Gesundes Essen kann eine kraftvolle Wirkung auf die Stimmung haben. Doch glauben Sie nicht nur mir, glauben Sie auch Margaret. Nachdem sie meinen Vortrag in ihrer Kirche besucht hatte, schickte sie mir folgende E-Mail:
Lieber Dr. Greger,
als ich zehn Jahre alt war, bekam ich von einem Psychiater die Diagnose „klinische Depression“. Ich verbrachte meine gesamte Teenagerzeit und meine Zwanziger mit einem Medikamentencocktail aus Antidepressiva. Sogar mit diesen Medikamenten wurde ich immer noch täglich von schlimmen Selbstmordgedanken gequält. Noch schlimmer war, dass ich davon Kopfschmerzen, Übelkeit und ungestüme, oft beängstigende Träume bekam. Ich war die ganze Zeit schläfrig und musste trotz der Angstträume jeden Tag Schlafpausen einlegen. Ich schlief sehr viel – einige Stunden Mittagsschlaf und dann meistens bis zu zehn Stunden nachts. Trotz der starken Nebenwirkungen hatte ich Angst, die Medikamente nicht zu nehmen, weil ich ja leben wollte und befürchtete, ohne diese so stark in die Depression abzurutschen, dass ich mich umbringen würde.
Irgendwann heiratete ich … und wurde wieder geschieden. Während meiner Ehe kam es wegen meiner Depression zu mehreren Krankenhausaufenthalten. Ehrlich gesagt hatte ich nie irgendein sexuelles Verlangen, und mein Ehemann bezog das auf sich. Wahrscheinlich werde ich nie herausfinden, ob meine fehlende Libido eine Nebenwirkung all der Medikamente war, die ich einnahm, oder direkt mit meiner Depression zusammenhing.
Vor etwa neun Jahren hörte ich mir Ihren Vortrag in meiner Kirche an. Mir wurde klar, dass ich die letzten zwei Jahrzehnte in einem medikamentös verursachten Nebelschleier verbracht hatte, ohne mich auch nur einen einzigen Tag wirklich gut dabei zu fühlen. Ich sprach mit meiner Psychiaterin darüber, dass ich meine Ernährung komplett ändern und versuchen wollte, unter ihrer Aufsicht von meinen Medikamenten loszukommen. Zu meiner großen Überraschung unterstützte sie mich dabei. Mittlerweile ernähre ich mich seit neun Jahren vollwertig und pflanzenbasiert und habe bisher noch keinen weiteren Rückfall erlitten. Natürlich bin ich noch von Zeit zu Zeit traurig, aber ich habe keine Selbstmordgedanken mehr und musste auch nicht noch einmal ins Krankenhaus. Außerdem schlafe ich jetzt wie ein normaler Mensch! Ich bekomme ständig gesagt, dass ich ein ganz neuer Mensch bin, seit ich meine Ernährungsweise verändert habe. Ich wollte Ihnen nur danken. Auch mein Verlobter möchte Ihnen gern danken! Ich verdanke Ihnen mein Leben!
Wie lässt sich ein Tod durch Selbstmord verhindern? Für diejenigen, denen die furchtbaren Auswirkungen psychischer Erkrankungen nicht vertraut sind, mag die flapsige Antwort lauten: Es einfach sein lassen. Dabei ist der Tod durch andere häufige Ursachen wie Herzkrankheiten, Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck ein ebenso selbst gewählter wie der durch Suizid, da psychische Störungen das eigene Urteilsvermögen trüben. Fast vierzigtausend US-Amerikaner töten sich jedes Jahr selbst,1 und Depressionen scheinen die Hauptursache dafür zu sein.2 Glücklicherweise kann eine Änderung der Lebensweise dabei helfen, nicht nur den Körper, sondern auch den Geist zu heilen.
1946 definierte die Weltgesundheitsorganisation Gesundheit als „einen Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, und nicht nur die Abwesenheit von Krankheiten oder Siechtum“.3 Sie können mit anderen Worten in blendender körperlicher Verfassung sein – weil Sie einen niedrigen Cholesterinspiegel, ein gesundes Körpergewicht und einen hohen Grad körperlicher Fitness haben – doch heißt das nicht, dass Sie deshalb vollkommen gesund sind. Die geistige Gesundheit kann genauso wichtig wie die körperliche sein.
Depressionen gehören zu den am häufigsten diagnostizierten psychischen Erkrankungen. Geschätzte 7 Prozent aller US-amerikanischen Erwachsenen leiden an schweren Depressionen – das sind etwa sechzehn Millionen Menschen allein in den USA, die mindestens einmal pro Jahr eine depressive Episode durchmachen.4 Natürlich ist jeder ab und zu traurig. Eine ganze Bandbreite an Emotionen ist schließlich das, was uns Menschen ausmacht. Eine Depression ist aber weitaus mehr als nur ein Gefühl tiefer Traurigkeit. Sie ist durch Wochen andauernde Symptome wie eine niedergeschlagene oder traurige Stimmung, ein vermindertes Interesse an den Aktivitäten, die früher gern und mit Vergnügen ausgeübt wurden, Gewichtszunahme oder -verlust, Erschöpfung, übersteigerte Schuldgefühle, Konzentrationsschwierigkeiten und ständig wiederkehrende Todesgedanken geprägt.
Eine schwere Depression kann in der Tat eine lebensbedrohliche Krankheit sein.
Eine gute geistige Gesundheit heißt aber nicht nur „die Abwesenheit von Krankheiten“. Dass Sie keine Depressionen haben, heißt noch lange nicht, dass Sie auch glücklich sind. Es gibt zwanzigmal mehr Untersuchungen, die zum Thema Gesundheit und Depressionen publiziert wurden, als solche zum Thema Gesundheit und Glücklichkeit.5 In den letzten Jahren aber kristallisierte sich das neue Forschungsfeld der „positiven Psychologie“ heraus, das den Zusammenhang einer optimalen geistigen mit einer optimalen körperlichen Gesundheit genauer untersucht.
Es gibt zunehmend Beweise dafür, dass ein psychologisches Wohlbefinden mit einem geringeren körperlichen Erkrankungsrisiko in Zusammenhang steht. Was aber kommt zuerst? Sind Menschen gesünder, weil sie glücklich sind, oder sind sie vielleicht nur glücklicher, weil sie gesund sind?
