I ch war ins Badezimmer im ersten Stock verschwunden, was wir eigentlich nur benutzten, wenn Gäste im Haus waren. Sonst trocknete Mama darin die Wäsche. Aber nachdem alle unten im Esszimmer waren und Weihnachten feierten, konnte ich oben ungestört duschen, ohne überrascht zu werden. Max hatte in meinem Zimmer auf mich gewartet. Kurz war ich mir nicht sicher gewesen, ob er mir folgen würde, aber da hatte ich ihn wohl unterschätzt. Er wartete artig auf mich, erst danach eilte auch er ins Bad. Als er zurückkam, sah er wieder aus, wie aus einem Hochglanzmagazin entsprungen. Sein Anzug saß perfekt, die Hose war nicht einmal sonderlich verknittert, obwohl er sich an mir gerieben hatte. Fast war es, als wäre nichts passiert. Wenn ich da einen Blick auf meine Hose machte, sah es ganz anders aus. Ein feuchter Fleck war um den Reißverschluss zu erkennen.

Ich würde einen neuen Anzug benötigen, für den Fall, dass Max mich doch noch zwang, nach unten zu gehen. Oder all die anderen. Mama war nach der Christmette zweimal an der Tür gewesen, um mich zu holen, doch ich hatte mich hartnäckig geweigert aufzumachen. Gleich darauf waren auch Magdalena und Albrecht da gewesen.

„Zieh dich an. Du kannst das nicht ewig vor dir herschieben.“ Max setzte sich auf das Bett und streichelte über Hermes und Murli. „Außerdem versaust du das ganze Weihnachtsfest. Die Mädchen verstehen nicht, warum du nicht nach unten kommst.“

Ich nickte und öffnete zögerlich den Schrank. Er hatte recht. Clara und Lydia kamen ungewollt zum Handkuss. Ich wäre trotzdem lieber hiergeblieben. Viel zu langsam holte ich einen weiteren Anzug hervor – in Anthrazitgrau. Ob jemand der Unterschied auffiel? Ich konnte schlecht sagen, mich bekleckert zu haben, wo ich doch hier mit Max in meinem Zimmer gewesen war. Alle würden sofort in eine bestimmte Richtung denken – womit sie ja nicht falschlägen.

„Können wir nicht einfach in ein Auto steigen und fahren?“ Ich hängte den Anzug an die Tür und zog die Hose hervor. Herumtrödelnd stieg ich hinein, bevor ich mich zu Max umsah. Sein Blick hing auf meinem nackten Oberkörper und der offenen Hose. „Hörst du mir zu? Lass uns einfach abhauen!“

Er schaute zu mir hoch. „Wir bleiben.“ Er grinste breit.

Ich nahm ein Hemd und schlüpfte hinein. „Was ist, wenn er … mich rauswirft, vor den Augen der Mädchen?“ Ich ging zur Balkontür und öffnete sie, um durchzulüften. Der Duft nach Sex hing wie eine schwere Wolke im Raum. Ich konnte mich kaum konzentrieren – und Max machte es mit seinen anrüchigen Blicken nicht besser. Außerdem war Murli im Zimmer, das Fenster zu kippen, während wir unten waren, käme damit nicht infrage. Schließlich wollte ich nicht, dass sie sich erhängte. So intelligent sie ansonsten war, wenn es um gekippte Türen oder Fenster ging, wurde sie wie jede andere Katze zur Akrobatin und versuchte seiltänzerisch ins Freie zu kommen. Als könnte sie nicht durch die Haustür im Erdgeschoss laufen.

Ich wandte mich zu Max. Sein Blick hing nach wie vor auf mir – wahrscheinlich bereute er gerade, sich vorhin nicht mehr genommen zu haben. Mann! Ich war wieder in einer … Beziehung – mit einem hammergeilen Kerl – und konnte es nicht einmal genießen, weil mich all die anderen Umstände in die Knie zwangen.

Ich seufzte und zog den Vorhang zur Seite. „Was ist, wenn er …

„Häschen!“ Max seufzte laut, erhob sich und trat zu mir. Er umfasste mein offenes Hemd und zog mich an sich. „Du hast doch gehört, was er zu mir gesagt hat. Er wird dich nicht hinauswerfen.“

„Schon, nur …“ Ich griff nach seinem Sakko und lehnte mich mit der Stirn gegen seine Brust.

„Ich wette, dein Vater ist gleich aufgeregt wie du. Außerdem legt er sich mit der ganzen Familie an. Als du aus dem Raum gelaufen bist, hat dein Großvater ihn einen – Zitat – blöden Deppen genannt. Er meinte, sollte dein Vater auch nur eine Sekunde darüber nachdenken, dich hinauszuwerfen, wirft er ihn eigenhändig raus. Es wäre schließlich noch immer sein Haus.“

Opas Haus? Ich linste zu Max hoch. Sofort bildete sich ein weiterer Brocken in meinem Magen. Hatte Papa nur nachgegeben, weil er sonst gegen Opa verlor? Weil Opa ihn dann enterbte? Stand er gar nicht zu dem, was er Max gegenüber erwähnt hatte? So direkt hatte er ja nicht gesagt, dass ich immer noch sein Sohn wäre, nur dass er Angst hätte, mich vor Max nicht beschützen zu können. War er jetzt schwulenfeindlich oder nicht?

„Mir ist schlecht“, murrte ich.

„Denk doch nicht immer so viel!“ Max schob mich ein Stück zurück und begann mein Hemd zu schließen. Durch die Berührung sowie die kalte Luft, die durch die Balkontür drang, richteten sich meine Brustwarzen automatisch auf.

Natürlich registrierte Max das. Er leckte sich über die Lippen und murrte mit belegter Stimme: „Genieß die wenigen Stunden bis wir zu Bett gehen …“ Eine Hand strich um meine Mitte zu meinem Hintern. Er kniff mich. „Dann bist du nämlich fällig.“

Ich biss mir auf die Unterlippe. Es war ein Versprechen, kein Vorschlag oder Wunsch. „Wir könnten auch gleich hierbleiben.“

„Nein!“ Max brummte leise. Seine Finger griffen wieder nach einem Knopf am Hemd und schlossen ihn. „Wir gehen nach unten.“ Er zog mich fertig an, fädelte mir sogar den Gürtel der alten Hose aus und zog in mir durch die Schlaufen der neuen. Ich musste zugeben, dass er geschickt war – aber das war er schon vorhin gewesen. Er war ziemlich schnell an seinem Ziel gewesen. Mein Ex-Boss hatte mit der Gürtelschnalle immer länger gekämpft.

Max griff nach der Anzugjacke und hielt sie hoch.

Ich atmete tief durch, bevor ich die Balkontür schloss. Natürlich zögerte ich nur die Zeit hinaus, als hätte ich so dem Spektakel im Wohnzimmer entgehen können, andererseits brauchte ich noch einen Moment, sonst drehte ich durch.

„Nun mach schon!“ Max kam mit dem Sakko zu mir.

Ich ließ mir hineinhelfen, als wäre ich ein Mädchen und er der Gentleman. Na ja, Letzteres traf zumindest zu.

„Entspann dich!“, murmelte er, während er die Jacke schloss und sie glattstrich. „Ich bin doch notfalls auch da – und die anderen. Albrecht verteidigt dich bestimmt.“

Ich nickte unbeholfen. Sicher taten sie das, aber letztendlich war es mein Kampf – ich musste das alleine erledigen.

Max zeigte zur Tür. Ich sog ein letztes Mal tief die Luft ein, dann setzte ich mich in Bewegung.

Schon an der Treppe hörten wir aufgeregtes Schnattern aus dem Wohnzimmer. Oma beschwerte sich gerade über die viel zu harte Kruste des Bratens – sie hätte sich beinahe die falschen Zähne ausgebissen. Die Mädels lachten, vermutlich hatte das Christkind ordentlich tief in die Tasche gegriffen. Aus dem Radio erklang Stille Nacht – von irgendeinem Kinderchor gesungen. Wahrscheinlich wieder die wienerischen Sängerknaben. Um diese Zeit plärrten sie auch aus dem Radio, nicht nur von der CD.

Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, es war wie immer, als wäre nichts passiert.

