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Das Versteck

„Feuer!“, brüllte Drake, während die Kugeln über das Deck pfiffen. „Zielt auf die Geschützluken! Aber nicht zu tief, wir wollen den Pott schließlich nicht versenken! Gebt ihnen eine volle Breitseite.“

Ein tiefer Donner ließ das Schiff erzittern. Aus allen Kanonen der Steuerbordseite rauschten die eisernen Geschosse und gruben sich deutlich oberhalb der Wasserlinie mit entsetzlicher Gewalt in den Bauch der Cacafuego. Die geschlossenen Geschützluken wurden zerfetzt, die Kanonen dahinter zerstört. Parallel griff die Besatzung der Pinasse an. Enterhaken flogen, Schreie wurden laut.

Die Freunde spähten hinter den Fässern hervor und sahen, wie an Bord der Cacafuego das Chaos ausbrach.

„Ergebt euch!“, brüllte Filipe noch einmal, aber nichts dergleichen geschah.

„Die wollen es nicht anders“, rief Drake, der das spanische Musketenfeuer ignorierte. „Sägt ihnen den Fockmast ab!“

Wieder Geschützdonner. Der vordere Mast der Cacafuego wurde getroffen, knickte um und krachte auf die Back. Es regnete Splitter. Beißender Geruch legte sich über die Decks.

Längsseits gehen und entern!“

Keine Minute später rumpelten die beiden Schiffe gegeneinander und die Engländer stürmten das feindliche Schiff. Allen voran Drake, den Säbel gezückt. Von der anderen Seite drängten die Männer aus der Pinasse heran. Die Besatzung der Cacafuego wurde überrumpelt und musste sich ergeben. Nun wagten sich die Freunde an die Reling und schauten hinüber auf das mit Holztrümmern übersäte Oberdeck der Cacafuego.

Breitbeinig stand Drake an der Ruderpinne des spanischen Schatzschiffes, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht, während seine Männer die Besatzung der Cacafuego in Schach hielten.

Jetzt schleppte Diego einen Mann in einer eleganten Uniform heran. „Er ist bestimmt der Käpt’n, Sir!“, sagte Diego stolz, als er seine Beute ablieferte.

Der Spanier, ein großer Mann mit einem stattlichen Schnauzbart, fasste die Enden seiner weißen Jacke mit den goldenen Knöpfen und zog sie ruckartig glatt. Dabei blickte er Drake wutentbrannt an. „Sie müssen Drake sein“, sagte er in gut verständlichem Englisch. Er sprach den Namen aus, als handele es sich um eine ansteckende Krankheit.

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Drake nickte, immer noch lächelnd. „Richtig. Und mit wem habe ich die Ehre?“

„San Juan de Anton“, erwiderte der Spanier und reckte das Kinn vor. „Dieser Überfall wird Sie teuer zu stehen kommen.“

„Nein, er wird Sie teuer zu stehen kommen“, korrigierte Drake ihn schroff. „Männer, durchsucht alle Decks. Auf geht’s!“

„Aye, Sir!“, schallte es ihm aus vielen Kehlen entgegen. Die Piraten teilten sich in zwei Gruppen auf. Ein Teil blieb auf dem Oberdeck, um die Spanier zu bewachen, der andere Teil verschwand im Bauch des Schatzschiffes.

Die Freunde kletterten nun ebenfalls auf das Deck der Cacafuego, hielten sich aber im Hintergrund.

„Dafür wird man Sie an der Rah hängen, Drake“, zischte San Juan de Anton.

Drake blieb ruhig. „Dafür muss man mich erst einmal kriegen.“

„Und, was haben Sie vor? Alle töten, das Schiff versenken und mit der Prise fliehen?“

„Ich bin kein Mörder“, sagte Drake. „Ich werde Ihre Mannschaft freilassen. Und ich werde auch Ihr Schiff verschonen.“ Sein Blick glitt über die Galeone. „Allerdings werde ich Ihren Besanmast kappen lassen. Somit haben Sie nur noch den Hauptmast – und keine Chance, uns zu verfolgen. Diego …“

„Aye, Sir?“

„Fällt den Besanmast. Dann werdet ihr alle übrig gebliebenen Geschütze unbrauchbar machen.“

