3    Menschen

Vom Persönlichkeitsrecht und vom Recht am eigenen Bild

Die Fotografie von Menschen unterscheidet sich von der Fotografie von Sachen dadurch, dass sie stark durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person beeinflusst ist. Deshalb unterliegt sie weitaus größeren Einschränkungen als die Sachfotografie. In diesem Kapitel gehe ich auf die verschiedenen Aspekte der Personenfotografie ein, und Sie erfahren, wie Fotorecht und Persönlichkeitsrecht ineinandergreifen.

Nachdem ich mich im vorangegangenen Kapitel ausführlich mit der Herstellung und Verwertung von Sachaufnahmen befasst habe, wende ich mich nun dem weitaus sensibleren Thema der Personenfotografie zu. Dabei wird es Sie sicher nicht verwundern, dass – wenn schon bei der Herstellung und Verwertung von Sachaufnahmen eine Reihe von Regeln zu beachten ist – im Bereich der Fotografie von Menschen deutlich mehr Einschränkungen gelten. Möchten Sie als Fotograf nicht Gefahr laufen, sich teuren Prozessen und vielleicht sogar den Schadensersatzforderungen Betroffener auszusetzen, müssen Sie hier besonders aufmerksam sein, denn zwischen zulässiger Personenfotografie und einem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht besteht mitunter nur ein schmaler Grat.

Im Folgenden widme ich mich dem Thema aus rein rechtlicher Sicht. Natürlich kann die Personenfotografie auch unter moralischen und ethischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Darf man Tote und Unfallopfer fotografieren? Darf man Menschen durch unvorteilhafte Fotos bloßstellen? Solche Fragen sind sicherlich von moralischer Relevanz, können aber hier, wie gesagt, nur aus rechtlicher Sicht diskutiert werden.

Dennoch möchte ich Sie darauf hinweisen, dass insbesondere in außereuropäischen Kulturen die Personenfotografie auch nach anderen als rechtlichen Kriterien zu bewerten ist. So ist die Personenfotografie in islamischen Kulturen, insbesondere bei orthodoxen Muslimen, nicht unproblematisch, auch wenn sich heute durch den Tourismus einiges gelockert haben mag. Einige Menschen glauben, die Seele zu verlieren, wenn man sie fotografiert. Solche Umstände muss natürlich jeder Fotograf – auch im eigenen Interesse – berücksichtigen, aber auch darum soll es hier nicht gehen.

Bevor wir jedoch in medias res gehen, gestatten Sie mir noch folgenden Hinweis: Mit Inkrafttreten der DSGVO (www.dsgvo-gesetz.de/) am 25.05.2018 gibt es ein weiteres Regelwerk, das unmittelbaren Einfluss auf die Personenfotografie hat und – zumindest bei der Herstellung von Fotografien – vorrangig anzuwenden ist, während bezüglich der Veröffentlichung von Fotos noch nicht geklärt ist, ob die Bestimmungen des Kunsturhebergesetzes (KUG) weiterhin Gültigkeit haben und wie diese Vorschriften im Verhältnis zur DSGVO einzuordnen sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit die Aspekte, die im Nachfolgenden – wie bereits in der Vorauflage – dargestellt werden, nicht mehr gültig sind. Hinzu kommt, dass die DSGVO nicht in jedem Fall Anwendung findet, sodass für die von der DSGVO ausgenommenen Fälle die bisherige Rechtslage weiter Gültigkeit hat.

Aus diesem Grunde habe ich ganz bewusst den folgenden Abschnitt 3.1, in dem es um die Herstellung von Personenaufnahmen und damit verbundene Rechtsfragen geht, nicht gänzlich gestrichen, sondern Korrekturen nur insoweit vorgenommen, als die Ausführungen der Vorauflage durch Inkrafttreten der DSGVO zwischenzeitlich überholt sind. Ich bitte Sie deshalb, dieses Kapitel stets im Kontext von Kapitel 4 zu sehen, in dem ich mich explizit mit der DSGVO befassen werde.

Die Flut von Gerichtsurteilen, mit denen Fotografen als Hersteller von Personenfotos und/oder die Medien als deren Verwerter zum Unterlassen und zum Schadensersatz verurteilt wurden, ist kaum mehr zu überblicken. Deshalb werde ich im Folgenden ganz bewusst auch nur auf einige ausgewählte Entscheidungen eingehen. Allerdings möchte ich hervorheben, dass den behandelten Gerichtsentscheidungen ausschließlich Sachverhalte zugrunde lagen, in denen es um die Veröffentlichung ungenehmigter Fotos in den Medien, insbesondere in der Presse, ging, bei denen also in erster Linie neben den jeweiligen Medien »Fotojournalisten«, also in der Regel Berufsfotografen, betroffen waren. Damit handelt es sich zumeist also um die kommerzielle Verwendung von Personenaufnahmen. Amateure geben ihre Aufnahmen von Menschen seltener zur Veröffentlichung an die Medien oder verwerten sie kommerziell und geraten deshalb weniger in rechtliche Schwierigkeiten.

Die Tatsache, dass es überwiegend Berufsfotografen und die Medien sind, die von ohne deren Einwilligung fotografierten Personen gerichtlich belangt werden, mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass es sich bei Personenaufnahmen von Amateurfotografen oft um Fotografien handeln dürfte, die im Familien-, Bekannten- oder Freundeskreis hergestellt werden. Die Neigung dieser fotografierten Personen, sich gegen eine ohne Einwilligung hergestellte oder veröffentlichte Aufnahme gleich mit rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen, ist sicherlich ungleich weniger ausgeprägt als bei Personen, die von unbekannten Berufsfotografen fotografiert werden, die das Bild anschließend kommerziell verwerten.

Jedoch können Sie durchaus auch als Amateur oder Semiprofi in die Situation geraten, in der Sie, etwa im Rahmen eines Fotowettbewerbs, Bilder, auf denen Personen abgebildet sind, herstellen und/oder veröffentlichen und damit in die Rechte der fotografierten Person eingreifen. Bei einer fehlenden Einwilligung der fotografierten Person kann es dann unter Umständen ein böses Erwachen geben. Sie sollten sich in Zeiten, in denen über das Internet ein weltweiter Zugriff auf viele Veröffentlichungen besteht, auch keinesfalls darauf verlassen, dass es der im Urlaub in Frankreich fotografierte französische Weinbauer mit der landestypischen Baskenmütze oder der griechische Fischer mit dem markanten und sonnengebräunten Gesicht nicht mitbekommen, wenn Sie das von ihnen heimlich mit dem Teleobjektiv geschossene Porträt in Ihrer Internetgalerie zeigen oder zu einem offenen Wettbewerb einsenden. Mag das Risiko, sich damit Ansprüchen der betroffenen Personen auszusetzen, mit der Entfernung des Aufnahmeortes auch sinken, müssen Sie trotzdem damit rechnen, dass bei unautorisierter Verwertung ihrer Porträts auch von Personen aus entfernten Urlaubsregionen Forderungen erhoben werden. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein solcher Fall eintritt, lässt sich natürlich nicht prognostizieren. Letztlich müssen Sie als Fotograf also für sich entscheiden, ob und welches Risiko Sie eingehen möchten, wenn Sie Fotografien anderer Menschen ohne deren Einwilligung herstellen oder gar verwerten.

Nicht zu vergessen ist die Zusammenarbeit mit Models in der Porträt- und Aktfotografie. Auch hier können sich rechtliche Probleme ergeben, wenn die Nutzungsrechte für die hergestellten Fotos nicht klar geregelt sind.

