4 Datenschutz
Die Personenfotografie im Licht der DSGVO
Es hat sich schnell herumgesprochen, dass die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene EU-Verordnung 2016/679, besser bekannt auch als Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO, www.dsgvo-gesetze.de), sich auch auf Fotografen auswirkt und diese zur Beachtung einiger wichtiger Punkte zwingt, die in eigenem Interesse zur Vermeidung von möglichen Sanktionen finanzieller Art beachtet werden sollten. Zwar handelt es sich, wie der Name bereits verrät, um eine Vorschrift, die einen datenschutzrechtlichen Bezug hat. Da Datenschutz jedoch untrennbar mit dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf freie Selbstbestimmung verbunden ist, ist es nur logisch und auch nicht gänzlich neu, dass sich datenschutzrechtliche Vorschriften auch auf die Arbeit von Fotografen auswirkt, seien sie Amateure oder Profis.
Gleichwohl besteht auch drei Jahre nach dem Inkrafttreten der DSGVO bei vielen Fotografen Unsicherheit, was nun im Einzelnen bezüglich der neuen datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten ist, was man darf und was man nicht darf. In diesem Kapitel möchte ich die wichtigsten Aspekte der DSGVO für Fotografen behandeln, ohne mich allerdings mit allen Aspekten des Datenschutzes auseinanderzusetzen, da dies den Rahmen dieses Buches sprengen würde.
4.1 Falschinformation, Unkenntnis statt sachbezogener Aufklärung und Absurditäten
Bereits lange vor dem Inkrafttreten der DSGVO und des hieran angepassten und zum gleichen Datum in Kraft getretenen neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) hat es im Vorfeld zu großen Irritationen geführt, wie sich die DGSVO für Fotografen wohl auswirken wird. Erfreulicherweise ist zwischenzeitlich ein wenig Beruhigung und Sachlichkeit in die Auseinandersetzung mit dieser Materie zurückgekehrt. Zuvor hatten – wie so häufig bei Änderungen der Rechtslage – Unberufene gemeint, sich erkennbar bar jeder Sach- und vor allem Rechtskenntnis zu den Inhalten der DGSVO und deren Auswirkungen auf die Fotografie äußern zu müssen, Vermutungen angestellt, falsche Schlüsse gezogen und so völlig unangebrachte Panik unter weiten Teilen der Fotografen verbreitet. Unter anderem war in Internetbeiträgen zu lesen, dass mit Einführung der DGSVO Personenaufnahmen nur noch mit vorheriger Einwilligung gemacht werden können und dass man Kinder ohnehin nur noch mit Einwilligung ihrer Erziehungsberechtigten fotografieren dürfe, was beides definitiv falsch ist, wie an späterer Stelle noch auszuführen sein wird. Weiter hieß es, dass mittelständische Fotografen oder sogar Amateure bei einem Verstoß gegen die Vorschriften der DGSVO mit der Verhängung von Bußgeldern in Millionenhöhe zu rechnen hätten, was völlig abwegig ist. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass zum Teil vermeintliche »Medienrechtler« und im Foto- und Bildrecht angeblich versierte Rechtsanwälte zitiert wurden und sich teilweise auch selbst geäußert haben, deren Einschätzungen mit einer fundierten Sachkunde jedoch rein gar nichts mehr zu tun hatten.