Ein Leuchten ging augenblicklich über Diegos Gesicht. „Gern, Sir.“

Nun wandte sich Drake wieder an den Spanier. „Und Sie werden uns ein Stück begleiten. Als Lebensversicherung sozusagen. Niemand wird wagen, uns anzugreifen, solange Sie mein Gast sind.“

„Nicht schlecht, der Plan“, sagte Leon ganz leise zu seinen Freunden. Von achtern waren die ersten wuchtigen Axthiebe zu hören. Diego hatte sich an die Arbeit gemacht. „Eigentlich könnten wir die Heimreise antreten, denn schließlich wissen wir jetzt, wie es Drake gelungen ist, die Cacafuego zu entern“, fuhr er fort.

Kim nickte. „Ja, es war ein tollkühner Plan. Die Golden Hind hat den sterbenden Schwan markiert und die Spanier sind drauf reingefallen. Und niemandem ist auch nur ein Haar gekrümmt worden.“

Julian wiegte den Kopf. „Ich weiß nicht, Leute. Wir sollten den Verräter nicht vergessen. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass dieses Abenteuer noch nicht zu Ende ist. Was ist mit den geheimnisvollen Lichtsignalen? Diese Frage haben wir noch nicht beantwortet. Und William hat angekündigt, dass er nicht teilen will.“

„Ja“, gab Leon zu. „Da hast …“

Sein Gemurmel ging in ohrenbetäubendem Jubel unter. Die Piraten stürmten wieder ans Oberdeck, allen voran William.

„Gold, überall Gold!“, schrie er, während ihm die Augen fast aus dem Kopf sprangen.

Hinter ihm drängte John nach. Seine Wangen zierten hektische rote Flecken.

Schließlich humpelte auch Percy heran. Er deutete auf seinen Mund. „Neue Zähne, Jungs, ich lass mir neue Zähne aus dem Gold der Cacafuego machen! Das glaubt mir keiner in der Heimat!“

„Alles Gold raufholen!“, befahl Drake.

Keine zehn Minuten später klatschte der Besanmast der Cacafuego in die ruhige See. Die nächsten zwei Stunden vergingen damit, den Schatz der Cacafuego auf die Golden Hind zu verladen. Insgesamt waren es vierzehn Kisten mit Silbermünzen, achtzig Pfund Gold und sechsundzwanzig Tonnen Silberbarren. Mitten an Deck ließ Drake eine Truhe nach der anderen öffnen. Die Freunde und die Piraten staunten. Der Schatz funkelte vor ihnen in der Sonne. Zumeist waren es Münzen, große und kleine, verziert mit den Köpfen von Königen. Die länglichen Silberbarren schimmerten edel. In anderen Kisten ruhte Schmuck: Ohrhänger und Armreifen, Ringe und Amulette. Die Kisten mit dem Gold aber waren es, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich zogen. In manchem Piratengesicht spiegelte sich die blanke Gier wider, als die Truhendeckel aufschnappten und einen Blick auf die verführerisch schimmernde Pracht erlaubten. Andere, wie Percy, seufzten immer wieder selig.

Auch die Freunde konnten sich kaum des Zaubers erwehren, der von dem Schatz ausging. Immer wieder mussten sie hinschauen. Nur Kija langweilte die Schau. Sie spielte lieber mit dem Ende eines Taus, das sich wunderschön hin und her rollen ließ und sich mitunter wie eine Schlange benahm.

Die Mannschaft feierte Drake – denn jedem war angesichts dieser fast unvorstellbar großen Prise klar, dass er bis ans Ende seines Piratenlebens ausgesorgt hatte.

Zähneknirschend sah San Juan de Anton zu, wie sein Schiff geplündert wurde. Dann machten die Piraten die Geschütze, die die Breitseite der Golden Hind überstanden hatten, unbrauchbar und entwaffneten die spanischen Seeleute, bevor sie – bis auf San Juan de Anton – auf ihrem Schiff zurückgelassen wurden.

Die Golden Hind setzte alle Segel und entfernte sich rasch von der Cacafuego, die im Meer dümpelte wie eine fette, flügellahme Ente. Der spanische Kapitän wurde im Geschützdeck der Golden Hind angekettet.

