Die Angewohnheit, stets mehr zu leisten, als honoriert wird
Durch Kampf von der Armut zum Reichtum
D
er achte Wegweiser an der Straße des Erfolgs trägt die Aufschrift: die Angewohnheit, stets mehr zu leisten, als honoriert wird
.
Die Geschichte von Edwin C. Barnes, der vor nicht einmal 15 Jahren im Güterwaggon nach East Orange in New Jersey fuhr, sich bei Thomas A. Edison einen Job verschaffte und sich heute mit 40 finanziell abgesichert zur Ruhe setzt.
Dies ist eine weitere Erfolgsgeschichte, der ein Kampf zugrunde liegt – und die Anwendung der Grundsätze, über die wir auf den Seiten dieser Zeitschrift jeden Monat schreiben. Ich kenne Edwin C. Barnes persönlich und kann daher authentisch die Eigenschaften schildern, durch die es ihm gelungen ist, die Armut zu besiegen und in eine Position aufzusteigen, die ihm in vergleichsweise kurzer Zeit viel Ansehen eingetragen hat.
– Der Herausgebe
r
Vor zehn Jahren betrat ich das Büro von Edwin C. Barnes in Chicago, um eine einfache Frage zu einem Thema zu stellen, das für Barnes von keinerlei Interesse war. Zufällig begegnete ich Barnes dabei persönlich, als er gerade durch den Warteraum seines Büros lief. So lange ich lebe, werde ich nie vergessen, wie er stehen blieb und mir meine Fragen in aller Ausführlichkeit beantwortete.
Ich wollte wissen, ob die Fabrik von Thomas Edison für mich eine Schallplattenreihe produzieren würde, die ich im Rahmen eines Rethorikseminars verwenden wollte. Nein, sagte Barnes, er glaube nicht, dass in Edisons Fabrik solche Platten produziert würden, aber vielleicht könne er mich ja an jemanden verweisen, der mir weiterhelfen könne. Dann setzte seinen Hut auf, lud mich in sein Auto und stellte mich einem Konkurrenten vor, der ein paar Kilometer weiter in einem ganz anderen Stadtteil ansässig war.
Es bestand nicht die geringste Aussicht darauf, dass Barnes davon irgendeinen geschäftlichen Nutzen haben würde, und darüber war er sich vollkommen im Klaren. Nach vernünftigem Ermessen ist daher davon auszugehen, dass er mir diesen Dienst nur deshalb erwies, weil er grundsätzlich jedem auf jede mögliche Art und Weise weiterhalf, ganz gleich, ob ihm das persönlich unmittelbar oder mittelbar irgendwelche Vorteile brachte.
Ich war von Barnes’ freundlicher Geste natürlich sehr beeindruckt. Ich informierte mich näher über ihn, weil ich den Eindruck hatte, er sei ein echtes Vorbild. In seinem Büro spürte ich eine Atmosphäre der Herzlichkeit und Begeisterung. Ich sah, dass jeder Verkäufer, jeder Stenograf und auch die junge Dame am Empfang so wirkten, als arbeiteten sie gerne dort.
Das war vor zehn Jahren. Doch ich wage zu behaupten, wenn Sie heute unangemeldet eines von Barnes’ Büros in Chicago, St. Louis oder New York betreten und um einen Gefallen bitten, denselben Eindruck gewinnen werden wie ich damals – nämlich, dass
Sie sich an einem Ort befinden, an dem man anderen aus Überzeugung weiterhilft.
Barnes schaffte es, das Vertrauen von Thomas A. Edison zu gewinnen, und brachte ihn dazu, ihn einzustellen. Soweit ich weiß, verdiente er anfangs keine 25 Dollar die Woche. Nicht viel später vertraute ihm Edison in einem solchen Maße, dass er ihm die Vertretung für das Ediphon (Edisons Diktiergerät) für die Stadt Chicago übertrug. Ich weiß nicht genau, wie er vorging, um Edison zu überzeugen, aber jeder, der Edison kennt, wird mir zustimmen, dass das nur möglich war, indem er Ergebnisse erzielte und mehr und bessere Leistungen brachte, als die, für die er eigentlich bezahlt wurde.
