In diesem Abschnitt werden wir die Feldgleichungen nun ,,herleiten“. Da diese die Metrik mit der Materie- und Energieverteilung verknüpfen sollen, benötigen wir zunächst eine Größe, die diese beschreibt. Dies führt auf den Energie-Impuls-Tensor, den wir bereits in der SRT in Abschn. 7.7 für das elektromagnetische Feld kennengelernt haben.
12.2.2 Ricci-Tensor in Schwachfeldnäherung
Der Ausdruck für den Ricci-Tensor vereinfacht sich in unserer Näherung zu
da Produkte von Christoffel-Symbolen nur aus Produkten von
ϕm und seinen Ableitungen bestehen, die wir ja vernachlässigen. Für die
tt-Komponenten bleibt dann sogar nur
da wir keine Zeitableitungen berücksichtigen. Für die Metrik (
12.9) ergeben sich die Christoffel-Symbole
Daraus folgt für die
tt-Komponente des Ricci-Tensors
An dieser Stelle scheinen wir schon praktisch am Ziel zu sein, denn wir sehen, dass die
tt-Komponenten des Energie-Impuls-Tensors und des Ricci-Tensors bis auf einen Faktor genau die Poisson-Gleichung ergeben. Wir müssten diesen Zusammenhang also einfach nur auf die ganzen Tensoren verallgemeinern.
Tatsächlich haben wir aber ein Problem, denn für den Energie-Impuls-Tensor der elektromagnetischen Felder gelten im Vakuum die vier Kontinuitätsgleichungen aus (
7.89). Diese Gleichungen entsprechen der Forderung der Divergenzfreiheit von
Tμν, d. h.
Tμν,ν = 0. Dies soll auch für den Energie-Impuls-Tensor der Materie gelten, wobei wir aber statt der normalen Ableitung jetzt die kovariante Ableitung verwenden müssen:
Im Allgemeinen ist aber
Rμν;ν ≠ 0, d. h. wir können den Ricci-Tensor nicht direkt als linke Seite der Feldgleichungen verwenden, sondern müssen noch etwas weitergehen.
12.2.3 Bestimmung der Feldgleichungen
Dabei stellen wir folgende Anforderungen an die linke Seite der Feldgleichungen:
1.
Die linke Seite ist ein symmetrischer Tensor 2. Stufe wie Tμν.
2.
Auf der linken Seite sollen keine höheren als zweite Ableitungen von gμν stehen.
3.
Die zweiten Ableitungen sollen nur linear auftreten.
4.
Die linke Seite soll wie Tμν divergenzfrei sein.
5.
In der minkowskischen Raumzeit soll die linke Seite identisch verschwinden, denn im leeren Raum ist auch Tμν = 0.
Aus den Bedingungen 1–3 folgt, wie durch Weyl [
1] gezeigt, für die Feldgleichungen
wobei
a,
Λ und
κ freie Parameter sind, die wir im Folgenden bestimmen müssen, und
R ist der Ricci-Skalar aus (
11.103). Wir gehen dabei anders vor, als die Feldgleichungen ursprünglich von Einstein abgeleitet wurden. Er wählte
Λ = 0 als Voraussetzung. Das ist insofern sinnvoll, als wir bald sehen werden, dass nur für
Λ = 0 die linke Seite der Feldgleichungen im Grenzfall verschwindender Materie- bzw. Energiedichte verschwindet. Man spricht bei
Λ von der
kosmologischen Konstante
. Auf die Bedeutung dieses Parameters kommen wir in der Kosmologie ab Kap.
26 zurück, wir lassen ihn aber bereits jetzt in den Feldgleichungen stehen.
Die Bedingung 4 liefert
Da die Metrik divergenzfrei ist, d. h.
gμν;ν = 0, lässt sich
Λ nicht aus dieser Bedingung bestimmen. Im Folgenden zeigen wir, dass sich
a = −1∕2 ergibt und bestimmen damit die weiteren Konstanten.
Aus der Bianchi-Identität (
11.105) folgt nach Verjüngung und unter Verwendung der Symmetrieeigenschaften des Riemann-Tensors (s. (
11.97))
Wir multiplizieren diese Gleichung mit
gνβ und erhalten unter Verwendung der Definition (
11.103) des Ricci-Skalars
Dabei haben wir im dritten Term den Faktor

eingeschoben, den wir jetzt über

weiter umschreiben. Damit lässt sich der dritte Term weiter umformen in
Setzen wir diese Beziehung wieder in (
12.22) ein und benennen den Summationsindex
μ in
β um, so erhalten wir
R;γ − 2
Rβγ;β = 0, bzw.
Abschließend ziehen wir
γ hoch und kommen auf