Wir traten ins Wohnzimmer ein. Die Mädchen kullerten am Boden vor dem Christbaum herum und spielten. Oma und Opa hockten in ihren Sesseln und strahlten ob des schönen Festes. Auf ihrem Schoß lagen jeweils ein paar ungeöffnete Präsente. Wie immer brauchten sie ewig zum Aufmachen – sie sahen lieber den anderen zu, wie sie sich über die Geschenke freuten. Magdalena saß bei Horst – er hatte einen Arm um sie gelegt, daneben hockte Albrecht mit einem Glas Wein in der Hand. Vermutlich vermisste er Mario und Johannes, vielleicht sogar ein wenig Karin. Auf der anderen Seite der Couch saßen Mama und Papa. Schmunzelnd sahen sie den Mädchen am Boden zu, die ausgelassen spielten. Der Christbaum strahlte in vollem Glanz, fast konnte man über die zwei Wipfel hinwegsehen, auch über die Krümmung im Stamm.

Die Stimmung wirkte friedlich, als hätte es nie einen Streit gegeben. Selbst Omas und Mamas Sticheleien wegen des Bratens waren nicht sonderlich wichtig. So musste das perfekte Bild einer harmonischen Großfamilie aussehen. Es wäre vollkommen für eine Fotografie gewesen.

„Ja, Buben! Kommt ihr auch noch!“ Oma klatschte freudig in die Hände, als sie mich und Max bemerkte.

„Hey“, sagte ich unsicher, weil alle schlagartig zu uns blickten. Ich ignorierte, dass Oma Max als Bub bezeichnet hatte, auch wenn es ein Zeichen dafür war, dass sie ihn in die Familie integriert hatte.

„Setzt euch!“ Opa benötigte mehrere Anläufe, bis er endlich auf den Beinen war. Er humpelte die wenigen Schritte zu der Couch, wo Magdalena, Horst und Albrecht saßen. „Macht Platz! Setzt euch woanders hin! Ich muss mit dem Max reden!“ Aufgeregt fuchtelte er mit den Armen herum.

„Bitte bleibt“, rief Max, als sich Magdalena und Horst erhoben.

„Nein, passt schon.“ Magdalena setzte sich mit Horst auf die andere Seite zu Mama und Papa. Mama lächelte mich herzlich an, Papa starrte, als würde er sich gleich übergeben.

Reflexartig schnappte ich nach Max’ Finger und hielt mich an ihm fest. Er blickte kurz zu mir, erwiderte den Druck um meine Hand aber und setzte sich – mit mir. Ich fühlte mich wie ein Häufchen Elend, am liebsten hätte ich mich zusammengerollt und geheult. Die Blicke auf mir machten die Sache nicht besser, auch wenn ich mich selbst in diese Situation gebracht hatte. Mit Max Händchen zu halten, bestätigte nur, was alle gedacht hatten – nämlich, dass Max und ich zusammen waren.

Scheiße, wir waren ja zusammen … noch nicht so lange, wie die anderen dachten, aber … er war mein Freund.

„Habt ihr Hunger?“ Mama erhob sich und strich über ihr festliches Kleid, als hätte sie Brösel darauf. „Ich hole euch etwas!“ Ohne auf eine Antwort von uns zu warten, lief sie los.

„Du, Mitzi, mir auch was.“ Opa grinste breit und lächelte zunächst mich, dann Max an. „Was ich dich fragen will ...“ Er ließ sich in seinen Sessel fallen und ächzte laut. Dann beugte er sich vor und griff nach Max’ Unterarm. „Der Gustl hat gesagt, du bist der neue Verwalter vom Birkheim-Wald?“

„Geh, Opa! Wart doch ein wenig. Die müssen doch erst die Geschenke aufmachen … und essen auch.“ Magdalena zeigte zu dem Christbaum, unter dem noch einige eingewickelte Pakete lagen. Vermutlich auch Marios und Johannes’ – und Karins.

„Ach so, ja …“ Opa ließ sich zurückfallen. „Das Essen …“

„Na, da versäumen sie nicht viel“, motzte Oma und faltete die Hände am Schoß.

„Mami!“, fauchte Papa. „Fängst du schon wieder an?“

„Na, wenn’s wahr ist. Wenn die Mitzi mich hätte kochen lassen, dann wäre der Braten auch gelungen.“

Ich rollte mit den Augen und seufzte.

Albrecht lachte leise: „Sie kann es nicht lassen.“

Ich nickte nur. Oma brauchte das – es war irgendwie Tradition. So wie Opa in wenigen Stunden das herrliche Fest loben würde, das heuer besonders schön war – viel schöner als letztes Jahr.

„Geh, Lydia, Clara, schaut mal, ob das Christkind ein Packerl 19 für den Sebastian und Max hingelegt hat.“ Magdalena zeigte zu den Geschenken unter dem Baum.

Clara sprang sofort hoch und durchsuchte die Pakete nach Namensschildern. Sie konnte ein wenig lesen, noch nicht besonders gut, aber die ersten drei Buchstaben meines Namens würde sie entziffern. Lydia schaute eifrig mit, als könnte sie ebenfalls lesen. Als Clara fündig wurde, hielt sie Horst ein Präsent vor die Nase – vermutlich zur Kontrolle, ob sie richtig lag. Er nickte, während Magdalena auf ein weiteres zeigte. Lydia schnappte es und eilte damit zu mir. Beide legten mir die Päckchen auf den Schoß.

Ich ließ Max’ Finger los und bedankte mich bei ihnen.

„Wieder gut?“, fragte Clara unerwartet und lächelte mich an.

Ich nickte unbeholfen. „Ja, alles okay.“ Ich linste zu Papa, der mich und Max musterte.

Clara grinste, dann erklärte sie mit der Überzeugung einer Vierjährigen: „Der Papa hat gessagt, du bissst traurig, weil Opa nicht will, dasss du mit Maxssi-i-lan befreundet bissst.“ Sie schaute von mir zu Max, dann zurück zu Papa. Fast wirkte ihr Blick vorwurfsvoll.

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Vor den Kindern konnte ich mich schlecht verteidigen.

„Ja, aber der Opa hat sich da geirrt“, rief Horst. „Der Max passt genau für den Onkel Sebastian.“

Clara lächelte mich an, während ich mit offenem Mund zu Horst blickte. Hatte er mich gerade verteidigt? Vor Papa?

Dankbar lächelte ich.

„Habt ihr ein Baby-y?“, mischte sich Lydia ein.

„Ein Baby?“ Ich verstand nicht recht.

„Der Papa hat gesssagt, dasss du und der Maxssi-i-lan wie Mama und Papa sseid – nur eben zsswei Papas.“ Clara linste zu Max und kicherte.

Mir fiel die Kinnlade nach unten. Das hatte ich Horst nicht zugetraut. Ja, er war nicht schwulenfeindlich, aber er hatte den Mädchen tatsächlich eine kindergerechte Erklärung geliefert. „Ähm, ja … nein!“ Ich blickte zu Magdalena, die stolz wie ein Honigkuchenpferd war. Keine Ahnung, ob auf Clara oder auf Horst.

„Wäre ich nicht schon mit ihm verheiratet, würde ich es jetzt machen“, sagte sie und tätschelte Horsts Bein.

Papa schluckte unbeholfen neben ihnen. Er hatte gerade mehrere Ohrfeigen kassiert – von zwei Kleinkindern und seiner eigenen Tochter mitsamt Schwiegersohn.

„Papa hat gesssagt, du mussst lieb zu Sseb-ast-i-an ssein, sonst haut dich die Mama!“ Clara stieß gegen Max’ Oberschenkel. Mit ihren kleinen Fingern zupfte sie an dem Hosenstoff herum. „Und der Opa auch.“

Gut, okay, jetzt bekam auch Max seine Prügel.

Max schaute von den Mädchen zu Magdalena, dann zu Paps. „Ich merke es mir.“ Er schmunzelte.

„Mitgehangen – mitgefangen!“ Magdalena zwinkerte. „Aber jetzt sucht weiter die Geschenke für den Sebastian und den Max.“

Die Mädchen krochen wieder unter den Baum. Ich schaute zu Papa, der noch immer zwischen Max und mir hin und her blickte. Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, atmete er durch, dann lächelte er – na ja, er versuchte es zumindest. Vermutlich der erste Versuch, sich mir wieder zu nähern.

Clara rannte mit einem weiteren Geschenk zu Horst.

„Wartet auf mich mit dem Auspacken!“, rief Mama hinter uns und balancierte ein Tablett voller Essen in das Wohnzimmer. Sie stellte es auf den Tisch, bevor sie sich aufgeregt neben Papa auf die Couch setzte. „Essen wir nachher, macht zuerst die Packerl auf.“

Ich linste auf die Geschenke. War es das? Keine Vorwürfe und Strafpredigten? Konnte es so einfach sein?

Ich konzentrierte mich auf die Päckchen auf meinem Schoß. Auf einem stand mein Name, auf dem anderen Maximilians. Ich hielt ihm das Präsent hin. „Für dich“, erklärte ich.