Prospektive Untersuchungen, die Probanden über einen längeren Zeitraum beobachteten, haben herausgefunden, dass Menschen, die von vornherein glücklich sind, tatsächlich auch eine bessere Gesundheit haben. Eine Analyse von siebzig solcher Untersuchungen zur Sterblichkeit kam zu dem Schluss, dass „ein positives psychologisches Wohlbefinden eine vorteilhafte Wirkung auf die Langlebigkeit bei sowohl gesunden wie auch kranken Bevölkerungsgruppen hat.“6 Wer glücklicher ist, scheint auch länger zu leben.
Doch Moment, nicht so schnell. Ein positiver Geistes- und Seelenzustand mag mit weniger Stress und einer höheren Widerstandskraft gegenüber Infektionen zusammenhängen, doch kann ein positives Wohlbefinden auch durch eine generell gesündere Lebensweise begründet sein. Generell scheinen Menschen, die sich zufrieden fühlen, weniger zu rauchen, körperlich aktiver zu sein und gesünder zu essen.7 Ist das Glücklichsein also vielleicht nur ein Marker für eine stabile Gesundheit, und nicht eine Ursache davon? Um das herauszufinden, beschlossen einige Wissenschaftler, ihre Probanden krank zu machen.
Wissenschaftler der Carnegie Mellon University riefen Hunderte Freiwillige zusammen – manche glücklich, manche unglücklich – und zahlten ihnen 800 US-Dollar für die Erlaubnis, einen häufig auftretenden Schnupfenvirus in deren Nasen einzuschleusen. Sogar wenn jemand mit einer Erkältung Ihnen direkt ins Gesicht niest und der Virus Ihre Nase hinaufwandert, werden Sie nicht automatisch krank, da Ihr Immunsystem in der Lage sein kann, den Virus abzuwehren. Die dieser Untersuchung zugrunde liegende Frage war also: Wessen Immunsystem kann einen normalen Schnupfenvirus besser abwehren – das der Gruppe, die anfangs als glücklich, entspannt und schwungvoll eingestuft wurde, oder das derjenigen, die zur Gruppe der besorgten, negativ bis feindselig gestimmten und deprimierten Probanden zugeordnet wurden?
Etwa einer von drei der Probanden mit negativen Emotionen versagte dabei, den Virus erfolgreich abzuwehren, und bekam einen Schnupfen. Von den glücklichen Probanden wurde nur eine von fünf Personen krank, und zwar sogar nachdem die Wissenschaftler mögliche verzerrende Faktoren wie das Schlafmuster, die Bewegungsgewohnheiten und das Stressniveau berücksichtigt hatten.8 In einer Folgestudie setzten die Wissenschaftler die Probanden (die ebenfalls bezahlt wurden) einem Grippevirus aus, der zu einer weitaus ernsteren Infektion führen kann. Erneut wurden stärkere positive Emotionen mit geringeren verifizierten Erkrankungsraten in Zusammenhang gebracht.9 Glückliche Menschen, so scheint es, werden seltener krank.
Die geistige und seelische Verfassung scheint die körperliche Gesundheit also auch zu beeinflussen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie mit Ihrem Essen sowohl Ihren Geist wie auch Ihren Körper stärken. Sie werden sehen, dass ganz normale Lebensmittel, von grünem Blattgemüse bis zur Gartentomate, Ihre Gehirnchemie positiv beeinflussen und Depressionen fernhalten können. Sogar das Riechen eines normalen Gewürzes kann Ihren Gefühlszustand tatsächlich schon verbessern.
Es geht aber nicht nur darum, reichlich grünes Gemüse zu essen, um die Trübsal zu verscheuchen. Einige Lebensmittel enthalten Substanzen, die das Risiko einer Depression erhöhen können. So wird Arachidonsäure, eine entzündungsfördernde Substanz, die vor allem in Hühnerfleisch und Eiern vorkommt, dafür verantwortlich gemacht, die Stimmung durch das Fördern von Entzündungen im Gehirn potenziell zu drücken.
Untersuchungen zur psychischen Gesundheit und zum Gefühlszustand derjenigen, die sich pflanzenbasiert ernähren, legen nahe, dass der Verzehr von weniger Fleisch nicht nur körperlich, sondern auch psychisch gut für uns ist. Wissenschaftler führten zwei psychologische Tests durch: den POMS (Profile of Mood States) und den DASS (Depression and Anxiety Stress Scale). Der POMS misst das Niveau von Depression, Wut, Feindseligkeit, Erschöpfung und Verwirrung. Der DASS berücksichtigt noch weitere negative Gefühlszustände wie Hoffnungslosigkeit, Desinteresse, Anhedonie (fehlende Freude und Lust), Gemütserregung, Reizbarkeit und Ungeduld gegenüber anderen Menschen. Die Probanden, die sich pflanzenbasiert ernährten, schienen deutlich weniger negative Gefühle zu empfinden als die Omnivoren. Diejenigen, die sich gesünder ernährten, berichteten auch, sie fühlten sich „schwungvoller“.10
Die Wissenschaftler präsentierten zwei Erklärungen für ihre Ergebnisse: Erstens, dass Menschen, die gesünder essen, glücklicher sein könnten, weil sie gesünder sind.11 Diejenigen mit einer pflanzenbasierten Ernährung haben nicht nur geringere Erkrankungsraten, was die häufigsten Todesursachen anbelangt, sondern auch bei solchen unangenehmen Leiden wie Hämorrhoiden, Krampfadern und Geschwüren, und darüber hinaus weniger Operationen, weniger Krankenhausaufenthalte und ein etwa halb so hohes Risiko, Medikamente einnehmen zu müssen, wie z. B. Beruhigungsmittel, Aspirin, Insulin, Blutdrucktabletten, Schmerzmittel, Antazida, Abführmittel oder Schlaftabletten.12 (Schon allein das Vermeiden von Arztbesuchen und Problemen mit der Krankenkasse würden jeden weniger reizbar, gestresst und deprimiert machen!)
