Einführung

Im ersten Teil dieses Buches bin ich auf die wissenschaftlichen Beweise eingegangen, die zeigen, welche Rolle eine pflanzenbasierte Ernährung, die besonders einige bestimmte Lebensmittel umfasst, dabei einnimmt, beim Verhindern, Behandeln und sogar Umkehren der fünfzehn häufigsten Todesursachen zu helfen. Für diejenigen, die bereits mit einer oder mehrerer dieser Krankheiten diagnostiziert wurden, können die Informationen in Teil 1 lebensrettend sein. Für alle anderen, vielleicht gerade diejenigen, die sich Sorgen machen, erblich vorbelastet zu sein, oder diejenigen, die einfach nur möchten, dass ihre Ernährung ihnen zu einem gesünderen und längeren Leben verhilft, besteht die größte Frage wahrscheinlich darin, welche Ernährungsentscheidungen sie täglich treffen sollten. Ich habe bereits über tausend Vorträge gehalten, doch eine der Fragen, die mir am häufigsten gestellt werden, ist: „Was essen Sie denn so jeden Tag, Dr. Greger?“

Der zweite Teil dieses Buches ist meine Antwort darauf.

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Ich war nie besonders verrückt nach Süßigkeiten, dafür aber nach allem, was fettig und würzig ist. Salamipizza. Berge von Chicken Wings. Sour Cream & Onion Kartoffelchips. Ein Bacon Cheeseburger nach fast jedem Schultag zu Highschool-Zeiten. Alles was ölig oder fettig war – und was ich mit einem wunderbar eiskalten Softdrink, am liebsten Dr Pepper, runterspülen konnte. Okay, ein bisschen Süßkram fand ich auch nicht schlecht. Ich liebte Donuts mit Erdbeerglasur.

Auch wenn mich die wunderbare Genesung meiner Großmutter von ihrer Herzkrankheit dazu inspirierte, die medizinische Laufbahn einzuschlagen, begann ich erst, mich gesund zu ernähren, nachdem 1990 Dr. Ornishs wegweisende Arbeit „The Lifestyle Heart Trial“ erschien. Ich war in der Highschool so ein Streber, dass ich meine Sommerferien meistens in der wissenschaftlichen Bibliothek der örtlichen Universität verbrachte. Und dort fand ich ihn, veröffentlicht in einer der weltweit angesehensten medizinischen Fachzeitschriften: den Beweis dafür, dass die Geschichte meiner Großmutter nicht nur ein reiner Glücksfall war. Herzkrankheiten konnten rückgängig gemacht werden. Dr. Ornish und sein Team hatten Vorher-nachher-Röntgenbilder von Arterien von Patienten aufgenommen und damit bewiesen, wie sich diese auch ohne Angioplastie öffnen ließen. Keine Operation. Kein Wundermittel. Nur dank einer pflanzenbasierten Ernährung und anderer gesunder Änderungen der Lebensweise. Dies motivierte mich dazu, meine eigene Ernährung zu verändern und entfachte meine nun schon fünfundzwanzig Jahre andauernde Liebe zur Ernährungswissenschaft. Seit diesem Zeitpunkt war ich fest entschlossen, in die Welt hinauszutragen, wie die richtige Ernährung die Menschen gesund halten und falls nötig wieder gesund machen kann.

Für dieses Buch habe ich zwei einfache Hilfsmittel erstellt, die Ihnen dabei helfen können, alles, was ich herausgefunden habe, in Ihren Alltag zu integrieren:

1. ein Ampelsystem, um schnell herauszufinden, was die gesündesten Optionen sind, und

2. die Checkliste „Das Tägliche Dutzend“, die Ihnen dabei hilft, die Lebensmittel in Ihren Speiseplan einzubauen, die ich für eine optimale Ernährung als am wichtigsten erachte. (Es gibt dafür übrigens auch eine kostenlose englischsprachige App für iPhones und Androids.)

Welche Lebensmittel sind gut für uns, und welche sind es nicht?

Das hört sich nach einer recht einfachen Frage an. Trotzdem finde ich, dass sie sich nicht leicht beantworten lässt. Immer wenn ich nach einem Vortrag gefragt werden, ob ein bestimmtes Lebensmittel gesund ist oder nicht, frage ich ausnahmslos zurück: „Im Vergleich wozu?“ Zum Beispiel: Sind Eier gesund? Im Vergleich zu Haferbrei auf keinen Fall. Aber sind sie im Vergleich zu Würstchen die bessere Frühstückswahl? Ja.

Was ist mit Kartoffeln? Kartoffeln sind ein Gemüse, also müssen sie gesund sein, richtig? Das wurde ich vor einigen Jahren gefragt, nachdem eine Gruppe von Harvard-Wissenschaftlern Bedenken über Backkartoffeln und Kartoffelbrei geäußert hatte.1 Sind Kartoffeln gesund? Im Vergleich zu Pommes schon. Im Vergleich zu einer gebackenen oder zerdrückten Süßkartoffel nicht.

Mir ist klar, dass das sehr wahrscheinlich keine befriedigenden Antworten für Leute sind, die einfach nur wissen wollen, ob sie die verdammten Kartoffeln jetzt essen können oder nicht. Die einzige Möglichkeit, diese Frage sinnvoll zu beantworten, ist aber nachzufragen, welche anderen Optionen Sie haben. Wenn Sie in einem Fast Food Restaurant sind, ist eine Backkartoffel zweifellos Ihre gesündeste Option.

Im Vergleich wozu? ist nicht nur eine sokratische Lehrart, die ich mit meinen Patienten und Studenten geübt habe. Essen ist praktisch ein Nullsummenspiel: Wenn Sie sich dafür entscheiden, eine bestimmte Sache zu essen, entscheiden Sie sich dabei gleichzeitig gegen eine andere. Sicher, Sie könnten auch einfach hungrig bleiben, aber irgendwann wird Ihr Körper versuchen dies auszugleichen und dafür später mehr essen wollen. Alles, was wir essen, hat sogenannte Opportunitätskosten.

Immer, wenn Sie sich etwas in den Mund stecken, verschenken Sie die Gelegenheit, etwas noch Gesünderes zu wählen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten 2.000 Euro in Ihrer täglichen Kalorienbank. Wie wollen Sie diese ausgeben? Für diese Kalorienmenge bekommen Sie entweder einen Big Mac, einhundert Erdbeeren oder fast einen 20-Liter-Eimer voller Blattsalat. Natürlich fallen diese drei Optionen nicht alle in dieselbe kulinarische Kategorie: Wenn Sie einen Burger wollen, dann wollen Sie eben einen Burger, und ich glaube kaum, dass demnächst auch ein Pfund Erdbeeren auf der McDonald‘s-Speisekartestehen wird. Dies ist allerdings ein gutes Beispiel dafür, wie viele unterschiedliche Nährstoffe Sie für die gleiche Kalorienmenge bekommen können.

Bei den Opportunitätskosten geht es aber nicht nur darum, wie viel Nährstoffe Sie sich eventuell entgehen lassen, sondern auch darum, welche schädlichen Inhaltsstoffe Sie vermeiden können. Wann war das letzte Mal, dass einer Ihrer Freunde mit Kwashiorkor, Skorbut oder Pellagra diagnostiziert wurde? Dies sind einige der traditionellen durch Mangelernährung verursachten Krankheiten, auf denen das Fundament der Ernährungswissenschaft aufgebaut wurde. Bis heute fokussiert sich der Berufsstand der Ernährungswissenschaftler und Diätassistenten darauf, welche Nährstoffdefizite wir haben. Die meisten unserer chronischen Krankheiten hängen aber viel stärker mit dem zusammen, wovon wir zu viel bekommen. Kennen Sie Menschen, die fettleibig sind oder an Herzkrankheiten, Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck leiden?