Dankend linste ich zu Mama. Ich hatte keine Ahnung, wie sie es angestellt hatte, aber irgendjemand war heute im Laufe des Tages einkaufen gefahren, um für Max Geschenke zu besorgen. Lydia und Clara schleppten nämlich schon weitere an.

„Ähm …“ Max starrte auf seine Beine, auf dem Lydia ein Geschenk abgelegt hatte. Verwirrt sah er hoch.

„Ja, mach den Mund zu, Max“, mischte sich Albrecht ein. „Du glaubst ja gar nicht, wie anstrengend es ist, fünf vor zwölf etwas Passendes zu …“ Er biss sich auf die Zunge und spähte zu den Mädchen, die unter dem Christbaum nach weiteren Geschenken suchten. „Ich meine, dem Christkind unter die Arme zu greifen.“

„Na, ganz allein hast du das Wunder nicht vollbracht, ich bin ja auch zeitweilig weggewesen.“ Magdalena grinste breit und blickte zu Max. „Du und der Horst wart mit den Mädchen am Schlitten nicht aufzuhalten … ich bin euch da gar nicht abgegangen …“ Sie zwinkerte.

Max nickte verstehend. „Danke“, sagte er etwas überfordert, weil er nicht damit gerechnet hatte, beschenkt zu werden. „Ich bin gerade … etwas sprachlos.“

„Warum?“ Opa kämpfte sich hoch und schlug ihm auf die Schulter. „Du hast ja auch was besorgt … also das Christkind hat mir …“, er beugte sich neben seinen Sessel auf den Boden, „einen Whiskey gebracht – eine ganze Schachtel voll – und keinen billigen aus dem Supermarkt, sondern einen ordentlichen.“ Er zog eine Flasche aus dem Karton. Sie wirkte edel, alleine die Aufmachung zeugte davon, dass es kein billiger Fusel war. „Und Wein habe ich auch!“

„Na ja …“ Max räusperte sich verlegen. „Das war das Einzige, was bei mir im Haus auf Lager war.“ Entschuldigend sah er in die Runde.

„Die Mädels haben vom Christkind zwei Legoboxen bekommen.“ Horst zeigte auf den Boden. Lydia lief sofort los und zeigte uns die rosarote Kunststoffbox.

„Da war wohl auch jemand fünf vor zwölf unterwegs?“ Albrecht grinste.

Max bejahte, obwohl er noch immer sprachlos wirkte. „Hermes musste noch mal raus … nach dem Schlittenfahren.“

„Ja, gell? Jetzt bist du froh, einen Baum gehabt zu haben. Sonst hättest du die Geschenke nirgendwo hingeben können.“ Omas Logik brach noch immer alle Rekorde.

„Oma!“ Magdalena fuchtelte aufgeregt mit den Händen. „Du meinst das Christkind.“ Sie zeigte zu Clara und Lydia, die noch einmal die Präsente unter dem Baum untersuchten.

„Das Christkind?“, fragte Oma verwirrt und schüttelte dann den Kopf. „Nein, der Maximilian …“

„Geh, halt doch deinen Mund!“ Opa fixierte sie anklagend.

„Spinnst?“, zischte sie. „Wie redest du mit mir?“

„So wie …“

Mama klatschte in die Hände und unterbrach die Streithähne. „Jetzt macht auf, sonst wird das Essen kalt.“

„Was wurscht wäre. Ist kalt sicher auch nicht besser …“ Oma blickte sich triumphierend um.

„Ma-mi!“ Papa hatte das Wort extra in die Länge gezogen. „Übertreib es nicht, gell?“

„Macht die Packerl auf!“, rief Mama erneut und ignorierte die anderen.

Ich seufzte und öffnete das erste Geschenk. Eine dunkelgraue Strickjacke kam zum Vorschein. Sicher von Mama. „Danke.“ Sie kannte meinen Geschmack.

Sie nickte nur und blickte zu Max, der umständlich sein erstes Päckchen aufmachte. Er zog eine ähnliche Jacke aus dem Papier.

„Ich hoffe, sie passt“, rief Mama ganz aufgeregt. „Ich habe dem Albrecht gesagt, er soll sie anprobieren und sie dann zwei Nummern größer nehmen.“ Sie schielte zu Clara und Lydia. „Also das Christkind …“

„Anprobieren!“, befahl Oma in einem Ton, sodass Max zusammenzuckte. Er war völlig überfordert. Dass er persönliche Geschenke bekam, brachte ihn aus dem Konzept. Seine souveräne, geschäftliche Anwaltsmaske bröckelte.

Er reichte mir die Präsente weiter und erhob sich. Umständlich zog er sein Sakko aus, bevor er in die Strickjacke schlüpfte. „Ja, passt hervorragend. Danke.“ Er nickte Mama zu.

„Schön!“ Sie grinste übertrieben breit.

Als er sich setzte, kamen Clara und Lydia mit weiteren Päckchen an.

„Wow, echt, danke …“, flüsterte Max neben mir und nahm die Geschenke wieder an sich.

Ich öffnete das nächste Packerl, eine kleine flache Schachtel. Wild Adventure stand darauf. Ich klappte den Karton auf. Ein Bungeesprung für zwei Personen. Ich blickte zu Albrecht. „Danke!“ Seit vier Jahren bettelte ich ihn an, dass er mit mir gemeinsam sprang, weil ich alleine zu viel Schiss hatte, aber Karin hatte es ihm immer verboten. Ich lächelte breit und wiederholte triumphierend: „Danke!“

„Jaja, hast du schon gesagt.“ Er nahm mir die Schachtel aus der Hand und beugte sich vor. „Hier, das darfst du erledigen.“ Er warf Max den Karton zu.

„Ich soll … was?“

„Bungeespringen.“ Albrecht schmunzelte. „Dann erspare ich mir das. Mir geht nämlich der Arsch auf Grundeis, seit ich die Gutscheine gekauft habe … also dem Christkind geholfen habe …“

Mama murrte. „Was kaufst du auch so etwas?“ Sie sah Albrecht vorwurfsvoll an, dann blickte sie zu mir. „Alleine springst du nicht, das schwöre ich dir.“

Max schnaubte leise. „Schon mal gesprungen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Aha …“ Er schloss den Karton und reichte ihn mir zurück. „Wehe, du brüllst mir das Trommelfell raus vor Panik.“

„Du springst?“ Magdalena blickte Max fassungslos an.

Er zuckte mit den Schultern. „Sicher. Es gibt höhere Brücken für so einen Sprung.“

„Wer springt wo hinunter?“ Oma schaute zwischen uns hin und her.

„Der Albrecht hat dem Sebastian einen Bungeesprung geschenkt“, erklärte Papa laut. „Da hängt man sich ein Gummiseil an die Füße und springt von einer Brücke oder so.“

„Der Albrecht hat das Christkind nur gut beraten!“, erklärte Horst und seufzte laut.

Papa stutzte, dann nickte er. „Ja, das Christkind.“

„Spinnst du?“, rief Oma zu Albrecht und winkte vor ihrer Stirn herum.

„Der Max springt ja mit ihm“, erklärte Mama wie selbstverständlich. Als hätte es nie eine Diskussion gegeben, als wäre sie nie nervös wegen meiner Homosexualität gewesen. Sie fixierte Max. „Alleine springt er nicht, haben wir uns verstanden?“ Als könnte er im Notfall helfen, wenn etwas passieren würde.

Max linste zu mir, dann nickte er. Er war es nicht gewohnt, sich befehligen zu lassen. Dennoch widersprach er nicht. Vielleicht hatte er eingesehen, dass er gegen General Mama keine Chance hatte.

„Bei dem reißt doch das Gummiseil!“, mischte sich Oma wieder ein. „Dass du das zulässt, Mitzi.“

Max schaute sprachlos zu Oma. Wahrscheinlich fragte er sich gerade erneut, ob er in einem schlechten Film feststeckte.

„Meine Güte!“, riss Magdalena uns aus den Gedanken. „Jetzt macht doch bitte die Packerl fertig auf. Da schläft man ja ein! Außerdem hab’ ich Hunger!“ Vergessen waren die überschüssigen Kilos, vergessen war auch ihre Panik, dass Horst sie nicht mehr attraktiv finden könnte. Seit er sich als schwulenfreundlich erwiesen hatte, war er ihr persönlicher Held.

Ich riss das Papier von den nächsten Päckchen. Zwei Bücher, ein sündteures Parfum – sicher von Magdalena –, mehrere DVDs, Kleider und ein Gutschein von Ikea.

„Für die neue Wohnung“, erklärte Mama.

Verblüfft starrte ich sie an. Sie akzeptierte, dass ich nicht zu Hause bleiben würde?