Die zweite, direktere Erklärung der Wissenschaftler für ihre Ergebnisse war folgende: Möglicherweise kann die entzündungsfördernde Substanz Arachidonsäure, die in tierischen Produkten vorkommt, „die psychische Gesundheit durch eine Flut an Neuroinflammationen beeinträchtigen“.13 Der Körper verstoffwechselt Arachidonsäure in eine Reihe entzündungsverursachender Chemikalien. Genau da wirken entzündungshemmende Medikamente wie Aspirin und Ibuprofen, um Schmerzen zu lindern und Schwellungen entgegenzuwirken – indem sie die Umwandlung von Arachidonsäure in solche Entzündungen verursachende Endprodukte blockieren. Vielleicht wurde die psychische Gesundheit von Omnivoren zum Teil durch eine Entzündung in ihren Gehirnen beeinträchtigt.
Eine Entzündung ist natürlich nicht immer schlecht. Wenn das Gewebe um einen Splitter herum rot und heiß wird und anschwillt, ist dies ein Zeichen dafür, dass der Körper die Arachidonsäure dafür nutzt, eine Entzündungsreaktion zu entfesseln, um eine Infektion abzuwehren. Doch Ihr Körper produziert die Arachidonsäure, die Sie benötigen, bereits selbst, also müssen Sie nicht noch mehr davon über Ihre Ernährung aufnehmen.14 Arachidonsäure ähnelt hierbei Cholesterin, einer anderen lebenswichtigen Substanz, die unser Körper selbst produziert: Wenn Sie zu viel davon über die Ernährung aufnehmen, wird Ihr inneres körperliches Gleichgewicht gestört.15 In diesem speziellen Fall vermuteten die Wissenschaftler, dass die Aufnahme von Arachidonsäure den Gefühlszustand des Körpers beeinträchtigen könne. Es gibt Daten, die nahelegen, dass Menschen mit einem höheren Arachidonsäurewert im Blut ein deutlich höheres Risiko für Selbstmord oder depressive Episoden haben können.16
Die fünf häufigsten Quellen von Arachidonsäure bei einer westlichen Ernährungsweise sind Hühnerfleisch, Eier, Rind- und Schweinefleisch sowie Fisch, wobei Hühnerfleisch und Eier zusammen eine weitaus häufigere Quelle bilden als alle anderen Quellen in ihrer Summe.17 Schon die durch ein einziges Ei am Tag verursachte Arachidonsäure kann den Arachidonsäurewert des Blutes deutlich erhöhen.18 Insgesamt scheinen Omnivoren etwa neunmal mehr Arachidonsäure aufzunehmen als diejenigen, die sich pflanzenbasiert ernähren.19
Die Untersuchung, die zeigte, dass Menschen mit einer pflanzenbasierten Ernährung eine bessere Stimmung und einen besseren Gefühlszustand aufwiesen, war eine Querschnittsstudie, d. h. nur eine Momentaufnahme. Vielleicht fangen Menschen, die glücklicher sind, einfach auch damit an, gesünder zu essen, und nicht umgekehrt? Um mehr über Ursache und Wirkung herauszufinden, müssten die Wissenschaftler eine interventionelle Studie durchführen, den „Goldstandard“ der Ernährungswissenschaft. Das bedeutet Probanden finden, deren Ernährungsweise verändern und abwarten, was passiert. Dasselbe Wissenschaftlerteam tat genau das. Sie stellten eine Gruppe von Männern und Frauen zusammen, die mindestens einmal am Tag Fleisch aßen, und strichen diesen ihre Eier und neben anderen Fleischsorten auch ihr Hühnchenfleisch, um zu sehen, wie sich ihre Stimmungslage dadurch verändern würde. In nur zwei Wochen erzielten die Versuchsteilnehmer eine deutliche Verbesserung ihrer Stimmung.20 Die Wissenschaftler schlussfolgerten: „Vielleicht kann ein eingeschränkter Fleischverzehr dabei helfen, die Stimmung von Omnivoren zu schützen, besonders wichtig bei denjenigen, die anfällig für affektive Störungen [wie Depression] sind.“21
Aufgrund dieser Ergebnisse beschloss ein weiteres Team von Wissenschaftlern, eine gesunde Ernährungsweise in einer Arbeitsplatzsituation zu testen, wo ein gesunder Körper und ein gesunder Geist potenziell zu einer verbesserten Produktivität führen und gleichzeitig die Laune der Aktionäre heben könnten. Eine Gruppe übergewichtiger und diabetischer Angestellter eines großen Versicherungsunternehmens wurde aufgefordert, einer vollwertigen pflanzenbasierten Ernährungsweise zu folgen und gänzlich auf Fleisch, Eier, Milchprodukte, Fette und Junk Food zu verzichten. Es gab keine Einschränkungen der Portionsgröße und kein Kalorien- oder Kohlenhydratzählen, und die Probanden wurden ausdrücklich angewiesen, ihren Aktivitätsgrad nicht zu verändern. Die Mahlzeiten wurden zwar nicht speziell geliefert, doch die Kantine begann Tagesgerichte wie Bohnenburritos, Linsen- und Minestrone-Suppen anzubieten. Eine Kontrollgruppe aus anderen Angestellten des Unternehmens erhielt keine Anweisungen zur Ernährung.22
Trotz der Einschränkungen bei ihrer neuen Ernährung berichteten die Probanden, die sich neuerdings pflanzenbasiert ernährten, nach dem Ablauf von etwa fünf Monaten von einer größeren Zufriedenheit mit ihrer Ernährung als die Kontrollgruppe. Wie viel besser ging es ihnen? Die pflanzenbasierte Gruppe spürte Verbesserungen bei der Verdauung, mehr Energie, einen besseren Schlaf und auch eine deutliche Verbesserung ihrer körperlichen Funktionsfähigkeit, ihres allgemeinen Gesundheitszustands, ihrer Vitalität und ihrer psychischen Gesundheit. Nicht überraschend war zudem eine messbare Verbesserung ihrer Arbeitsproduktivität, die dabei festgestellt wurde.23
Auf der Grundlage dieses Erfolgs wurde eine wesentliche größere Untersuchung einer pflanzenbasierten Ernährung an zehn Unternehmensstandorten in den gesamten USA durchgeführt, von San Diego in Kalifornien bis nach Macon in Georgia. Diese zeigte ebenfalls einen durchschlagenden Erfolg, bei dem die Probanden nicht nur eine Verbesserung ihres Körpergewichts, ihrer Blutzuckerwerte und ihrer Fähigkeit, ihr Cholesterin zu kontrollieren, erzielten,24 sondern sich auch ihr emotionaler Zustand verbesserte, indem sie einen Rückgang von Depressionen, Angstgefühlen und Erschöpfung und ein verbessertes Wohlbefinden und tägliches Funktionieren zeigten.25
Von dieser Statistik haben Sie bisher vermutlich noch nichts gehört: Ein erhöhter Gemüseverzehr kann das Risiko des Entstehens einer Depression um bis zu 62 Prozent verringern.26 Ein Review in der Fachzeitschrift Nutritional Neuroscience schlussfolgerte, dass das Essen von viel Obst und Gemüse generell eine „nicht-invasive, natürliche und kostengünstige therapeutische Maßnahme zur Unterstützung eines gesunden Gehirns“27 darstellen kann.
