KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

Iris

Es dauert drei Tage, bis der Artikel der Reporterin erscheint. Ich habe gehofft, dass er gut werden würde, aber er hat all meine Erwartungen übertroffen.

»Ich hab’s dir ja gesagt.« Ich lege mein Handy auf Declans Schreibtisch.

Er greift danach und liest den Artikel, in dem es darum geht, dass ein Insider eine verborgene Seite von Declan Kane entdeckt hat. Wie sich herausstellt, hat der gefühlskälteste Mann von Chicago eine Schwäche für eine Person auf der Welt.

Mich.

So, wie die Reporterin unsere Beziehung beschreibt, klingt sie wie eine Hollywood-Romanze. Geflüsterte Geheimnisse bei Kerzenschein. Verstohlene Blicke, wenn einer von uns in eine andere Richtung geschaut hat. Ein Kuss unter den Sternen, bei dem wir beide die Welt um uns herum vergessen haben.

Er runzelt die Stirn. »Das ist niemals passiert.«

»Es ist eine Klatschkolumne, nicht das Wall Street Journal . Es geht ihnen nicht darum, Fakten wiederzugeben.«

»Dann ist es ein Wunder, dass es die Kolumne noch gibt.«

»Solche Artikel lesen eine Million Menschen. Auch den über uns. Und es werden immer mehr. Allein das Geld, das sie durch Werbeanzeigen bekommen, wird sie über Wasser halten.«

Seine Augen werden groß. »Eine Million? Der Artikel ist vor einer Stunde online gegangen.«

Grinsend lasse ich mich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. »Ich hab dir ja gesagt, es wird funktionieren.«

»Ich habe auch nie an dir gezweifelt.« Seine Worte klingen so aufrichtig, dass mir ein kleiner Stich in die Brust fährt.

Ich versuche, mit Humor davon abzulenken. »Lügner. Das hast du sehr wohl getan.«

»Das liegt in der Natur des Menschen.«

»Nein, es liegt in deiner Natur.«

»Und sieh dir an, wie weit ich es damit gebracht habe.«

»Nein. Das liegt nur daran, dass dein Nachname auf dem Gebäude steht«, necke ich ihn.

»Unser Name.«

Ich verdrehe die Augen. »Für den Moment.«

»Willst du mich etwa schon wieder loswerden, Schatz? «

Dieses eine Wort lässt eine warme Welle durch meinen Körper fahren.

SOS . Alarmstufe rot.

Ich tue das, was ich immer tue, wenn Declan Gefühle in mir weckt, die ich nicht haben sollte.

Ich fliehe.

* * *

Leider kann ich Declan nicht dauerhaft aus dem Weg gehen, solange wir unter einem Dach wohnen. Es dauert nicht lange, bis er mich gefunden hat.

Ich bin gerade dabei, einen Topf mit kochendem Wasser unter großer Anstrengung abzuschütten, meine Hand ist einfach zu nichts zu gebrauchen.

»Willst du wieder in der Notaufnahme landen?« Ohne mir die Chance zu geben, mich zu erklären, kommt er näher und nimmt mir den Topf ab. Er funkelt mich an. »Wenn du meine Aufmerksamkeit willst, ist das nicht der richtige Weg.«

Mir bleibt der Mund offen stehen. »Ich versuche nicht, deine Aufmerksamkeit zu erregen.« Im Gegenteil – ich habe versucht, ihn um jeden Preis zu meiden, selbst wenn ich dadurch Verbrennungen dritten Grades davontrage.

»Was machst du denn?« Er schüttet die Pasta ab, ohne zu fragen.

»Ich koche.« Ich beiße die Zähne zusammen, um mich davon abzuhalten, mehr zu sagen.

Warum ist er immer dann in Redelaune, wenn ich meine Ruhe haben will? Diese Ungerechtigkeit entgeht mir nicht.