„Eigentlich ist der ja jetzt umsonst“, warf Magdalena ein. „Weil du wahrscheinlich mehr hier im Ort bist, als in deiner neuen Wohnung.“ Sie zeigte zu Max, der auf ein in Leder gebundenes Notizbuch starrte.

Ich schaute zu Papa, der seit Minuten zu den Mädchen am Boden blickte. Sie suchten noch immer nach weiteren Geschenken. Ich war mir sicher, dass sie alle gefunden hatten, aber so waren Kinder nun einmal. Vielleicht gab es ja noch etwas.

Papa schaute hoch, als hätte er meinen Blick auf sich gespürt. War er mundtot gemacht worden? Hatten alle auf ihn eingeredet – oder akzeptierte er die Situation ebenso wie alle anderen? Konnte es so einfach sein?

„Häschen“, murrte Max und blickte noch immer auf das lederne Buch in seinen Händen. „Wie lange bin ich schon dein … Freund?“

Ich sah von Papa weg zu ihm. „Was? Warum?“

„Weil hier lauter persönliche Geschenke auftauchen …“ Er hielt das leere Buch hoch, dann zeigte er auf ein Etui, indem ein sündteurer Füller steckte.

„Du bist Schriftsteller“, grinste Albrecht. „Ich dachte mir, da ergibt sich das sicher gut. Da kannst du all deine Ideen reinschreiben … Der Füller ist von Magdalena und Horst.“

„Warum ihr alle für das Christkind denkt, ist mir ein Rätsel“, mischte sich Horst wieder ein. Vorwurfsvoll schaute er zu Albrecht.

Albrecht nickte sofort. „Ja, das Christkind …“

Max atmete tief durch. „Ehrlich, ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Er sah sich in der Runde um. „Danke vielmals.“

„Wir sagen Danke!“, rief Opa und zeigte auf den Whiskey.

Ich linste auf meinen Schoß, wo noch zwei Päckchen lagen. Das eine hatte ich selbst eingepackt – das Geldgeschenk von Oma und Opa –, und ein letztes, das mit grün-goldenem Weihnachtspapier umwickelt war, was nicht von uns stammte. So teures Papier kauften wir nicht. Also von Maximilian.

Ich blickte zu ihm. Auf seinem Schoß lag das Präsent von mir, die Schachtel mit der Flasche Harakiri, die ich Albrecht abgebettelt hatte. Darin steckte ein kleines Kuvert mit Gutschein für einmal Prügel. Ich hatte das gestern Abend noch witzig gefunden.

„Von dir?“ Max grinste mich an.

Ich nickte. „Das ist … ich habe das gestern eingepackt, noch bevor …“ Ich hielt inne und blickte mich um. Alle warteten gespannt, was ich Max schenkte.

Mann! Das hier war so verkehrt! Langsam fragte ich mich, ob ich von dem Streit nur geträumt hatte. Vielleicht hatte mich Max auch verprügelt und ich steckte in einem Traum fest …

„Ja, habe ich auch“ Er zeigte auf das Geschenk in meinen Fingern. „Gestern Abend, während du Kartons aus deinem Zimmer geschleppt hast.“

Ich linste zu ihm und schluckte.

„Jetzt macht!“ Magdalena beugte sich vor und rieb sich die Hände. „Jetzt wird es interessant.“

Ich griff nach dem Kuvert von Opa und Oma und wollte es wegstecken, weil ich neben Max nicht unbedingt ein Geldgeschenk öffnen wollte, als ich auf das Namensschild starrte. Unter meinem Namen, den ich feinsäuberlich auf das Schild geschrieben hatte, hatte Opa mit zittriger Hand Max geschrieben, dazwischen ein Plus. Ich linste zu ihm, er schmunzelte nur.

„Hier“, sagte ich unsicher zu Max und reichte ihm das Kuvert. „Das ist … für uns beide.“ Er runzelte die Stirn. „Von Oma und Opa.“

Max blickte zu ihnen, dann öffnete er die Schleife. Sie war geöffnet worden, auch das Papier war aufgerissen und danach wieder verklebt worden. Max fiel das nicht auf, aber ich erkannte es. Er holte das Kuvert heraus und las die zittrige Schrift darauf: von Oma und Opa. Dann blickte er hinein. Für Sekunden sagte er nichts, dann reichte er mir den Umschlag zurück. „Mit Sicherheit nicht.“

Ich linste in das Kuvert. Zu den üblichen 200 Euro waren zwei weitere Scheine gekommen.

„Aber sicher!“ Opa schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels. „Bekommen ja alle!“ Er zeigte unter den Christbaum. „Für den Johannes und den Mario gibt es auch eines.“ Er schielte zu Albrecht. „Nur der Karin gibst du es nicht!“

Albrecht nickte.

Max schnaubte laut neben mir. „Ich kann das nicht annehmen“, sagte er völlig bestürzt.

„Du gehörst zur Familie! Punkt und aus!“ Opa schlug abermals mit der Hand auf die Armlehne. Ich wusste, er würde über diese Angelegenheit nicht mit sich diskutieren lassen.

„Ich … ich kann das Geld nicht annehmen“, wiederholte Max, während mir die Tränen in die Augen stiegen.

Opa – und auch alle anderen – hatten Max einfach akzeptiert. Ich hatte gewusst, dass sie mich gegen Papa unterstützen würden, aber ich hatte nicht erwartet, dass sie fünf vor zwölf noch einmal losstürmten und Geschenke für ihn besorgten. Ich hatte nicht erwartet, dass sie ihn aufnahmen, als wären wir ein altes Ehepaar.

„Was plärrst jetzt du?“, rief Opa laut. Sofort starrten alle auf mich.

Ich winkte ab und wischte mir über die Augen. „Nichts … ich …“ Max und Albrecht legten zeitgleich einen Arm um mich.

„Danke“, hauchte ich und blickte mich um. Ich brauchte nicht mehr zu sagen, jeder wusste, was ich meinte. Kurz linste ich zu Papa, er schluckte trocken. Wieder versuchte er zu lächeln.

„Meine Güte, jetzt heul ich auch!“ Magdalena wischte über ihre Augen, dann fächerte sie sich Luft zu. Horst strich ihr über den Rücken.

Magdalena und ich sahen uns an, dann lachten wir beide auf, obwohl uns die Tränen über die Wangen liefen.

„Das liegt in der Familie“, erklärte Albrecht an Max gewandt. „Setz die beiden nie zu zweit vor den Fernseher, sie werden nämlich synchron zu heulen beginnen.“

Max rieb über meinen Rücken. Er räusperte sich. „Ja … ich …“ Er sah zu Opa. „Ich werde das Geld Sebastian überlassen. Versteht mich nicht falsch, aber Geld kann ich wirklich nicht annehmen. Aber ich möchte mich bedanken. Erstens, weil ihr mich einfach aufgenommen habt, obwohl ich eigentlich ein Fremder war, und zweitens, weil ihr mich gerade in eure Familie integriert.“ Er schaute zu Opa und legte sich die Hand ehrfürchtig auf die Brust. „Ich kann das Geld nicht annehmen, aber danke, dass ich Teil dieser Familie sein darf.“

Opa nickte nur, Oma strahlte wie eine Königin, als hätte sie das alles arrangiert. In Wirklichkeit wusste sie vermutlich nicht einmal, dass Opa Max’ Name auf den Umschlag geschrieben hatte.

„Meine Güte, jetzt heul ich auch.“ Mama wischte sich über die Wangen. Sie sprang hoch und umarmte mich und Maximilian. Sie lachte leise, bevor sie zu dem Essen zeigte: „So, wer hat jetzt Hunger?“

Um den Tisch brach Trubel aus. Albrecht eilte in die Küche, um Nachschub zu holen, weil mehr Teller benötigt wurden. Selbst Magdalena interessierte sich nicht mehr für die Geschenke, die Max und ich uns gegenseitig machten.

Ich starrte auf Max’ Präsent und öffnete es. Ein Buch – seines.

„Ein Vorabexemplar“, erläuterte er und grinste. „Es ist noch nicht veröffentlicht.“

Ich schmunzelte und schlug es auf. In gut leserlichen Buchstaben hatte er mir sogar eine Widmung hinterlassen: Ein unveröffentlichtes Werk aus meiner Feder – dafür, dass du Hermes und mich hier trotz der Umstände wohnen lässt. Danke.

Ich schlug es zu und grinste. Er hatte den Satz, den er für sein Liebesgeständnis benutzt hatte, gestern schon in das Buch geschrieben. „Danke.“

Er nickte nur, dann öffnete er den Karton mit dem Harakiri darin.