Aber wie genau?
Die traditionelle Erklärung für Depressionen, auch als Monoamin-Theorie bekannt, besagt, dass dieses Leiden durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn ausgelöst wird. Die Milliarden Nerven in unserem Gehirn kommunizieren mittels Chemikalien miteinander, die Neurotransmitter genannt werden. Unsere Nervenzellen berühren sich nicht. Stattdessen produzieren sie Neurotransmitter, die sie einsetzen, um die Lücken zwischen ihnen zu überspringen. Die Menge einer wichtigen Art von Neurotransmittern, der Monoamine, zu denen auch Serotonin und Dopamin zählen, wird durch ein Enzym namens Monoaminoxidase (kurz MAO) kontrolliert, das alle überschüssigen Monoamine abbaut. Menschen mit Depressionen scheinen einen besonders hohen Wert dieses Enzyms in ihren Gehirnen vorzuweisen.28 Der Theorie zufolge wird eine Depression daher durch ein abnormal niedriges Niveau an Monoamin-Neurotransmittern aufgrund eines höheren Wertes des Neurotransmitter verschlingenden Enzyms verursacht.
Es wurden Antidepressiva entwickelt, um zu versuchen, die Anzahl der Neurotransmitter zu erhöhen, um ihren verstärkten Abbau auszugleichen. Doch wenn das Enzym MAO für die Depression verantwortlich ist, warum wird dann nicht einfach ein Medikament entwickelt, das dieses Enzym blockiert? Solche Medikamente gibt es, aber sie haben ernst zu nehmende Risiken, zu denen der gefürchtete „Käse-Effekt“ zählt, bei dem der Verzehr bestimmter Lebensmittel (wie bestimmter Käsesorten, geräucherter Fleischprodukten und fermentierter Lebensmittel), während diese Medikamente eingenommen werden, zu potenziell tödlichen Gehirnblutungen führen kann.29
Wenn es nur einen Weg gäbe, dieses Monoaminoxidase-Enzym auf sichere Weise zu drosseln! Tja, es hat sich herausgestellt, dass viele pflanzliche Lebensmittel, einschließlich Äpfel, Beeren, Trauben, Zwiebeln und grüner Tee, aber auch Gewürze wie Nelken, Oregano, Zimt und Muskatnuss Phytonährstoffe enthalten, die MAO auf natürliche Weise zu unterdrücken scheinen.30 Vielleicht haben Leute, die einer vorwiegend auf pflanzlichen Lebensmitteln basierten Ernährungsweise folgen, deswegen niedrigere Depressionsraten.31
Sogar auf täglicher Basis zeigten Untersuchungen, dass Sie sich umso glücklicher, ruhiger und energiegeladener fühlen, je mehr Obst und Gemüse Sie essen, und zwar nicht nur am selben Tag, sondern oftmals sogar noch am Tag darauf. Ihre Ernährungsweise kann eine starke psychologische Wirkung haben, doch müssen Sie dafür täglich mindestens etwa sechs Portionen Obst oder sieben Portionen Gemüse essen.32
Auch wenn einige pflanzliche Lebensmittel beachtliche Mengen an Serotonin, dem sogenannten Glückshormon, enthalten,33 kann dieses nicht die Blut-Hirn-Schranke passieren. Das bedeutet, dass mit der Ernährung aufgenommenes Serotonin nicht ins Hirn gelangen kann. Der Serotoninbaustein, eine Aminosäure namens Tryptophan, kann aber sehr wohl von Ihrem Mund in Ihr Blut und von dort aus in Ihr Gehirn gelangen. Experimente zur Tryptophandepletion in den 1970er-Jahren zeigten, dass Menschen, die auf eine eigens zusammengestellte, zu wenig Tryptophan enthaltende Diät umgestellt wurden, an Reizbarkeit, Wut und Depressionen litten.34 Fühlen wir uns vielleicht besser, wenn wir extra viel Tryptophan bekommen?