3.1    Die Herstellung von Personenaufnahmen

Anders als bei Sachaufnahmen, bei denen die Herstellung der Aufnahmen grundsätzlich unbedenklich ist, sofern nicht eine der in Kapitel 2, »Natur, Architektur, Sachen und Tiere«, dargestellten Einschränkungen oder Ausnahmen vorliegt, gilt dies nicht für Personenaufnahmen. Bei diesen kann bereits die Herstellung der Aufnahme als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Verletzung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unzulässig sein. Auf Letztere gehe ich separat in Kapitel 4 ein, weil mir dies für den Leser übersichtlicher erscheint.

Es sei an dieser Stelle im Übrigen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch das systematische Belauern mit einer Kamera, bei der nur so getan wird, als würde fotografiert, eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt. Die Rechtsprechung hatte sich bereits mehrfach mit Nachbarschaftsstreitigkeiten zu befassen, bei denen einer der Beteiligten fortwährend seine Kamera auf das Nachbargrundstück richtete und der andere aus der Ferne gar nicht erkennen konnte, ob er oder seine Angehörigen nun tatsächlich fotografiert wurden oder ob sich der andere nur wichtigmachen oder schikanieren wollte, indem er so tat, als würde er seinen Nachbarn fotografieren. In solchen Fällen steht dem Betroffenen ein Unterlassungsanspruch zu, auch wenn überhaupt kein Foto gemacht wurde. Dies wurde bereits mehrfach von Amtsgerichten entschieden, vor denen in der Regel Nachbarschaftsstreitigkeiten verhandelt werden.

[ ! ]  Belauern mit der Kamera

Es spielt für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung keine Rolle, ob tatsächlich der Auslöser der Kamera gedrückt wird und ein Foto hergestellt wird. Schon das systematische Belauern mit der Kamera und der Anschein, man werde fotografiert, reicht für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung aus.

Doch zurück zur tatsächlichen Herstellung von Personenaufnahmen. Es gab bereits seit Längerem Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung, die jede Herstellung einer Personenaufnahme ohne das Einverständnis des Abgebildeten als eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts werten und damit als unzulässig ansehen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) musste jedoch stets eine Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen werden. Allerdings war bereits eine Tendenz auch des BGH durchaus erkennbar, schon die Herstellung von Personenaufnahmen ohne Einverständnis des Abgebildeten in der Regel als unzulässig anzusehen – nämlich dann, wenn eine spätere Veröffentlichung der Aufnahme auf jeden Fall unzulässig wäre. Allerdings hat der BGH für die Fälle, die nicht unter die DSGVO fallen, noch nicht entschieden, dass jede Herstellung einer Personenaufnahme ohne Einwilligung bereits eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Es kommt deshalb bei der Frage, ob bereits die Herstellung des Fotos ohne Einwilligung des Betroffenen eine Rechtsverletzung darstellt, stets auf den Einzelfall an. Dabei spielt eine entscheidende Rolle, wofür die Aufnahme verwendet werden soll.

[ ! ]  Personen fotografieren ohne ihre Einwilligung?

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann es bereits unzulässig sein, Aufnahmen von Personen herzustellen, die nicht ihre Einwilligung dazu gegeben haben, fotografiert zu werden. Denn eine Aufnahme, bei der das Einwilligungserfordernis der betroffenen Person ignoriert wird, kann regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das in Art. 1 und 2 GG verankert ist, darstellen. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob das Foto zu Privatzwecken oder mit der Absicht einer späteren Veröffentlichung gemacht wurde. Deshalb sollten Sie grundsätzlich nur solche Personenfotos anfertigen, mit denen die fotografierte Person einverstanden ist.

Ich spreche im Folgenden zunächst nur von solchen Aufnahmen, bei denen eine oder mehrere Personen das zentrale Bildmotiv oder zumindest ein wichtiges Bildelement darstellen. Darüber hinaus gibt es natürlich Aufnahmen, bei denen eine oder mehrere Personen auf einem Bild eine untergeordnete Rolle spielen und lediglich »Beiwerk« sind. In diesem Fall gelten andere Regeln, mit denen wir uns im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Personenfotos ausdrücklich noch befassen werden.

Das Gleiche gilt im Übrigen für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, die ebenfalls ohne Einwilligung der abgebildeten Personen veröffentlicht und damit auch hergestellt werden dürfen. Auch darauf werde ich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Personenfotos noch näher eingehen.

Von dem Grundsatz, dass bereits die Herstellung einer Personenaufnahme eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen kann, wird natürlich nicht nur die Fotografie wildfremder Menschen erfasst. Vielmehr gilt dieser Grundsatz auch im Familienkreis und bei der Aufnahme bekannter bzw. dem Fotografen nahestehender Personen. Denn selbstverständlich ist das Persönlichkeitsrecht absolut und nicht davon abhängig, wie eng die persönliche Beziehung zwischen Fotograf und fotografierter Person ist.

inline image  Wenn also Ihr Onkel auf der Geburtstagsfeier Ihrer Tante, bei der Sie ausgiebig für das Familienalbum fotografieren, ausdrücklich äußert oder zu erkennen gibt, dass er nicht fotografiert werden möchte, ist es nicht nur ein Gebot des Anstandes, dies zu respektieren und Ihren Onkel nicht mit dem Hinweis, er möge sich doch nicht so anstellen, trotzdem zu fotografieren; vielmehr stellt die dennoch gemachte Aufnahme des Onkels im Zweifel eine Verletzung von dessen Persönlichkeitsrecht dar. Er wäre also – rein juristisch betrachtet – berechtigt, Unterlassung und die Vernichtung gegebenenfalls bereits gemachter Bilder zu verlangen. Dass Ihr Onkel mit seinen Ansprüchen gegen Sie vermutlich nicht vor Gericht ziehen würde, steht auf einem ganz anderen Blatt und ändert natürlich nichts an der Rechtswidrigkeit der Aufnahme.

Wenn sich allerdings eine fotografierte Person lautstark auf ihr »Recht am eigenen Bild« beruft, ist dies rechtlich nicht korrekt. Das Recht am eigenen Bild, das sich aus § 22 des Kunsturhebergesetzes (KUG, auch KunstUrhG, im Wortlaut unter www.gesetze-im-internet.de/kunsturhg) ableitet, ist lediglich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Personenfotos relevant und wird deshalb auch in Abschnitt 3.2 behandelt.

3.1.1    Die Entwicklung des Rechts zum Fotografieren von Prominenten

Eine Wende in der rechtlichen Beurteilung von Personenfotos von Prominenten begann Mitte der 1990er-Jahre und wurde ausgelöst durch mehrere Verfahren, die Caroline von Monaco, heute Caroline von Hannover, gegen verschiedene Zeitschriftenverlage führte und in denen sie sich gegen die Veröffentlichung von Bildnissen zur Wehr setzte, die von ihr und ihren Kindern in ihrer Privatsphäre gemacht worden waren. Bevor es zu den rechtskräftigen Entscheidungen in den von Caroline von Monaco angestrengten Verfahren kam, galt in Deutschland, dass Prominente, wo immer sie in der Öffentlichkeit auftauchten, dulden mussten, dass Fotos von ihnen hergestellt wurden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer dieser Caroline-Entscheidungen im Jahr 1999 (Urteil 15.12.1999 – 1 BvR 653/96 – »Caroline von Monaco II«), die allerdings in wesentlichen Punkten später vom Europäischen Gerichtshof als nicht mit Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar angesehen wurde, festgestellt, dass die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt sei. Auch außerhalb seiner vier Wände, nach BVerfG auch an einem abgeschiedenen Ort, kann man somit in seiner Privatsphäre gestört werden. Der EuGH hat später die Beschränkung auf den häuslichen Bereich bestätigt, aber die Beschränkung auf einen abgeschiedenen Ort als zu eng angesehen.