„Vielleicht solltest du es nicht weiter öffnen – wie gesagt, ich habe es gestern gemacht.“

Max nickte nur, packte den Harakiri aber trotzdem aus.

„Ich dachte, du hättest es vielleicht nötig, Hochprozentiges zu trinken.“

Er nickte erneut und griff nach dem Umschlag mit dem Gutschein. Als er ihn las, entglitten ihm kurz die Gesichtszüge, dann blickte er zu mir. „Kann ich mir die Art von Prügel aussuchen?“

„Was?“ Ich starrte ihn perplex an.

Er schmunzelte, dann steckte er den Gutschein in seine Anzugjacke, die hinter ihm auf der Couchlehne lag. „Ich werde ihn zu gegebener Zeit einlösen – irgendwann muss ich dich sicher übers Knie legen.“ Er grinste schadenfroh. „Dann gibt es wenigstens keine Diskussion, dass ich dazu nicht das Recht hätte.“ Er zeigte auf sein Sakko. „Ich habe es schriftlich.“ Seine Brauen hoben sich herausfordernd hoch, seine Zunge leckte über seine Lippen.

Ich schluckte, weil ich mir nicht sicher war, ob er das ernst meinte. Er konnte so verdammt gelassen wirken, auch wenn er scherzte.

„Euer Essen!“ Mama drückte sowohl mir als auch Max einen Teller in die Hand. Braten mit Kartoffeln und Knödel.

Ich nickte und schob die Geschenke hinter mich. Dann stellte ich den Teller auf meine Beine und begann zu essen. Gerade als ich den ersten Bissen machen wollte, setzte sich unerwartet Papa neben mich. Ich blickte zu ihm, bevor ich mich umsah. Niemand schaute zu uns, obwohl ich mir nicht sicher war, ob sie nicht nur so geschäftig taten, uns in Wirklichkeit aber im Auge hatten.

Papa reichte mir stumm einen großen Din-A4-Umschlag. Ich legte das Besteck auf den Teller und griff danach. „Was ist das?“, fragte ich leise.

„Schau rein.“

Ich öffnete ihn und zog einen Prospekt hervor. Eine Urlaubsbroschüre von Sardinien.

„Die Mama und ich würden nächstes Jahr im Sommer gern mit euch allen“, er zeigte auf die anderen, „nach Sardinien fliegen. Wir haben uns da zwei Bungalows direkt am Meer rausgesucht, die nebeneinanderstehen. Da wäre Platz für uns alle. Das wäre doch mal etwas, oder?“ Er schaute kurz zu mir, dann zeigte er wieder auf den Prospekt. „Die Oma und der Opa kommen auch mit. Der Albrecht will die Buben mitnehmen.“ Er seufzte leise. „Und du nimmst den Max mit, oder?“

Ich blickte zu ihm. Hatte er den Satz auswendig gelernt? Ich war mir nicht sicher. Mir erschien die ganze Situation ein wenig zu einfach. „Willst du denn, dass Max und ich mitkommen?“

Papa schaute mich erschrocken an. „Sicher will ich das.“ Er griff nach meiner Hand und hielt sie fest.

Ich schluckte. „Das hat sich vorhin aber anders angehört. Da war es eher so, als wäre ich nicht mehr … dein Sohn.“ Ich atmete tief durch. So, hier saß ich also und führte nach elf Jahren erneut ein Gespräch über meine Sexualität – nur mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal meinen Freund dabeihatte.

Papa schnaubte leise. Er ließ mich los und murmelte: „Weißt du, du bist der Jüngste. Ich habe mir immer gedacht, als die Magdalena und der Albrecht ausgezogen sind, dass ich zumindest noch dich zu Hause habe.“ Er seufzte, griff nach dem Prospekt und rollte ihn zusammen, als bräuchte er etwas zu tun. „Aber dann bist du auch älter geworden – und plötzlich tauchst du mit einem Mann auf, der nicht nur viel älter ist als du, sondern auch noch ein Stück größer. Den Horst hatte ich immer unter Kontrolle – und die Karin … na, das hat sich jetzt erledigt, aber den Max?“ Er schaute zu ihm, dann zuckte er mit den Schultern. „Wenn der dir wehtut, kann ich nix unternehmen.“

Dieselben Worte, die er bereits Max gesagt hatte. „Das ist alles?“, fragte ich und war schon wieder versucht, zu weinen. Ich war in den letzten Tagen wirklich nahe am Wasser gebaut. „Du brüllst mich an und … wirst schwulenfeindlich, weil … er so groß ist?“ Meine Stimme brach. Unsicher sah ich mich um. Mama diskutierte mit Oma, der schon wieder die Kruste des Bratens zu hart war. Außerdem schmeckten auch die Semmelknödel seltsam.

Papa brummte. „Er ist ein bisserl mehr als groß, aber ja, es wäre mir lieber, wenn er jünger wäre und deine Statur hätte.“

Ich starrte auf mein Essen. „Vielleicht wäre es dir auch lieber, wenn er eine Frau wäre.“ Ich hatte keine Ahnung, warum ich es nicht einfach gut sein ließ. Papa hatte mir ein Friedensangebot gemacht, dass ich plötzlich nicht mehr annehmen wollte. Sein letzter Satz reizte mich schon wieder.

Er rollte den Prospekt fester zusammen. „Eine Frau willst du aber nicht.“

„Genau“, motzte ich. „Das habe ich vor elf Jahren schon erklärt.“ Ich würde nicht nachgeben – ich würde diese scheiß Entschuldigung, die gar keine richtige war, auch nicht einfach so akzeptieren.

Papa brummte erneut. „Ich weiß, aber …“ Er unterbrach sich und atmete tief durch. „Schau“, begann er von vorn. „Beim Horst damals habe ich monatelang versucht, ihn der Magdalena auszureden. Aber sie hat sich durchgesetzt. Denkst du, es hat mir gefallen, dass da ein Mann war, der meine Tochter anfasst? … Bei dir ist das ähnlich.“

Ich rollte mit den Augen. „Und Albrecht? Albrecht hatte Narrenfreiheit, oder wie?“, konterte ich wütend.

„Der Albrecht ist …“

„Was?“ Hitze stieg mir in die Wangen, ich war bereit, mit Papa einen Streit zu beginnen.

„Meine Güte“, mischte sich Max ein und stellte den Teller auf seinen Schoß. Er legte einen Arm um mich und zog mich näher. „Dein Vater will dir sagen, dass man seinem Sohn das beibringt, wovor man seine Tochter schützt.“

„Und ich bin kein Mann? Mich muss man wie ein Mädchen beschützen?“, giftete ich. Das war jetzt ein Witz, oder? Das konnte nicht Papas Ernst sein.

„Doch, aber …“ Papa schluckte. Hilflos sah er wieder zu Max, als könnte er ihn retten.

„Sicher bist du ein Mann, Häschen“, erklärte Max erneut. „Aber du hast Sex mit Männern – so wie deine Schwester. Und wir Männer sind Arschlöcher. Wir denken alle nur daran, unsere Beute flachzulegen.“

Papa musterte Max sprachlos, dann nickte er. „Ja … so ungefähr.“

Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin auch ein Mann, ich bin vielleicht dasselbe Arschloch!“

„Geh!“ Papa schüttelte den Kopf. „Du doch nicht. Du bist schlimmer wie die Magdalena.“ Er schaute auf die Broschüre und reichte sie mir wieder. „Wir fahren da alle hin. Ich würde mich freuen, wenn du … wenn ihr mitkommen würdet.“

Ich presste die Lippen aufeinander. So leicht würde ich es ihm nicht machen.

Dummerweise war Max schneller mit seiner Antwort. „Ja, wir kommen mit. Auf Sardinien kann man wunderbar schnorcheln und tauchen.“

„Ich kann nicht schnorcheln und tauchen.“ Ich gab Papa den Prospekt zurück.

„Dann lernst du es, Häschen“, murrte Max neben mir.

Papa seufzte, dann murmelte er unerwartet mit gebrochener Stimme: „Es tut mir leid, Sebastian. Was ich gesagt hab und … dass ich mich gegen deinen Besuch gewehrt hab’. Ich will dich nur beschützen – vor allen Männern, die dir wehtun könnten, und dem blöden Gerede im Dorf. Die werden dich nämlich ganz schön fertigmachen.“

Mir schossen schon wieder die Tränen ein. „Meinst du nicht eher, dass du nicht damit klarkommst, wenn das Gerede losgeht?“

Er schüttelte den Kopf. „Wenn du glücklich bist, dann bin ich es auch ... nur der Sepp und die Traudi werden das sicher weitererzählen.“

„Die Traudi und der Sepp werden gar nichts!“, mischte sich Mama unerwartet ein.