Ist gesundes Essen nicht teuer?

Wissenschaftler der Harvard University verglichen die Kosten und den Gesundheitsgrad verschiedener Lebensmittel in den gesamten USA und hielten dabei nach den besten Schnäppchen Ausschau. Sie fanden heraus, dass die Leute, um mehr Nährstoffe für ihr Geld zu bekommen, mehr Nüsse, Sojaprodukte, Bohnen und Vollkornprodukte, dafür aber weniger Fleisch- und Milchprodukte kaufen sollten. Sie fassten zusammen: „Der Kauf pflanzenbasierter Lebensmittel ist vermutlich die beste Investition in eine ernährungsbasierte Gesundheit.“2

Weniger gesunde Lebensmittel schlagen gesündere Lebensmittel bei der Kosten-pro-Kalorie-Basis. Das ist eine Methode, mit der die Lebensmittelkosten im 19. Jahrhundert gemessen wurden. Damals zählten billige Kalorien, egal, wie diese aufgenommen wurden. So kosteten Bohnen und Zucker bspw. dasselbe (fünf Cent das Pfund), doch bewarb das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) Zucker aus reinen „Brennwert“-Gesichtspunkten als kosteneffizienter.3

Man kann dem USDA rückblickend nachsehen, dass es den Nährwertunterschied zwischen Bohnen und Zucker nicht berücksichtigte. Schließlich waren Vitamine zu jener Zeit noch nicht entdeckt. Heute wissen wir es allerdings besser und können die Kosten von Lebensmitteln auf der Basis ihres Nährwerts vergleichen. Eine durchschnittliche Portion Gemüse kann bis zu viermal teurer sein als eine durchschnittliche Portion Junk Food, doch hat dieses Gemüse Berechnungen zufolge vergleichsweise einen durchschnittlich bis zu vierundzwanzigmal höheren Nährwert. Auf Basis eines Kosten-Nährwert-Vergleichs liefert Ihnen Gemüse pro Dollar einen sechsmal höheren Nährwert als stark verarbeitete Lebensmittel. Fleisch kostet etwa dreimal so viel wie Gemüse, hat aber, was die Summe aller Nährstoffe anbelangt, einen sechzehnmal geringeren Nährwert.4 Da Fleisch weniger nahrhaft ist, gleichzeitig aber mehr kostet, bekommen Sie mit Gemüse pro Dollar netto einen achtundvierzigmal höheren Nährwert heraus als mit Fleisch.

Wenn Sie beabsichtigen, so viele Kalorien wie möglich für so wenig Geld wie möglich in sich hineinzuschaufeln, sind gesunde Lebensmittel die Verlierer. Wenn Sie aber auf die günstigste Weise so viele Nährstoffe wie möglich aufnehmen wollen, sind Sie in der Obst- und Gemüseabteilung genau richtig. Nur 50 Cent mehr am Tag für Obst und Gemüse kann Ihnen ein um 10 Prozent niedrigeres Sterblichkeitsrisiko kaufen.5 Das ist ein wahres Schnäppchen! Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Pille, die Ihr Risiko, in den nächsten zehn Jahren zu sterben, um 10 Prozent senken könnte, und außerdem nur positive Nebenwirkungen hätte. Wie viel würden Pharmaunternehmen wohl dafür verlangen? Wahrscheinlich mehr als nur fünfzig Cent.

Dinner bei Ampelschein

Die offiziellen Ernährungsrichtlinien für US-Amerikaner der US-Regierung enthalten (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Buchs) ein Kapitel namens „Zu reduzierende Lebensmittelbestandteile“, in dem speziell Zuckerzusätze, Kalorien, Cholesterin, gesättigte Fette, Salz und Transfette auflistet werden.6 Gleichzeitig werden neun sogenannte defizitäre Nährstoffe erwähnt, die mindestens ein Viertel der US-amerikanischen Bevölkerung in nicht ausreichendem Maße aufnimmt. Dabei handelt es sich um Ballaststoffe, die Mineralien Kalzium, Magnesium und Kalium sowie die Vitamine A, C, D, E und K.7 Allerdings essen wir keine „Lebensmittelbestandteile“, sondern Essen. Im Lebensmittelgeschäft gibt es kein Magnesiumregal. Welche Lebensmittel aber enthalten am meisten von dem guten und am wenigsten von dem schlechten Zeug? Ich habe dies mit einer vereinfachten Ampel-Abbildung dargestellt (siehe Abbildung 5).

So wie im Verkehr bedeutet auch hier grün „Los“, gelb „Vorsicht“ und rot „Stopp“. (In diesem Falle: Stopp und überlegen, bevor Sie es sich in den Mund schieben.) Idealerweise sollten Sie möglichst viele grüne Lebensmittel, so wenig wie möglich gelbe und möglichst gar keine roten essen.

Ist „gar keine“ zu hart ausgedrückt? Schließlich ermuntern die Ernährungsrichtlinien für US-Amerikaner die Verbraucher nur dazu, ihren Konsum ungesunder Lebensmittel zu „mäßigen“8, wie bspw. mit Empfehlungen wie „Essen Sie weniger … Süßigkeiten.“9 Sollte Sie aus gesundheitlicher Sicht nicht versuchen, Zucker generell zu vermeiden?

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Abbildung 5

Staatliche Gesundheitsbehörden raten nicht einfach nur dazu, weniger zu rauchen. Sie wollen, dass Sie damit aufhören. Auch wenn den Behörden klar ist, dass nur ein sehr kleiner Teil der Raucher dieser Aufforderung folgen wird, bleibt es die Aufgabe einer öffentlichen Gesundheitsbehörde, die Menschen darüber zu informieren, was gesund ist, und sie dann ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen.

Deshalb schätze ich die Empfehlungen des American Institute for Cancer Research (AICR). Das AICR untersteht nicht dem US-Landwirtschaftsministerium und informiert schlicht und einfach über wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch wenn es bitter wird, nimmt das Institut kein Blatt vor den Mund. Anstatt wie die Ernährungsrichtlinien dazu zu raten, „weniger Erfrischungsgetränke zu konsumieren“,10 empfehlen die Richtlinien des AICR kurz und klar: „Verzichten Sie auf zuckerreiche Getränke.“ In ähnlicher Weise fordert das AICR die Verbraucher auch nicht nur dazu auf, bspw. weniger Speck, Schinken, Würstchen oder Wurstaufschnitt zu essen. Die Krebsrichtlinien sagen ganz klar: „Verzichten Sie auf verarbeitete Fleischprodukte.“ Warum? Weil „die Daten auf keine Aufnahmemenge hinweisen, die mit Sicherheit als risikofrei angesehen werden kann.“11

Die gesündeste Ernährungsweise ist die, bei der so viel wie möglich vollwertige pflanzliche Lebensmittel und so wenig wie möglich tierische Produkte und verarbeitetes Junk Food verzehrt werden. Einfach ausgedrückt: Essen Sie mehr grüne Lebensmittel, weniger gelbe Lebensmittel und noch weniger rote Lebensmittel. So wie beim Überfahren einer roten Ampel im echten Leben können Sie auch beim Essen ab und zu damit davonkommen, aber ich würde Ihnen nicht empfehlen, dies zur Gewohnheit werden zu lassen.