Auf die von Caroline von Monaco angestrengten Verfahren, die in der letzten Instanz im Jahr 2004 vom Europäischen Gerichtshof entschieden wurden und zu einer bedeutsamen Änderung der Rechtsprechung zum Urheberrecht in Deutschland geführt haben, werde ich aber im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Personenaufnahmen noch detailliert eingehen. Somit durfte man schon vor der DSGVO auch Prominente nicht dort, wo man sie gegebenenfalls traf, einfach fotografieren, sofern sie nicht in einem zeitgeschichtlichen Ereignis zu sehen waren, worauf ich später beim Thema Veröffentlichung von Fotos noch zurückkommen werde.

Der BGH (Urteil vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94) hat im Zusammenhang mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Videoaufnahmen entschieden, dass bereits die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung, auch in Bereichen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, wie etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen kann.

Die Parteien dieses Verfahrens waren Nachbarn, die auf unmittelbar gegenüberliegenden Grundstücken wohnten, die durch einen öffentlichen Zugangsweg voneinander getrennt waren. Als eine der Parteien bemerkt hatte, dass von dem Weg aus häufiger Unrat auf ihr Grundstück geworfen wurde, installierte sie auf ihrem Grundstück eine Videokamera, die automatisch Aufzeichnungen vornahm und einen Teil des Zugangsweges in seiner gesamten Breite erfasste. Der andere Nachbar machte daraufhin zunächst in der ersten Instanz geltend, auch Teile seines Grundstücks würden auf diese Weise überwacht, und klagte deshalb auf Entfernung der Videoanlage bzw. verlangte, die Anlage so einzurichten, dass sein Grundstück nicht erfasst werde und keine Aufzeichnungen von Vorgängen auf seinem Grundstück ermöglicht würden. Im Berufungsverfahren hatte der klagende Nachbar darüber hinaus beantragt, die Videoanlage so einzurichten, dass durch sie Vorgänge auf dem öffentlichen Weg ebenfalls nicht erfasst würden.

Wie bereits das KG Berlin als Vorinstanz hat auch der BGH den beklagten Nachbarn zur Unterlassung einer Überwachung des Nachbargrundstücks und dessen Zugangs durch den Einsatz technischer Mittel sowie zur Unterlassung der Aufzeichnung von Bildnissen der Kläger verurteilt. Der BGH hat in seinem Urteil bestätigt, dass auch die Überwachung des Zugangsweges mittels Videoaufzeichnungen hier zu einer den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzenden Herstellung von Bildaufnahmen führt. Dabei stellt der BGH darauf ab, dass die Überwachung des Weges darauf angelegt sei, Benutzer des Weges in einer Vielzahl von Fällen abzubilden und aufzuzeichnen, und der Kläger dem nicht ausweichen könne, wenn er sich auf dem Weg von oder zu seinem Grundstück befinde. Der BGH hat diesen Fall ganz klar von solchen Fällen abgegrenzt, in denen es darum geht, einen öffentlichen Weg ohne Kontrollabsichten mittels Videoaufnahme zu erfassen, und hat dazu wörtlich ausgeführt:

inline image  »Es geht hier nicht darum, daß nur schlicht ein öffentlicher Weg im Rahmen einer Videoaufnahme erfaßt wird, die, wie dies etwa bei Foto- und Filmaufnahmen von Touristen oder dergleichen der Fall ist, in erster Linie dem Festhalten eines Stadt- oder Straßenbildes oder von baulichen Anlagen dienen soll, wobei vorübergehende Passanten zufällig miteinbezogen werden; derartige Fertigungen seines Bildnisses muß ein Passant, der öffentlichen Wegeraum benutzt, allerdings ohne weiteres hinnehmen.«

Damit wird deutlich, worum es bei der Beurteilung der Frage geht, ob Sie sich gegen Bildnisse, die von Ihnen auf öffentlicher Verkehrsfläche gemacht werden, erfolgreich wehren können oder nicht. Dies hängt davon ab, ob Sie sich zufällig im Straßenbild befinden, wenn davon Fotos angefertigt werden, oder ob Sie das eigentliche Motiv sind, das fotografiert bzw. dessen Verhalten aufgezeichnet werden soll.

Ähnlich urteilte auch das KG Berlin in einem anderen Fall (Urteil vom 09.03.2007 – 9 U 212/06) und stellte folgenden Leitsatz auf:

inline image  »Abgesehen von den Fällen der Verletzung der Intimsphäre bzw. der Menschenwürde sowie der Bildniserschleichung liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts bereits durch die Anfertigung eines Bildnisses durch Journalisten jedenfalls dann vor, wenn auch eine Verbreitung des Bildnisses in jedem nur denkbaren Kontext unzulässig wäre.«

In diesem Fall ging es um Fotos, die ohne Einwilligung von einem namentlich nicht genannten Prominenten und seiner Tochter gemacht wurden, als der Prominente seine Tochter zu einem Ponyhof brachte.

Warum bereits die Herstellung einer Aufnahme ohne Einwilligung des Betroffenen als unzulässige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen werden kann, wurde von der Rechtsprechung, u. a. vom BGH und vom KG Berlin in den zitierten Entscheidungen, mehrfach und nachvollziehbar damit begründet, dass die fotografierte Person nach Herstellung der Aufnahme keinerlei Kontrolle mehr darüber habe, was mit der Aufnahme geschehe – ob sie veröffentlicht werde, wann dies geschehe und vor allem wo und insbesondere in welchem Kontext das Foto dann zu sehen sein werde.

Im digitalen Zeitalter, in dem es ein Leichtes ist, in Windeseile über das Internet Fotos, die nahezu unbemerkt mit kleinsten Kompaktkameras oder den unvermeidlichen Mobiltelefonen hergestellt werden können, in alle Welt zu verbreiten, hat sich das Risiko für die fotografierte Person, dass später irgendwo auf der Welt ihr Bildnis auftaucht, um ein Vielfaches potenziert. Hinzu kommt das Problem, dass digitale Fotos auch von Dritten wiederum heruntergeladen und an anderer Stelle wieder ins Internet eingestellt oder anderweitig verwertet werden können. Auf diese Weise kann ein nicht mehr zu beherrschender Multiplikatoreffekt auftreten. Ist das Foto erst einmal ins Internet eingestellt worden, ist schlichtweg nicht mehr kontrollierbar, was dann damit geschieht.

Die fotografierte Person ist jedenfalls nach der Aufnahme allem, was dann mit dem Foto passiert, nahezu schutz- und wehrlos ausgesetzt. Sie kann nicht verhindern, dass ihr Foto im harmlosesten Fall rechtswidrigerweise veröffentlicht, im schlimmsten Fall in einem ehrverletzenden oder rufschädigenden Zusammenhang gezeigt wird. Ob dann Unterlassungsansprüche erfolgreich geltend gemacht werden können, mag auch nicht immer gewährleistet sein und ändert schließlich auch nichts an der Tatsache, dass die Rechtsverletzung der Veröffentlichung als irreversibler Vorgang bereits stattgefunden hat.

Diese Aspekte sprechen wiederum für einen generellen Schutz vor der Herstellung von Personenaufnahmen ohne Einwilligung der abgebildeten Person. Dem hat die DSGVO nunmehr Rechnung getragen.

