. Ich tat es, weil ich es wollte, weil ich dich in diesem verfluchten Moment tatsächlich haben wollte.“ Er zog die Hände aus den Hosentaschen und warf sie unbeholfen hoch. „Und du schmeckst wie die pure Versuchung – ich musste mich wirklich zusammennehmen, um nicht weiterzugehen, aber …“

„Aber“, murmelte ich, „ich bin immer noch ich, ich weiß.“ Hastig räusperte ich mich, weil meine Stimme gezittert hatte.

„Ja, und genau da liegt das nächste Problem … Genau, weil du du bist, ziehst du mir den Boden weg … Ich will das hier nicht versauen, Sebastian, ich will dich auch nicht verletzen. Du hast Stress genug, da muss nicht noch ich in deinem Leben herumpfuschen …“

Ich verstand nicht. Irritiert linste ich zu ihm hoch.

Er griff nach mir, legte seine riesige Hand auf meine Wange und schob seinen Körper weiter zwischen meine Beine. „Ach, Häschen, sieh mich nicht so an. Das ist …“ Er seufzte. „Gib mir ein wenig Zeit …“

„Zeit wofür?“, flüsterte ich, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

„Für die Sache zwischen uns.“ Er schloss für einen Moment die Lider, bevor er mich wieder ansah. „Ich bin, ehrlich gesagt, nicht so weit, mich in eine neue Beziehung zu stürzen, nur … Mache ich es nicht, werfe ich womöglich etwas weg, das …“ Er spreizte seine Beine, womit ich gezwungen war, die meinen noch weiter zu öffnen.

Unruhig stützte ich meine Hände hinter mir auf die Matratze und verlagerte mein Gewicht nach hinten. „Was wird das hier?“, fragte ich direkt und zeigte auf ihn und meine Beine. „Willst du mich anmachen, während du mir gleichzeitig sagst, dass das nichts werden kann?“ Ich schluckte. „Wie ich schon sagte, es ist okay, ich …“

Er beugte sich leicht vor, ein Finger legte sich auf meine Lippen. „Ich will es versuchen, ehrlich …“ Er räusperte sich. „Ich will wissen, ob ich tatsächlich die Liebe deines Lebens sein kann …“ Unerwartet beugte er sich weiter über mich, kniete sich mit einem Bein zwischen die meinen. Seine Hände stützten sich links und rechts von mir auf.

Ich schluckte und ließ mich weiter nach hinten fallen. Er folgte mir unnachgiebig.

„Ich will nicht, dass nur du die Liebe meines Lebens bist“, hauchte ich, während mein Blick an seinen Lippen hing. „Ich will, dass ich umgekehrt dasselbe für dich bin.“

„Ich weiß.“ Max drängte sich auf mich.

Ich ließ mich auf die Matratze fallen, weil ich nicht weiter ausweichen konnte. Hermes rollte sich durch die Bewegung herum, Murli stand auf und folgte ihm auf die andere Seite. Schnurrend leckte sie über sein Ohr, dann ließ sie sich auf seine Schnauze plumpsen. Hermes schob sie mit den Tatzen weg, suchte aber sofort wieder ihre Nähe.

„Ich wusste nicht, dass Hermes Katzen mag …“

Ich zuckte mit den Schultern und fixierte Max. Er lag auf mir, sein riesiger Körper quetschte mich in die Matratze unter mir. Mit seinen Unterarmen stützte er sich zwar links und rechts von mir auf, um ein wenig Gewicht von mir zu nehmen, aber seine Gegenwart war mir dennoch mehr als bewusst. Seine Mitte presste sich zentriert gegen mich, meine Beine waren für ihn geöffnet. „Vielleicht haben beide eingesehen, dass es nur Vorteile für sie geben kann, wenn sie sich vertragen.“

„Hm … Vorteile“, hauchte Max mit rauer Stimme. Seine Finger strichen über meine Wangen zu den Schläfen. „Welche Vorteile siehst du dir?“

„Ich?“ Meine Augen flogen zwischen seinen hin und her. „Keine … ich … du …“

„Du liebst die Herausforderung, das Risiko, hm?“ Seine Lippen berührten sanft meinen Mund. Ein Schauer zog sich von meinem Kopf bis zu den Zehenspitzen nach unten.

