So stand es um die Kunst in England, als Ford Madox Brown mit einer ästhetischen Revolution im Gepäck aus Paris und Antwerpen zurückkam. Es soll hier nicht gesagt werden, dass alle Tendenzen, die seit damals vorherrschten, alle individuellen Einstellungen, die sich entwickelten, von diesem Künstler ausgingen, auch nicht, dass in dem Moment, als er das Land betrat, keiner von seinen Landsleuten dasselbe fühlte und dieselben Träume hegte wie er. Man bedenke jedoch, dass 1844, als Wilhelm der Eroberer ausgestellt wurde, noch nichts von diesen neuen Dingen erschienen war. Dante Gabriel Rossetti war gerade mal sechzehn, William Holman Hunt siebzehn, John Everett Millais fünfzehn, George Frederick Watts sechsundzwanzig, Frederick Leighton vierzehn und Edward Burne-Jones elf Jahre alt und keiner dieser späteren Meister hatte damals seine Ausbildung abgeschlossen. Man bedenke dann, dass die von Madox Brown eingeführte Art und Weise, zu komponieren, zu malen und zu zeichnen sich fünfzig Jahre nach seinem ersten Werk in den Bildern von Burne-Jones wiederfindet, nachdem sie in denen von Burne-Jones’ Meister, Rossetti, erschienen war. Dann wird klar, dass Brown, der schon 1844 ausstellte, der Vorreiter war, die anderen folgten am Anfang der Bewegung oder als sie auf ihrem Höhepunkt war[2].

Was hatte dieser Vorreiter nun Neues gebracht? In seiner Vorstellung hatte er den sehr präzisen Gedanken, dass die Kunst aufgrund der systematischen Verallgemeinerung der Formen zugrunde ging und dass sie nur durch das Gegenteil gerettet werden könnte, nämlich durch die minutiöse Suche nach dem individuellen Zug. In seinem Herzen trug er den konfusen, aber leidenschaftlichen Wunsch, dass die Kunst in England eine große soziale Rolle spielen sollte – die Rolle des Brotes, anstatt weiterhin eine den Tischen der Reichen vorbehaltene Süßigkeit zu bleiben. Browns Hand hatte ein gewisses elegantes Ungeschick, eine etwas steife Zartheit und eine peinlich genaue Suche, die er zum Teil aus der der Gotik nahe stehenden Schule des Barons Wappers in Antwerpen entliehen hatte und zum Teil der genauen und direkten Betrachtung der primitiven Kunst verdankte.

All das war revolutionär und musste daher der konservativen Einstellung der Engländer missfallen. Es war aber auch antifranzösisch, antikontinental, vollkommen ursprünglich und sozusagen autonom und musste daher ihrem Patriotismus gefallen. „In Paris habe ich mich dazu entschlossen, realistische Bilder zu malen, weil kein einziger Franzose es tat“, hat Madox Brown gesagt. Wir wollen nicht auf das Wort „realistisch“ eingehen, das je nach Land eine andere Bedeutung haben kann. Wichtig ist hier der Sammelruf gegen die französische Schule und für eine nationale Kunst[3].

Als Madox Brown in London ankam, beschäftigte der 1843 ausgeschriebene große Ideenwettbewerb für die Ausmalung des neuen Parlamentsgebäudes in Westminster noch die Gemüter – waren doch nicht weniger als 140 Entwürfe von den besten damaligen Künstlern vorgelegt worden. Dieser ästhetische Wettbewerb ist in England ein kunsthistorisches Datum, denn er brachte eine große Anzahl noch unbekannter Meister hervor, auch ein junger Autodidakt, George Frederick Watts, wurde dabei entdeckt. Madox Brown hatte fünf große Entwürfe beigetragen. Der wichtigste war eine Episode aus der normannischen Eroberung: Die Leiche Harolds wird vor Wilhelm den Eroberer gebracht. Es waren seine ersten Versuche auf einem neuen Weg. Mit ihnen protestierte er gegen die alten Methoden und gegen die offizielle Kunst, jedoch ohne dass es ein Echo hervorgerufen hätte. So schlimm war die Niederlage, so offensichtlich die Verachtung des Publikums, dass der Meister, als er eines Tages einen mit einem italienischen Namen – Dante Gabriel Rossetti – unterschriebenen Brief bekam, dessen Autor ihn voll des Lobes darum bat, sein Schüler zu werden, keinen Zweifel daran hatte, dass der Unbekannte sich über ihn lustig machte.