Angesichts dieser Tatsache ergibt das, was wir in den vorangegangenen Kapiteln besprochen haben, sehr viel Sinn. Unverarbeitete pflanzliche Lebensmittel enthalten mehr genau der schützenden Nährstoffe, an denen es den meisten US-Amerikanern mangelt, und gleichzeitig weniger krankheitsfördernde Inhaltsstoffe. Kein Wunder, dass die Ernährungsgewohnheiten, die unsere Epidemie ernährungsbedingter Krankheiten am besten in Schach halten, die sind, die auf vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln basieren. Schließlich ist Essen immer eine Paketlösung.

Das ist eines der wichtigsten Konzepte überhaupt, wenn es um Ernährung geht. Ja, Käse enthält Kalzium, Schweinefleisch enthält Eiweiß, und Rindfleisch enthält Eisen. Doch was ist mit dem ganzen schädlichen Rest, den Sie neben diesen Einzelnährstoffen essen – Hormone aus Milchprodukten, Schweineschmalz und gesättigte Fette? Egal, wie lautstark Burger King sein „Have It Your Way“ verkündet und versichert, dass Sie sich Ihren Burger ganz individuell zusammenstellen können – Sie können hineinmarschieren und einen Burger ohne gesättigte Fette und Cholesterin bestellen. Ja, Essen ist eben eine Paketlösung.

Milchprodukte sind in den USA die Kalziumquelle Nummer 1 – aber auch die Quelle Nummer 1, wenn es um gesättigte Fette geht. Welche blinden Passagiere handeln Sie sich ein, wenn Sie sich für das Kalzium aus dunkelgrünem Blattgemüse entscheiden? Nur die besten – Ballaststoffe, Folate, Eisen und Antioxidantien, d. h. genau die Nährstoffe, die der Milch fehlen. Wenn der Großteil Ihrer Nahrung aus vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln besteht, haben Sie davon nur Vor- und keine Nachteile.

Wenn das National Pork Board, der nationale Verband der Schweinezüchter der USA, Schinken als „exzellente Eiweißquelle“12 anpreist, kann ich nicht anders, als an das berühmte Zitat eines Marketing-Bereichsleiters von McDonald’s zu denken, der unter Eid vor Gericht aussagte, Coca-Cola sei nahrhaft, weil sie „Wasser enthält“.13

Warum sagen die Ernährungsrichtlinien nicht einfach Nein?

Das grüne Ampellicht strahlt hell, wenn es „Esst mehr Obst und Gemüse!“ verkündet. Die beiden anderen Lichter aber, gelb und rot, können dank der Politik in den USA mitunter nur wenig strahlen, sondern nur trübe flackern. Das soll heißen, dass die Richtlinien sehr klar sind, wenn es um das Mehr-Essen geht („Essen Sie mehr frisches Obst und Gemüse.“), das Weniger-Essen aber mit biochemischen Bestandteilen verschleiert wird („Essen Sie weniger gesättigte Fette und Transfette.“) Die nationalen Gesundheitsbehörden fordern zumindest in den USA äußerst selten dazu auf, „weniger Fleisch und Milchprodukte zu verzehren“. Darum mag Ihnen meine „grüne“ Botschaft bekannt („Oh, ‚mehr Obst und Gemüse essen‘, das hab ich schon mal gehört.“), meine „gelbe“ und „rote“ aber eher umstritten vorkommen („Was? Weniger Fleisch? Wirklich?“).

Ein Teil der Mission des US-Landwirtschaftsministeriums ist es, „expandierende Märkte für landwirtschaftliche Produkte zu erschließen.“14 Gleichzeitig ist die Bundesbehörde damit beauftragt, die öffentliche Gesundheit zu schützen, indem sie bei der Erstellung der Ernährungsrichtlinien für US-Amerikaner mitwirkt. Wenn beide Aufgaben miteinander im Einklang stehen, ist die Botschaft klar: „Erhöhen Sie Ihren Obstkonsum.“ „Erhöhen Sie Ihren Gemüsekonsum.“15 Wenn es aufgrund dieses Doppelmandats aber zum Interessenskonflikt kommt, d. h. sich die „Verbesserung von Ernährung und Gesundheit“ nicht mit der Förderung der „Agrarproduktion“16 vereinbaren lässt, wird die „Essen Sie weniger“-Botschaft in den Ernährungsrichtlinien so umgemodelt, dass sie sich nur noch auf biochemische Bestandteile bezieht: „Reduzieren Sie Ihren Verzehr fester Fette (die Hauptquelle von gesättigten und Transfettsäuren).“

Was soll ein durchschnittlicher Verbraucher mit solch einer kryptischen Botschaft anfangen?

Wenn die Ernährungsrichtlinien empfehlen, weniger Zuckerzusätze, Kalorien, Cholesterin, gesättigte Fette, Salz und Transfette zu verzehren, ist das nur ein Code für weniger Junk Food, weniger Fleisch, weniger Milchprodukte, weniger Eier und weniger verarbeitete Lebensmittel. Doch dürfen sie es nicht so ausdrücken. Als sie dies in der Vergangenheit taten, war sofort die Hölle los. Ein Angestellter des US-Landwirtschaftsministeriums schlug z. B. einmal ein wöchentliches fleischfreies Mittagessen als Teil der „Meatless Mondays“-Initiative der School of Public Health der John Hopkins University vor.17 Der politische Flächenbrand, den die Fleischindustrie daraufhin entfachte, führte dazu, dass das Ministerium den Vorschlag schon Stunden später wieder einkassierte.18 „Als Ergebnis dieses [Interessen-]Konflikts“, so resümierte eine Analyse im Food and Drug Law Journal, „stellen die Ernährungsrichtlinien manchmal die Interessen der Lebensmittel- und Pharmaindustrie über das Interesse der Öffentlichkeit an akkuraten und unparteiischen Ernährungsempfehlungen.“19

Das erinnert mich an einen wegweisenden Bericht über Transfette des Institute of Medicine der National Academy of Sciences, eine der renommiertesten US-amerikanischen Institutionen.20 Dieser folgerte, dass keine auch noch so kleine Menge an Transfetten sicher ist, „weil jede Art der Erhöhung von Transfettsäuren das Risiko einer koronaren Herzerkrankung vergrößert.“21 Da Transfette von Natur aus in Fleisch- und Milchprodukten vorkommen,22 führte diese Aussage zu einem Dilemma: „Da Transfette bei einer gewöhnlichen, nicht veganen Ernährungsweise unvermeidbar sind, würde der Konsum von 0 Prozent Energie signifikante Veränderungen der Ernährungsmuster erfordern.“23

Wenn Transfette also in Fleisch und Milchprodukten vorkommen und die einzige sichere Aufnahme von Transfetten gleich null ist, heißt das, dass das Institute of Medicine noch einen Schritt weiter ging und allen empfahl, sich pflanzenbasiert zu ernähren, richtig? Nein, das tat es nicht. Der Direktor des Cardiovascular Epidemiology Program der Harvard University erklärte auf berühmt gewordene Weise, warum: „Wir können nicht einfach von den Leuten verlangen, dass sie aufhören sollen, Fleisch und Milchprodukte zu essen“, sagte er. „Naja, wir könnten den Leuten sagen, dass sie besser Vegetarier werden sollten“, fuhr er fort. „Wenn wir dies wirklich nur auf wissenschaftlicher Grundlage betrachteten, würden wir das wohl auch tun, aber das ist ein bisschen extrem.“24

Ja, wir wollen um Himmels Willen ganz bestimmt nicht, dass Wissenschaftler irgendetwas auf rein wissenschaftlicher Grundlage betrachten!

Wie schlecht ist die durchschnittliche US-amerikanische Ernährung?