Er stellt den heißen Topf wieder auf den Herd. »Nudeln in einen Topf zu werfen, ist wohl kaum Kochen.«

»Kannst du bitte gehen? Ich möchte in Ruhe essen.« Mich mit ihm auf der Arbeit herumzuschlagen, ist das eine, aber zu Hause will ich ihn mit seiner selbstgefälligen Art nicht auch noch um mich haben.

Du ärgerst dich nur, weil du seine Nähe genießt.

Er steht neben mir wie ein Schatten, als ich eine großzügige Portion Pasta auf meinen Teller lade.

»Du hättest mich um Hilfe bitten sollen.«

»Ich brauche deine Hilfe nicht«, versetze ich.

»Ich hab doch gesehen, wie schwer es dir gefallen ist, den Topf zu halten.«

»Hast du nichts Besseres zu tun? Vielleicht findest du ja irgendeine spannende Doku über Excel-Tabellen oder Spesenabrechnungen, die du dir vor dem Einschlafen ansehen kannst.«

Als er lacht, fühlt es sich an, als hätten sich die Wolken gelichtet und der Himmel würde uns ein Wunder schenken.

Ach, Iris. So fängt es an.

Ich spüre die Wärme, die sich in meiner Brust ausbreitet, als er mich anlächelt.

Ich hasse es. Ich liebe es. Und ich kann nicht anders, als mir mehr davon zu wünschen.

»Ich bin auch runtergekommen, um zu essen«, erklärt er schmunzelnd.

»Super. Dann lass ich dich allein.« Ich gebe Soße auf meine Pasta und trete von der Arbeitsplatte weg. Aufräumen werde ich später, wenn Declan nicht mehr in der Küche ist.

»Oder du könntest hierbleiben.«

»Was?« Ich blinzele.

»Ich habe nie gesagt, dass du gehen musst.«

Scheiße. Wenn ich gehe, wirkt es vielleicht so, als könnte ich nicht lange ohne Beaufsichtigung mit ihm zusammen sein.

Und das stimmt auch. Im Büro ist es schon schwer genug, in unserem Haus allein mit ihm zu reden, macht mich vollkommen nervös.

Ich schüttele den Kopf. »Ich wollte ohnehin oben essen.«

Sein Blick wandert zu der Serviette und dem glänzenden Besteck, das ich bereitgelegt habe. Als er mich wieder ansieht, scheinen sich seine Augen aufzuhellen. »Mache ich dich nervös?«

»Nein«, erwidere ich ein wenig zu schnell.

Sein Grinsen wird breiter.

Kein Wunder, dass er so selten lächelt. Niemand hätte eine Chance gegen ihn, wenn er es öfter tun würde.

Er öffnet einen Schrank und nimmt einen Teller heraus, den er mit einer großen Portion Pasta füllt. »Wir können über die Arbeit reden, wenn du dich dann besser fühlst.«

Ich kann meine erschrockene Miene nicht verbergen. »Wieso sollte ich mich dann besser fühlen?«

»Weil es normal ist.«

»Das macht es aber nicht richtig!« Ich lache.

Er verengt die Augen. »Stimmt. Also reden wir nicht über die Arbeit.«

»Na schön. Aber nur, weil du dich offenbar verzweifelt nach Gesellschaft sehnst.« Resigniert nehme ich auf dem Barhocker Platz.

Auch wenn Declan und ich das ein oder andere Mal im Haus miteinander interagieren, haben wir noch nie zusammen gegessen. Er ist immer in seinem Arbeitszimmer, während ich für mich allein koche. Und im Gegensatz zu unserem Fake-Date fühlt sich das hier intim an. Zumindest viel intimer, als in einem vollen Restaurant zu essen, um anderen etwas vorzuspielen.

Er setzt sich neben mich.

»Also …« Ich greife nach meiner Gabel.

Sein Blick wirkt amüsiert, während er wartet, bis ich zu Ende gestammelt habe, um die Stille zu durchbrechen.

»Mir gefällt das Spiel nicht, das du spielst.«

»Und welches Spiel ist das?« Er nimmt seine Gabel und dreht die Nudeln auf, wobei sein Ellbogen meinen berührt.