Im Wohnzimmer war es still geworden, nur die Mädchen spielten am Boden. Ich war mir nicht sicher, wie lange wir schon Zuhörer hatten.

„Warum?“, fragte ich, während ich so unauffällig wie möglich über meine Augen wischte.

„Weil ich der Traudi gesagt habe, dass ich bereue, sie als deine Patin eingesetzt zu haben.“

Schiach 20 war die Mitzi zu ihr“, meinte Oma und fasste sich theatralisch an die Wange. „Hat die mit der Traudi vor der Kirche geschrien. Die Traudi war ganz blass um die Nase, als die Mitzi fertig war.“

„Wenn die im Dorf irgendwelche Gerüchte verbreitet, zeige ich sie an! Sie und den Sepp!“ Mama stemmte die Hände in die Hüften.

Ach, sieh an – die Ich-zeige-jeden-an-wenn-er-nicht-nach-meiner-Pfeife-tanzt-Einschüchterungstaktik. Ich wusste gar nicht, dass Mama dieses Spiel auch konnte. Dennoch meinte ich: „Ich will nicht, dass du die Freundschaft mit Traudi aufs Spiel setzt, nur weil ich …“

„Die ist die längste Zeit meine Freundin gewesen, wenn sie dich nicht akzeptiert, wie du bist.“

„Und der Sepp meiner!“, brummte Papa.

Ich blickte von Mama zu ihm. „Ich …“, begann ich und wusste doch nicht, was ich sagen sollte. Mir wurde wieder schlecht, jetzt aber aus anderen Gründen wie zuvor.

„Du bist und bleibst mein Kind“, murrte Papa und griff nach meiner Hand. „Wenn da im Dorf auch nur einer sein Maul blöd aufreißt, dann kann er was erleben.“

Ich schluckte die Tränen hinunter, verlor aber dagegen. Sie kamen ganz von allein.

„Geh, jetzt plärr doch nicht schon wieder!“ Papa umarmte mich hektisch. Ich schniefte kurz, dann umklammerte ich ihn.

Nach kurzer Zeit löste ich mich wieder von ihm. Er hatte es gesagt: Ich war noch immer sein Kind. Mir fiel ein ganzer Zehntonner vom Herzen. All die bösen Anschuldigungen zwischen uns waren vergessen – ich wusste, er wählte vielleicht nicht immer die besten Worte aus, aber er liebte mich. Ich war nach wie vor sein Sohn.

Max rieb über mein Knie. „Alles okay?“, fragte er leise.

Ich nickte und nahm den Teller wieder auf. Unsicher schob ich den Knödel durch den Bratensaft. „Ich will nicht, dass ihr meinetwegen Probleme bekommt.“ Ich blickte von Papa zu Mama, und dann weiter zu Oma und Opa. Das Dorf war ihre Heimat, hier waren sie glücklich.

„Probleme“, wiederholte Mama. Sie versuchte zu lächeln, aber ich wusste, dass auch sie fürchtete, ins Gerede zu kommen. Sie konnte vielleicht Traudi den Mund verbieten, aber nicht Irmi oder Gitti.

„Ihr denkt zu viel“, mischte sich Max ein. „Sollen sich die Leute doch den Mund zerreißen.“

„Das ist nicht so einfach“, antwortete ich ihm. „Hier gibt es eigene Regeln.“

„Ja, ich weiß.“ Er zwinkerte mich an, bevor er sich wieder dem Essen am Teller widmete. „Ich habe das heute schon einmal erklärt: Denkt doch einfach so wie alle in diesem Dorf.“ Er schaute sich in der Runde um. „Die wollen Gerüchte? Na, dann streut welche! Die drohen euch mit irgendwelchen Verschwörungstheorien? Na, dann droht zurück! Ich bin Anwalt – dieser Sepp mit seiner Traudi hat heute schneller seinen Mund gehalten, als neue Anschuldigungen auszusprechen. Um die Leute hier zu besiegen, müsst ihr denken wie sie!“

Opa richtete sich in seinem Sessel auf. „Du meinst, ich soll denen ähnlich blöd kommen?“

Max nickte. „Spiegel vorhalten, immer schön den Spiegel vorhalten.“ Er blickte zu Papa. „Wie ich schon sagte: Ich mag schwul sein, die Leute mögen über mich reden, aber ich bin noch immer Maximilian von Birkheim. Anwalt, Schriftsteller und der neue Verwalter der Birkheim-Liegenschaften in der Gegend. Ich mag vielleicht mit meinem Vater kein Wort reden, aber ich bin und bleibe sein Erbe. Denkt ihr, einer der Einheimischen macht noch einen Mucks, wenn ich mit einer Pachterhöhung drohe? Ihr müsst euch einfach zu helfen wissen.“

„Das hast du ernst gemeint?“, fragte Papa und kratzte sich am Hinterkopf.

„Sicher!“ Max setzte sein unwiderstehliches Antwaltslächeln auf. „Der Anwalt und neue Verwalter der Birkheim-Liegenschaften kann zur Plage werden, wenn man nicht freundlich zu ihm ist.“

„Haha!“ Opa boxte Max so fest auf die Schulter, dass er zusammenzuckte. „Die machen wir fertig! Meine Güte!“ Er schlug die Hände laut zusammen. „Freu ich mich auf der Irmi ihr deppertes Gesicht, wenn die erfährt, dass wir jetzt per Du mit dem Birkheim-Sprössling sind.“

„Du bist so arg“, rief Horst zu Max, schmunzelte aber. „Bevor wir die Waldwirtschaft übernehmen, will ich von dir noch ein paar Beratungsstunden: Wie mache ich meine Umgebung mundtot!“ Er grinste, während er Magdalena den Arm um die Schultern legte. Sie kuschelte sich sofort an ihn.

Horst blickte zu mir. „Der ist perfekt! Sieh zu, dass du ihn behältst!“

Ich nickte sprachlos. Horst war noch nie so gesprächig gewesen – auch noch nie so zutreffend, was seine Aussagen betraf.

„Ernsthaft – du gibst echt gute Ratschläge.“ Horst grinste Max an.

„Welche Ratschläge?“, bohrte jetzt auch Albrecht nach, weil ihm Horsts Offenheit ebenfalls auffiel.

„Nichts“, antwortete Max und stellte seinen leeren Teller zur Seite. „Ich habe Horst nur geraten, wenn er … etwas haben möchte, dann muss er nett und freundlich sein. Das gilt für alle Belange des Lebens.“

„Was meinst du genau?“, fragte ich nichts ahnend.

Max lächelte, kurz rieb er über mein Knie. „Nichts Spezielles, Häschen.“ Er zeigte auf meinen Teller. „Iss doch, bitte.“ Seine Hand schob sich hinter mir um meine Mitte. Er streichelte über meine Hüfte.

Magdalena beobachtete uns, dann plapperte sie unerwartet: „Wie nett und freundlich warst du eigentlich vorhin?“ Sie grinste Max ein.

„Freundlich genug“, antwortete er gelassen.

Ich wusste nicht, um was es hier ging, mich nervte die Sache aber. Ich hatte nicht die Ausdauer, blöd herumzurätseln. „Sagt es, oder lasst es!“ Ich stellte meinen vollen Teller auf den Tisch zurück.

Albrecht lachte laut auf. „Manchmal sitzt du gewaltig auf der Leitung! Meine Güte, Sebastian, denk nach: Der Max war vorhin wohl sehr freundlich zu dir – weil er etwas wollte! Und er hat es bekommen, oder warum hast du einen anderen Anzug an?“

Sofort blickten alle zu mir. Ich schluckte. Ich fühlte mich wie ein Teenager, der etwas Unerlaubtes getan hatte und dabei erwischt worden war. Langsam dämmerte mir auch die andere Sache. Wer vögeln will, muss nett sein – das war der verfluchte Ratschlag von Max an Horst gewesen.

„Ja, genau, warum hast du ihn gewechselt?“ Magdalena grinste.

Ich funkelte sie wütend an. Checkte sie eigentlich, dass Horst den Ratschlag befolgte? Ich war versucht, sie darauf hinzuweisen, als Max knochentrocken neben mir meinte: „Er trägt einen neuen Anzug, weil er sich nass gemacht hat.“

***

Es war lange nach Mitternacht, als wir endlich ins Bett gingen. Keiner von uns hatte Tante Frieda geweckt, sie hatte dank des Eierlikörs zum ersten Mal Weihnachten verschlafen. Albrecht, Magdalena und ich würden auch nächstes Jahr dafür sorgen, dass genug Likör vor der Bescherung für sie bereitstand. Notfalls gaben wir ihr eine Flasche Harakiri, der würde sie die gesamten Feiertage über ausschalten.