Das zumindest besagt die Theorie. In den 1980er-Jahren verursachten einige Tryptophanpräparate allerdings eine Katastrophe und führten zu einer ganzen Reihe von Todesfällen.35 Doch wenn Tryptophan eine Aminosäure ist und Eiweiße aus Aminosäuren bestehen, warum kann man den Leuten nicht einfach eine eiweißreiche Ernährung verordnen, um ihre Serotoninwerte durch die Lieferung einer Extraportion Tryptophan ans Gehirn zu erhöhen? Auch dies wurde versucht und scheiterte,36 wahrscheinlich deshalb, weil andere Aminosäuren in eiweißreichen Speisen das Tryptophan beim Wettlauf zum Gehirn einfach überrannten. Ein erhöhter Verzehr von Kohlenhydraten aber bewirkt das Gegenteil: Er hilft dabei, viele Nicht-Tryptophan-Aminosäuren aus der Blutbahn heraus und in die Muskeln zu leiten, wodurch das Tryptophan einen besseren Zugang zum Gehirn hat. Ein kohlenhydratreiches Frühstück wie bspw. Waffeln mit Orangensaft sorgte für höhere Tryptophanwerte bei den Probanden als ein eiweißreiches Frühstück mit Putenfleisch, Eiern und Käse.37
Dieses Prinzip mag erklären, warum viele Frauen, die am prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden, manchmal starkes Verlangen nach kohlenhydratreichen Speisen haben. Der Verzehr nur einer einzigen kohlenhydratreichen, eiweißarmen Mahlzeit führt erwiesenermaßen zur Verbesserung von Depressionen, Anspannungen, Wut, Verwirrung, Traurigkeit, Erschöpfung, Alarmbereitschaft und mehr Gelassenheit bei Frauen mit PMS.38 Bei einer einjährigen Untersuchung wurden einhundert Männer und Frauen nach dem Zufallsprinzip dazu angewiesen, eine entweder kohlenhydratarme oder -reiche Ernährungsweise zu verfolgen. Am Ende des Jahres verspürten die Probanden mit einer kohlenhydratreichen Ernährung deutlich weniger Depressionen, Feindseligkeit und Stimmungsschwankungen als diejenigen mit einer kohlenhydratarmen Ernährung. Dieses Ergebnis stimmt mit denen anderer Untersuchungen überein, die bessere Gefühlszustände und weniger Angstzustände bei Bevölkerungsgruppen feststellten, die sich kohlenhydratreich und eiweiß- und fettärmer ernährten.39
Kohlenhydrate mögen den Transport von Tryptophan zum Gehirn erleichtern, doch bräuchten Sie dafür immer noch eine Nahrungsquelle. Idealerweise hätte diese ein hohes Tryptophan-Eiweiß-Verhältnis, um den Zugang zum Gehirn zu unterstützen.40 Samen wie Sesamsamen und Sonnenblumen- oder Kürbiskerne scheinen diese Ansprüche ganz gut zu erfüllen. Eine placebokontrollierte Doppelblindstudie mit Butternusskürbiskernen bei sozialen Angstzuständen bestätigte eine deutliche Verbesserung bei einer objektiven Messung der Angst innerhalb einer Stunde nach dem Verzehr der Kerne.41 Alle diese Faktoren können zu einer umfassenden Verbesserung der Stimmung beitragen, die bereits wenige Wochen nach dem Beginn einer pflanzenbasierten Ernährungsweise eintreten kann.42
Der erste dokumentierte medizinische Gebrauch von Safran liegt allem Anschein nach bereits über 3.600 Jahre zurück, als dieses Gewürz offenbar das erste Mal zu Heilungszwecken verwendet wurde.43 Einige Tausend Jahre später verglichen Wissenschaftler die Wirkung von Safran endlich bei einem direkten Vergleich mit dem Antidepressivum Prozac, das bei der Behandlung klinischer Depressionen zum Einsatz kommt. Sowohl das Gewürz wie auch das Medikament erzielten gleichermaßen gute Erfolge bei der Verringerung der depressionsbedingten Symptome.44 Wie Sie in der Infobox auf Seite 193 sehen können, mag das vielleicht nicht besonders viel aussagen, doch immerhin war Safran hinsichtlich der Nebenwirkungen deutlich sicherer. So litten etwa 20 Prozent der Probanden aus der Prozac-Gruppe an sexuellen Dysfunktionen, einer häufigen Nebenwirkung vieler Antidepressiva, während dies bei niemandem aus der Safran-Gruppe der Fall war.
Doch mag Safran einer der seltenen Fälle sein, wo das natürliche Heilmittel teurer als das Medikament ist. Safran ist das teuerste Gewürz der Welt. Safran wird aus Krokussen geerntet, bzw. genauer aus den getrockneten Blütenstempeln der Krokusblüten, die später zu dem Gewürz vermahlen werden. Um ein einziges Pfund Safran herzustellen, brauchen Sie über fünfzigtausend Krokusse – genug, um ein ganzes Fußballfeld damit zu bedecken.45
Eine Prozac-äquivalente Dosis Safran kann bis zu doppelt so viel wie das Medikament kosten. Eine Folgestudie fand allerdings heraus, dass schon das Riechen von Safran psychologische Vorteile mit sich zu bringen scheint. Obwohl die Wissenschaftler das Gewürz so stark verdünnten, dass die Probanden dessen Eigengeruch nicht mehr erkennen konnten, bemerkten sie dennoch einen deutlichen Rückgang der Stresshormone, die bei Frauen gemessen wurden, die im Vergleich zu den Frauen, die zwanzig lang Minuten an einem Placebo rochen, stattdessen an echtem Safran rochen, sowie eine deutliche Verbesserung der Angstsymptome.46
Wenn Sie das nächste Mal an einer Angstattacke leiden, sollten Sie daher vielleicht ein bisschen Safran schnüffeln.