Mit
a = −1∕2 haben wir also einen divergenzfreien Ausdruck für die linke Seite der Feldgleichungen (
12.19) gefunden, denn es gilt
Mit diesen Ergebnissen haben wir jetzt
Multiplikation mit
gμν führt wegen
gμνgμν = 4 auf
mit der Spur
T =
gμνTμν des Energie-Impuls-Tensors. Wir setzen diesen Ausdruck für
R in (
12.26) ein und erhalten
Um nun
Λ und
κ zu bestimmen, müssen wir wieder den nichtrelativistischen Grenzfall betrachten und diese Parameter so wählen, dass in diesem Fall die Poisson-Gleichung resultiert.
Im vorangegangenen Abschnitt haben wir bereits gesehen, dass aus der nichtrelativistischen Bewegung von Teilchen im Gravitationsfeld für die gtt-Komponente des metrischen Tensors gtt = −(c2 + 2ϕm) mit dem Newton'schen Potential ϕm folgt (s. (12.9)). Dabei müssen wir aber eine wichtige Feinheit beachten: Aufgrund der Voraussetzung v ≪ c ist in dem Ausdruck
in (12.5) der hintere Ausdruck sehr viel kleiner als der vordere. Das heißt, kleine Störungen der Komponenten im Raumanteil dl2 = dx2 + dy2 + dz2, ähnlich zur tt-Komponente der Metrik, wären vernachlässigbar. Wir können die Metrik (12.9) also z. B. nicht zur Untersuchung der Bewegung von Licht in schwachen Gravitationsfeldern heranziehen, da hier die Bedingung
offensichtlich nicht erfüllt ist. Desweiteren folgt diese Metrik auch nicht als nichtrelativistischer Grenzfall aus den Feldgleichungen. Bisher war das aber kein Problem, da wir mit ihrer Hilfe nur die tt-Komponente des Ricci-Tensors analysiert haben und daraus auf die richtige Spur für einen Ansatz für die Feldgleichungen gekommen sind.
In Verallgemeinerung dieses Resultats wählen wir jetzt die Komponenten des metrischen Tensors zu
Im nichtrelativistischen Grenzfall sind Geschwindigkeiten und damit Ströme und ebenso Drücke und Spannungen vernachlässigbar klein gegen die Ruheenergiedichte. Dann ist nur die
tt-Komponente des Energie-Impuls-Tensors wesentlich von Null verschieden mit
Ttt ≃
ρmc4. Mit der gerade eingeführten Form der Metrik ist dann weiter
Alle Korrekturen zu diesem Term sind von der Form
ϕm ρm und damit zu vernachlässigen. Allgemein wollen wir aus diesem Grund zum Herauf- und Herunterziehen von Indizes die Minkowski-Metrik
ημν und nicht
gμν verwenden. Wenn wir diese Ergebnisse in (
12.28) einsetzen und wieder aufgrund unserer Näherung

setzen, so erhalten wir die Bedingungen
Um die 5. Bedingung exakt zu erfüllen sehen wir, dass
Λ = 0 gelten muss, denn im minkowskischen Grenzfall gilt
ρm → 0 und
Rμν =
Tμν = 0. Physikalisch lässt sich aber argumentieren, dass
Λ nur sehr klein sein muss, sodass die Abweichung nur auf kosmologischen Skalen wichtig wird und auf kleineren Skalen mit Bedingung 5 verträglich ist.
Da wir aus allen Diagonalkomponenten des Ricci-Tensors bis auf den Faktor
c2 auf dieselbe Gleichung geführt werden und alle Nichtdiagonalterme verschwinden müssen, liegt es nahe,
zu setzen. Damit erhalten wir die Metrik
Um diesen Ansatz zu testen, berechnen wir den Ricci-Tensor zu dieser Metrik. Dazu berechnen wir auch für diesen Ansatz die linear in
ϕm∕
c2 genäherten Christoffel-Symbole. Wir finden
Um den linearisierten Ricci-Tensor zu berechnen, verwenden wir den linearisierten Ausdruck (
12.14). Wenn wir die Christoffel-Symbole (
12.34) einsetzen, so finden wir in der Tat
Mit der Definition des Ricci-Skalars
R =
ημνRμν in linearer Näherung finden wir außerdem
Jetzt fehlt uns nur noch der letzte freie Parameter
κ. Wenn wir z. B. (
12.31a) mit der Poisson-Gleichung (
12.1) vergleichen, sehen wir, dass
sein muss. Der Zahlenwert von
κ ist sehr klein. In SI Einheiten ergibt sich
Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass nur sehr große Massen den Raum merklich krümmen können. Das erstaunt uns natürlich nicht, denn anderenfalls wären allgemein-relativistische Effekte auch im Alltag von Bedeutung.
Da Rμν und R zweite Ableitungen und Quadrate der ersten Ableitungen des metrischen Tensors enthalten, sind die Feldgleichungen nichtlineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Das Superpositionsprinzip gilt daher nicht. Aufgrund ihrer komplexen mathematischen Struktur ist es nur für wenige Spezialfälle möglich, die Einstein'schen Feldgleichungen analytisch zu lösen, und auch die numerische Lösung ist in vielen Fällen schwierig.