So zynisch ich angesichts der Ernährung in den USA schon geworden bin, so sehr hat mich der Bericht des National Cancer Institute von 2010 zum Stand der US-amerikanischen Ernährung dennoch überrascht. Laut diesem essen drei von vier US-Amerikanern nicht ein einziges Stück Obst am Tag, und fast neun von zehn erreichen nicht einmal das Mindestmaß der täglichen empfohlenen Gemüsemenge. Auf eine Woche gesehen verzehren 96 Prozent aller US-Amerikaner nicht einmal das Minimum an grünem Blattgemüse oder Bohnen (drei Portionen pro Woche bei Erwachsenen), 98 Prozent nicht das Minimum an orangefarbenem Gemüse (zwei Portionen pro Woche), und ganze 99 Prozent nicht das Minimum an Vollkorn (etwa 80 bis 120 Gramm pro Tag).25

Und dann das Thema Junk Food. Die nationalen Ernährungsrichtlinien sind so lax, dass bis zu 25 Prozent Ihrer Ernährung aus „beliebigen Kalorien“ bestehen könnten, sprich Junk Food. Ein Viertel aller von Ihnen aufgenommenen Kalorien könnte z. B. aus Zuckerwatte bestehen, die Sie mit Fanta runterspülen, und Sie befänden sich immer noch im Rahmen der Ernährungsempfehlungen. Doch auch hier liegen wir weit darüber. Erstaunlicherweise überschreiten etwa 95 Prozent aller US-Amerikaner den erlaubten Wert beliebiger Kalorien. Nur eines von tausend US-amerikanischen Kindern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren lag unter der Obergrenze und konsumierte weniger als das Äquivalent von einem Dutzend Löffel Zucker pro Tag.26

Und wir wundern uns darüber, dass Fettleibigkeit zu einer Epidemie geworden ist?

„Zusammengefasst“, schrieb einer der Wissenschaftler, „verfolgt fast die gesamte US-amerikanische Bevölkerung eine Ernährungsweise, die nicht mit den Empfehlungen übereinstimmt. Diese Ergebnisse sind ein weiteres Puzzleteil in dem ziemlich besorgniserregenden Bild, das die Ernährungskrise einer gesamten Nation widerspiegelt.“27

Die Produzenten ungesunder Erzeugnisse wollen Sie nicht absichtlich krank machen. Sie wollen nur ordentlich Geld verdienen. Die Gewinnspanne von Coca-Cola beträgt z. B. ungefähr ein Viertel des Verkaufspreises der Erfrischungsgetränke, was die Softdrinkproduktion neben der von Tabak zu einer der profitabelsten Industrien macht.28 Im Vergleich dazu ist es aber nicht ganz so leicht zu begreifen, warum das öffentliche Gesundheitswesen nicht mehr dagegen tut.

„Wenn wir irgendwann darauf zurückblicken, wie die Welt versucht hat, auf Fettleibigkeit zu reagieren“, schrieb der Leiter des Rudd Center for Food Policy & Obesity der Yale University, „ wird der größte Fehler wohl die Zusammenarbeit mit und die Besänftigung der Lebensmittelindustrie gewesen sein.“29 So tat sich z. B. Susan G. Komen, eine führende US-amerikanische Krebsstiftung, mit dem Fast-Food-Giganten KFC zusammen, um pinkfarbene Eimer voller frittierter Hühnchenteile unters Volk zu bringen.30

Save the Children, eine weitere gemeinnützige Organisation, befand sich einst an der Spitze einer Bewegung, die die Besteuerung von Softdrinks forderte, um einige der Kosten auszugleichen, die durch Fettleibigkeit bei Kindern entstanden. Dann machte die Organisation plötzlich eine 180-Grad-Wende, zog ihre Unterstützung zurück und erklärte dies damit, dass solche Kampagnen nicht länger „zu der Art und Weise passen, auf die Save the Children arbeitet.“ Es ist bestimmt nur ein Zufall, dass die Organisation sich zu jener Zeit bei Coca Cola um eine finanzielle Förderung bewarb und zudem bereits eine Finanzspritze von 5 Millionen US-Dollar von Pepsi angenommen hatte.31

Auch wenn die Essgewohnheiten mittlerweile mehr US-Amerikaner töten als die Sucht nach Zigaretten,32 höre ich oftmals dieselbe Litanei aus Kreisen des Gesundheitswesens, dass wir mit solchen Konzernen zusammen- und nicht gegen sie arbeiten müssten, da wir, anders als beim Tabak, den wir ja nicht rauchen müssen, ohne Essen nicht überleben können.33 Ja, das stimmt schon. Wir müssen atmen, aber wir müssen deshalb keinen Rauch inhalieren. Und ja, wir müssen essen, aber wir müssen uns deshalb nicht mit Junk Food vollstopfen.

Wie ich „verarbeitet“ definiere

Mein Ampelmodell betont zwei wichtige Konzepte: Pflanzliche Lebensmittel sind wegen ihrer höheren Menge an schützenden Nährstoffen und geringeren Menge an krankheitsfördernden Inhaltsstoffen gesünder als tierische Lebensmittel, und unverarbeitete Lebensmittel sind gesünder als verarbeitete. Ist das immer der Fall? Nein. Verkünde ich, dass pflanzliche Lebensmittel generell immer besser sind als tierische? Nein. Tatsächlich ist es so, dass eines der ungesündesten Dinge in Lebensmittelhandlungen teilgehärtetes Pflanzenfett ist – ein Produkt, das das Wort „Pflanze“ in seinem Namen trägt! Einige unverarbeitete Pflanzen, wie bspw. Blaualgen, können sogar giftig sein.34 Jeder, der schon einmal die schmerzhafte Bekanntschaft mit Giftefeu oder harmloseren Brennnesseln gemacht hat, weiß, dass es Pflanzen gibt, denen man besser nicht zu nahe kommt. In den meisten Fällen aber sollten Sie zu pflanzlichen statt zu tierischen Lebensmitteln und zu unverarbeiteten statt verarbeiteten greifen. Michael Pollan, Autor des Bestsellers Das Omnivoren-Dilemma, sagte einmal: „Wenn es von einer Pflanze kommt, essen Sie es. Wenn es aus einer Fabrik kommt, essen Sie es nicht.“35

Was meine ich mit „verarbeitet“? Ein klassisches Beispiel ist das Vermahlen von Vollkornweizenkörnern zu Weißmehl. Zeugt es nicht von Ironie, dass man dabei von „raffiniertem“ Getreide spricht, einem Adjektiv, das suggeriert, ein Produkt wäre verbessert oder eleganter gemacht worden? Diese Eleganz wurde wohl kaum von den Millionen Menschen empfunden, die im 19. Jahrhundert an Beriberi starben, einer Vitamin-B-Mangelerkrankung, die durch das Polieren von braunem zu weißem Reis verursacht wurde.36 (Weißer Reis wird heute mit Vitaminen angereichert, um diese „Veredelung“ zu kompensieren.) Für die Entdeckung der Ursache von Beriberi und deren Heilmittel – Reiskleie, der braune Reisbestandteil, der beim Polieren entfernt wird – wurde ein Nobelpreis verliehen. Beriberi kann den Herzmuskel schädigen und zum Tod durch Herzversagen führen. Doch sicherlich kann so etwas – eine Epidemie von Herzkrankheiten, die durch eine Änderung der Ernährung verhindert und geheilt werden könnte – in unserer modernen Zeit nicht passieren, oder? Wachen Sie auf! (Bitte lesen Sie sich noch einmal Kapitel 1 durch.)