Ich marschierte zur Balkontür, zog den Vorhang zur Seite und starrte hinaus. Es hatte wieder geschneit. Ein weißer Teppich lag über der Landschaft, die vom Mond hell beschienen wurde.

„Müde?“, hauchte Max und schob seine Hände von hinten um meine Mitte. Seine Fingerspitzen glitten am Gürtel entlang, sanft strich er mir über das Hemd am Bauch. Mein Sakko hatte ich schon unten ausgezogen.

„Hm“, seufzte ich und lehnte mich an ihn. Dass alles so glatt gelaufen war, konnte ich noch immer nicht glauben. Ich hatte auch kein so friedliches Weihnachtsfest erwartet. Papa bemühte sich, er hatte sich mit Max auch wirklich gut unterhalten – nur wenn wir uns irgendwie anfassten, presste er die Lippen aufeinander, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Die Vorstellung, dass Max und ich Sex hatten, wollte einfach nicht in seinen Kopf. Dafür interessierte sich Oma für die Sache. Sie hatte mehrmals bei Max nachgefragt, wie das zwischen zwei Männern genau funktionierte – und er hatte ihr alle Einzelheiten erzählt. Sie hatte nämlich mehrmals zu lachen begonnen und sich nicht mehr beruhigt. Na ja, zumindest hatte er den Anstand gehabt, über das Thema mit ihr zu flüstern – sonst hätte Papa noch den Harakiri verlangt.

Max’ Finger tänzelten über mich, sein Kopf legte sich auf meine Schulter. „Du fühlst dich so verdammt gut an …“, hauchte er mir ins Ohr.

Ich schloss die Augen und genoss die Hände auf mir. Sanft strichen sie über meinen Brustkorb zu meinem Bauch zurück. Die Fingerspitzen schoben sich sachte in meinen Hosenbund.

Dass ich ausgerechnet mit Max hier stand, war wie ein Traum. Vermutlich brauchte ich noch ein paar Tage, bis ich realisierte in einer Beziehung mit ihm zu sein. Im Moment hatte ich eher das Gefühl, dass ich mich an ihn lehnte, wenn nicht sogar bei ihm verkroch – und er war da. Keine Frage, er unterstützte mich tatsächlich. Sobald das Verhör im Wohnzimmer unangenehm geworden war, hatte er eingegriffen. Dummerweise fühlte ich mich jetzt wie das Häschen, als das er mich bezeichnete. Langsam kam ich mir vor wie der verlorene Junge an der Seite eines Sugar Daddys – und Sugar Daddy ordnete mein Leben. Als hätte er nie etwas anderes getan.

„Willst du ins Bett? Kuscheln?“, flüsterte er, glitt jedoch über meine Mitte. Er wollte eindeutig nicht nur kuscheln und mich festhalten – er wollte mehr.

Ich ächzte protestierend, als seine Finger zurück zu meinem Bauch streichelten – ein eindeutiger Beweis, dass auch ich etwas anderes wollte.

„Okay, nicht kuscheln …“ Er lachte rau. Der Ton ging mit durch Mark und Bein, und ich erzitterte. Seine Lippen küssten sich von meinem Nacken zum Hals nach vorn. Er drückte sich fester gegen mich – und mir wurde schlagartig bewusst, dass er steinhart war.

Ich seufzte genießend und fixierte für Sekunden die schemenhafte Spiegelung unserer Körper auf dem Balkontürglas. Ob Irmi irgendwo in den Büschen saß und uns mit dem Fernglas beobachtete? Ich überlegte, ob ich die Hand heben und ihr den Mittelfinger zeigen sollte – für den Fall, dass sie uns zuschaute –, unterließ es aber schließlich. Was hätte es auch für einen Sinn gehabt? Warum sollte ich sie unnötig herausfordern? Andererseits war die Verlockung, ihr eine Show zu liefern, groß.

„Du weißt, dass uns gerade jemand beobachten könnte?“, fragte ich und schloss genießend die Lider, ehe ich den Hinterkopf gegen Max’ Schulter lehnte.

Er schmiegte sich an mich, während er nach wie vor meinen Hals liebkoste. „Zuseher?“, fragte er zwischen zwei gehauchten Küssen und wanderte zu meinem Ohr. Er griff nach mir, legte seine Finger um meine Hals und schob mich auf die andere Seite seiner Brust. Sofort umschmeichelte er das zweite Ohr.

„Die Gattin des Bürgermeisters … schleicht sich anscheinend durch das Gebüsch … und beobachtet unser Haus.“ Ich atmete stoßweise, selbst mein Satz wurde von kleinen Luftschnappern unterbrochen – was vermutlich daran lag, dass Max mir das Hemd aus der Hose gezogen hatte. Seine Fingerspitzen auf meiner nackten Haut jagten mir Schauer durch den Körper. Ich war wie Butter in seinen Händen. Fast war es, als würden meine Beine nachgeben und mein Gewicht nicht länger tragen können.

„Die schon wieder“, brummte Max zwischen weiteren einzelnen Küssen auf meinen Hals. Er knöpfte blind mein Hemd auf.

Ich fuhr mit den Fingern zurück und griff ihm zwischen die Beine. Ich wollte mehr von ihm spüren.

Sofort keuchte er laut. „So eilig?“, knurrte er regelrecht und saugte sich an mir fest. Morgen würde ich deshalb einen farbenfrohen Knutschfleck haben.

„Ich will nur …“, antwortete ich leise, unterbrach mich aber, als er an der Schnalle meiner Hose zu fingern begann. „Scheiße!“ Ich stöhnte leise und ließ mich regelrecht gegen ihn fallen. Max riss den Reißverschluss nach unten, dann schob er auch schon eine Hand in meine Pants.

„Du hast einen verdammt geilen Schwanz, weißt du das?“ Sein Atem strich mir verführerisch über die Wange, ehe er sich an meinem Hals entlang zum Kehlkopf leckte. Seine warmen Finger der freien Hand zerrten meinen Kopf herum, und bevor ich überhaupt realisierte, was er tat, pressten sich auch schon seine Lippen auf die meinen. Seine Zunge stieß hemmungslos vor.

Ich stöhnte ihm in den Mund, während ich versuchte, den Gürtel an seiner Hose zu lösen. Ich war nicht so geschickt wie er, aber ich kam dennoch an mein Ziel. Vorsichtig schob auch ich meine Finger in seine Pants. Er hatte einen Knüppel von einem Schwanz, das musste ich ihm lassen – und er war so hart, dass es vermutlich wehtat. An der Spitze war er längst feucht.

Max sog zischend die Luft ein, als ich versuchte, ihn zu reiben. Sein Körper hinter mir wurde so steif, dass ich mir nicht sicher war, ob ich etwas falsch gemacht hatte, aber dann riss er mich blitzartig herum und überfiel mich regelrecht. Er hatte es plötzlich mehr als eilig. Er küsste mich stürmisch, und seine Finger machten sich daran, sich selbst auszuziehen. Ich unterstützte ihn dabei. Während er seine Hosen nach unter zog, schob ich ihm das Sakko über die Schultern. Einen Atemzug später werkelte ich auch schon an seiner Krawatte herum.

„Zieh dich aus!“, befahl er in einem rauen Ton, nachdem er einen Schritt von mir zurückgewichen war. Er trat die Hosen mitsamt Pants von sich, während er die Krawatte über den Kopf zog und auch schon sein Hemd aufmachte.

Ich tat, was er forderte, und knöpfte jeweils die beiden Knöpfe an meinen Hemdärmeln auf. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ließ ich den lästigen Stoff zu Boden fallen. Sein Körper war gigantisch, jeder Zentimeter durchtrainiert. Am Oberarm trug er eine Tätowierung, die mir erst jetzt auffiel. Ich konnte das Motiv nicht erkennen, aber ich würde es mir bei Tageslicht genauer ansehen. Die Muskeln an seinem Bauch traten stark hervor, vermutlich spannte er sie aufgrund der Aufregung zusätzlich an. Ein dünner Strich von Haaren zog sich von seinem Bauchnabel nach unten, zentriert zu dem V seiner Hüftmuskeln. Er war glatt rasiert, der Strich oben diente wohl nur zur Verschönerung – oder um die Fantasie weiter anzuregen. Sein Schwanz war wie ein riesiger Hammer, der prall und mit dicken Adern überzogen auf mich zeigte.

Ich schluckte trocken, vielleicht sollte ich auf etwas Vorbereitung bestehen, den Max wirkte gerade, als würde er mich einfach nehmen.