Ich bin sicher, er hat sich nie über Arbeitszeiten oder Bezahlung beschwert, und bestimmt hat er jede Menge unbezahlter Überstunden geleistet.
Von Anfang an verfolgte Barnes die Politik, das Edison-Diktiergerät nur an solche Kunden zu verkaufen, die es auch wirklich brauchten – und keines mehr als für den effizienten Betrieb des Käufers unbedingt nötig. Manchmal versuchten seine Vertreter in ihrem Eifer, Aufträge an Land zu ziehen und Kunden zu überreden, mehr zu kaufen, als sie brauchten. Barnes prüfte solche Geschäfte, fand den Fehler und gab dem betreffenden Mitarbeiter Gelegenheit, ihn zu korrigieren, bevor er sich selbst und damit auch dem Unternehmen schadete.
Barnes war eine echte Persönlichkeit, freundlich, umgänglich und begeisterungsfähig, und ein geborener Verkäufer. Doch er wäre nie so erfolgreich gewesen, wenn er nicht stets mehr und bessere Leistungen erbracht hätte, als es seinen vertraglichen Pflichten entsprach. Dieser Grundsatz war ihm offenbar in Fleisch und Blut übergegangen. Er konnte gar nicht mehr anders.
Barnes’ Geschäft war nicht so einfach zu etablieren. Diktiergeräte waren damals eine Neuheit, und es brauchte hochkarätiges
verkäuferisches Talent, um sie an den Mann zu bringen, und noch mehr Kompetenz, um den Menschen beizubringen, sie nach dem Kauf auch zu verwenden. De facto sparten diese Geräte den Stenografen die halbe Zeit, doch wie jede neue Erfindung, vom Dampfer bis zum Fluggerät, musste man die Menschen erst »damit vertraut machen«.
Edwin C. Barnes vertreibt die gesamte Ediphon-Produktion der großen Edisonwerke in East Orange, New Jersey. Denke ich an ihn, kommt mir unwillkürlich mein Besuch bei sieben verkrachten Existenzen in den Sinn, mit denen ich vor ein paar Jahren in Chicago sprach – einer davon ein Yale-Absolvent. Einer von ihnen beklagte sich, dass »ihm die Welt nie eine Chance gegeben hätte«. Bei diesen Gesprächen dachte ich an Edwin Barnes und fragte mich, ob ihm die Welt mehr Chancen gegeben hatte als den sieben Männern, mit denen ich damals sprach und die der Welt ihr Scheitern vorwarfen.
Sein Auftritt in East Orange war nicht besonders stilvoll. Er kam als Schwarzfahrer in einem Güterwaggon an. Er suchte Edison auf, verschaffte sich Gehör bei ihm und durfte ihm beweisen, dass er nicht davon ausging, dass die Welt ihm etwas schulde. Barnes’ Geschichte ähnelt stark der aller erfolgreichen Menschen. Er brachte zunächst Leistung und erntete später die Früchte dafür. Statt darauf zu warten, dass ihm die Welt das Leben zu Füßen legte, das sie ihm schuldete, ging er los und leistete der Welt einen Dienst, der ihm ein Vermögen einbrachte – und das in recht jungen Jahren.
Ich weiß nicht genau, wie groß Barnes’ Vermögen ist, doch es ist auf jeden Fall beträchtlich. Er lebt in Florida, wo er es sich den Großteil des Jahres über gut gehen lässt. Die übrige Zeit verbringt er mit Besuchen bei seinen Geschäftspartnern, die weiterhin das Ediphon in Chicago, St. Louis und New York vertreiben.