In einigen Fällen kann das Verarbeiten die Lebensmittel tatsächlich gesünder machen. So scheint Tomatensaft z. B. einer der wenigen Säfte zu sein, der tatsächlich gesünder ist als die ganze Frucht. Das Verarbeiten der Tomaten steigert die Bioverfügbarkeit des antioxidativen Pigments Lycopin um das erstaunliche Fünffache.37 In ähnlicher Weise führt das Entfernen des Fetts aus Kakaobohnen dazu, dass das Kakaopulver nahrhafter ist, da Kakaobutter (zusammen mit Kokosfett und Palmkernöl) zu den seltenen gesättigten pflanzlichen Fetten zählt, die den Cholesterinwert erhöhen können.38

Was das Ampelmodell anbelangt, bedeutet „unverarbeitet“ für mich, dass einem Lebensmittel nichts Schlechtes hinzugefügt und nichts Gutes entnommen wurde. Der oben erwähnte Tomatensaft kann also als relativ unverarbeitet angesehen werden, da er sogar noch viele Ballaststoffe der ganzen Tomaten enthält. Nur wenn dem Saft Salz hinzugefügt wurde, wäre er nach meinem Verständnis ein verarbeitetes Produkt und würde sofort aus der grünen Kategorie herausfliegen. Das Gleiche gilt für Schokolade, nicht aber Kakaopulver, da Schokolade in der Regel zusätzlichen Zucker enthält.

Gemäß meiner Definition nach dem Motto „nichts Schlechtes hinzugefügt, nichts Gutes entnommen“ gehören sowohl kernige als auch zarte Haferflocken und auch (naturbelassene) Instant-Haferflocken für Haferbrei zu den unverarbeiteten Lebensmitteln, da alle drei aus dem vollen Korn gewonnen werden. Mandeln sind eindeutig ein vollwertiges pflanzliches Lebensmittel. Auch Mandelbutter (ohne zugefügtes Salz) würde ich als grünes Lebensmittel einordnen, während ungesüßte Mandelmilch bereits ein verarbeitetes pflanzliches Lebensmittel ist, da ihr bereits Nährstoffe fehlen. Meine ich damit, dass Mandelmilch schlecht für Sie ist? Lebensmittel sind nicht wirklich gut oder schlecht, sondern eher besser oder schlechter. Ich will damit sagen, dass unverarbeitete Lebensmittel in der Regel gesünder sind als verarbeitete. Sehen Sie es einfach so: Ganze Mandeln zu essen ist gesünder, als Mandelmilch zu trinken.

Die eingeschränkte Rolle, die ich gelben Lebensmitteln bei einer gesunden Ernährung zugestehe, besteht darin, den Verzehr von grünen Lebensmitteln zu fördern. Wenn z. B. der einzige Weg, mit dem ich meine Patienten dazu bringen kann, morgens Haferbrei zu essen, darin besteht, diesen mit Mandelmilch cremiger zu machen, dann empfehle ich das auch. Das Gleiche gilt für rote Lebensmittel. Ohne scharfe Soße würde ich wesentlich weniger dunkelgrünes Blattgemüse essen. Ja, ich weiß, es gibt unzählige salzfreie Essigsorten mit exotischen Geschmacksnoten, die ich verwenden könnte, und vielleicht gelingt es mir ja eines Tages, meine Tabasco-Sucht zu überwinden. Was meine bisherigen Geschmacksvorlieben betrifft, heiligt der grüne Zweck aber immer noch die roten Mittel. Wenn Sie einen großen Salat wirklich nur dann herunterbekommen, wenn Sie Bac-Os-Chips darüberstreuen, dann streuen Sie halt.

Bac-Os, geröstete kleine Knusperchips aus Sojamehl, die nach Schinkenspeck schmecken, gehören zu den extrem stark weiterverarbeiteten Lebensmitteln, die weder einen erwähnenswerten Nährwert noch irgendeine Ähnlichkeit mit Lebensmitteln haben, die in natürlicher Form aus dem Boden wachsen. Darüber hinaus enthalten Bac-Os ungesunde Zusatzstoffe, z. B. zugesetzte Transfette, Salz, Zucker und Red 40, einen Lebensmittelfarbstoff, der in mehreren europäischen Ländern verboten ist.39 Als rotes Lebensmittel sollten sie idealerweise vermieden werden, aber wenn die Alternative zu Ihrem großen Spinatsalat mit Bac-Os eine Völlerei bei KFC ist, sollte Sie lieber Ersteres wählen. Bac-Os können wie der Löffel Zucker sein, der dafür sorgt, dass wir die Medizin schlucken. Dasselbe gilt übrigens auch für echte Schinkenspeckwürfel.

Mir ist klar, dass es einige Leute gibt, die aus religiösen oder ethischen Gründen auch die kleinsten Mengen tierischer Produkte ablehnen. (Als jemand, der neben einer der größten Schweinefabriken westlich des Mississippi jüdisch aufwuchs, kann ich beide Grundüberzeugungen gut verstehen.) Doch in Hinblick auf die menschliche Gesundheit zählt auch hinsichtlich tierischer Produkte und verarbeiteter Lebensmittel die gesamte Ernährungsweise.

Was bedeutet „vollwertig und pflanzenbasiert“ genau?

Manchmal nimmt die Ernährungsweise bei manchen Leuten den Status einer Ersatzreligion ein. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ein Mann mir einmal erklärte, er könne niemals „pflanzenbasiert werden“, da er nicht auf die Hühnersuppe seiner Großmutter verzichten könnte. Hä? Dann verzichten Sie nicht drauf! Nachdem ich ihm sagte, er solle seine Oma von mir grüßen, versicherte ich ihm, dass er weiterhin ihre Suppe genießen könne und dies ihn nicht davon abhalten müsse, den Rest der Zeit gesündere Entscheidungen zu treffen. Das Problem mit dem Alles-oder-nichts-Denken ist, dass es die Menschen davon abhält, den ersten Schritt zu tun. Allein der Gedanke, niemals wieder eine Salamipizza essen zu können, wird auf seltsame Art und Weise zur Entschuldigung dafür, diese jede Woche wieder zu bestellen. Warum das Vergnügen nicht auf einmal im Monat begrenzen oder für bestimmte Anlässe aufheben? Wir können nicht zulassen, dass unser Perfektionismus guten Entscheidungen im Weg steht. Es ist unser alltägliches Verhalten, das wirklich zählt. Was Sie nur zu besonderen Anlässen essen, ist im Vergleich dazu, was Sie tagein, tagaus essen, unbedeutend. Also geißeln Sie sich nicht selbst, wenn Sie sich wirklich ein paar essbare Kerzen mit Speckgeschmack auf den Geburtstagskuchen stecken wollen. (Die gibt es wirklich!40) Ihr Körper hat die bemerkenswerte Eigenschaft, sich von sporadischen Sünden zu erholen, solange Sie es nicht zur Gewohnheit werden lassen, ihn mit der Gabel zu malträtieren.