„Hoffentlich geht die Cacafuego nicht unter. Immerhin hat sie zahlreiche Treffer hinnehmen müssen“, sagte Julian zu John.

„Nein, nein“, erwiderte der junge Pirat. „Alle Treffer waren deutlich über der Wasserlinie. Und jetzt ist die See ruhig. Zudem hat die Mannschaft noch einen Mast. Also, wenn die Spanier tüchtig segeln, können sie die rettende Küste bald erreichen. Ihnen wird nichts geschehen.“

„Du musst es ja wissen“, erwiderte Julian und sah John zu, der fröhlich zum Krähennest hinaufkletterte, geschickt wie ein Eichhörnchen.

Auch auf dem Oberdeck herrschte beste Stimmung. Die Piraten scherzten und lachten. Drake und Filipe hatten wieder ihren Posten auf dem Achterkastell bezogen, Diego bediente die Ruderpinne.

Und die Freunde? Die blieben auf der Hut. Sie hockten sich auf die Back und beratschlagten sich.

„Wenn sich William die Prise unter den Nagel reißen will, braucht er Komplizen“, sagte Kim, während sie mit Kija spielte. Eine harte Zitrone war der Ball. Das Mädchen kullerte sie über das Deck und Kija stürzte sich mit einem Satz darauf. Selbstverständlich brachte sie den Zitronenball nicht zu Kim zurück, Kija war schließlich kein Hund. Nein, Kija behielt das Spielzeug, rollte es zwischen den Pfoten hin und her – und es war Kims Aufgabe, ihr den Ball wieder abzuluchsen.

„Stimmt, es müsste eine regelrechte Meuterei geben“, sagte Julian. „Seht mal, da kommt William gerade.“

Sie beobachteten, wie der Matrose eine Angel auswarf. Kurz darauf gesellte sich Percy zu ihm.

„Will er gucken, wie die Fische anbeißen? Da ist er aber früh dran“, sagte Leon voller Misstrauen. Er begann, an seinem Ohrläppchen zu zupfen.

William warf einen Blick über die Schulter, als wolle er sich vergewissern, dass niemand sie beobachtete. Dann redete er auf Percy ein. Der Smut nickte heftig. Auch er schaute sich mehrfach nervös um, ohne die Gefährten jedoch zu bemerken.

„Meint ihr, dass William und Percy unter einer Decke stecken?“, fragte Julian. Das konnte er sich nicht vorstellen.

Leon zuckte die Schultern. „Schwer zu glauben. Aber hier liegt was in der Luft, darauf würde ich wetten.“

„Wir halten die Augen offen, Jungs“, sagte Kim. Dann griff sie blitzschnell zu und versuchte, die Zitrone zu schnappen. Aber Kija kam ihr zuvor.

Der Abend brach mit einem einzigartigen Sonnenuntergang an. Über dem Horizont hatten sich Haufenwolken gebildet, die in einem Feuerwerk an Farben aufleuchteten. Durch die Risse und Brüche der Wolken schickte die Sonne letzte Lanzen aus feurigem Rot und Orange. Dann senkte sich die Dunkelheit auf die Golden Hind herab.

An Bord des Freibeuterschiffs wurden die Segel eingeholt und die Laternen entzündet. Drake versammelte die Mannschaft vor dem Achterkastell. Nach einem gemeinsamen Gebet brüllte der Kapitän: „Fünffache Rumration für alle! Dieser Tag muss gefeiert werden. Percy, öffne die Fässer, und sei bloß nicht zu geizig!“

Gelächter und Jubel ertönte. Sogar eine Muskete wurde abgefeuert. Und immer wieder ließen die Matrosen ihren Kapitän hochleben. Sogar William war dabei, wie die Freunde feststellten. Dann wurden sie zu Percy unter Deck geschickt, um ihm zu helfen. Wenig später schenkten sie Rum an die Mannschaft aus.

Dabei half ihnen John, der sich, als sie wieder in der Kombüse waren, auch ein Gläschen gönnte. „Mein Gott, schmeckt das grausam“, rief er und schüttelte sich.