Ich ziehe die Luft ein, weil ein Blitz an meinem Arm heraufschießt.

»Du weißt verdammt gut, wovon ich spreche.«

»Keinen blassen Schimmer.« Er spreizt seine Oberschenkel ein wenig, sodass sein Bein meines streift.

Wütend funkele ich ihn an, während ich meine Gabel hebe. »Wenn du noch einmal mein Bein berührst, sehe ich mich gezwungen, mich körperlich zu wehren.«

Er wirft den Kopf nach hinten. Declans Lachen ist eine Massenverführungswaffe, und ich bin die größte Zielscheibe. Es hört sich rau und ungeübt an und lässt meine Wirbelsäule prickeln.

Ich sinke auf dem Hocker zusammen und lasse den Klang über mich hinwegdriften wie eine warme Sommerbrise. Ein Anflug von Stolz überkommt mich bei dem Gedanken, dass ich jemanden wie ihn zum Lachen gebracht habe, wenn man bedenkt, wie selten es generell vorkommt. Es fühlt sich an wie meine persönliche Superkraft und wie ein Geheimnis, das ich hüten muss wie einen kostbaren Schatz.

Declan wird wieder ernst, als er einen Bissen von seinem Essen nimmt.

»Wie schmeckt es?«

»Wie ein Fertiggericht.«

Ich lache. »Ich war noch nie eine gute Köchin. Wenn ich abends nach Hause komme, kann ich von Glück reden, wenn ich noch die Motivation habe, Wasser aufzusetzen.«

»Ich könnte morgen kochen, wenn du willst.«

Meine Kinnlade fällt herunter. Findet dieses Gespräch gerade wirklich statt? »Ich wusste nicht, dass du kochen kannst.«

»Stell dir mal vor, das könnte ich nicht. Dann würde ich für den Rest meines Lebens Nudeln essen, so wie du.«

»Drei Jahre.«

Er zieht die Augenbrauen zusammen. »Was?«

»Für die nächsten drei Jahre. Nicht dein ganzes Leben.«

»Stimmt.« Sein Tonfall ist vollkommen emotionslos.

Ich stoße ihn mit dem Ellbogen an. »Aber ich nehme dein Angebot für morgen trotzdem an. Ich glaube, ich könnte nicht noch ein Pasta-Dinner ertragen.«

»Von allen Dingen, die du an mir ausnutzen könntest, entscheidest du dich ausgerechnet für mein Kochtalent?«

»Warum nicht? Viele andere positive Eigenschaften hast du ja nicht.«

Die Bemerkung bringt mir einen tödlichen Blick ein. »Du hast es echt drauf, einem Mann zu schmeicheln.« Seine Mundwinkel heben sich, und ich fühle mich zurückversetzt zu dem Abend, an dem sich unser ganzes Leben verändert hat.

»Soll ich dir lieber sagen, dass du etwas Besonderes bist? Das ist das letzte Wort, mit dem ich dich beschreiben würde.« Damit beziehe ich mich auf seine Worte auf unserer Verlobungsfeier.

Er hält meinen Blick fest. »Wie würdest du mich denn beschreiben?«

»Das wäre unangemessen.«

»Umso besser.«

Ich schüttele den Kopf. »Lieber nicht.«

»Willst du wissen, mit welchem Wort ich dich beschreiben würde?«

Ich sollte meiner Neugier widerstehen. »Na schön. Welches ist es?«

Etwas, an der Art, wie er mich ansieht, als er es ausspricht, lässt Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen. »Yuánfèn.«

Ich blinzele. »Wie bitte? Ist das überhaupt Englisch?« Allein bei der Sprache, die ich jeden Tag spreche, bin ich im Nachteil, ganz zu schweigen von einer Fremdsprache.