Erst vor ein paar Tagen hat sich etwas Interessantes zugetragen, das verdeutlicht, wie Barnes vorgeht. Auf dem Weg aus Chicago in
unser New Yorker Büro suchte ich Barnes Büro am unteren Broadway auf in der Hoffnung, ihn dort anzutreffen. Ich hatte eine Tasche bei mir, die ich in seinem Büro verstauen wollte, während ich mir Wohnungen ansah, denn ich plane, nach New York umzuziehen. Ich war schon im Aufbruch, als er mich zurückrief und meinte: »Wir schließen um sechs. Wenn Sie bis dahin nicht zurück sind, bringe ich Ihnen die Tasche ins Hotel. Rufen Sie mich einfach an und sagen mir, wo Sie absteigen.«
Und er meinte, was er sagte. Man stelle sich vor – ein so vermögender, erfolgreicher Mann in einer solch einflussreichen Stellung bot sich an, mir meine Tasche hinterherzutragen! Ich denke mal, das bestätigt die Theorie, dass die Größten unter uns zunächst dienen sollten. Ein im rechten Geist erbrachter Dienst erhöht stets den Menschen, der ihn leistet. So hat es der Herr vor 2000 Jahren gesagt, und so könnte es jede erfolgreiche Person bestätigen. Barnes hatte Erfolg, weil er gute Dienste
leistete. Er scheute sich nicht, als blinder Passagier zu reisen oder alles sonst Nötige zu tun, um seine »Nachricht für Garcia« zu überbringen.
»We struggle for fame, and win it; and, lo! Like a fleeting breath, it is lost in the realm of silence, whose ruler and king is Death.«*
Bei einer Sitzung im Unternehmen von Thomas A. Edison, auf der Barnes und über hundert Edison-Vertreter anwesend waren, ereignete sich etwas, das ein interessantes Schlaglicht auf Barnes und Edison wirft. Dem »Zauberer« war gerade eine seidene Gedenkflagge überreicht worden. Die Rede zur Verleihung hatte George M.
Austin aus Philadelphia gehalten. Edisons Replik wurde von seinem Sohn verlesen, während sich Edison den rechten Schuh auszog, ein Klappmesser hervorholte und ein Stück Leder abschnitt, das sich von der Sohle gelöst hatte. Die versammelten Zuschauer hielten inne und brachen dann in herzliches Gelächter aus. Der Erfinder stimmte ein und meinte:
Wie ich dem Wucherer ein Schnippchen schlug
»Ich fuhr eigens nach New York, um mir ein Paar Schuhe zu kaufen. Als ich feststellte, dass sie 17 oder 18 Dollar kosten sollten, ging ich in die Cortlandt Street. In einem Keller sah ich dort viele Schuhe stehen. Ein Paar gefiel mir, und ich kaufte sie für 6 Dollar. Diese Schuhe trage ich jetzt seit fast einem Jahr.«
In Edisons Nähe stand Edwin C. Barnes, Leiter der Niederlassungen in New York, Chicago und St. Louis. Edison zeigte auf Barnes und sagte: »Barnes hätte das anders gemacht. Er wäre zum Broadway gegangen und hätte 17 oder 18 Dollar für ein Paar Schuhe gezahlt.«
»Stimmt, aber ich würde sie dann auch drei oder vier Jahre lang tragen«, entgegnete Barnes.
»Ed Barnes zahlt 6 oder 7 Dollar für einen Hut«, meinte Edison, »ich dagegen fahre nach New York oder nach Newark und kaufe mir dort einen für 2,75 Dollar.«
Dann zog Edison ein paar gelbe Zettel hervor und erklärte, er schreibe jeden Abend eine To-do-Liste. Auf der Liste für den betreffenden Tag standen 57 Punkte, die er abhaken wollte. »Wer das sechs Monate lang ausprobiert, wäre überrascht, wie viel er in zehn Stunden schaffen kann«, behauptete Edison
.