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Bei diesem Buch geht es nicht um Vegetarismus, Veganismus oder irgendeinen anderen „-ismus“. Es gibt Menschen, die sämtliche Tierprodukte aus einer religiösen oder moralischen Haltung heraus aus ihrem Leben verbannen, und denen es, sozusagen als Nebenwirkung, damit tatsächlich besser geht.41 Doch rein aus Sicht der menschlichen Gesundheit könnten Sie nur schwer argumentieren, dass bspw. die traditionelle Okinawa-Ernährungsweise, die zu 96 Prozent pflanzenbasiert ist,42 einer typisch westlichen, aber zu 100 Prozent veganen Ernährungsweise unterlegen ist. Im Ratgeber von Kaiser Permanente mit dem Titel „Die pflanzenbasierte Ernährungsweise: Eine gesündere Art, zu essen“ definieren die Autoren eine pflanzenbasierte Ernährung als eine, die komplett auf tierische Produkte verzichtet, merken aber an: „Wenn Sie es nicht schaffen, sich zu jeder Zeit 100 Prozent rein pflanzlich zu ernähren, streben Sie 80 Prozent an. Jeder Schritt hin zu einer stärker auf Pflanzen und weniger auf tierischen Produkten basierenden Ernährungsweise kann Ihre Gesundheit verbessern!“43

Aus ernährungsbezogener Sicht mag ich die Begriffe vegetarisch und vegan deshalb nicht, weil sie dadurch definiert werden, was Sie nicht essen. Als ich früher an Universitäten Vorträge hielt, traf ich oft auf Veganer, die scheinbar nur von Pommes und Bier lebten. Technisch gesehen vegan, aber nicht gerade gesundheitsförderlich. Darum bevorzuge ich den Begriff der vollwertigen pflanzenbasierten Ernährung. Soweit ich es erkennen kann, ist die gesündeste umsetzbare Ernährungsweise die, die auf unverarbeiteten bzw. naturbelassenen pflanzlichen Lebensmitteln basiert. Im Alltag bedeutet dies, dass es umso besser für Sie ist, je mehr vollwertige pflanzenbasierte und je weniger verarbeitete und tierische Produkte Sie essen.44

Gesündere Essgewohnheiten entwickeln

Zunächst müssen Sie wissen, wie Sie selbst psychologisch ticken. Es gibt bestimmte Persönlichkeitstypen, denen bestimmte Dinge am besten gelingen, wenn sie sich ihnen voll und ganz verschreiben. Wenn Sie eine „Suchtpersönlichkeit“ haben oder ein Mensch sind, der zu Extremen neigt, also z. B. entweder gar nicht oder exzessiv trinkt, ist es wahrscheinlich am besten für Sie, sich voll und ganz an ein Programm zu halten. Es gibt aber auch einige Menschen, die es schaffen, Gelegenheitsraucher zu bleiben und sich einige wenige Male im Jahr eine Zigarette anzustecken, ohne nikotinabhängig zu werden.45 Der Grund dafür, dass wir Ärzte Rauchern empfehlen, ganz mit dem Rauchen aufzuhören, ist nicht, dass wir glauben, dass eine einzige Zigarette zu seltenen Gelegenheiten Ihnen irreversible Schäden zufügen wird, sondern dass wir befürchten, dass aus einer Zigarette erst zwei und dann drei werden und die ungesunde Angewohnheit schließlich wieder zum festen Bestandteil Ihres Lebens wird. Genauso wird auch ein (gut durchgegarter) Hamburger Sie nicht gleich ins Grab bringen. Es zählt das, was Sie Tag für Tag essen. Sie müssen Ihre Veranlagung genauer unter die Lupe nehmen, um zu wissen, ob Sie der Versuchung widerstehen können, vom rechten Weg abzukommen.

In der Psychologie gibt es das Konzept der „Entscheidungsermüdung“, das Vermarkter nutzen, um Verbraucher auszutricksen. Es ist menschlich, in einer kurzen Zeit nur begrenzt in der Lage zu sein, viele Entscheidungen zu treffen. Die Qualität unserer Entscheidungen nimmt immer weiter ab, bis wir schließlich beginnen, schlichtweg irrationale Entscheidungen treffen. Haben Sie je darüber nachgedacht, warum in Supermärkten der ganze Süßkram immer direkt an der Kasse aufgetürmt ist? Nachdem Sie an den etwa vierzigtausend Artikeln eines durchschnittlichen Supermarkts vorbeigelaufen sind,46 haben Sie am Ende nicht mehr so viel Willenskraft, um impulsiven Kaufentscheidungen zu widerstehen.47 Daher kann es Ihnen langfristig dabei helfen, vernünftigere Entscheidungen zu treffen, wenn Sie sich selbst ein paar Regeln auferlegen und sich auch an diese halten. So kann paradoxerweise eine ganz klare Entscheidung dafür, bspw. nicht mehr mit Öl zu kochen, gänzlich auf Fleisch zu verzichten oder nur Vollkornprodukte zu essen, dabei helfen, eine nachhaltigere Lebensveränderung auf den Weg zu bringen. Wenn Sie kein Junk Food im Haus haben, können Sie gar nicht erst in Versuchung geführt werden. Dank dieser Methode weiß ich z. B., dass ich einen Apfel essen werde, wenn ich Hunger habe.

Es scheint auch ein physiologisches Argument dafür zu geben, nicht zu stark von einer gut zusammengestellten Ernährung abzuweichen. Nach einer Urlaubsreise, während der Sie sich alle möglichen reichhaltigen Speisen gegönnt haben, könnte Ihr Gaumen so stark abgestumpft sein, dass die naturbelassenen Lebensmittel, die Ihnen eine Woche zuvor noch geschmeckt haben, Sie plötzlich geschmacklich nicht mehr so zufriedenstellen. Einige brauchen dafür nur eine kurze Phase der Wiederanpassung. Bei anderen aber kann dieses Abweichen von einer ansonsten gesunden Ernährungsweise zurück zu einem ungesunden Essverhalten mit viel Salz, Zucker und Fett führen.

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Für diejenigen unter uns, die mit einer typisch westlichen Ernährungsweise groß geworden sind, kann der Wechsel zu einer gesunden Ernährung eine große Umstellung bedeuten. Für mich war es das jedenfalls. Auch wenn meine Mutter versuchte, uns zu Hause nur gesundes Essen vorzusetzen, tat ich mich, wenn ich mit Freunden unterwegs war, an cremegefüllten Kuchenriegeln oder fettigen Mahlzeiten im örtlichen chinesischen Restaurant gütlich, wo ich Schweinerippchen oder irgendein anderes Gericht mit frittierten Fleischstückchen bestellte. Einer meiner Lieblingssnacks damals waren eine Art Bifi-Würstchen mit Nacho-Käse-Aroma.

Glücklicherweise entkam ich den Klauen dieser Ernährungsweise früh genug, bevor sich irgendwelche gesundheitlichen Probleme einstellten. Das war vor fünfundzwanzig Jahren. Rückblickend sehe ich das als eine der besten Entscheidungen meines gesamten Lebens an.

Manche springen gleich ins kalte Wasser, andere nähern sich dem Ziel eher langsam und mit verschiedenen Ansätzen an. Ich persönlich habe während meiner medizinischen Laufbahn die Drei-Stufen-Methode von Kaiser Permanente angewendet. Da die meisten US-amerikanischen Familien dazu tendieren, immer wieder dieselben acht bis neun Gerichte zu kochen, besteht Stufe 1 darin, zu überlegen, welche drei Gerichte Sie mögen, die schon pflanzenbasiert sind, wie z. B. Pasta mit einer leckeren Tomatensoße, was sich leicht mit Vollkornpasta und etwas extra Gemüse zubereiten lässt. Bei Stufe 2 sollten Sie drei Gerichte auswählen, die Sie bereits essen, und die sich leicht in „grüne“ Mahlzeiten umwandeln lassen, wie z. B. Chili con carne, das ganz leicht zu einem Chili sin carne mit fünf verschiedenen Bohnenarten werden kann. Stufe 3 mag ich am meisten: Entdecken Sie neue gesunde Optionen.48

Ironischerweise berichten Menschen, die sich gesund ernähren, oft davon, dass sie eine größere Auswahl an Lebensmitteln genießen als noch vor der Ernährungsumstellung mit ihren ungesunden „unbeschränkten“ Essgewohnheiten. Bevor das Internet die Welt eroberte, empfahl ich den Leuten, in Bibliotheken nach Kochbüchern zu schauen. Heute brauchen Sie nur „vollwertige pflanzenbasierte Rezepte“ googeln, und schon erhalten Sie unzählige Ergebnisse. Wenn Sie sich davon überwältigt fühlen, können Sie auch einfach die folgenden englischsprachigen Seiten aufrufen:

 ForksOverKnives.com: Diese Seite zu der äußerst beliebten Dokumentation und dem dazugehörigen Buch listet auch Hunderte von Rezepten auf.