„Herausforderung?“ Ich schloss die Augen, als seine Zunge über mich leckte. Ich wurde schlagartig hart.

„Na ja, immerhin bin ich der Kerl, der dir Prügel angedroht hat …“ Sanft küsste er mich. „Und jetzt willst du plötzlich in mein Bett?“ Als er die Härte unter sich spürte, drückte er sich augenblicklich dagegen. Vorsichtig rieb er sich an mir. Sein Mund neckte mich.

„Du meinst wohl eher: du in das meine!“ Ich erwiderte kurz den Kuss, den er mir aufhauchte. „Du liegst auf mir, du reibst dich an mir, die küsst mich … Ich nehme schon wieder nur die Einladung an.“

Er schnaubte leise. Seine Finger glitten über meine Stirn. „Wie ich schon sagte, ich will nicht eine Chance vorüberstreifen lassen …“ Er küsste mich endlich. Seine Zunge strich zwischen meinen Lippen entlang, so als würde er um Einlass bitten.

Ich öffnete bereitwillig den Mund und erwiderte die Leidenschaft. Für Sekunden taten wir nichts anderes, bevor ich ihn zurückdrängte: „Ich will, dass du dir sicher bist … ich will nicht, dass ich nur ein Versuchskaninchen bin … oder du dich irgendwie mit mir tröstest. Wenn du dir nicht absolut sicher bist, dann lass es sein … Ich würde einen weiteren Verlust nicht verkraften.“

Max stützte sich wieder mehr auf seine Arme auf. Sein Becken presste sich erneut auf mich, bewegte sich aber nicht mehr. Mein Schwanz spuckte deshalb verzweifelt ein paar Lusttropfen aus. „Genau deshalb bitte ich um Zeit. Wie ich schon sagte, ich will dir nicht wehtun.“ Vorsichtig tänzelte er mit den Fingerkuppen über meine Schläfen. Seine Nasenspitze berührte die meine.

Ich schluckte. „Du bist dir also nicht sicher?“

„Bist du es dir?“ Er küsste mich kurz. „Häschen, du kennst mich kaum … Wie kannst du dir da sicher sein, dass ich der eine in deinem Leben sein werde? Die eine große Liebe?“

„Keine Ahnung … das hier ist anders wie mit den zwei Kerlen, mit denen ich vor dir zusammen war. Ehrlicher, behutsamer … nicht nur darauf fixiert, mich so oft wie möglich flachzulegen.“

Max lachte leise. „Du hast ja keine Ahnung, was ich am liebsten mit dir machen würde …“

„Und trotzdem tust du es nicht!“

„Ja, weil ich …“ Er schloss die Augen und seufzte schwer. „Ich bin Schriftsteller. Ich schließe mich manchmal monatelang ein, um zu schreiben.“

War das sein letzter Versuch, ihn mir auszureden? „Ich lese viel, ich kann dein persönliches Groupie werden!“, stieg ich darauf ein.