Trotz seines Reichtums, seines Erfolgs und seiner zahlreichen Freunde, darunter Persönlichkeiten wie Ex-Präsident Theodore Roosevelt, ist Barnes nach wie vor ein demokratischer Mensch, den jeder ansprechen kann, der das möchte. Es sitzt nicht einmal eine Privatsekretärin zwischen dem Empfang und seiner Bürotür. Seine Sekretärin hat Besseres zu tun, als Menschen abzuwimmeln, die Barnes sehen möchten. Er lebt nach dem Motto: Wer ihn in seinem Büro aufsucht, erweist ihm damit eine Ehre. Die Fairness gebietet es daher, diesen Menschen anzuhören, ganz gleich, was er für ein Anliegen hat.
Denke ich an Barnes, kommt mir stets der Senat der Vereinigten Staaten in den Sinn. Er ist ein Mensch von dem Schlag, den wir in Washington brauchen. Er glaubt an den Dienst am anderen, nicht daran, sich bedienen zu lassen. Sollten die Bürger Floridas eines Tages das Glück haben, ihn für einen Senatsposten zu gewinnen, dürften sie sich dazu gratulieren, denn er würde ihnen in Washington wahrhaft gute Dienste leisten.
Meiner Ansicht nach könnte der Senat durchaus ein paar mehr Mitglieder vertragen, die wirklich dienen – mit einem Geschäftssinn, wie ihn Barnes mitbringt, und dessen tadelloser Integrität. Meines Erachtens wäre es den Interessen der Menschen keinesfalls abträglich, wenn im Senat mehr erfolgreiche Unternehmer säßen und weniger hauptberufliche Politiker, die dort nur politische Gefälligkeiten austauschen. Barnes wäre so ein Mann. Er verfügt über die nötigen Fähigkeiten und über die persönlichen Voraussetzungen, seinen Einfluss in jedem Gremium geltend zu machen. Er hat den Mut zu kämpfen, wenn es nötig ist, und das diplomatische Geschick zu verhandeln, wenn dies einem Konflikt vorzuziehen ist.
Bürger von Florida, wir empfehlen euch euren Mitbürger Edwin C. Barnes aus Bradenton, Florida, und behaupten, dass ihr euch glücklich schätzen könnt, wenn ihr ihn dazu bringt, euch als Senator der Vereinigten Staaten zu Diensten zu sein. Denn er wird
euch ebenso gute Dienste leisten wie er es für Thomas A. Edison getan hat.
Wenn ich mich nicht sehr irre, gibt es nur eine gerechte Grundlage, auf der man die eigene Leistung feilbieten kann – und zwar die Grundlage einer Vergütung, die der Qualität
und der Quantität
der erbrachten Leistung entspricht.
Nehmen wir an, ein Mann an der Drehbank erhält 5 Dollar pro Tag für seine Leistung. Er hat mehrere Jahre Berufserfahrung. Da kommt ein anderer, wird an die nächste Drehbank gesetzt und übt diese Tätigkeit erst ein paar Tage lang aus. Er verrichtet zwar dieselbe Arbeit, schafft aber 25 Prozent mehr als der Mann, der schon jahrelang im Betrieb ist. Wer sollte mehr verdienen?
Ganz klar: Die Betriebszugehörigkeit hat nichts mit der Bezahlung zu tun. Wäre das so, müsste der alte Hausmeister, der sich um das Gebäude kümmert, in dem sich mein Büro befindet, mehr verdienen als der Verwaltungsleiter, denn der Hausmeister ist schon zehn Jahre hier beschäftigt und der Verwaltungsleiter noch keine sechs Monate.
Bei der Vermarktung ihrer Leistung sollten Sie stets bedenken: Wie effizient Sie arbeiten, und wie wertvoll Sie für Ihren Arbeitgeber sind, lässt sich exakt danach bestimmen, wie viel Beaufsichtigung Sie benötigen.