Da wir gerade von verführerischen Düften sprechen: Das Aufwachen mit dem Duft einer Tasse Kaffee kann weit mehr für das Gehirn bewirken, als sich morgens lediglich weniger fertig zu fühlen. Wissenschaftler der Harvard University überprüften die Daten von drei großen Kohortenstudien mit über zweihunderttausend US-amerikanischen Männern und Frauen. Sie fanden heraus, dass Menschen, die zwei oder mehr Tassen Kaffee am Tag tranken, im Vergleich zu denen, die keinen Kaffee tranken, ein nur etwa halb so großes Suizidrisiko zu haben schienen.47 Und die, die mehr als vier Tassen am Tag tranken? Eine Untersuchung des Versicherungskonzerns Kaiser Permanente mit über einhunderttausend Probanden ergab, dass das Suizidrisiko mit einer steigenden Kaffeedosis weiter zu sinken schien. Menschen, die über sechs Tassen Kaffee am Tag tranken, hatten ein um 80 Prozent geringeres Suizidrisiko,48 während das Trinken von acht oder mehr Tassen Kaffee am Tag mit einem erhöhten Suizidrisiko in Zusammenhang gebracht wurde.49
Was Sie in Ihren Kaffee rühren, kann ebenfalls einen Unterschied ausmachen. Die NIH-AARP-Studie, die Hunderttausende US-Amerikaner ein Jahrzehnt lang begleitete, fand heraus, dass der häufige Konsum gesüßter Getränke bei älteren Erwachsenen das Depressionsrisiko erhöhen kann. Das Hinzufügen von Zucker zum Kaffee kann tatsächlich viel von dessen positiver Wirkung zunichtemachen, und das Verwenden künstlicher Süßstoffe wie Aspartam (in den Marken Equal und NutraSweet enthalten) oder Saccharin (in Sweet’n Low) wurde mit einem erhöhten Depressionsrisiko in Zusammenhang gebracht.50
Die Kontroverse, die sich um neurologischen Auswirkungen von Aspartam rankte, begann bereits in den 1980er-Jahren.51 Zunächst beschränkten sich die Bedenken auf diejenigen, die unter bereits bestehenden psychischen Erkrankungen litten. Eine frühe Untersuchung der Western Reserve University wurde vorzeitig aus Sicherheitsgründen gestoppt, da Probanden mit einer Depressionsvorgeschichte wegen des Süßstoffs solch starke Reaktionen zu zeigen schienen. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass „Personen mit einer Gemütsstörung besonders empfindlich auf diesen künstlichen Süßstoff reagieren und diesen Verbrauchern daher von dessen Verwendung abgeraten werden sollte.“52
Erst kürzlich wurde die verhaltensneurologische Wirkung von Aspartam bei einer Bevölkerungsgruppe getestet, die unter keinen psychischen Beeinträchtigungen litt. Die gesunden Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Einer Gruppe wurde eine höhere Dosis Aspartam verabreicht (das Äquivalent der Menge, die in etwa drei Litern Diet Coca Cola enthalten ist), während die zweite Gruppe eine niedrigere Dosis bekam (die Menge, die in etwa einem Liter Coca Cola enthalten ist). Danach wurden die Gruppen getauscht.53 Und jetzt behalten Sie im Kopf, dass die Gruppe mit der höheren Dosis nur die Hälfte der täglich erlaubten Aspartammenge einnahm, jedenfalls gemäß den Bestimmungen der US-Lebens- und Arzneimittelkontrollbehörde FDA.54 Nach nur acht Tagen mit der höheren Aspartamdosis zeigten die Probanden stärkere Symptome von Depression und Reizbarkeit sowie eine schlechtere Leistung bei bestimmten Gehirnfunktionstests.55 Aspartam kann also nicht nur nachteilige mentale Auswirkungen bei empfindlichen Bevölkerungsgruppen verursachen, sondern bei einer ausreichenden Dosierung auch dem Rest der Bevölkerung schaden.
Der Verzicht auf Diät-Softdrinks und die kleinen Süßstoffpapiertütchen ist nicht so schwer, doch befinden sich diese künstlichen Süßstoffe außerdem in über sechstausend weiteren Produkten,56 wie bspw. Atemerfrischungspastillen, Frühstückscerealien, Kaugummis, Marmeladen und Gelees, Saftgetränken, Puddings und sogar Energieriegeln und Joghurt.57 Dieses derartig häufige Vorkommen ließ Wissenschaftler erklären, dass es im Fall von Aspartam „unmöglich ist, einen täglichen Kontakt [damit] vollständig zu vermeiden.“58 Das gilt aber natürlich nur für diejenigen, die industriell verarbeitete Lebensmittel essen. Dies ist noch ein weiterer Grund dafür, warum Sie beim Einkaufen die meiste Zeit in der Obst- und Gemüseabteilung verbringen sollten. Äußerst wachsame Verbraucher lesen sich immer die Zutatenliste von Produkten durch, doch haben die gesündesten Lebensmittel, die sich im Supermarkt finden lassen, von Natur aus kein Etikett mit einer Zutatenliste.
Sport versus Antidepressiva
Wir wissen bereits seit Jahrzehnten, dass schon ein einziges Training die Stimmung heben kann,59 und dass körperliche Aktivität mit geringeren Symptomen einer Depression in Zusammenhang steht. Eine Untersuchung von fast fünftausend Probanden aus den gesamten USA ergab z. B., dass Personen, die regelmäßig Sport trieben, ein um 25 Prozent geringeres Risiko hatten, mit einer „schweren Depression“ diagnostiziert zu werden.60
Natürlich bedeuten solche Untersuchungsergebnisse nicht automatisch, dass Sport die Depression lindert. Vielleicht ist das Gegenteil der Fall, und die Depression führt zu einer geringeren körperlichen Aktivität, d. h., dass Sie sich während einer depressiven Episode so schlecht fühlen, dass Sie gar nicht erst aus dem Bett kommen, geschweige denn laufen gehen. Um dies genauer zu untersuchen, war eine internationale Untersuchung nötig, bei der depressive Patienten zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt wurden – eine, die Sport trieb, und eine, die keinen Sport trieb.
Genau das probierten Wissenschaftler der Duke University aus. Sie teilten Männer und Frauen über fünfzig mit Depressionen zufällig in zwei Gruppen auf, von denen eine mit einem aeroben Trainingsprogramm begann und die andere das Antidepressivum Sertralin (Zoloft) einnahm. Innerhalb von vier Monaten verbesserte sich die Stimmungslage der Medikamentengruppe so stark, dass sie durchschnittlich gesehen nicht mehr an Depressionen litten. Dieselbe starke Wirkung wurde aber auch bei der Gruppe beobachtet, die Sport trieb und keinerlei Medikamente einnahm. Sport, so scheint es, funktioniert ebenso gut wie Medikamente.61
Stänkern wir einmal einen Moment lang herum: Die Gruppe ohne Medikamente traf sich dreimal pro Woche zur Sportstunde. Vielleicht war es ja nur die soziale Stimulierung, die zu deren Stimmungsaufhellung führte, und nicht der Sport?
Um dieser Frage nachzugehen, wagten sich dieselben Wissenschaftler an den größten jemals durchgeführten Versuch, der die Wirkung von Sport auf Patienten mit Depressionen testete. Dieses Mal fügten sie eine weitere Gruppe hinzu, sodass es eine Gruppe gab, die Antidepressiva einnahm, eine, die Sport trieb, und eine weitere, die die Sportübungen bei sich zu Hause durchführte. Die Ergebnisse? Unabhängig vom Setting, sprich, ob die Probanden in einer Gruppe oder allein trainierten, schien der Sport genauso gut wie das Medikament dabei zu helfen, die Depression zur Remission zu bringen.62
Bevor Ihr Arzt Ihnen das nächste Mal ein Rezept für ein Antidepressivum ausstellt, fragen Sie ihn also lieber nach einer Verordnung für ein tägliches Training.