Auch einige Absurditäten mussten im Hinblick auf die DSGVO festgestellt werden, von denen ich gerne eine zur Erheiterung meiner Leser herausgreife:
In einer nordrhein-westfälischen Stadt hatten die Erzieherinnen in einer kirchlich geführten Kindertagesstätte mit großem Engagement und in vielen Stunden eine Abschlussmappe für jedes Kind in der Kita gebastelt. Die Mappen enthielten u. a. Fotos von den Kindern der Kitagruppe wie auch von den Erziehern. Jedes Kind bekam eine solche Abschlussmappe, in der aber auf Weisung des Trägers »aus Datenschutzgründen« auf allen Fotos die Gesichter der Kinder, außer jeweils dem Gesicht desjenigen Kindes, das die Mappe erhielt, ausnahmslos mit einem Filzstift geschwärzt waren. Außerdem waren die Erzieher auf den Fotos in gleicher Weise unkenntlich gemacht. Selbst das Gesicht des Darstellers des heiligen St. Nikolaus, der auf einem der Fotos zu sehen war – von einer Person also, die ohnehin aufgrund ihrer Verkleidung im Zweifel nicht zu erkennen war – blieb von den Schwärzungen nicht verschont. Jedes Kind dieser Kita wird sich wohl tierisch über eine solch tolle Erinnerung an seine Kita-Zeit und seine damaligen Spielkameraden und Erzieherinnen gefreut haben und sich diese Bilder später gerne immer wieder anschauen ... So weit nur ein Beispiel, zu welchen Absurditäten die völlig unberechtigte Panik und Unwissenheit in Bezug auf die Bestimmungen der DSGVO bei einigen geführt hat. Dabei ist es mitnichten so, wie die Leiterin dieser Kita meinte, dass es sich schließlich um ein juristisch hochsensibles Thema handeln würde.
Ich werde in diesem Kapitel den aktuellen Stand der Rechtslage (Mai 2021) bezüglich des Einflusses der DGSVO auf Fotografen für rechtliche Laien darstellen und versuchen, die primäre Frage, was sich für Fotografen seit 2018 geändert hat, möglichst vollständig zu beantworten, aber dabei auch dasjenige aufzuzeigen, was auch heute noch nicht mit rechtlicher Sicherheit beantwortet werden kann, weil es hierzu an entsprechenden Urteilen der Gerichte, insbesondere solchen des EuGH oder des BGH, noch fehlt. Dies ist auch insoweit gar nicht weiter verwunderlich, als Rechtsstreitigkeiten, die durch alle Instanzen geführt und letztlich vom EuGH oder BGH in letzter Instanz entschieden werden, sich meist über etliche Jahre erstrecken.
Natürlich geht es im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Aspekten ausschließlich um Fotos, die eine oder mehrere auf dem Foto erkennbare Personen zeigen. Fotos, auf denen keine Personen zu sehen bzw. erkennbar sind und die auch keinerlei unmittelbare Hinweise auf bestimmte Personen enthalten (wie Autokennzeichen oder Haustürschilder) sind datenschutzrechtlich ohne jede Relevanz.
Fest steht, dass sich die Fotografie von Personen mit der DSGVO verändert hat, daran kann ganz sicher keinerlei Zweifel bestehen. Ebenfalls völlig eindeutig gilt die DSGVO – anders als manch andere EU-Verordnungen, die erst vom Gesetzgeber in den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen – unmittelbar und zwingend in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Rechtslage in Deutschland bis zum Inkrafttreten der DSGVO habe ich bereits ausführlich in Kapitel 3, »Menschen«, dargestellt. Hier war in Bezug auf die Veröffentlichung von Bildnissen auf die Regelungen in §§ 22, 23 KUG und die umfangreiche Rechtsprechung hierzu abzustellen. Ob die Bestimmungen der DSGVO nun die bisherigen Regelungen vollständig verdrängt haben oder ob möglicherweise an einigen Stellen die DSGVO gegenüber den bundesdeutschen Regelungen, insbesondere denen des KUG, die nach wie in Kraft sind, in den Hintergrund tritt, werde ich nachfolgend näher beleuchten. Zum besseren Verständnis dessen, was folgt, ist es deshalb durchaus empfehlenswert, meine Ausführungen im Abschnitt 3.1 und Abschnitt 3.2 gegebenenfalls nochmals durchzulesen, weil im Folgenden hierauf aufgebaut wird und ich Sie nicht mit Wiederholungen in diesem Kapitel langweilen will.
Durch das Inkrafttreten der DSGVO hat sich einiges geändert, und eine Reihe von Unklarheiten konnte bis heute auch nicht aufgelöst werden. Daran ist letztlich der deutsche Gesetzgeber nicht unschuldig, weil er es versäumt hat, klare gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die geltenden Vorschriften des KUG zu schaffen, was er durchaus hätte tun können, worauf ich an späterer Stelle noch näher eingehen werde.