„Das bist du doch schon. All meine Bücher stehen dort im Schrank.“

Ich linste zu dem Regal. All seine Bücher? „Wer bist du?“

„Ist das wichtig?“

„Nein, nur … ich bin neugierig.“

Er seufzte. Seine Nase rieb sich an meiner. Mit geschlossenen Augen murmelte er: „Du hast ja nicht so viele Thriller von ein und demselben Autor, oder?“

Ich überlegte, dann riss ich die Augen auf. „Echt jetzt? Die Bücher sind weltweite Bestseller, der Autor soll schwul sein, hält sich aber im Verborgenen …“

„Ich will mein Privatleben privat halten. Ich gebe gerne Radiointerviews, hin und wieder komme ich zu Messen und lese auch vor. Das muss reichen.“

Ich zuckte mit den Schultern. Ich mochte seine Bücher, war aber niemand, der den Namen des Autors googelte, um alles von ihm herauszufinden … Na, hätte ich das mal besser getan … „Und?“, fragte ich. „Was willst du jetzt hören? Es ist mir egal, es ändert nichts an meinen Gefühlen.“

Max seufzte. „Was sage ich überhaupt etwas, du bist ja gedanklich bereits in einer Ehe mit mir, Sebastian von Birkheim.“ Er küsste mich wieder.

Ich seufzte und schloss die Augen. „Bitte, spiel nicht …“

Max atmete tief durch. Sein Atem strich mir über die Wangen den Hals entlang.

Vorsichtig öffnete ich die Lider und blickte ihn an.

„Ich will weder spielen, noch dich verletzen“, hauchte er. „Das sagte ich bereits. Zwischen uns ist etwas, auf jeden Fall, aber … ich brauche etwas Zeit, um mir klar zu werden, was ich hier … mache.“ Seine Finger strichen abermals über meine Stirn zu meinen Wangen. Seine Lippen glitten vorsichtig über die meinen.

„Und das sagst du, während du auf mir liegst und mich anmachst?“

„Ja, weil mein verdammter Körper sich selbstständig macht …“ Er stieß den Atem aus und ließ sich auf mich fallen. Seine Stirn legte sich auf meine. „Gib mir Zeit, bitte …“, wisperte er.

„Ich drängle doch gar nicht … du machst dir gerade selbst Stress.“ Ich keuchte. Er wurde unerwartet schwer.

Max stützte sich wieder auf. „Keine halben Sachen, hm?“

„Entweder ganz oder gar nicht.“

Er nickte, seine Augen flogen über mich. „Ich will dich“, murmelte er so dicht an meinen Lippen, dass er mich beinahe kitzelte. „Ich will dich ganz, keine Frage … aber gestern wollte ich dich noch verprügeln …“

Ich seufzte. „Und ich wollte zurückschlagen, habe aber eingesehen, dass ich keine Chance hätte. Also habe ich es sein lassen, und dann … dann hast du mich plötzlich verteidigt. Albrecht hat mir einen ganz anderen Maximilian vorgestellt …“

„Albrecht“, murrte Max, grinste aber. „Ja, erging mir ähnlich. Fast war es, als würde er alles daran setzen, mir klarzumachen, was mir entgegen würde, wenn ich dir keine Chance gäbe …“ Er fixierte mich, dann knabberte er unerwartet an meinen Lippen. „Das Dumme ist …“ keuchte er zwischen zwei vorsichtigen Bissen, „dass er sich nicht sicher war, ob … wir ihn … veraschen … Er fragte … mehrmals direkt, ob … ich mit dir … schlafen würde …“

Sein Mund küsste sich über meine Wange zu meinem rechten Ohr. Als seine Zunge über meine Ohrmuschel leckte, schloss ich die Augen und japste laut auf. Ohne es zu wollen, presste ich mich gegen ihn. Wie auf ein Signal hin rieb er sich wieder an mir.

„Das gefällt dir, hm?“ Wieder leckte er über mein Ohr, liebkoste meine Haut vom Kiefer zum Hals nach unten. Eine seiner Hände schob sich zwischen uns, Sekunden später spürte ich auch schon, wie er an dem Gürtel meiner Hose herumfummelte. Die Schnalle löste sich, der Gürtel wurde durch die Schlaufe gezerrt. Finger lösten den Knopf, dann den Reißverschluss der Hose.

„Was … machst du da?“, hauchte ich gierig, weil mein verfluchter Schwanz vor Vorfreude wie wahnsinnig zuckte.