Er grinst belustigt. »Nein.«

Ich hole mein Handy hervor und versuche, das Wort zu finden, auch wenn ich nicht weiß, wie es buchstabiert wird. »Kannst du es noch mal sagen? Und zwar langsam?«

Er wiederholt es – diesmal so deutlich, dass ich alle Vokale und Konsonanten hören kann –, dennoch weiß ich nicht, wie es geschrieben wird.

Meine Finger schweben über der Tastatur, und ich bemühe mich, mir die richtigen Buchstaben zusammenzureimen, aber mir fällt nur You ahn phen ein.

»Brauchst du Hilfe?« Seine Stimme wird leise.

Ich fühle mich hilflos; am liebsten würde ich mein Telefon an die Wand werfen. Meine Augen füllen sich mit Tränen, aber ich blinzele sie schnell weg. Vor Declan Schwäche zu zeigen, ist, wie mit einem roten Tuch vor einem Stier herumzuwedeln. Ich muss mich zusammenreißen.

»Es interessiert mich ohnehin nicht. Wahrscheinlich ist es ein Schimpfwort.« Ich umklammere mein Handy mit eisernem Griff und rutsche vom Hocker.

»Für dich ist es das vielleicht.«

Ich gehe nicht auf seinen Witz ein. Ich muss schnell von hier fort, ehe ich noch etwas zugebe, das ich nicht mit ihm teilen möchte.

»Hey. Wo willst du hin?«

»Ins Bett.« Ich drehe mich nicht mehr zu ihm um.

»Was ist los?« Das Scharren seines Hockers lässt mich schneller gehen. Meine Schritte werden größer, aber als ich die halbe Strecke bis zur Treppe zurückgelegt habe, packt er mich am Ellbogen.

»Was ist passiert?«

Ich antworte, ohne ihm in die Augen zu schauen. »Nichts. Ich bin nur müde.« Ich entziehe ihm meinen Arm, und diesmal lässt er mich gewähren.

Zwei Stufen auf einmal nehmend renne ich die Treppe hinauf, wobei ich spüren kann, dass sich Declans Blick in meinen Rücken brennt. Erst als ich in meinem Zimmer angekommen bin, vergrabe ich mein Gesicht in einem Kissen und lasse den Tränen freien Lauf.

Ich weine um das Mädchen, das während seiner gesamten Schulzeit gemobbt wurde. Das in seiner Klasse zur Witzfigur wurde und mit allen erdenklichen Schimpfwörtern beleidigt wurde. Ich weine um die Version von mir, die von ihrem Vater runtergemacht wurde, sodass meine Mutter eingreifen musste, nur um sich von seinen boshaften Worten ebenso niederschmettern zu lassen. Um die Person, die Karriere gemacht hat, obwohl alle Leute behauptet hatten, sie würde es nie zu etwas bringen, weil sie nicht einmal lesen konnte.

Einen Großteil meines Lebens habe ich mit dem Versuch verbracht, anderen zu beweisen, dass sie sich getäuscht haben. Es hat viele qualvolle Jahre gedauert, bis ich dort angekommen war, wo ich jetzt bin. Und ich werde mich von einem Rückschlag nicht von meinem Weg abbringen lassen.

Was bedeutet es schon, dass ich ein Wort nicht buchstabieren kann? Meine Legasthenie definiert mich nicht als Person. Zumindest nicht mehr.

Mein Telefon vibriert auf meiner Decke. Als ich es entsperre, sehe ich eine neue Nachricht von Declan. Die Tatsache, dass er mir nur ein Wort geschrieben hat, schockiert mich nicht, wenn man bedenkt, dass er selbst seine Unterhaltungen mit höchstens fünf Worten bestreitet. Es ist der Inhalt, der mich überrascht, und zwar nicht, weil ich drei Anläufe benötige, um das Geschriebene zu entziffern.

Declan: Yuánfèn.

Ich ziehe es in Erwägung, die Nachricht einfach zu ignorieren, aber da die Neugier stärker ist, öffne ich den Browser und tippe mit zitternden Fingern das Wort in die Suchleiste ein. Die Ergebnisse sind unglaublich.