Zunehmende Beweise legen nahe, dass freie Radikale, diese äußerst instabilen Moleküle, die zu Gewebeschäden führen und das Altern beschleunigen können, eine tragende Rolle bei der Entwicklung zahlreicher psychischer Störungen spielen, Depressionen eingeschlossen.63 Moderne bildgebende Verfahren bestätigen, was Autopsien zuvor schon gezeigt haben: Das Schrumpfen bestimmter Emotionszentren im Gehirn depressiver Patienten könnte aufgrund des durch freie Radikale verursachten Todes von Nervenzellen in diesen Gehirnbereichen verursacht worden sein.64
Dieses Phänomen mag erklären, weshalb diejenigen, die mehr Obst und Gemüse essen, das reich an Antioxidantien ist und dadurch freie Radikale unschädlich macht, vor Depressionen gefeit zu sein scheinen. Eine Untersuchung von fast dreihunderttausend Kanadiern fand heraus, dass ein höherer Obst- und Gemüseverzehr mit einem geringeren Risiko für Depressionen, psychischen Belastungen, Gefühls- und Angststörungen und einen als schlecht empfundenen mentalen Gesundheitszustand einhergeht. Die Wissenschaftler folgerten daraus, dass antioxidantienreiche pflanzliche Lebensmittel „die schädlichen Auswirkungen von oxidativem Stress auf die mentale Gesundheit dämpfen können.“65
Die kanadische Untersuchung basierte auf Fragebögen, auf denen die Probanden ihren Obst- und Gemüseverzehr selbst einschätzen mussten – eine Methode, die nicht immer akkurate Ergebnisse liefert. Eine US-weite Untersuchung ging noch einen Schritt weiter und maß den Wert carotinoider Phytonährstoffe in der Blutbahn der Probanden. Diese Phytonährstoffe enthalten einige der gelben, orangen und roten antioxidativen Pigmente, die natürlich in einigen unserer gesündesten Lebensmittel vorkommen, wie bspw. Süßkartoffeln und grünem Blattgemüse. Die Probanden, die höhere Mengen dieser Nährstoffe in ihrem Blut vorwiesen, hatten nicht nur ein geringeres Depressionsrisiko. Es wurde außerdem eine offensichtliche sogenannte „Dosis-Wirkung-Beziehung“ festgestellt, d. h., dass sich die Probanden umso besser fühlten, je größer die Menge an Phytonährstoffen in ihrem Blut war.66
Unter den Carotinoiden weist Lycopin (das rote Pigment in Tomaten) die höchste antioxidative Aktivität auf. Eine Untersuchung von fast eintausend älteren Männern und Frauen ergab, dass diejenigen, die täglich Tomaten oder Tomatenprodukte aßen, im Vergleich zu denen, die Tomaten nur einmal pro Woche oder seltener verzehrten, ein nur halb so hohes Depressionsrisiko hatten.67
Wenn Antioxidantien so gut helfen, warum werfen wir uns dann nicht einfach ein paar Antioxidantienpillen ein? Tja, es scheint, dass nur echte Lebensmittel die Antioxidantienquelle sind, die tatsächlich vor Depressionen schützt. Von Präparaten bzw. Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich das nicht behaupten.68 Diese Tatsache weist darauf hin, dass die Form und die Zuführungsweise der Antioxidantien, die wir verzehren, immens wichtig für deren Wirkungsweise ist. Andererseits könnten Antioxidantien auch nur ein Marker für andere Komponenten einer pflanzenreichen Ernährung sein, wie bspw. Folat.
Folat ist ein B-Vitamin, das konzentriert in Bohnen und grünem Blattgemüse vorkommt. (Sein Name entstammt dem lateinischen Wort folium, Blatt, weil es zuerst aus Blattspinat isoliert wurde.) Frühe Untersuchungen, die Depressionen mit einem niedrigen Folatwert im Blut in Zusammenhang brachten, waren von Natur aus Querschnittsstudien, d. h. nur Momentaufnahmen. Aus diesem Grund wussten wir nicht, ob ein niedriger Folatwert eine Depression verursachte oder ob die Depression selbst zu einer niedrigen Folataufnahme führte.69 Neuere Untersuchungen, die Probanden über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten, legen jedoch nahe, dass eine geringe Folataufnahme das Risiko einer schweren Depression tatsächlich bis zu verdreifachen kann.70 Doch auch hier scheinen Folatpräparate (Folsäure) nicht zu helfen.71
Gemüse, einschließlich antioxidantienreicher Tomaten und folatreichem grünem Blattgemüse, scheint hingegen für Körper und Geist gut zu sein.
Helfen Antidepressiva wirklich?
Wir haben gesehen, dass Safran und Sport bei der Behandlung von Depressionen den Vergleich mit Medikamenten nicht zu scheuen brauchen, aber wie viel sagt das eigentlich aus? Tausende veröffentlichte Untersuchungsergebnisse scheinen bewiesen zu haben, dass Antidepressiva wirken.72 Das Schlüsselwort dieses Satzes könnte hier allerdings veröffentlicht sein. Was, wenn Pharmakonzerne beschlössen, nur die Untersuchungen öffentlich zu machen, die positive Wirkungen bestätigen, aber heimlich alles andere unter den Teppich kehren, was zeigt, dass die Medikamente nichts bringen? Um herauszufinden, ob dies tatsächlich so ist, beantragten Wissenschaftler unter Verweis auf den U.S. Freedom of Information Act (US-Gesetz zur Informationsfreiheit, kurz FOIA) bei der US-amerikanischen Lebens- und Arzneimittelkontrollbehörde FDA Zugang zu veröffentlichten und unveröffentlichten Untersuchungen, die von Pharmakonzernen eingereicht worden waren. Was sie herausfanden, war schockierend.