Max küsste sich wieder nach oben. Seine Lippen trafen auf mich, einen Herzschlag später stieß er mir die Zunge in den Mund, dass ich vor Schreck aufstöhnte. Er antwortete nicht, vielleicht weil es eine dumme Frage war, womöglich wollte er den Moment auch nur nicht zerstören. Stattdessen schlang er seine Zunge um die meine, zog sie zurück und stieß sie wieder nach vor – eine eindeutige Andeutung, was er gerne machen würde.

Ich wusste nur nicht, ob es jetzt nicht mir zu schnell ging. Ich wollte ihn, keine Frage, aber ich wusste nicht sicher, ob er nur die Situation nutzte …

„Warte …“, ächzte ich in seinen Mund, nachdem ich seine Zunge zurückgeschoben hatte.

Er brummte, seine Lippen strichen zu meinem Unterkiefer, wo sie sich meinem Hals widmeten. Seine Finger schlüpften zeitgleich in meine Hose und unter die Pants. Noch nie hatte ein Mann so schnell gehandelt, meistens waren es vorsichtige Versuche gewesen, um sich dem Ziel zu nähern. Auch mein Boss war da zögerlicher gewesen. Max hingegen wusste, was er wollte – und im Augenblick wollte er sich von etwaigen Streicheleinheiten nicht aufhalten lassen. Seine Hand umschloss mich, und ich keuchte schlagartig auf. Vermutlich waren meine Augen ebenso weit geöffnet wie mein Mund, als er mich zu reiben begann.

„Scheiße! Das … Warte!“ Ich versuchte, ihn aufzuhalten, doch er fixierte mich mit seinem Körper auf der Matratze.

„Pst!“, wisperte er an meinem Ohr, während er mich heftiger rieb. „Entspann dich!“

Ich schloss die Augen und versuchte durchzuatmen, doch ich war viel zu nah an der Klippe, die mich gleich in ungewollte Sphären schleudern würde. Das hier, seine Zügellosigkeit, die Hemmungslosigkeit, wie er sich nahm, was er wollte, raubte mir den Verstand. Ich war so geil, dass ich Angst hatte, in den nächsten Sekunden in seine Hand zu spritzen.

„Ich will, dass du kommst – und ich will sehen, wie du dabei aussiehst!“ Seine Hand schloss sich fester um mich. Er rieb mich so energisch, dass ich die Zähne aufeinanderbiss.

Was zum Henker …? War das ein perfides Spiel? Machte es ihn an, mich bis zur Ekstase zu bringen?

„Hör auf zu denken!“, hauchte er dicht an mir, und ich fragte mich, woher er das schon wieder wusste. „Entspann dich endlich, und lass los.“

„Warum?“, fragte ich zwischen zwei Atemzügen und sah auf ihn. „Wolltest du nicht warten?“

Er brummte, küsste und liebkoste mich. Seine Finger umschlossen mich fester. „Ich warte ja. Ich will aber, dass du kommst.“ Er verlagerte sein Gewicht und stützte sich auf eine Hand, um mir ins Gesicht sehen zu können. „Lass dich fallen, Sebastian.“

Ich schloss erneut die Lider. Meinen Namen aus seinem Mund zu hören, mit so viel Leidenschaft ausgesprochen, ließ mich erschaudern.

„Mach deine Augen wieder auf!“

Ich öffnete sie und blickte zu ihm.

„Komm für mich!“, flüsterte er und rieb mich jetzt so ungestüm, dass es fast wehtat.

Ich fixierte seine braunen Augen, die so finster wirkten, als wären sie schwarz. Dann hielt ich die Luft an. Ich fiel gleich… nur noch wenige Sekunden und ich würde explodieren.

Max bewegte seine Hand schneller, er schob sie so weit zurück, dass sich meine Vorhaut unangenehm spannte. Ich öffnete den Mund und hielt den Atem an. Drei – zwei – eins!