 StraightUpFood.com: Die Kochlehrerin Cathy Fisher hat auf dieser Seite über einhundert Rezepte veröffentlicht.

 HappyHealthyLongLife.com: Der Slogan dieser Webseite lautet: „Die Abenteuer einer Medizinbibliothekarin [der Cleveland Clinic] im evidenzbasierten Leben.“ Sie hat das Wort mit „e“ verwendet – ich glaube, ich bin verliebt!

Sobald Sie drei neue Gerichte gefunden haben, die Sie mögen und schnell und einfach zubereiten können, ist Stufe 3 schon abgehakt. Sie haben jetzt neun verschiedene Gerichte und können sofort loslegen! Danach ist das Umstellen von Frühstück und Mittagessen ein Kinderspiel.

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Wenn Sie es hassen zu kochen und nach der günstigsten und schnellsten Methode suchen, gesunde Mahlzeiten zuzubereiten, kann ich Ihnen besonders die Fast Food DVD Serie von Ernährungsberater Jeff Novick empfehlen. Mit ganz normalen und leicht erhältlichen Zutaten wie Dosenbohnen, gefrorenem Gemüse, schnell kochenden Vollkornprodukten und Gewürzmischungen zeigt Ihnen Jeff, wie Sie für sich und Ihre Familie in kürzester Zeit gesund kochen können, und das für nur etwa vier Euro am Tag. Die DVDs enthalten außerdem einen gemeinsamen Spaziergang durch den Supermarkt, Einkaufstipps und Informationen darüber, wie Sie Nährwertangaben entschlüsseln können. Schauen Sie sich einfach mal auf seiner Webseite Jeff Novick.com/RD/DVDs um.

Wenn Sie mehr Struktur und sozialen Beistand brauchen, können Sie sich an das Physicians Committee for Responsible Medicine (PCRM) wenden, eine gemeinnützige Organisation für Ernährungsforschung und Beratung in Washington, D.C., die ein fantastisches dreiwöchiges Programm zur Umstellung auf eine pflanzenbasierte Ernährung anbietet. Mehr darüber erfahren Sie auf 21DayKickstart.org. Dieses kostenfreie, online verfügbare Ernährungsprogramm beginnt jeweils am ersten Tag jedes Monats und umfasst einen vollständigen Ernährungsplan, Rezepte, Tipps, Ressourcen, einen Restaurantführer und ein Community-Forum. Zurzeit wird es in vier verschiedenen Sprachen angeboten. Hunderttausende Menschen haben bereits davon profitiert, also schauen Sie es sich doch einfach einmal an.

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Ich habe immer versucht, meine Patienten dazu zu bringen, eine gesunde Ernährung als ein Experiment anzusehen. Es kann überwältigend sein, solch eine große Umstellung als etwas Permanentes aufzufassen. Darum bitte ich zunächst immer nur darum, dass sie mir drei Wochen geben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es meinen Patienten, wenn sie das Ganze nur als Experiment betrachten, viel leichter fällt, sich ganz darauf einzulassen und so intensiv wie möglich davon zu profitieren. Dabei bin ich schon etwas hinterhältig. Ich weiß, dass sie sich nach dem Ende dieser drei Wochen, wenn sie wirklich ihr Bestes gegeben haben, wesentlich besser fühlen werden, ihre Laborwerte viel besser zurückkommen und ihr Gaumen begonnen hat, sich an den neuen Geschmack zu gewöhnen. Gesundes Essen schmeckt immer besser, je länger Sie es essen.

Ich erinnere mich, wie ich darüber mit Dr. Neal Barnard sprach, dem Gründungsmitglied des Physicians Committee für Responsible Medicine (PCRM), das viele neue Forschungsergebnisse veröffentlicht, die die Wirksamkeit einer gesunden Ernährung bei einer ganze Reihe verschiedener Leiden erprobt haben – alles Mögliche von Akne und Arthritis bis hin zu Menstruationskrämpfen und Migräne. Er verwendet ein sogenanntes A-B-A-Studiendesign. Dabei wird die Gesundheit der Patienten zu Beginn mit ihrer regulären Ernährung beurteilt. Danach werden sie auf eine therapeutische Diät umgestellt. Um sicherzustellen, dass jede gesundheitliche Veränderung bei den Patienten mit der neuen Ernährungsweise nicht nur zufällig entsteht, werden die Patienten nach einem bestimmten Zeitraum wieder zurück auf ihre vorherigen Essgewohnheiten umgestellt, um festzustellen, ob die Veränderungen wieder verschwinden.

Dieses rigorose Studiendesign verbessert die Validität der Ergebnisse, doch entsteht dabei ein Problem, wie Dr. Barnard berichtete: Den Leuten geht es mitunter viel besser, als für die Studie gut ist, d. h., dass einige von ihnen sich nach einigen Wochen mit einer pflanzenbasierten Ernährung so gut fühlen, dass sie sich weigern, wieder zu ihren alten Essgewohnheiten zurückzukehren49 – auch wenn das Studienprotokoll genau das verlangt. Da diese Studie nicht wie geplant beendet werden konnte, sind die dabei gewonnenen Ergebnisse faktisch wertlos und werden es wahrscheinlich nie bis zur Publikation bringen. Ironischerweise kann gesundes Essen so effektiv sein, dass es die Studien über seine eigene Effektivität sabotiert.

WWDGE: Was würde Dr. Greger essen?

Ich werde regelmäßig gefragt, was ich eigentlich jeden Tag so esse. Aus mehreren Gründen bin ich immer etwas zögerlich, wenn es um die Beantwortung dieser Frage geht. Zuallererst sollte es überhaupt keine Rolle spielen, was ich oder irgendwelche anderen Leute essen, tun oder sagen. Wissenschaft ist Wissenschaft. Ein zu großer Teil der Welt der Ernährungswissenschaft ist in kleine Lager gespalten, die alle ihrem eigenen Guru folgen. Welches andere seriöse Wissenschaftsgebiet tut so etwas? Schließlich bleibt 2+2=4, ganz egal, was Ihr Lieblingsmathematiker darüber denkt. Das ist wohl der Fall, weil es keine Trillionen-Dollar-Industrie gibt, die ein wunderbares Geschäft damit macht, die Leute in puncto arithmetischer Sachverhalte zu verunsichern. Wenn Sie von allen Seiten mit widersprüchlichen Aussagen zu den Grundlagen der Mathematik bombardiert würden, wäre es möglich, dass Sie sich aus Verzweiflung einer „Autorität“ anschließen und hoffen, dass diese die verfügbaren Forschungserkenntnisse so akkurat wie möglich repräsentiert. Wer hat schon Zeit, alle wissenschaftlichen Originalquellen selbst zu lesen und zu dechiffrieren?