Wer nur wenig kontrolliert werden muss, dürfte recht effizient arbeiten. Wer gar keine Aufsicht benötigt, arbeitet vermutlich so effizient, wie in seinem Tätigkeitsbereich möglich. Der nächste Schritt wäre daher die Übernahme von Aufgaben, die mehr Verantwortung mit sich bringen. Dabei sollte Ihnen klar sein, dass Sie nicht viel Geld für Ihre Leistungen erhalten werden, solange Sie nicht bereit sind, mehr Verantwortung zu tragen. Hohe Gehälter beziehen Leute, die effizient und erfolgreich Verantwortung übernehmen können – auch für Personal
.
Einer allein kann mit seiner Hände Arbeit nicht 25.000 Dollar im Jahr verdienen, könnte aber viermal so viel wert sein, wenn er in einer Führungsposition Tausenden anderen vorgesetzt ist und zu ihrer effizienteren und kompetenteren Arbeit beiträgt.
Die beiden Haupteigenschaften, die vielen Tausend Arbeitnehmern zu verantwortungsvollen Führungspositionen verholfen haben, sind:
Erstens: die Fähigkeit und die Bereitschaft, verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen.
Zweitens: die Fähigkeit, anderen durch intelligente Anleitung zu helfen, effizienter zu arbeiten.
Wir bekommen, was wir geben
– das ist mehr als nur ein idealistisches Axiom. Es ist eine belastbare Grundwahrheit, nach der sich alle erfolgreichen Menschen richten. Derjenige, der an der Vermarktung seiner persönlichen Leistung am meisten verdient
, ist auch der, der seinem Arbeitgeber das meiste liefert
. Dabei ist es gleich, ob seine Aufgabe darin besteht, sich selbst mit möglichst wenig oder ganz ohne Aufsicht zu managen, oder darin, anderen zu helfen, auf intelligente Weise tätig zu werden.
Für einen höherrangigen Posten wird nicht derjenige gesucht, der mit seinen Händen die meisten Details erledigen kann – sondern derjenige, der die Fähigkeit und das Urteilsvermögen besitzt, andere dazu zu bringen, sich um Details zu kümmern. Falls Sie eine »höhere« Position anstreben, könnte es für Sie durchaus von Vorteil sein, jetzt gleich damit anzufangen, anderen beizubringen, wie sie die Detailaufgaben Ihrer jetzigen Stelle lösen.
Sind Sie schon länger in Ihrer aktuellen Stellung und verdienen immer noch dasselbe, dann haben Sie vermutlich nie versucht, mehr
Verantwortung zu übernehmen. Wahrscheinlich benötigen Sie heute noch genauso viel Aufsicht wie früher. Diese beiden Merkmale können Ihnen als Wegweiser dienen. Sie können sich daran selbst recht gut messen.
Sie sind erst bereit, mehr Verantwortung oder Führungsaufgaben und die Anleitung anderer zu übernehmen, wenn Sie selbst mit größtmöglicher Effizienz arbeiten. Denn Führungsqualitäten entstehen aus dem guten Vorbild, das Sie anderen geben. Sobald Sie durch die Qualität
und Quantität
Ihrer Arbeit die Führung unter Ihren Kollegen übernehmen, werden Sie bald wichtigere Aufgaben erhalten, die besser bezahlt werden und mehr Verantwortung mit sich bringen.
Problemelassen sich nie im Eifer des Gefechts lösen. Auf Dauer können sie nicht durch Konflikt beigelegt werden. Natürlich kann die einflussreichere Partei die andere unterwerfen, doch es bleibt ein Unrechtsgefühl. Die Emotionen beruhigen sich zwar, kochen aber bei nächster Gelegenheit wieder hoch. Richten wir uns doch nach der Goldenen Regel. Dann fällt jeder Grund für Feindseligkeit weg, alle Konflikte werden ausgeräumt, und die Menschen gehen Hand in Hand an die Arbeit und werden gerecht dafür entlohnt.