Mein Unterkörper bäumte sich auf, ich zuckte unkontrolliert und kam. Bebend ergoss ich mich in meine Hosen.

Ich machte die Augen zu und entspannte mich. Erleichterung machte sich in meinem Körper breit. Fast war es, als wäre mir mit dem Orgasmus ein Teil meiner Last abgenommen worden, die jetzt langsam in meiner Pants versickerte. Max’ Finger strichen über die Spitze meines Schwanzes, als würde er den Samen darauf verteilen.

Ich blinzelte und versuchte, das Bild vor mir zu stabilisieren, doch es blieb verschwommen. Tränen rannen über mein Gesicht, und obwohl ich ob des Höhepunktes erleichtert war, heulte ich unerwartet. Der Tag brach über mich herein, und ich drehte den Kopf beschämt zur Seite. „Shit!“, murmelte ich.

„Nicht doch“, wisperte Max und streichelte mir mit der freien Hand über die Wange.

„Sorry, ich wollte nicht …“

Max zwang meinen Kopf zu sich zurück. „Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen.“ Er küsste mich vorsichtig, seine Finger massierten noch immer meine Eichel. „Wenn du heulen willst, dann mach das … Ich kann dich einfach nur in die Arme nehmen, wenn du das willst.“ Er küsste mich sachte. „Bereust du es? Soll ich aufhören?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nein … ich … Irgendwie ist nur eben etwas … in mir gebrochen …“

„Okay!“ Er küsste mich abermals. „Dass heute war zu viel für dich … und jetzt auch noch der Orgasmus.“ Er überlegte kurz, seine Brauen zogen sich zusammen. „Du siehst aber absolut sexy aus, wenn du kommst.“

Ich leckte mir über die Lippen. Er fand, ich sah sexy aus? „Warum?“, sagte ich schließlich.

„Was meinst du?“ Er runzelte die Stirn.

„Warum hast du das getan? Du wolltest Zeit …“

Er nickte, mit seiner freien Hand streichelte er über eine meiner Augenbrauen. „Es gibt nichts auf der Welt, was ehrlicher ist als ein Orgasmus. In diesen wenigen Sekunden, wenn man kommt, zeigt man sein wahres Ich.“

„Und was sagt das über mich? Ich heule!“ Unbeholfen wischte ich über meine Wangen.“

„In deinem Blick lag Panik, während du mich gleichzeitig angestarrt hast, als gäbe es in diesem einen winzigen Augenblick nichts anderes als mich. Das alles war zu viel für dich, ja, aber …“ Er zog den Zeigefinger über meinen Nasenrücken nach unten zu den Lippen. Vorsichtig zeichnete er die Wölbungen nach, bevor er ihn sachte dazwischenschob.

Ohne es zu wollen, öffnete ich den Mund und ließ ihn ein. Er drückte das erste Glied in meinen Mund und berührte damit meine Zungenspitze. Seine Augen fixierten mich, seine Pupillen vergrößerten sich. Ihm ging die Fantasie durch. Mit einem schweren Keuchen zwang er sich, mir wieder in die Augen zu sehen. Seine Hand massierte noch immer meinen Schwanz, der schon wieder hart wurde.

„Du hältst mich für den einen, das stand dir eindeutig in den Blick … geschrieben.“ Er schob den Finger tiefer in meinen Mund, ließ ihn über meine Zunge gleiten.

Ich stöhnte auf und schloss meine Lippen. Hastig saugte ich an ihm.

Max schnaubte, kurz kam er mit seinen Streicheleinheiten in meiner Hose aus dem Takt, bevor er sich wieder fing. Er zog seinen Finger aus meinem Mund, nur um ihn in den nächsten Sekunden wieder in mich zu schieben. „Willst du mich gerade anmachen?“

Ich spuckte ihn aus. „Du hast angefangen … Dir geht selbst gehörig die Fantasie durch!“

Er schmunzelte, bevor er mit der Kuppe wieder über meine Lippen glitt. In Zeitlupe schob er seinen Finger wieder hinein, dieses Mal so tief, dass ich den Kopf in den Nacken legte, um ihn weiter aufzunehmen.