So mancher, der eigentlich gar nichts dagegen einzuwenden hat, auf einer Feierlichkeit für das Familienalbum oder zur Erinnerung fotografiert zu werden, möchte verständlicherweise noch lange nicht, dass sein Foto später zu irgendwelchen Werbezwecken kommerziell genutzt wird oder gar im Internet in einem für ihn diskreditierenden Zusammenhang gezeigt wird.

inline image  Einen interessanten Fall hatte das Amtsgericht Bonn Anfang 2014 zu entscheiden (Urteil vom 28.01.2014 – 109 C 228/13). Der Kläger des Verfahrens war beim Ausführen seines Hundes in einem nahe Bonn gelegenen Naturschutzgebiet fotografiert worden, als er verbotswidrig seinen Hund ohne Leine dort laufen ließ. Der Beklagte fertigte hiervon Fotoaufnahmen, machte Notizen zu dem von ihm beobachteten Verhalten und schrieb das Kennzeichen des Klägers auf. Sodann zeigte er das Verhalten bei der zuständigen Ordnungsbehörde der Stadt Bonn an und überreichte dabei die gesammelten Informationen, einschließlich der von ihm angefertigten Fotos. Nur mit diesen Fotos konnte der Hundehalter überhaupt ausfindig gemacht werden, ohne »Beweise« wäre die Anzeige von vornherein zwecklos gewesen und nicht weiterverfolgt worden.

Das Amtsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob das Fotografieren einer fremden Person ohne deren Einwilligung dann zulässig ist, wenn es um Darstellung und den Beweis von Ordnungswidrigkeiten dieser Person geht. Das Amtsgericht kam zu dem völlig richtigen Ergebnis, dass die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten allein den zuständigen Verwaltungsbehörden obliegt und der § 24 KUG als Ausnahme des Rechts am eigenen Bild (§ 22 KUG) ausschließlich Behörden das Recht gibt, für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zur Schau zu stellen. Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten bzw. deren zukünftige Verhinderung ist nicht die Aufgabe von Privatpersonen und berechtigten diese nicht, andere Personen ohne deren Einwilligung zu fotografieren und diese Fotos dann zu veröffentlichen.

[ ! ]  Ungenehmigte Personenfotos zu Beweiszwecken

Es war bereits vor Inkrafttreten der DSGVO unzulässig, Personen zu fotografieren, um mit den Fotos die Personen wegen eines verbotswidrigen Verhaltens bei Behörden anzuzeigen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich der Angriff gegen den Fotografen selbst, seine Angehörigen oder sein Eigentum richtet, dann dürfte dies aus dem Notwehrgedanken gerechtfertigt sein.

Der selbst ernannte Ordnungshüter wurde vom Gericht deshalb verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 5.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, den Kläger ohne seine Einwilligung beim Ausführen seines Hundes zu fotografieren.

[ ! ]  Aufnahmen ohne Einwilligung sind im Zweifel rechtswidrig

Als Ergebnis für die Praxis galt bereits vor der DSGVO, dass im Zweifel bereits die Herstellung eines Fotos ohne Einwilligung des Betroffenen rechtswidrig war.

Die DSGVO regelt nun, wie Sie in Kapitel 4, »Datenschutz«, sehen werden, dass die Herstellung von Personenfotos mit digitalen Aufnahmegeräten grundsätzlich unzulässig ist, wenn nicht ein sogenannter, in Art. 6 DSGVO geregelter Erlaubnistatbestand vorliegt. Einer dieser Erlaubnistatbestände in Art 6 DSGVO ist die Einwilligung, wie wir noch sehen werden. Da es hierzu jedoch bereits eine umfangreiche Rechtsprechung gibt, soll bereits an dieser Stelle darauf Bezug genommen und einiges Grundsätzliche zur Einwilligung dargelegt werden, was auch mit der DSGVO seine Gültigkeit keineswegs verloren hat. Außerdem sind diese Aspekte grundsätzlich auch zu beachten, wenn es sich um Fälle handelt, die nicht unter die DSGVO fallen.

3.1.2    Die Einwilligung im Allgemeinen

Wie bereits in Kapitel 2, »Natur, Architektur, Sachen und Tiere«, erläutert, bedeutet der Begriff Einwilligung, dass die Zustimmung zur Aufnahme vorab erteilt wird, während die nachträglich eingeholte Zustimmung rechtlich gesehen eine Genehmigung wäre. Zustimmung ist somit der Oberbegriff und kann Einwilligung oder Genehmigung sein, wie sich im Übrigen aus §§ 183, 184 BGB ergibt (den Wortlaut der Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch finden Sie unter www.gesetze-im-internet.de/bgb).

Demzufolge ist es erforderlich, dass sich der Fotograf, bevor er den Auslöser seiner Kamera drückt, davon überzeugt hat, dass die zu fotografierende Person mit der Aufnahme ausdrücklich einverstanden ist. Dabei stellt sich die Frage, wie die Einwilligung auszusehen hat bzw. ob diese ausdrücklich erklärt werden muss. Es wäre sicherlich lebensfremd, vom Fotografen zu fordern, jede Person, die er erkennbar fotografieren möchte, ausdrücklich zu fragen, ob sie auch damit einverstanden ist, und sich dies gegebenenfalls auch noch schriftlich bestätigen zu lassen. Die Einwilligung kann deshalb natürlich auch durch konkludentes Handeln, d. h. stillschweigend gegeben werden.

[ ! ]  Konkludentes Verhalten

Nach einem Urteil des BGH vom 20.02.1968 (VI ZR 200/66) liegt konkludentes Verhalten dann vor, wenn die fotografierte Person eine Aufnahme wissentlich und in Kenntnis ihres Zwecks duldet.

Wenn der Fotograf mit der Kamera in der Hand auf eine Person zugeht und diese sich daraufhin, den Fotografen erblickend, in Pose setzt und in Richtung des Fotografen lächelt, darf der Fotograf wohl davon ausgehen, dass die Person damit einverstanden ist, fotografiert zu werden, sofern der Person der Zweck der Aufnahme mitgeteilt wird oder dieser sich eindeutig aus den Umständen ergibt.

Im Streitfall muss allerdings der Fotograf nachweisen (ist »beweisbelastet«), dass die Einwilligung erteilt wurde. Das kann zu einem Beweisproblem führen, wenn später vom Fotografierten das Einverständnis zur Herstellung der Aufnahme geleugnet wird. In der Praxis dürfte sich dieser Fall jedoch kaum ergeben, da anhand der Aufnahme und der Mimik des Fotografierten später unschwer festzustellen ist, ob Einverständnis mit der Herstellung der Fotografie bestand oder nicht. Jemand, der freundlich in die Kamera lächelt und damit dokumentiert, dass er die Tatsache, dass er fotografiert wird, realisiert hat, wird wohl später nicht ernsthaft behaupten können, er sei mit der Aufnahme überhaupt nicht einverstanden gewesen.

 Das Einverständnis zur Aufnahme ist eindeutig erkennbar.

Abbildung 3.1     Das Einverständnis zur Aufnahme ist eindeutig erkennbar.

Auch gibt es durchaus Situationen, in denen der Fotograf mangels anderer Anhaltspunkte von einer Einwilligung ausgehen kann, solange die oder der Betroffene nicht ausdrücklich das Gegenteil zum Ausdruck bringt:

Denken Sie an einen Ball oder eine sonstige Veranstaltung, bei der die Teilnehmer an ihren Tischen sitzen und ein vom Veranstalter bestellter Berufsfotograf von Tisch zu Tisch geht und Teilnehmer allein oder mit ihrem jeweiligen Partner fotografiert. Gelegentlich werden solche Fotos auch bereits im Foyer beim Eintritt in den Festsaal von den einzelnen Paaren gemacht. Am späteren Abend werden dann im Foyer des Veranstaltungsortes die Fotos an Stellwänden ausgehängt und zum Kauf angeboten. Jeder von Ihnen, der bereits auf einer solchen Veranstaltung war, wird diesen Ablauf kennen.