Sobald wir heute Nacht ins Bett gehen, bis du fällig! Die Worte von vorhin schossen mir durch den Kopf. Er würde ernst machen. Dennoch zog ich meine Hose mit den Pants nach unten. Mein Schwanz war steinhart. Obwohl ich wusste, dass es schmerzhaft werden könnte, gierte ich nach ihm. Ich stülpte die Socken von den Füßen und wartete geduldig, bis er endlich die Knöpfe an den Hemdärmeln aufbekam. In der Eile hatte er sowohl das Sakko als auch das Hemd ausgezogen, war aber mit den Händen an den geschlossenen Ärmeln stecken geblieben. Er warf alles achtlos zur Seite, musterte mich kurz, bevor er die Socken auszog und aus der Hose am Boden ein kleines Fläschchen zog. Er öffnete es und leerte einen Teil auf seine Hand. Ohne mich aus den Augen zu lassen, schmierte er seinen Schwanz damit ein. Die Eichel glänzte in der künstlichen Zimmerbeleuchtung.

„Ist das Öl?“, fragte ich und leckte mir über die Lippen. Gott, sein Schwanz war die Wucht – er war die Wucht!

„Ja.“ Er trat auf mich zu und glitt mit der ölbeschmierten Hand um meine Mitte, streifte über meinen Hintern zwischen die Backen. Seine Finger rieben über meinen Eingang, drückten sich kurz dagegen. „In der Eile konnte ich nicht mehr auftreiben. So war das nämlich nicht vorgesehen.“ Er goss sich noch einmal etwas Öl auf die Finger und rieb sich erneut damit ein.

„Woher …?“

„Aus der Küche … das Fläschchen aus eurem Badezimmer …“ Er stellte das Öl zur Seite und fasste nach mir. Seine Hände legten sich um meine Mitte, langsam schob er mich rückwärts zur Balkontür. „Und jetzt entspann dich!“

Er hatte das alles vorbereitet? Wann? Während wir im Wohnzimmer gefeiert hatten?

„Entspann dich!“, wiederholte er.

Ich nickte und leckte mir erneut über die Lippen. Meine Augen fixierten ihn.

„Leg deine Hände auf meine Schultern …“

Ich tat, was er gesagt hatte, als er mich auch schon hochhob und mich gegen die kalte Balkontür presste. Ich keuchte auf und versuchte, mich wegzudrücken, aber er stemmte mich regelrecht gegen die Tür.

„Schling die Beine fester um mich!“

Natürlich tat ich auch das, mein Körper war viel zu willig, als auch nur eine Sekunde zu protestieren. Im nächsten Moment spürte ich auch schon die Spitze seines harten Schwanzes an meinem Hintern.

„Entspann dich“, murmelte er noch einmal, während er mit einer Hand seine Eichel positionierte.

Ich umklammerte ihn unruhig. Diese Stellung hatte ich noch nie ausprobiert. Frank hätte die Kraft nicht dazu gehabt, und mein ehemaliger Chef … nun, er war zwar groß gewesen, aber nicht so durchtrainiert. Keine Ahnung, wir hatten es nie probiert. Ich hatte so etwas bis jetzt auch nur in Filmen gesehen …

Max ließ mich langsam auf seine Schwanzspitze sinken.

„Oh, mein Gott!“ Ich schnappte nach Luft und drückte mein Gesicht gegen seinen Hals, als er sich wie in Zeitlupe in mich schob. Mein Muskel dehnte sich, ich hielt die Luft an und wartete auf den Schmerz. Doch das Öl ließ ihn leichter vordringen, als erwartet. Er umgriff mich fester und presste mich gegen das Glas. Seine Hüften zogen sich zurück, dann schob er sich wieder nach vor. Gleichzeitig ließ er mich weiter nach unten sinken. Seine Länge glitt tiefer in mich. Ich riss den Mund auf, als würde ich schreien, doch es kam kein Ton über meine Lippen. Mir brach der Schweiß aus. Ohne es zu wollen, spannte ich die Bauchmuskeln an.

„Alles okay?“, fragte er fern von mir.

„Hm“, murrte ich nur und drückte mich an ihn. Seine Hüften begannen sich langsam zu bewegen, mit jedem Vor und Zurück trieb er seinen Schwanz tiefer. Ich war völlig ausgefüllt – eine Welle von neu entfachten Gefühlen schwappte durch meinen Körper, und ich stöhnte laut.

„Gut so?“

Keine Ahnung, warum er nicht einfach seinen Mund hielt. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass es doch zu wehtat und er mich überforderte – was er wohl nicht wollte. „Komm, hör auf … zu quatschen“, japste ich stoßweise.

Max ließ mich augenblicklich los, und ich rutschte nach unten. Er spießte mich regelrecht auf. Eine Hand schob sich unter meinen Hintern, die zweite stützte er gegen das Glas. Er zog seine Hüften zurück, bevor er sie kräftig nach vor stieß, dann wiederholte er die Bewegung in einem fließenden Rhythmus. Ich spürte, wie sich seine Muskeln unter mir immer wieder anspannten.

Ich schnaubte laut, ein Blitz jagte durch meinen Körper. Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht gleich das Bewusstsein verlor. Der riesige Schwanz in mir raubte mir jeden Funken zur Realität. Bei jedem Stoß hatte ich das Gefühl, Sternchen zu sehen. Ich schloss die Lider und schnappte nach Luft. Mein Schwanz zuckte, Lusttropfen benetzten meine Spitze. Max’ Bewegungen wurden intensiver, und er steigerte das Tempo. Aus der Ferne hörte ich mein eigenes Stöhnen, das sich synchron mit seinem Keuchen mischte. Ich verdrehte die Augen und riss den Mund auf. In meinem Inneren bannte sich eine Explosion an.

Max zog meine Hände von seinen Schultern. Er presste mich gegen die Glastür und fixierte mich so, dass er mich küssen konnte. Als er seine Lippen auf mich drückte, ließ ich es einfach geschehen. Seine Zunge stieß vor, sein Schwanz hämmerte in einem schnellen Stakkato in mich. Ich merkte, wie mir das Bewusstsein wegrutschte und meine Bauchmuskeln sich schmerzhaft anspannten.

„Du weißt ja gar nicht, wie geil du gerade aussieht“, wisperte er unerwartet an mein Ohr, bevor seine Zunge eine heiße Spur über meine Wange zu meinen Lippen zog. Er küsste mich wieder voller Hingabe.

Meine Kräfte versagten langsam, und mein Kopf schlug bei jedem Stoß gegen das Glas hinter mir. Mein Unterleib kribbelte so stark, dass ich dachte, gleich den Verstand zu verlieren. Ich riss den Mund auf und hielt die Luft an. Verzweifelt suchte ich seinen Blick, während er meinen Körper gegen die Balkontür knallte – und dann kam ich. Der Orgasmus schwappte wie eine riesige Welle über mich hinweg. Ich schrie so laut auf, dass mich vermutlich das ganze Haus hörte. Hilflos suchte ich nach Halt, aber es war lediglich Max’ Kraft, die mich in Position hielt. Er umklammerte mich, bohrte sich mehrmals so fest und schnell in mich, dass ich kaum noch atmen konnte. Mein Orgasmus trieb mich wie in Schwerelosigkeit vor sich her. Max suchte meinen Mund, stieß mir die Zunge zwischen die Lippen, während er sich kraftvoll in mir versenkte. Er spannte seinen ganzen Körper und presste mich an sich, als wäre er noch immer nicht tief genug – und dann kam er mindestens so heftig wie ich.

Ich spürte seinen Atem an mir, für Sekunden hielt er mich nur fest.

Als endlich wieder Leben in seinen Körper geriet, umschloss er mich mit beiden Armen und trug mich Richtung Bett. Er steckte noch immer in mir, weil er nach wie vor hart war. Bei meinem Bett ließ er sich mit mir nieder, küsste mich zärtlich und streichelte über meine Schultern. Ich war unfähig, irgendetwas zu tun.

„Alles okay?“, erkundigte er sich wieder.

„Hm“, machte ich, weil das alles war, was ich zustande brachte. Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht doch noch das Bewusstsein verlor. In meinen Ohren rauschte es nämlich, mein Körper schwitzte wie nach einem Marathon.

Max zog sich aus mir zurück und rollte sich mit mir im Arm herum. Er warf die Decke über uns.

Ich schloss die Lider und genoss die Nähe, die mir so vertraut erschien, als würde ich ihn in- und auswendig kennen. Seine Finger streichelten über meinen Rücken. Ich wusste, ich sollte mich waschen, aber es war unmöglich, mich auch nur zu bewegen. Ich atmete tief durch, seufzte erleichtert auf und schlief nur wenige Augenblicke später ein.