Yuánfèn: eine vorherbestimmte Unendlichkeit.

Offenbar hat Declan die Angewohnheit, willkürlich Worte in anderen Sprachen einzuwerfen, wenn er nicht aussprechen will, wie er wirklich empfindet.

Denn er würde mir auf keinen Fall freiheraus ins Gesicht sagen, dass er glaubt, ich sei für ihn bestimmt.

Ich denke über meine nächste Nachricht nach. Es dauert ein wenig, bis ich die perfekte Antwort finde, die ausdrückt, wie ich mich fühle. Meine Suchhistorie ist anschließend voller Variationen von Wörtern, für die es keine englische Übersetzung gibt. Ich kopiere den Begriff, der meine Gefühle perfekt ausdrückt, in das Nachrichtenfeld und sende ihn ab.

Ich: Kilig ** .

Dann werfe ich mein Handy ans andere Ende des Bettes und rühre es bis zum nächsten Morgen nicht mehr an.

Erst als ich mich angezogen und geschminkt habe, finde ich den nötigen Mut, um Declans Nachricht zu öffnen.

Declan: Merak *** .

Ich kopiere das Wort sofort in die Suchleiste, nur um mein Handy auf die Ablage im Badezimmer fallen zu lassen, wodurch das Display Sprünge bekommt.

Ein perfektes Symbol dafür, dass Declan meine Pläne ruiniert, einen nach dem anderen.

* * *

Declan und ich reden an diesem Tag kaum miteinander. Ich bleibe in meinem Bereich, und er bleibt in seinem.

Keiner von uns hat Lust, noch einmal das zu besprechen, was gestern Abend passiert ist. Und ich bin dankbar dafür, dass er es nicht erwähnt. Zusammen tänzeln wir am Abgrund herum, und keiner von uns wagt den Absprung.

Über den Konferenztisch hinweg tauschen wir immer wieder einen mamihlapinatapai **** aus, ohne einen Schritt weitergehen zu wollen. Zumindest ich werde das nicht tun.

Declan dagegen unternimmt mehrere Versuche. Seine neueste Strategie ist, mich mit Fremdwörtern zu ködern, die keine wörtliche Übersetzung auf Englisch haben, was zu wirken scheint.

Nun verbringe ich meine Pausen damit, neue Wörter zu suchen und sie auf eine Liste zu setzen, die ich angelegt habe. Nur für den Fall, dass Declan versucht, mich zu übertreffen.

Ich hätte niemals gedacht, dass ich so viel Spaß mit Worten haben könnte, aber Declan scheint einen Weg gefunden zu haben. Heute hat er mir schon zwei Nachrichten geschickt, die zwar nicht so romantisch waren wie die gestrigen, aber beide haben mich zum Lachen gebracht.

Mit der ersten Nachricht hat er mich damit aufgezogen, dass ich während der Präsentation seines Vaters auf meinem Handy getippt habe. Ich bin mir nicht sicher, was Declan sich bei dem deutschen Wort Backpfeifengesicht gedacht hat. Ich hätte mich fast an meinem Wasser verschluckt, als ich es gesucht und herausgefunden habe, dass es sich um eine Person handelt, der man eine Ohrfeige verpassen sollte. Ich finde, es gibt keine treffendere Bezeichnung für Declans Vater, obwohl ich das Wort, abgesehen von der ersten Silbe, nicht aussprechen kann.

Declan hat offenbar doch Humor, er ist einfach nur so ein Nerd, dass ich Google brauche, um seine Witze zu verstehen. Um ehrlich zu sein, macht es aber Spaß. Die Wörter sind so schwer zu entziffern, dass ich nicht einmal den Druck verspüre, sie lesen können zu müssen. Es ist die Bedeutung, die dahintersteckt, die zählt. Wenn wir so weitermachen, könnte es sein, dass ich mich mit Declan in gefährlicheres Terrain vorwage. Selbst wenn es mir Spaß macht, muss ich Vorsicht walten lassen, denn ein paar witzige Nachrichten müssen noch lange nicht mehr bedeuten. Wir sind einfach zwei Menschen, die niemals mehr als gute Freunde sein können. Komme, was wolle.

