Rossetti dagegen hatte seit 1850 nicht mehr ausgestellt, aber 1856, als er merkte, dass der Erfolg sich einstellte, erschien er wieder in der Öffentlichkeit und wurde mit begeistertem Beifall empfangen. Nicht im Salon, sondern auf einer ausschließlich präraffaelitischen Ausstellung stellte er die wichtigsten Werke der Bruderschaft zusammen. An diesem Tag war zum ersten Mal das Aquarell von Dantes Traum zu sehen, nach wie vor eines der Werke, das für Rossetti am bezeichnendsten ist. Hughes war mit seinem Triptychon The Eve of Saint Agnès nach einem Gedicht von Keats gerade entdeckt worden. In der Zwischenzeit war Stephens, einer der ersten P.R.B.’s, auf den entscheidenden Posten eines Kritikers in der Times aufgerückt - genau von dort aus war früher seinen Freunden die meiste Feindschaft entgegengeschlagen. Zahlreiche Künstler eilten herbei, um sich unter der revolutionären Fahne zu versammeln. Dichter und Philosophen, der Historiker Thomas Carlyle, die Dichter Alfred Tennyson und Coventry Patmore und sogar Charles Dickens, der ehemalige Gegner der ersten Tage, begleiteten die Gewinner. Schließlich kamen noch drei junge Männer, von denen man noch nicht so recht wusste, wo sie standen, aus Oxford und fragten Rossetti nach dem Weg zum Idealen: Ihre Namen waren Algernon Charles Swinburne, William Morris und Edward Burne-Jones[18].
Die Präraffaeliten malten gern Porträts voneinander, so wie man sich eben nach beendetem Kampf die Zeit nimmt, um sich zu bewundern und den Sieg zu feiern, und es war wirklich ein Sieg. Irgendjemand hatte ausgerechnet, dass Millais, Hunt und Rossetti zusammen nicht weniger als zwölf Millionen Pfund verdient hatten. Es war aber auch das Ende der präraffaelitischen Bruderschaft. Lange schon signierte keiner von ihnen mehr mit P.R.B. Mehrere der Brüder hatten London verlassen: Hunt war nach Palästina gegangen und Woolner nach Australien, Collinson hatte sich in ein Kloster zurückgezogen, Deverell war gestorben, und in diesem Moment war der Zauber gebrochen.
Zwei der Abtrünnigen waren 1857 wiedergekommen, aber von denen, die die Heimat nicht verlassen hatten, entfernte sich der Bedeutendste kaum merklich von dem präraffaelitischen Ideal und schuf sich unter dem Beifall der akademischen Welt einen immer wichtigeren und einflussreicheren Platz: Millais. Die anderen wandten sich jeweils dahin, wohin sie ihre nun besser verstandenen Tendenzen und ihr gereiftes Talent zogen.
Ruskin erkannte Millais’ Untreue und schlug Alarm, vergeblich. Ruskin selbst hatte sich auch weiterentwickelt. Dieses Jahr 1857 bedeutet also ebenso wie das Jahr 1846 einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte. Haydon, das Oberhaupt der akademischen Schule, begeht 1846 Selbstmord, und Madox Brown stellt kurz vorher Wilhelm der Eroberer aus. Die Schule von Madox Brown triumphiert 1857, und Millais begeht in moralischer Hinsicht Selbstmord. Die ganze Bewegung von 1850 liegt zwischen diesen beiden Ereignissen. Im Jahr 1846 versucht ein Mann, eine neue Bewegung zu gründen und kann noch keine Armee zusammenstellen, 1857 kehrt jeder zu seiner Besonderheit zurück, wie ein Soldat an den heimischen Herd. Die Truppen werden entlassen, man braucht sie nicht mehr: Die Präraffaeliten haben gesiegt.