Percy lachte lauthals. „Du musst noch ein Glas trinken, Kleiner. Irgendwann fängt es an zu schmecken. Oder du fällst um.“

„Danke, ich verzichte“, erwiderte John schnell.

Percy drückte den Freunden Teller mit fangfrischem Fisch und den üblichen Kartoffeln in die Hände. „Bringt das zum Käpt’n. Und du, John, holst noch ein Rumfässchen.“

Grinsend gingen die Freunde an den feiernden Piraten auf dem Oberdeck vorbei in die Kapitänskajüte, wo sie Drake, Filipe und Diego bewirteten.

„Vergesst unseren spanischen Gast nicht“, mahnte der Kapitän, als die Kinder wieder gingen. „Ich erwarte, dass San Juan de Anton anständig versorgt wird.“

„Aye, Käpt’n“, sagte Leon.

„Alter Streber“, feixte Kim, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten.

„Im Gegensatz zu dir weiß ich eben, was sich an Bord gehört“, erwiderte Leon lachend.

„Und jetzt?“, fragte Julian. „Ich hab keine Lust, wieder in die stickige Kombüse zu gehen.“

„Na ja, hier ist es aber auch nicht besonders gemütlich“, sagte Kim mit Blick auf die trinkenden und krakeelenden Seeleute.

Da nahm Kija ihnen die Entscheidung ab. Sie miaute, und es war einer dieser Maunzer, der besondere Aufmerksamkeit einforderte. Die Katze schaute sie mit ihren klugen Augen der Reihe nach an – und dann lief sie voran, den Schwanz senkrecht nach oben gehoben.

„Ihr nach – oder?“, sagte Julian.

„Na klar“, erwiderte Kim und flitzte los.

Kija sprang den Niedergang hinab, der zum Geschützdeck führte. Doch zur Überraschung der Freunde lief die Katze nicht ganz nach unten zur Kombüse, sondern blieb im Geschützdeck. Sie wandte sich nach achtern und schlich mittschiffs. Plötzlich hielt Kija inne und glitt steuerbord hinter eines der Gestelle mit den Kanonen. Instinktiv machte Kim es ihr nach. Leon und Julian huschten auf der anderen Seite hinter ein Kanonengestell.

Fragend schaute Kim zur Katze. Deren Ohren waren nach vorn gedreht. Und jetzt hörte auch Kim ganz leise Stimmen, die von weiter vorn kamen – von dort, wo ihre Hängematten hingen und der spanische Kapitän angekettet war! Redete der Kapitän mit jemandem? Aber mit wem? Oder führte er Selbstgespräche?

Kim spitzte angestrengt die Ohren, konnte aber nicht verstehen, was gesagt wurde. Sie gab ihren Freunden ein Zeichen und deutete nach vorn. Leon und Julian nickten. Dann glitten sie zur nächsten Kanone. Kim konzentrierte sich. Ja, das war der Spanier, keine Frage – und der andere war, ja, der andere war ohne Zweifel Percy! Was hatten denn die beiden zu besprechen? Kims Herz schlug schneller.

Sie schob die Nase über das Kanonenrohr. Da! Percy saß vor dem am Fuß angeketteten Spanier. Hatte der Smut der Geisel etwas zu essen gebracht? Nein! Kein Teller, kein Glas, nichts! Aber etwas anderes wechselte jetzt den Besitzer. San Juan de Anton zog einen zusammengerollten Zettel aus seiner Jacke und steckte diesen Percy zu.

Der Smut griff an sein Holzbein und begann, daran herumzuschrauben. Kims Augen wurden groß. Percy hatte die Spitze seines Holzbeins geöffnet und die Botschaft darin verschwinden lassen! Jetzt drehte er einen Verschluss auf das Bein, wie eine Kappe auf einen Flaschenhals – und die geheimnisvolle Nachricht war vor allen neugierigen Blicke verborgen. Dann erhob sich der Schiffskoch hastig.

Die Gefährten gingen jetzt blitzschnell wieder in Deckung.

Tock, tock, tock. Der Smut kam auf sie zu.