* * *

»Warum guckst du immer wieder grinsend auf dein Handy?« Cal hört auf zu tippen und sieht mich an.

Scheiße. »Ach, nicht so wichtig.« Ich lege mein Telefon in eine Schublade.

Du hast gegrinst? Reiß dich zusammen und hör auf, Nachrichten zu lesen wie ein verliebter Teenager.

»Alles klar. Für wie dumm hältst du mich eigentlich?«

»Bist du sicher, dass du darauf eine Antwort willst?«

Sein vernichtender Blick erinnert mich an einen wütenden Golden Retriever. »Ich finde es interessant, dass mein Bruder heute genauso fixiert auf sein Handy war. Sogar während unseres Vorstandsmeetings.«

Abstreiten, abstreiten, abstreiten. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«

»Wirklich nicht? Denn jedes Mal, wenn er sein Telefon abgelegt hat, hast du deins in die Hand genommen.«

»Reiner Zufall.«

»Aber ich habe neben dir gesessen und gesehen, wie sein Name zweimal innerhalb von fünf Minuten auf deinem Display angezeigt wurde.«

Ich wedele mit dem erhobenen Zeigefinger in der Luft herum. »Es ist unhöflich, Nachrichten anderer Leute zu lesen.«

»Mir ist es herzlich egal, was für einen Unsinn ihr beiden Freaks euch gegenseitig schickt. Was mich mehr interessiert, sind deine Gefühle.«

Seine Bemerkung entlockt mir ein Lachen. »Deine Sorgen sind unbegründet.«

»Was für ein Freund wäre ich denn, wenn ich dich nicht vor meinem Bruder warnen würde?«

»Gutes Argument. Aber du vergisst, dass es mit meinem Job einhergeht, alles über deinen Bruder zu wissen. Es gibt also kaum etwas, vor dem du mich warnen könntest, das mich überraschen würde.«

»Deshalb mache ich mir ja Sorgen. Du weißt alles über ihn und hast ihn trotzdem geheiratet.«

»Weil er mir etwas bedeutet.«

»Aber hast du dich jemals gefragt, warum er dir etwas bedeutet?«

»Weil …« Ich könnte ihm so viele Antworten darauf geben, die aus Cals Perspektive alle gleichermaßen fragwürdig wären.

Declan hat mir die Chance gegeben, aus meinen Fehlern zu lernen, während mich andere Vorgesetzte innerhalb von einer Woche wegen meiner »Flüchtigkeitsfehler« und Unfähigkeit, schnell genug zu arbeiten, gefeuert haben. Er dagegen hat mich weiter motiviert, mich mehr anzustrengen und das große Ganze im Blick zu behalten, was mir dabei geholfen hat, Selbstvertrauen aufzubauen. Er weiß nicht, dass er mich dabei unterstützt hat, eine Frau zu werden, die an sich glaubt, und deshalb bin ich ihm einiges schuldig.

Cal seufzt. »Es ist okay, dass du ihn magst. Ich sage ja nicht, dass du damit aufhören sollst, aber ich will, dass du auf das Schlimmste vorbereitet bist.«

»Und das wäre? Dass er mir das Herz bricht?«

»Schlimmer. Dass er dich dazu bringt, dich in ihn zu verlieben.«

**   Kilig: Substantiv, Tagalog: ein Hochgefühl, hervorgerufen durch eine aufregende oder romantische Erfahrung

***   Merak: Verb, Griechisch: etwas mit Vergnügen tun

****   Mamihlapinatapai: Substantiv, Yaghan: Ein Blick zwischen zwei Personen, der ausdrückt, dass sich beide wünschen, der/die andere würde etwas initiieren, das sie sich beide wünschen, doch keiner möchte den Anfang machen.