Hier ist für alle Teilnehmer der Veranstaltung offensichtlich, dass während der Veranstaltung fotografiert wird und dass Porträts von möglichst allen Teilnehmern gefertigt werden sollen. Die Teilnehmer wissen meistens auch, zu welchem Zweck die Fotos gemacht werden, nämlich als Erinnerungsfotos, die sie später käuflich erwerben können. Die meisten Teilnehmer haben auch überhaupt nichts dagegen, fotografiert zu werden, schließlich legen sie in vielen Fällen Wert auf die Erinnerungsfotos. Sie setzen sich in Pose, legen vielleicht für die Aufnahme den Arm um den Partner und lächeln in die Kamera. Wer in einer solchen oder vergleichbaren Situation, in der das Fotografieren üblich ist, nicht fotografiert werden möchte, von dem darf erwartet werden, dass er dies ausdrücklich kundtut. Wer das nicht tut, obwohl er sieht, dass bei der Veranstaltung generell fotografiert wird, gibt zu erkennen, dass er nichts dagegen einzuwenden hat, wenn er fotografiert wird. Äußert er allerdings gegenüber dem Fotografen, dass er nicht fotografiert werden möchte, hat der Fotograf dies zu respektieren und die Aufnahme zu unterlassen.

3.1.3    Einwilligung bei Gruppenaufnahmen

Im Zusammenhang mit der Einwilligung gibt es einen weit verbreiteten Irrglauben, der mir immer wieder auch im Rahmen meiner Vorträge über Bildrecht begegnet: Es wird häufig die Meinung vertreten, einer besonderen Einwilligung bedürfe es dann nicht, wenn es sich um eine Gruppe von Menschen handele, wobei die Angaben über die Anzahl der Personen, die einer Gruppe angehören müssen, schwankt. Begründet wird dies auf Nachfrage dann zumeist damit, es sei ja gar nicht praktikabel, bei einer größeren Gruppe jeden Einzelnen zu befragen, ob er mit der Aufnahme einverstanden sei.

Diese Auffassung ist natürlich nicht richtig. Denn welche Rechtfertigung sollte es geben, die Frage der Verletzung von Persönlichkeitsrechten – oder seit 2018 auch die Verletzung des Datenschutzes – davon abhängig zu machen, wie viele Personen auf dem Bild sind? Soll man als Fotograf bei einer Gruppe von drei Personen auf eine Einwilligung angewiesen sein, eine Gruppe von acht Personen dagegen auch ohne deren Einwilligung fotografieren dürfen? Und bei welcher Personenzahl liegt die Grenze für die Notwendigkeit einer Einwilligung? Ich denke, schon aus diesen Fragestellungen wird deutlich, dass die Auffassung, es käme auf die Größe der Gruppe an, nicht richtig sein kann.

Tatsächlich gilt hier vielmehr exakt das, was auch für Einzelpersonen gilt: Begegnet der Fotograf im Gebirge einer sechsköpfigen Wandergruppe, die er wegen ihrer farbenfrohen Kleidung als Vordergrund für sein Gebirgs-panorama ablichten möchte, muss jedes der sechs Mitglieder der Wandergruppe in die Herstellung der Aufnahme einwilligen, sofern keiner der noch zu behandelnden Ausnahmetatbestände vorliegt (wenn etwa die Personengruppe als unwesentliches Beiwerk auf dem Bild gilt). Widerspricht nur eine Person aus der Gruppe, darf die Aufnahme nicht gemacht werden – zumindest nicht mit dieser Person.

Allerdings gilt auch bei Gruppenfotos, dass die Einwilligung durch konkludentes Handeln erteilt werden kann. Wer sich zum Beispiel bei einer Hochzeit zum Gruppenfoto vor dem Kirchenportal gemeinsam mit den anderen Festgästen aufstellt, kann später wohl kaum einwenden, er habe nicht eingewilligt, fotografiert zu werden.

[ ! ]  Alle Personen einer Gruppe müssen gefragt werden

Bei Gruppenaufnahmen muss das Einverständnis aller Personen eingeholt werden. Widerspricht nur ein Gruppenmitglied, darf die Gruppe, zumindest mit dem widersprechenden Mitglied, nicht fotografiert werden. Sie muss sich dann ohne das widersprechende Mitglied gegebenenfalls neu formieren.

3.1.4    Einwilligung bei Minderjährigen

Die Darstellung in der Vorauflage, dass es sich bei der Einwilligung, fotografiert zu werden, um einen sogenannten Realakt handelt, der keine rechtliche Bindungswirkung hat und deshalb Minderjährige mit einem gewissen Reifegrad berechtigt, selbst und ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten darin einzuwilligen, ob sie fotografiert werden möchten, entsprach der damaligen Rechtslage, lässt sich im Lichte der DSGVO jedoch nicht weiter aufrechterhalten. Minderjährige bis zu einem gewissen Alter können nicht wirksam einwilligen, fotografiert zu werden. Näheres hierzu erfahren Sie in Kapitel 4, »Datenschutz«.

3.1.5    Verwendungszweck

Die Einwilligung der fotografierten Person unter Beachtung der Regelung in § 201a StGB bedeutet, wie bereits kurz angesprochen, immer auch, dass ihr der Verwendungszweck der Aufnahme mitgeteilt werden muss. Denn nur, wenn die zu fotografierende Person weiß, wozu die Bilder später verwendet werden, kann sie auch entscheiden, ob sie dies will oder nicht, und somit die Einwilligung erteilen oder versagen.

So muss der Fotograf mitteilen, ob er ein Bild für das Familienfoto macht, die Aufnahme als Referenz für seine Website benötigt oder ob das Foto zur Bebilderung eines Presseartikels über ein bestimmtes Thema dienen soll. Denn wie schon erwähnt, ist derjenige, der seine Einwilligung im Hinblick auf eine bestimmte Verwendungsart gegeben hat, im Zweifel nicht damit einverstanden, dass die Aufnahme, für ihn weitgehend unkontrollierbar, auch zu anderen Zwecken verwendet wird.

Auch hier ist der Fotograf in einem möglichen späteren Streitfall dafür beweispflichtig, auf welchen Verwendungszweck sich die Einwilligung der fotografierten Person erstreckt. Behauptet der an seinem Arbeitsplatz fotografierte Holzschnitzer, er habe lediglich in eine Aufnahme zum Privatgebrauch oder für die Imagemappe des Fotografen eingewilligt, muss der Fotograf den Beweis führen, dass darüber hinaus die Einwilligung erteilt wurde, das Foto für einen Wandkalender zum Thema »Handwerk heute« zu verwenden.

An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass es ratsam ist, klare schriftliche Vereinbarungen über den Verwendungszweck zu treffen – insbesondere dann, wenn Sie wildfremde Menschen fotografieren, von denen Sie nicht wissen können, ob sie sich später tatsächlich in vollem Umfang an das halten, was zuvor besprochen wurde. Das gilt natürlich auch aus der Sicht des Fotografierten.

Es ist klar, dass dies nicht immer möglich und realistisch ist, aber als Fotograf sollten Sie wissen, dass dann das Risiko bei Ihnen liegt, sollte die fotografierte Person später ihre Meinung ändern und sollten Ihnen keine Zeugen zur Verfügung stehen, die das tatsächlich Besprochene bestätigen können. Dazu erfahren Sie mehr in Kapitel 8, »Vertragsrecht«.

[ ! ]  Mitteilung des Verwendungszwecks

Um die Konsequenzen einer Einwilligung übersehen zu können, müssen Sie der Person, die fotografiert werden soll, mitteilen, zu welchem Verwendungszweck die Aufnahme gemacht wird.

3.1.6    Unzulässigkeit der Paparazzo-Fotografie

Auch wenn für die Pressefotografie – wie Sie noch im Einzelnen sehen werden – im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit teilweise Besonderheiten bestehen und deshalb auch die Herstellung von Aufnahmen ohne Einwilligung der Fotografierten dann keine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, wenn es sich um bekannte Persönlichkeiten handelt und die Aufnahmen dem überwiegenden Informationsinteresse der Allgemeinheit dienen, ist jedoch anerkannt, dass das Treiben der sogenannten Paparazzi aus rechtlicher Sicht unzulässig ist, da es ein unzulässiges Eindringen in die Privatsphäre und zudem eine strafbare Handlung nach § 201a StGB darstellt (siehe hierzu auch Abschnitt 3.1.8; im Wortlaut finden Sie den Paragrafen des Strafgesetzbuches unter www.gesetze-im-internet.de/stgb).