Wir haben noch nie gehört, dass jemand aus dem Nichts eine wichtige Führungsposition bekommen hat. Wir kennen aber Hunderte von Führungskräften, die sich ihre Posten langsam, Schritt für Schritt, erarbeitet haben, indem sie nach und nach ihre Effizienz gesteigert und die Qualität
und Quantität
ihrer Arbeit verbessert haben.
Wenn ich Ihnen so dringend ans Herz lege, dass Sie unbedingt mehr und bessere Leistungen erbringen sollen, als die, für die Sie bezahlt werden
, dann nicht etwa aus idealistischen Gründen, sondern weil ich weiß, dass dieser Grundsatz für Sie ein gutes Geschäft
ist. Er ist wirtschaftlich grundsolide, weil er Ihnen automatisch den guten Willen und die Kooperationsbereitschaft aller Menschen einträgt, mit denen Sie zusammenarbeiten – Ihren Chef eingeschlossen. Sollten Sie damit (entgegen aller Wahrscheinlichkeit) nicht die Aufmerksamkeit Ihres derzeitigen Arbeitgebers erregen, dann sicher die eines anderen, der auf Sie zukommen und Ihnen einen wichtigeren, besseren Posten anbieten wird.
Wenn mich nicht alles täuscht, lässt sich die eigene Arbeitskraft am allerbesten zum eigenen Vorteil zu Markte tragen, indem man sich für ein Unternehmen durch überdurchschnittliche Leistungen interessant macht. Wählt ein Arbeitgeber Sie aus, dürfen Sie guten Gewissens ein höheres Gehalt einfordern, als wenn Sie sich aus eigener Initiative dort bewerben. Und ein Unternehmer wird sich nur für Sie interessieren, wenn Ihre Leistung quantitativ und qualitativ überdurchschnittlich ist. Das gilt übrigens genauso für alle, die einen unbedeutenden Job haben und bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber aufsteigen möchten, wie für diejenigen, die einen Wechsel anstreben.
Jeder, der durch sein fundiertes Urteilsvermögen in der Lage ist, zu erkennen, dass es sich auszahlt, mehr und bessere Leistungen zu erbringen, als es seiner Gehaltsklasse entspricht, und die ihm zugewiesene Verantwortung auch vollumfänglich zu übernehmen und nicht an einen anderen abzugeben, ist zu beneiden – denn er ist einer unter Zehntausend. Deshalb gehört er zur Topliga in seinem Bereich. Deshalb verdient er außertariflich. Und deshalb erhält er Personalverantwortung.
Im Büro gleich nebenan sitzt ein junger Mann, der mit der Geschäftsleitung dieser Zeitschrift betraut ist. Bei seiner Bewerbung verzichtete er auf unkluge Fragen wie: »Was verdiene ich in dieser Position?«, »Wie viele Stunden muss ich arbeiten?«, »Welche Aufstiegschancen habe ich?«, »Wann wird mein Gehalt erhöht?« oder »Muss
ich auch manchmal länger bleiben?« Nein, das alles wollte er gar nicht wissen.
Er überzeugte mich, indem er mir erzählte, wie viel er schon über die Zeitschrift wusste, obwohl die erste Ausgabe erst seit einem Tag am Kiosk war. Er erklärte mir, er wolle für die Golden Rule
arbeiten, und ich müsse ihn schon aus dem Büro werfen lassen, um ihn davon abzubringen. Er machte mir klar, dass er den Job haben wollte, weil er an die Arbeit glaubte, die dahinterstand.
Er fragte nicht, wann er einen persönlichen Assistenten bekommen würde, sondern wollte stattdessen wissen: »Womit soll ich anfangen?
« Sein Name ist W. H. Heggem. Sie können sich diesen Namen gerne merken, aber allen, die darauf aus sind, interessante Kandidaten abzuwerben, sage ich gleich: Versucht gar nicht erst, im Büro der Golden Rule
»herumzuschnüffeln« und ihn mir abspenstig zu machen. Ihr hättet ihn vielleicht gern, aber eines solltet Ihr wissen: Er wird in diesem Jahr voraussichtlich über 10.000 Dollar verdienen.