Kim biss sich auf die Unterlippe. Wenn Percy sie hier entdeckte, würde er unangenehme Fragen stellen. Sie hätten etwas zu essen für den spanischen Kapitän mitnehmen sollen. Dann hätten sie eine vernünftige Erklärung dafür gehabt, was sie hier verloren hatten. Aber für diese Erkenntnis war es jetzt natürlich viel zu spät.

Tock, tock, tock.

Kim machte sich so klein wie möglich. Sie roch das Eisen der Kanone und den Schwefel des Pulvers. Kija schmiegte sich an sie, als wollte sie ihr signalisieren, dass schon nichts passieren würde.

Tock, tock, tock. Jetzt musste Percy gleich an ihnen vorbeihumpeln. Das Mädchen schloss die Augen. Ihre Gedanken rasten. War Percy also doch Williams Komplize? Aber wer noch? Und welche Rolle spielte der spanische Kapitän?

Der Boden neben ihr vibrierte leicht von den schweren Schritten des Smuts. Das Geräusch wurde etwas leiser. Kim riss die Augen auf. Percy war verschwunden. Sie atmete auf. Die drei Freunde verkrümelten sich so schnell wie möglich in eine Ecke im Bugbereich des Geschützdecks, wo sie ungestört waren.

„Habt ihr gesehen, was ich gesehen habe?“, fragte Kim atemlos.

„Natürlich“, entgegnete Julian. „Und das haben wir nur Kija zu verdanken. Sie hat uns erst auf die Spur von Percy gebracht!“

„Ja“, sagte Kim und streichelte Kija unter dem Kinn. Prompt begann die Katze zu schnurren. „Was für ein kluges Tier. Aber ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet Percy ein falsches Spiel spielt.“

„Ich auch nicht“, erwiderte Leon. „Und mich würde brennend interessieren, was auf dem Zettel steht! Aber da kommen wir nie im Leben ran. Das Versteck ist ziemlich genial.“

Julian machte ein nachdenkliches Gesicht. „Stimmt, aber ich denke schon, dass wir eine Chance haben.“

Leon schaute ihn überrascht an. „Was hast du vor?“

„Nun, normalerweise würde uns Percy wohl keinen Blick in sein Holzbein gestatten. Aber wenn er betrunken ist und schläft …“

Kim schüttelte energisch den Kopf. „Das ist viel zu gefährlich.“

Julian lächelte. „Ein gewisses Risiko besteht natürlich. Aber wir können doch zumindest mal nachsehen, ob Percy überhaupt betrunken genug ist.“

Die diesbezüglichen Zweifel der Freunde wurden schnell zerstreut. Denn auch der Smut zechte kräftig mit. Zudem hatte er den Vorteil, an der Quelle zu sitzen. Denn er war nicht nur der Herr der Kombüse, sondern auch der der Vorräte. Und jedes Fässchen Rum, das seinen Weg aus der Vorratskammer ans Oberdeck antrat, wurde erst mal von Percy begutachtet. Der Smut öffnete es und probierte den Inhalt ziemlich ausgiebig. Mit dem Ergebnis, dass er als Erster Schlagseite hatte wie ein leckgeschlagenes Segelschiff auf hoher See. Percy sang laut und schräg Seemannslieder und pendelte zwischen seinen Freunden am Oberdeck und der Kombüse hin und her.

Doch schließlich, es war bereits früher Morgen, schaffte Percy es nach einer weiteren intensiven Geschmacksprobe nicht mehr, die Niedergänge hinaufzuhinken. Er sackte auf einem Stuhl in der Kombüse zusammen, lehnte den Kopf gegen die Bordwand und begann zu schnarchen, dass die Deckel auf seinen Töpfen klapperten.

Die Freunde hatten den Smut nicht aus den Augen gelassen. Jetzt standen sie nur wenige Schritte von ihm entfernt. Praktischerweise hatte Percy das Holzbein ausgestreckt. Sie brauchten nur den Verschluss aufzudrehen …

„Jetzt“, wisperte Julian. „Jetzt müssen wir es wagen.“

„Bist du dir sicher?“, flüsterte Kim.

„Klar“, sagte Julian, wobei seine Stimme etwas zitterte, und setzte sich vor Percy auf die Planken.

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