Schon recht früh in meiner medizinischen Laufbahn beschloss ich, dass ich mich nicht auf die Interpretation irgendwelcher anderer Leute verlassen wollte, wenn es um Entscheidungen ging, die bei meinen Patienten letztlich über Leben oder Tod bestimmen könnten. Ich hatte den Zugang, die Ressourcen und den Hintergrund, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse selbst zu interpretieren. Als ich mit meinen jährlichen Zusammenfassungen der neuesten ernährungswissenschaftlichen Fachliteratur begann, ging es mir in erster Linie tatsächlich nur darum, ein besserer Arzt zu werden. Doch als ich diese wahre Schatztruhe an Informationen entdeckte, konnte ich dies nicht einfach für mich behalten. Ich hoffe, dass ich diese Informationen in einer Weise verbreiten kann, die mich persönlich so weit wie möglich aus der Gleichung ausklammert. Ich möchte nicht die markengeschützte „Dr. Greger Diät“ repräsentieren. Mir geht es darum, die beste durchführbare und wissenschaftlich untermauerte Ernährungsweise zu vertreten. Deshalb zeige ich in meinen Videos auf Nutrition Facts.org auch so viele Ausschnitte aus der wissenschaftlichen Originalliteratur, Schaubilder, Diagramme und Zitate mit Verweisen zu allen Primärquellen, die ich verwende. Ich versuche, meine eigene Interpretation auf ein Minimum zu beschränken – auch wenn mir das zugegebenermaßen manchmal nicht gelingt.

Was eine Person mit diesen Informationen anfängt, ist eine ganz individuelle Geschichte und hängt stark von Faktoren wie der momentanen Lebenssituation sowie auch davon ab, wie risikoscheu sie ist. Auf Grundlage derselben Informationen können zwei Menschen völlig verschiedene, aber dennoch legitime Entscheidungen treffen. Aus diesem Grund bin ich etwas zögerlich damit, meine persönlichen Entscheidungen öffentlich zu machen, weil ich befürchte, dass dies manche Menschen dazu bringen könnte, für sie selbst unpassende Entscheidungen zu treffen. Ich informiere lieber über den letzten Stand der Wissenschaft und überlasse es den Leuten selbst, daraus ihre eigenen Schlüsse für sich und ihr Leben zu ziehen.

Außerdem sind die Geschmäcker verschieden. Ich kann mir gut vorstellen, wie jemand entsetzt aufschreit: Was, darauf kippt er Tabasco? Wenn die Leute hören, wie ich in höchsten Tönen von den gesundheitlichen Vorteilen von Hummus, einem orientalischen Kichererbsenaufstrich, schwärme, könnten sie glauben, dass Babaganoush, ebenfalls ein orientalischer Aufstrich bzw. Dip, aber aus gerösteten Auberginen, weniger gesund sei, weil ich ihn nicht erwähne. Das könnte durchaus der Fall sein (und scheint hier tatsächlich zuzutreffen), doch ist mein wirklicher Grund ein ganz anderer: Ich mag den Geschmack von Auberginen einfach nicht.

Umgekehrt heißt das auch, dass nicht unbedingt alles gesund ist, was ich selbst esse. Viele Leute sind z. B. überrascht, wenn sie hören, dass ich alkalisierten Kakao verwende. Bei diesem Verfahren, das zu einem milderen Geschmack führt, werden dem Kakao über die Hälfte seiner Antioxidantien und auch seine Flavanole, wichtige Phytonährstoffe, entzogen.50 Warum verwende ich ihn dann? Weil er mir so einfach viel besser schmeckt als unverarbeiteter Kakao. Zwar ermuntere ich die Leute dazu, naturbelassenen Kakao zu verwenden, folge hierbei aber nicht meinem eigenen Rat. In einigen Fällen wäre es besser, wenn die Leute das befolgten, was ich sage, und nicht das kopieren, was ich tue.

Was wäre, wenn ich ein Rezept teilte, das jemand richtig widerlich fände? Ich fände es schlimm, wenn diese Person schlussfolgern würde: Also wenn das gesundes Essen ist, dann bin ich raus! Wenn Sie gesünder essen, ändern sich auch Ihre Geschmacksvorlieben. Ihre Geschmacksknospen passen sich ständig neu an – wortwörtlich von Minute zu Minute. Wenn Sie jetzt ein Glas Orangensaft tränken, würde der Saft süß schmecken. Doch wenn Sie vorher irgendetwas Süßes äßen und denselben O-Saft danach tränken, würde er unangenehm bitter schmecken. Langfristig werden Ihnen, je mehr gesunde Lebensmittel Sie essen, diese immer besser schmecken.

Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich das erste Mal an einem grünen Smoothie nippte. Ich hielt irgendwo in Michigan einen Vortrag, der von einem liebenswerten Ärzte-Paar organisiert worden war. Sie erzählten mir, dass sie „pürierten Salat“ zum Frühstück tranken. Auf intellektueller Ebene fand ich die Idee großartig. Grünzeug, das gesündeste Lebensmittel dieses Planeten, in praktischer flüssiger Form? Ich stellte mir vor, wie ich selbst jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit einen Salat trinken würde. Doch dann probierte ich den Smoothie. Es fühlte sich an, als würde ich Nachbars Rasen schlürfen. Ich musste würgen und hatte Mühe, das Zeug nicht längs über den Küchentisch meiner Gastgeber zu spucken.

Grüne Smoothies sind etwas, an das man sich langsam gewöhnen muss. Jeder liebt Obst-Smoothies. Eine gefrorene Banane und ein paar Erdbeeren – lecker! Und erstaunlicherweise kann man auch eine Handvoll Babyspinat in den Mixer werfen, ohne dass sich das gleich auf den Geschmack auswirkt. Probieren Sie es aus! Sie werden überrascht sein. Okay, wenn eine Handvoll gut ist, wie wäre es dann mit zwei Handvoll? Langsam werden sich Ihre Geschmacksknospen an eine immer größere Menge Grünzeug gewöhnen. So funktionieren alle Ihre Sinne. Wenn Sie einen dunklen Raum betreten, werden sich Ihre Augen nach und nach daran gewöhnen. Tauchen Sie Ihren Fuß in ein warmes Bad, wird es sich zunächst zu warm anfühlen, doch bald meldet Ihr Körper Ihnen zurück, dass dies das neue Normal ist. Genauso können Sie sich in wenigen Wochen daran gewöhnen, etwas zu trinken, was Sie momentan noch als widerwärtigen Trunk bezeichnen würden – und zwar gern!

Nach diesem kleinen Vorwort werde ich Ihnen nun doch verraten, was ich esse, was ich trinke, was ich tue und wie ich es tue. In den folgenden Kapiteln werde ich genauer auf jedes Lebensmittel meines „Täglichen Dutzend“ eingehen und erklären, welche der grünen Lebensmittel meine liebsten sind, sowie Tipps und Methoden verraten, wie ich diese zubereite. Ich werde allerdings nicht detailliert jede Art von Bohnen, Obst, Gemüse, Nüssen oder Gewürzen auflisten, die ich esse. Stattdessen möchte ich lieber ein paar der interessanten wissenschaftlichen Erkenntnisse aufzudecken, die sich hinter einigen meiner Lieblingslebensmittel aus jeder Kategorie verbergen.

Vergessen Sie bitte nicht, dass meine Strategie eher ein Weg und nicht der einzige Weg ist. Sollte dieser Weg für Sie der richtige sein, ist das fantastisch. Falls nicht, hoffe ich, dass Sie einen der unzähligen weiteren Wege finden, der auf diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und Ihnen ebenfalls dabei hilft, Ihr Leben zu verbessern und zu verlängern.