Und ja, das ist er auch wert. Ich werde ihm das genauso gerne zahlen, wie er es entgegennimmt. Ich bin wie jeder andere Arbeitgeber auch: Ich möchte bestmögliche Leistungen und bin bereit, für alles, was meine Mitarbeiter erarbeiten, zu bezahlen.
Doch selbst, wenn ich wollte – mehr zahlen, als sie tatsächlich erwirtschaften, könnte ich aus wirtschaftlichen Gründen nicht lange. Kein Mensch kann Löhne und Gehälter zahlen, die das Unternehmen zuvor nicht verdient hat – jedenfalls nicht auf Dauer. Wenn kein Wasser zufließt, sprudelt eine Quelle bald nicht mehr.
Wenn Sie meinen, Ihr Arbeitgeber sollte Ihnen mehr zahlen, als Sie zurzeit verdienen, gibt es nur eine gerechte Grundlage, auf der Sie das fordern können: Indem Sie zunächst Ihre Arbeitsweise ändern und Ihrem Arbeitgeber dadurch mehr Ertrag bringen.
Nehmen wir an, Sie sind Buchhalter und wissen nicht, wie Sie quantitativ oder qualitativ bessere Leistungen erbringen können.
Sie machen ohnehin schon Überstunden und geben Ihr Bestes. Was können Sie tun, um Ihren Anspruch auf eine Gehaltserhöhung zu rechtfertigen?
Es gibt viele Antworten auf diese Frage, doch Sie sollten sich für eine Möglichkeit entscheiden, um sich nicht zu verzetteln. Legen Sie sich daher unbedingt auf eine
Vorgehensweise fest.
Sie sind Buchhalter. Sie erstellen Monatsabrechnungen und geben sie heraus. Könnten Sie nicht ein Inkassosystem einrichten und so dafür sorgen, dass Beträge bei Fälligkeit unverzüglich in Zahlungsströme umgewandelt werden? Sollte Ihnen das gelingen, dürfte Sie Ihr Arbeitgeber vermutlich entsprechend honorieren.
Sie können auch Ihren Aufgabenbereich ausweiten, indem Sie freiwillig andere Tätigkeiten übernehmen, die über die reine Buchhaltung hinausgehen – allerdings ohne dabei Ihre Effizienz in der Buchhaltung zu beeinträchtigen. Erstellen Sie zum Beispiel eine Serie von Mahnschreiben, die Ihren Arbeitgeber in ein positives Licht rücken und dennoch dazu beitragen, fällige Beträge einzutreiben.
Das kann praktisch jeder, wenn er eigens damit beauftragt und entsprechend unterwiesen wird. Doch der Mann, der Ihr Gehalt zahlt, wünscht sich Mitarbeiter, die von selbst sehen, was zu tun ist, und zupacken – ohne dass man es ihnen sagen muss.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage legt ein bestimmtes allgemeines Durchschnittsgehalt fest, das ein Buchhalter normalerweise verlangen kann. Um mehr zu verdienen, muss er mehr Leistung bringen als der »normale« Buchhalter. Kurz, er muss sich von der »Norm« abheben, wenn er sich nicht mit dem »normalen« Verdienst zufriedengeben möchte.
Mehr und bessere Leistungen zu erbringen, als honoriert wird,
hat nichts mit sentimentalen Beweggründen zu tun. Es ist schlicht und ergreifend eine solide geschäftliche Praxis. Dabei gilt natürlich:
Wer seiner Arbeit gut gelaunt und mit Begeisterung nachgeht, fällt eher positiv auf.
Sie kommen wahrscheinlich eher groß heraus, wenn Sie sich nicht nur angewöhnen, mehr und bessere Leistungen zu erbringen, als die, für die Sie bezahlt werden,
sondern auch ein sympathisches, ansprechendes Wesen zeigen. Ein solches Auftreten kann in Dienstleistungsunternehmen sogar eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg sein.