[+]  Paparazzo

Paparazzo ist der Name eines aufdringlichen Pressefotografen in Federico Fellinis 1960 gedrehtem Film »Das süße Leben« (La dolce vita). Davon abgeleitet, bezeichnete man mit Paparazzo (Plural: Paparazzi) ursprünglich in scherzhafter Weise einen Fotografen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Prominenten nachzustellen, um sie – meist in ihrer Privatsphäre – heimlich zu fotografieren.

Spätestens seit dem Unfalltod von Lady Diana, die bekanntlich von Paparazzi bis in den Tod verfolgt wurde, hat der Begriff jegliche Scherzhaftigkeit (siehe Kasten »Paparazzo«) verloren und eine eindeutig negative Bedeutung erlangt. Heute empfindet man das Vorgehen derartiger Fotoreporter – die meist für die Boulevard- oder Regenbogenpresse arbeiten und aus Verstecken Prominenten auflauern, ihnen nachstellen und sie unbemerkt aus dem Hinterhalt mit langen Teleobjektiven in ihrer Privatsphäre fotografieren, um mit diesen Fotos die Sensationsgier von Teilen der Bevölkerung zu befriedigen – als ein eher unethisches Verhalten, sodass der Begriff Paparazzo inzwischen keineswegs mehr das ist, was er einmal war. Da es dennoch ein lukratives Geschäft zu sein scheint (der Fotograf, der das erste Bild von Lady Diana in den Armen von Dodi Al-Fayed machte, soll dafür mehrere Millionen kassiert haben), wird es ungeachtet aller ethischen und moralischen Einwände wohl immer Paparazzi geben.

Der BGH (Urteil vom 19.12.1995 – VI ZR 15/95), der die Paparazzo-Fotografie auch als »Bildniserschleichung« bezeichnet, hat sich mit der rechtlichen Wertung der Fotografie aus dem Hinterhalt befasst. In der ebenfalls Caroline von Monaco betreffenden Entscheidung hat der BGH dazu ausgeführt:

inline image  »Die Fotos sind ganz offensichtlich versteckt und für die Klägerin unbemerkt aus großer Entfernung mit weitreichenden Teleobjektiven aufgenommen worden; sie haben damit belauschenden Charakter. Die Heimlichkeit diente dazu, die fehlende Einwilligung der Klägerin zu unterlaufen und ihr die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen das Fotografiertwerden in diesen Augenblicken zu wehren. Sie diente ferner dazu, ihre Arglosigkeit und Unbefangenheit auszunutzen, um dadurch persönlichste Regungen zu erhaschen, was dem Fotografen, der die Klägerin beim Austausch von Zärtlichkeiten aufgenommen hat, hier auch gelungen ist. (…)

Schon bisher ist die Bildniserschleichung durch heimliche Aufnahme in der Rechtsprechung stets als rechtswidrig angesehen worden (…) Das galt freilich nur für den Privatbereich innerhalb des eigenen Hauses, in dem Aufnahmen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig sind. Den gleichen Schutz kann der Betroffene jedoch beanspruchen, wenn er seine Privatsphäre an einen Ort außerhalb des eigenen Hauses gewissermaßen mitnimmt. Auch dort können aus den gleichen Erwägungen heraus Bildaufnahmen grundsätzlich nur mit seiner Genehmigung hergestellt und veröffentlicht werden.«

Auch das KG Berlin hat sich in der bereits zitierten Entscheidung von 2007 ausgiebig mit dem Schutz der Privatsphäre Prominenter und der Paparazzi-Fotografie auseinandergesetzt und auch unter Berücksichtigung der Pressefreiheit entschieden, dass das Verfolgen zum Zwecke des Anfertigens von Fotografien aus dem Privatbereich Prominenter unzulässig sei und selbst durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht legitimiert werde. Zur Erinnerung: Ein Prominenter hatte seine Tochter über einen Waldweg von seinem Wohnhaus zu einem naheliegenden Ponyhof gebracht, und auf diesem Weg lauerte ihm ein Paparazzo auf. Dazu führt das KG Berlin am angegebenen Ort u. a. aus:

inline image  »Er (der Prominente, Anm. des Verfassers) sollte mit Bildaufnahmen in einer alltäglichen Lebenssituation der Medienöffentlichkeit präsentiert werden. Insoweit ist ein Schutz vor einer Verfolgung durch Fotografen bei einer rein privaten Tätigkeit im Alltagsleben auch für den Kläger geboten. Der Kläger wollte an einem Sonntagvormittag lediglich seine Tochter von seinem Wohnhaus über einen Waldweg zu einem wenige hundert Meter entfernten Ponyhof bringen. Hierbei handelt es sich um eine private, alltägliche Tätigkeit. (…) Das öffentliche Berichterstattungsinteresse ist allenfalls gering.«

Auf weitere Aspekte der Fotografie von Prominenten in ihrer Privatsphäre gehe ich im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Personenfotos in Abschnitt 3.2 ein, insbesondere in Abschnitt 3.2.2.

3.1.7    Nacktaufnahmen

Einen ganz besonders schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht stellt die Ablichtung eines nackten Körpers ohne Wissen oder sogar gegen den Willen des Abgebildeten dar. Dies wird Sie nicht sonderlich überraschen, gehört der nackte Körper doch zum intimsten Persönlichkeitsbereich eines jeden Menschen. Dabei spielt es im Übrigen auch überhaupt keine Rolle, ob etwa eine Schauspielerin, die ohne ihr Wissen nackt fotografiert wurde, in Filmrollen zuvor bereits nackt zu sehen war oder sich bereits mehrfach nackt fotografieren ließ. Dies hat u. a. das OLG Hamburg in seiner Entscheidung vom 21.05.1981 (3 U 22/81), in der es um heimlich hergestellte Nacktaufnahmen von Romy Schneider ging, festgestellt. Ohne Bedeutung ist es nach einem Urteil des OLG Düsseldorf (29.05.1984 – 15 U 174/83) auch, wenn es sich im Einzelfall nur um einen sogenannten Rückenakt handelt. Trotz inzwischen gelockerter Sexualmoral und einer unbefangeneren Betrachtung eines nackten Körpers gehört es zum Vorrecht jedes Einzelnen, zu bestimmen, ob er sich in der Öffentlichkeit nackt zeigen möchte. Obwohl das deutsche Recht und die gerichtliche Entscheidungspraxis, verglichen mit manch anderen Ländern, relativ konservativ und zurückhaltend mit der Höhe von Schmerzensgeldansprüchen umgehen, wurden doch in den genannten und auch in vergleichbaren Fällen deutliche Schmerzensgelder zuerkannt.

Das OLG München (Urteil vom 08.11.1985 – 21 U 2432/85) hat allerdings in einem Fall zwar die Verletzung des Persönlichkeitsrechts angenommen, dem Kläger aber dennoch einen Schmerzensgeldanspruch verweigert. Der Kläger war Mitglied einer Nudistengruppe, die sich im Englischen Garten in München provokativ unweit des Weges völlig unbekleidet gezeigt hatte. Da seinerzeit gerade eine Diskussion über das mit Bußgeld belegte unbekleidete Sonnenbaden im Englischen Garten geführt wurde, wurde das Bild auf der Titelseite einer Zeitung unter der Überschrift »Nackt im Park – 100,00 DM« veröffentlicht. Das OLG München war – wohl auch nicht ganz zu Unrecht – der Auffassung, dass die Persönlichkeitsrechtsverletzung in diesem Fall nicht so schwer gewesen sei, dass ein Schadensersatz begründet sein könnte.