„Du spielst“, murmelte er, ohne den Finger herauszuziehen, stattdessen ließ er ihn tief in meinem Rachen stecken. Seine zweite Hand begann mich fester zu reiben. „Weißt du eigentlich, dass … ich während der Feiertage schreiben wollte?“ Er spähte zwischen meinem Mund und den Augen hin und her.

Schreiben? Wie konnte er jetzt über die Arbeit sprechen?

„Ich wollte einiges nachholen, aber … wieder kommst du mir in die … Quere.“ Er zog seinen Zeigefinger aus meinem Rachen heraus, bevor er mir auch schon den Mittelfinger dazusteckte. Zwei Finger schoben sich in meinen Mund. Er schluckte – ich wusste, der Anblick raubte ihm den Verstand. „Willst du noch einmal kommen?“ Er umfasste meinen Schwanz energischer. „Ich bringe dich zum Schreien, wenn du das möchtest …“ Herausfordernd strich er mit dem Daumen über meine Eichel, die Fingerkuppe glitt über den Schlitz.

Ich nickte kaum merklich, bevor ich nach seiner Hand schnappte und die Finger aus meinem Mund zog. „Willst du nicht selbst kommen?“ Ich stöhnte, dann schluckte ich.

Er leckte sich über die Lippen. „Doch … aber ich kenne mich, ich will dich dann ganz …“ Seine Finger ließen meinen Schwanz los und strichen an meinen Hoden entlang zurück. Vorsichtig umrundete er meinen Hintereingang, massierte mich dort, wo ich normalerweise keinen meiner Partner sofort hingelassen hatte.

Ich keuchte laut, als er seine Fingerspitze vorsichtig gegen mich drückte.

„Ja, du würdest mich weitermachen lassen.“ Er rollte sich fester über mich, ohne seine Hand von meinem Hintern wegzunehmen. „Du würdest alles mit dir machen lassen, nicht wahr?“ Er brummte leise.

Ich schloss die Augen, als ein Finger sich gegen den Muskel meines Pos drückte, und biss mir auf die Unterlippe, um nicht laut aufzustöhnen. Mein Bein winkelte sich wie automatisch mehr an, womit ich ihm mehr Zugang verschaffte.

„Würdest du mich in deinen Mund lassen?“ Er nahm meine Unterlippe zwischen die Zähne und zog leicht daran. „Zuerst in deinen Mund, und dann in den Arsch?“ Er schnaufte angestachelt, der Finger trieb sich mit Kreisbewegungen für wenige Millimeter in meinen Hintern. „Du würdest“, hauchte er. „Du machst nämlich keine halben Sachen …“ Sein Finger zog sich zurück, bevor er ihn unerwartet fester gegen meinen Eingang drückte. Ich spürte, wie der Muskel nachgab.

„Shit!“, rief ich und atmete stockend.

„Mach deinen Mund auf!“

Ich tat, was er verlangte. Sein Zeigefinger schob sich zwischen meine Lippen.

„Saug!“

Ich schloss die Lippen, neigte meinen Nacken zurück und ließ mir seinen Zeigefinger in den Rachen schieben. Unten drängte er sich ebenfalls vorwärts, nur nicht so schnell. Ich spannte meinen Schließmuskel und sog die Luft durch meine Nase ein, als Max über einen bestimmten Punkt in mir rieb.

„Hier?“ Er lachte rau. Sein Finger in meinem Po begann mich zu massieren – ich hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden.

Scheiße, ich war verloren. Max wusste genau, was er hier tat. Jeder seiner Griffe und Bewegungen wirkten geübt. Er musste sich nicht erst vorarbeiten und auf die Suche nach meinen empfindlichsten Stellen gehen, er brauchte nur Knöpfe zu drücken.