Der veröffentlichten Fachliteratur zufolge waren die Ergebnisse fast aller Antidepressiva-Versuche positiv. Im Gegensatz dazu ergab die Analyse der Versuchsdaten der FDA, die unveröffentlichte Untersuchungen einschloss, dass die Medikamente bei grob der Hälfte aller Tests überhaupt keine Wirkung zeigten. Wenn alle verfügbaren Daten, veröffentlichte und unveröffentlichte, zusammengefasst wurden, konnten Antidepressiva nicht einmal einen klinisch bedeutsamen Vorteil gegenüber Placebo-Zuckerpillen erzielen.73 Dieses Ergebnis legt nahe, dass es der Placebo-Effekt ist, der die augenscheinliche klinische Wirksamkeit von Antidepressiva erklärt. Mit anderen Worten kann die Verbesserung der Stimmung der Patienten ein Ergebnis ihres festen Glaubens an die Kraft des Medikaments sein, und nicht ein Ergebnis des Medikaments selbst.74 Schlimmer noch, die FOIA-Dokumente offenbarten, dass die FDA wusste, dass diese Medikamente, wie z. B. Paxil und Prozac, nicht viel besser als Placebos anschlugen, und dennoch die explizite Entscheidung traf, die Pharmakonzerne zu schützen, indem sie diese Informationen nicht nur der Öffentlichkeit sondern auch den Ärzten, die die Medikamente verschrieben, vorenthielt.75 Wie können Pharmakonzerne mit so etwas davonkommen? Die Pharmaindustrie wird als eine der profitabelsten und politisch einflussreichsten Industrien der USA angesehen, und psychische Erkrankungen haben einen Goldesel-Status: Sie sind chronisch, weit verbreitet und werden oft mit mehreren Medikamenten auf einmal behandelt.76 Tatsächlich werden gegenwärtig schon über 8 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung Antidepressiva verschrieben.77
Nur weil Antidepressiva vermutlich nicht viel besser wirken als Placebo-Pillen, heißt das nicht, dass sie überhaupt keine Wirkung zeigen. Antidepressiva helfen Millionen von Menschen, die an Depressionen leiden. Auch wenn der Placebo-Effekt real und stark ist, scheinen Antidepressiva bei denjenigen, die von besonders starken Depressionen betroffen sind – etwa 10 Prozent aller Patienten – die Symptome besser zu lindern als die Zuckerpillen. Diese Statistik bedeutet zugegebenermaßen aber auch, dass etwa 90 Prozent aller Depressionspatienten Medikamente verschrieben bekommen, deren Vorteile vernachlässigbar sind.78
Wenn Ärzte bereit sind, ihren Patienten placebo-äquivalente Behandlungen zu verschreiben, könnten einige einwenden, dass es vielleicht sogar besser wäre, die Patienten zu belügen und ihnen stattdessen einfach die Zuckerpillen zu geben.79 Anders als die Medikamente verursachen diese nämlich keine Nebenwirkungen. Antidepressiva hingegen führen bei bis zu drei Viertel derjenigen, die sie einnehmen, zu sexuellen Dysfunktionen. Andere Probleme können eine langfristige Gewichtszunahme und Schlafstörungen sein. Darüber hinaus hat etwa jeder Fünfte Entzugserscheinungen, wenn das Medikament abgesetzt wird.80
Am tragischsten aber ist wohl, dass Antidepressiva dazu führen, dass Menschen in der Zukunft sogar stärker an Depressionen leiden. Untersuchungen haben gezeigt, dass Patienten nach einer Behandlung mit Antidepressiva mit einer höheren Wahrscheinlichkeit wieder in eine Depression zurückfallen können, anders als bei anderen Behandlungsmethoden, einschließlich Placebos.81 Auch wenn die stimmungsverbessernde Wirkung von Sport vielleicht ebenfalls nur ein Placebo-Effekt ist, bringt dieser wenigstens nur positive Begleiterscheinungen und keine Risiken mit sich.
Wenn man sich allein mit den trockenen Statistiken in all den Untersuchungen beschäftigt, fällt es schwer, das Leiden dahinter zu verstehen. Eine Grafik, bei der die Depressionsraten von sogar Hunderten von Menschen fallen, geht mir nicht so nahe wie eine einzige E-Mail in meinem Posteingang, in der jemand seine persönliche Geschichte der Zurückeroberung der eigenen körperlichen und geistigen Gesundheit mit mir teilt.
Vor nicht allzu langer Zeit schrieb mir eine Frau über ihren Kampf gegen ihre Depression. Shay, die in ihren Vierzigern war, hatte sich immer auf die typisch US-amerikanische Weise ernährt. In den letzten Jahren litt sie an heftigen Migräneanfällen, unerträglicher Verstopfung und schmerzhaften und unregelmäßigen Perioden. Ihre Depression war inzwischen so schlimm geworden, dass sie nicht mehr in der Lage war, zur Arbeit zu gehen. Dann entdeckte Shay meine Webseite und begann, sich mehr mit dem Thema Ernährung auseinanderzusetzen. Sie verstand schnell, in welcher Weise ihre Ernährungsweise potenziell zu ihren Gesundheitsproblemen beitrug, ganz zu schweigen von ihrer Unglücklichkeit, und sie wurde zu einer begeisterten Zuschauerin der Videos auf NutritionFacts.org.
Shay entschloss sich, zu einer vollwertigen pflanzenbasierten Ernährung zu wechseln. Sie aß keine tierischen Produkte und auch kein Junk Food mehr und erhöhte ihren Obst- und Gemüsekonsum erheblich. Nach vier Wochen hatte sie mehr Energie und weniger schmerzhafte Stuhlgänge. Innerhalb von sieben Monaten war ihr Stuhlgang mühelos und schmerzfrei, ihre sie einst so quälenden Migräneanfälle hatten vollends aufgehört, ihre Periode trat wieder regelmäßiger ein – und ihre Depression war verschwunden. Nur einige Monate zuvor hatte sich Shay noch so schlecht gefühlt, dass sie es morgens nicht aus dem Bett schaffte. Durch eine verbesserte Ernährungsweise ist sie jetzt wesentlich gesünder, und zwar nicht nur körperlich, sondern auch mental.
Das ist ein wunderbares Beispiel für die Macht einer gesunden Ernährung.