3.1.8    Die Neuregelung des § 201a StGB – Fotografieren hilfloser Personen

Zum Zwecke eines erweiterten Schutzes des Persönlichkeitsrechts hat der Gesetzgeber aufgrund europäischer Vorgaben den bereits seit 2004 bestehenden § 201a des Strafgesetzbuches (StGB) um zwei wesentliche Aspekte erweitert.

§ 201a StGB schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich eines jeden. Nach dieser Vorschrift war es schon vor der Neuregelung mit Strafe bedroht, unbefugt Bildaufnahmen von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, herzustellen oder zu übertragen und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich zu verletzen oder solche Aufnahmen wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich zu machen, womit insbesondere die in Abschnitt 3.1.6 dargestellte Paparazzi-Fotografie erfasst wird.

Mit Wirkung ab Januar 2015 wurde die Vorschrift dahingehend verschärft, dass nunmehr auch die Herstellung, Übertragung und Zugänglichmachung von Fotografien, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen oder die die Nacktheit einer anderen Person unter 18 Jahren zum Gegenstand haben, unter Strafe gestellt ist. Dabei wurde gleichzeitig der Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe angehoben.

Es ist leider eine Tatsache, dass »Schaulustige«, nennen wir sie doch lieber »Gaffer«, bei schweren Unfällen die verunglückten Personen mit ihren Mobiltelefonen fotografieren oder filmen, statt ihnen zu helfen. Die Bild- oder Videoaufnahmen werden dann aus Lust an der »Sensation« über soziale Netzwerke verbreitet oder sogar an Zeitungen oder Fernsehanstalten weitergegeben. Daneben ist festzustellen, dass gewalttätige Jugendliche nach dem Motto »Du prügelst, ich filme« in den sozialen Netzwerken zunehmend mit Mobiltelefonen aufgenommene Filme einstellen, auf denen zu sehen ist, wie andere Jugendliche verprügelt werden und sich dabei in hilfloser Lage befinden, um sich dann an den Bildern zu ergötzen und vielleicht noch möglichst viele »Likes« zu bekommen. Bislang gab es gegen solch verurteilenswertes Verhalten zwar zivilrechtliche Möglichkeiten, aber keine unmittelbare strafrechtliche Handhabe.

Ich hatte bereits in meiner Einleitung zu den Vorauflagen davon gesprochen, dass jeder seriöse Fotograf und Filmer sich von solchen Handlungen distanzieren wird, und darauf hingewiesen, dass ich mich rein ethischen Fragen im Rahmen dieses Buches nicht widmen kann und will. Nun hat der Gesetzgeber dankenswerterweise gehandelt und dieses in meinen Augen absolut perfide Verhalten einer rechtlichen Regelung zugeführt, sodass dieses Thema nicht mehr ein rein ethisches, sondern auch ein rechtliches ist und deshalb zu einer vollständigen Darstellung des Foto- und Bildrechts gehört.

Hilflose Personen sind – wenngleich § 201a StGB hierfür keine gesetzliche Definition gibt – sicherlich alle Personen, die einen rechtswidrigen Angriff auf ihr Persönlichkeitsrecht oder ihre körperliche Unversehrtheit nicht aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln abwehren können. Ein schwerverletztes Unfallopfer ist sicherlich nicht in der Lage, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass seine Lage unbefugt fotografiert bzw. gefilmt und danach veröffentlicht wird. Auch der verprügelte Jugendliche ist mit der Abwehr der Angriffe auf seine körperliche Unversehrtheit so beschäftigt, dass er nicht in der Lage ist, beispielsweise der filmenden Person das Mobiltelefon zu entreißen oder aus der Hand zu schlagen, wozu er im Rahmen einer Notwehrhandlung auch durchaus berechtigt wäre. Solche Personen sind hilflos.

Darüber hinaus gibt es jedoch noch andere Fälle, in denen Personen hilflos sind. Dies gilt für Betrunkene ebenso wie für den auf der Parkbank schlafenden Obdachlosen. Wer also vorhat, auf Partys eine betrunkene Person aufzunehmen und das Foto oder den Film im Internet einzustellen, sollte sich dies gut überlegen, denn er macht sich schon mit der Herstellung der Aufnahme strafbar. Es muss also gar nicht erst ein sogenanntes Cyber-Mobbing vorliegen, also das vorsätzliche und gezielte Diffamieren einer anderen Person durch das Hochladen kompromittierender Fotos und Filmaufnahmen. Es reicht aus, dass sich die abgebildete Person in einem hilflosen Zustand befindet und in diesem Zustand aufgenommen wird. Die Frage, ob das Hochladen der Bilder danach ohne böse Absicht erfolgt oder ob es sich tatsächlich um Cyber-Mobbing handelt, mag allenfalls bei der Zumessung des Strafmaßes eine Rolle spielen.

Gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB machen sich jedoch auch diejenigen bereits strafbar, die solche Fotografien oder Videos in sozialen Netzwerken teilen. Man muss also die Aufnahmen nicht selbst gemacht und eingestellt haben, um sich strafbar zu machen, es reicht völlig aus, wenn man eine unbefugt hergestellte Aufnahme nur anderen zugänglich macht. Hier gilt das gleiche Strafmaß.

[ ! ]  Schon das Fotografieren Hilfloser ist unter Strafe gestellt

Für eine Strafbarkeit nach § 201a StGB kommt es nicht darauf an, dass die Bilder auch veröffentlicht werden. Die Gesetzesvorschrift greift bereits ein, wenn Aufnahmen von hilflosen Personen nur hergestellt werden, aber auch schon dann, wenn solche Aufnahmen im Internet geteilt werden. Deshalb müssen Hilflose für Fotografen tabu sein!

Aus Polizeiberichten sind schon Fälle bekannt geworden, in denen besonders dreiste Handyfilmer Rettungskräfte sogar aufgefordert haben, zur Seite zu gehen, damit sie besser filmen können. So geschehen, als ein zehnjähriges Mädchen von einem Auto angefahren und schwer verletzt worden war. Jedem, der bei seinen verbotenen Tätigkeiten die Rettungskräfte massiv behindert, macht sich auch nach § 114 StGB strafbar. Hier beträgt das Strafmaß Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, in besonders schweren Fällen von bis zu fünf Jahren. Sind noch keine Rettungskräfte am Unfallort, kommt möglicherweise stattdessen eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB in Betracht.

Es bleibt wirklich zu hoffen, dass durch diese Gesetzesregelung die widerwärtige Praxis, hilflose Personen zu filmen und die Aufnahmen dann zu veröffentlichen, eingedämmt wird.

Die Herstellung und das Vertreiben bzw. Sichbeschaffen von Nacktaufnahmen von Personen unter 18 Jahren steht seit 2015 ebenfalls unter Strafe. Hier geht es um mehr oder weniger »harmlose« Nacktbilder, nicht um pornografische Fotos, bezüglich derer schon seit Jahren eine Strafbarkeit nach §§ 184b und 184c StGB besteht.

Bei der Herstellung von Aufnahmen, die nackte Personen unter 18 Jahren zum Gegenstand haben, ist aber nicht generell eine Strafbarkeit gegeben, wie sich aus dem Wortlaut des § 201a Abs. 3 StGB eindeutig ergibt. Die Befürchtung mancher Eltern, dass sie nunmehr ihr eigenes, im Urlaub nackt am Strand spielendes Kind nicht mehr fotografieren dürfen, ist deshalb unbegründet. Solche Fotos sind selbstverständlich nach wie vor zulässig und strafrechtlich irrelevant. Dies ergibt sich auch eindeutig aus der amtlichen Begründung des Gesetzgebers, der darauf hinweist, dass nur Handlungsweisen von dieser Vorschrift erfasst werden sollen, die sozial inadäquat sind. Bildaufnahmen von unbekleideten Kindern in familiären Alltagssituationen, die im familiären Bereich verbleiben und allenfalls im Verwandten- und Freundeskreis gezeigt werden, seien jedoch sozialadäquat.