Ich keuchte, dann würgte ich, weil sein Finger in meinem Mund zu tief gewesen war. Er zog ihn heraus und streichelte über meine angeschwollenen Lippen.

„Wie fühlt sich das an, hm?“ Seine Stimme wirkte fern, der Finger in meinem Hintern bearbeitete seit Sekunden dieselbe Stelle. „Ich bewerte das als ein Gut!“ Er grinste.

Ich hechelte nach Luft, in meinem Bauch zog sich etwas zusammen, mein Körper verkrampfte sich.

Max nahm seinen Finger aus mir, nur um ihn sofort wieder in mich zu treiben, dieses Mal schneller und tiefer. Wieder glitt er über die Stelle in mir. Ich schrie auf und hielt die Luft an – und dann kam ich schon wieder. Ich spritzte mir in die Hose. Die Feuchtigkeit verteilte sich unangenehm auf mir.

„Ich könnte das Stunden machen“, wisperte er dicht an mir.

„Was hast du vor?“ Ich blinzelte, mein Atem ging stoßweise. „Willst du mich solange … kommen lassen, bis ich willenlos bin?“

Er brummte. „Das bist du doch längst!“ Sein tiefer Bariton jagte mir einen Schauer über den Rücken.

„Was dann?“

„Ich will, dass du durchatmest. Du wälzt viel zu viele Probleme mit dir rum.“ Er küsste mich sanft. „Dein Vater will sicher auch noch mit dir reden.“

Paps? Ich schluckte und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, aber mein Blut war mit viel zu viel Oxytocin geschwängert. Stattdessen wollte ich kuscheln. Ich fasste mit der Hand nach seinem Gesicht und strich darüber. „Gott, bist du geil!“

Max lachte auf. „Ja! Ja, du hast recht gehabt. Hätten uns andere Umstände zusammengeführt, wäre die Sache zwischen uns anders verlaufen und wir hätten uns ineinander verliebt.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Nasenspitze. „Nur bei einer Sache hattest du unrecht: Dass es nicht noch immer möglich ist.“ Er schluckte hart. „Es war nicht falsch – ich bereue nichts.“ Er küsste mich abermals. „Ich denke, ich habe mich in dem Moment in dich verliebt, als du über deinen Schatten gesprungen bist und Hermes und mich trotz der Umstände zwischen uns aufnehmen wolltest.“

Ich atmete langsam durch, als mir plötzlich sein Geständnis bewusst wurde. „Du … du hast dich … in mich verliebt?“

Er nickte. „Sonst hätte ich das gerade mit Sicherheit nicht gemacht.“

„Dann hatte ich ja Glück. Ich hatte nämlich eigentlich nur mit Hermes’ Mitleid, du hättest meinetwegen auch erfrieren können.“

Er schnaufte laut. „Ich werde dich fertigmachen! Ich werde dich so fertigmachen, dass du mich anflehst, das Bett wieder verlassen zu dürfen!“ Grinsend bewegte er den Finger in mir. „Du hast ja keine Ahnung, was ich mit dir anstellen kann.“

Ich glaubte ihm jedes Wort und biss mir genießend auf die Unterlippe. „Damit kann ich leben.“ Ich griff nach seiner zweiten Hand und schob mir selbst seinen Zeigefinger in den Mund. Genüsslich saugte ich daran, ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf.

Ich spuckte den Finger aus und lächelte ihn zufrieden an. „Ich denke, ich habe eine Methode gefunden, um dich fertigzumachen – nicht wahr?“

Max brummte, sein Finger zog sich aus mir, dann massierte er meinen Eingang. „Vielleicht lege ich dich besser übers Knie.“ Er grinste hinterhältig. „Ich will ja nicht, dass du noch den Kopf verlierst.“