Bei der Regelung in § 201a Abs. 3 StGB geht es nämlich vielmehr ausschließlich darum, die Herstellung oder Anbietung solcher Fotos unter Strafe zu stellen, die zu dem Zweck erfolgt, das Bildmaterial dritten Personen gegen Entgelt zu verschaffen. Der Zweck muss also gerade darin liegen, gefertigte Nacktfotos von Minderjährigen anschließend zu veräußern. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift »(…) wer herstellt und anbietet, um zu (…)«.

Ebenso wird im Übrigen bestraft, wer sich selbst oder einer dritten Person solche Fotos gegen Entgelt verschafft. Damit wird auch die Zielrichtung dieser Gesetzesnorm deutlich, nämlich der Schutz Jugendlicher und Kinder vor Vermarktung ihres Körpers durch Nacktaufnahmen. Diese Gesetzesbestimmung wird auch »Lex Edathy« genannt. Der SPD-Politiker Sebastian Edathy wurde vor einigen Jahren beschuldigt, sich Nacktaufnahmen von Personen unter 18 Jahren in Kanada bestellt zu haben. Sofern es sich nicht um pornografische Aufnahmen gehandelt hat, sondern um einfache Nacktbilder, stellte dies damals keinen Straftatbestand dar, heute wäre es aufgrund der gesetzlichen Neuregelung strafbar.

[ ! ]  Gesetzgeber schließt Regelungslücke

Seit 2015 ist nunmehr auch die Herstellung, Verbreitung und das Sichbeschaffen von »harmlosen« Nacktbildern von Personen unter 18 Jahren verboten und strafbar.

Zur Anwendungspraxis der gesetzlichen Neuerungen kann derzeit noch nichts gesagt werden, hier bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Neuregelung handhaben wird.

Dass natürlich in allen vorgenannten Fällen die Betroffenen auch zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung geltend machen können, versteht sich von selbst. Und es ist auch damit zu rechnen, dass die Gerichte aufgrund der ganz massiven Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch derartige Handlungen ganz empfindliche Schadensersatzleistungen zusprechen werden, die durchaus auch in fünfstelliger Höhe liegen können.

Mit Wirkung ab dem 01.01.2021 hat der Gesetzgeber den § 201a StGB nochmals erweitert, der nun den Titel »Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen« trägt: Hinzugekommen ist »und von Persönlichkeitsrechten«.

Diese Erweiterung hat damit zu tun, dass nun endlich auch die Gaffer, die Unfalltote mit ihren Mobiltelefonen am Unfallort filmen oder fotografieren, strafrechtlich belangt werden können. Zivilrechtlich war dies – wie bekannt – schon seit Inkrafttreten des KUG möglich, aber in der Praxis wenig wirksam.

Der neugefasste § 201a StGB regelt nun, dass mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft wird, wer eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt, überträgt oder Dritten zugänglich macht. Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person, ob lebend oder tot, eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht.

Von Strafrechtlern wurde allerdings teilweise kritisiert, dass die Vorschriften des § 201a StGB zu viele Allgemeinplätze und unbestimmte Rechtsbegriffe enthielten und deshalb keine Wirkung in der Praxis hätten. In der Tat tun sich Fragen auf wie: »Wann ist eine Bildaufnahme geeignet, dem Ansehen einer Person zu schaden?« oder »Wann ist etwas grob anstößig?«. Diesbezüglich wird die Rechtsprechung im Laufe der Zeit grundsätzliche Urteile zu fällen haben; gleichwohl ist es aus meiner Sicht ein Fortschritt, dass ein solches Verhalten zunächst einmal grundsätzlich unter Strafe gestellt wurde.

Zu guter Letzt sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Geräte, mit denen die verbotswidrigen Aufnahmen hergestellt wurden, als Beweismittel beschlagnahmt werden können und dann erst einmal monatelang der Nutzung durch den Täter entzogen sind.

Vom Upskirting und Downblousing zum § 184k StGB

Manche Dinge sind eigentlich einfach nur so abwegig, dass man darüber nur den Kopf schütteln kann. Und immer wieder gibt es Notwendigkeiten für den Gesetzgeber, Lücken zu schließen, die offenbar bis dahin niemand erkannt hat, außer denjenigen, die sie genutzt haben. Die Rede ist hier von Upskirting und Downblousing, eine merkwürdige Art der »Fotografie«, die zunächst im Vereinigten Königreich, wo es diese Lücke in den Gesetzen ebenso gegeben hatte, und nun auch in Deutschland unter Strafe gestellt wurde.

Unter Upskirting versteht man das typischerweise auf einer Rolltreppe oder Treppe stattfindende unbemerkte Fotografieren unter einen Rock einer weiblichen Person, während unter Downblousing das Fotografieren von oben in den Ausschnitt der Oberbekleidung einer weiblichen Person verstanden wird. Die Anhänger dieser Art des »Fotografierens«, die wohl unbemerkt nur mit einem Mobiltelefon möglich sein dürfte, haben also das »Glück«, sowohl treppauf als auch treppab ein Fotomotiv zu finden. Und zu ihrer Freude war dies bis Juli 2020 auch nicht strafbar, weil es keine Vorschrift gab, die es unter Strafe gestellt hätte.

Bei einem Bürgermeister einer Stadt in Süddeutschland wurden ca. 100 Fotos eines solchen Upskirtings gefunden, er kam aber mit einem lächerlichen Ordnungsgeld davon, weil das Strafurteil der ersten Instanz vom Berufungsgericht aufgrund einer fehlenden Strafnorm aufgehoben wurde und ein Freispruch erfolgte. Daraufhin wurde der Gesetzgeber aktiv. Im Juli 2020 wurde beschlossen, in das Strafgesetzbuch einen neuen Paragrafen 184k mit der Überschrift »Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen« aufzunehmen. Diese Vorschrift trat zum 01.01.2021 in Kraft. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer (§ 184k Abs. 1 StGB)

inline image  »1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,

2. eine durch eine Tat nach Nummer 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder

3. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in Nummer 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht.«

Allerdings wird die Tat gemäß § 184k Abs. 2 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörden wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen geboten halten. Zunächst muss die Tat aber erst einmal im dichten Einkaufsgedränge wahrgenommen werden, und dann muss auch noch der Täter identifiziert werden, der sich nach der Tat möglicherweise schnell aus dem Staub machen wird. Die Schwierigkeit in der praktischen Handhabung dieser Vorschrift wird damit deutlich, aber die Vorschrift sollte zumindest einen deutlich abschreckenden Charakter haben, damit derartige Geschmacklosigkeiten hoffentlich eingedämmt werden können, bevor sie zum Volkssport werden.

Und niemand wird sicherlich auf die Idee kommen, die Anerkennung der Streetfotografie als Kunstform durch das Bundesverfassungsgericht auch auf die künstlerische Darstellung fremder Genitalien oder die diese bedeckende Unterwäsche zu erstrecken, denn dann wäre die Tat gar nicht mehr strafbar. In Absatz 3 des § 184k StGB findet man nämlich folgende Regelung:

»3. Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.«

Ich muss gestehen, verständlich ist mir dieser Absatz 3 nicht, aber irgendjemand wird sich wohl etwas dabei gedacht haben.

Immerhin regelt § 184k Abs. 4 StGB, dass die jeweiligen Aufnahmegeräte eingezogen werden können, das heißt, der Täter wird sein Mobiltelefon im Zweifel nicht wiedersehen.