Höhepunkte
1) Die Hebamme hat gesagt, Ottilie entwickelt sich ganz toll. (Trotz der Flaschenmilch. Vielleicht kriegt sie ja doch keine Neurodermitis!)
2) Papa hat heute den Pizzaservice kommen lassen.
Tiefpunkte
1) Hab in der kleinen Pause mitbekommen, wie Hanna sich mit Sophie, Katja und Franzi für heute Nachmittag im Schwimmbad verabredet hat. Mich haben sie nicht gefragt.
2) Hanna hat mich nach Schulschluss bei den Fahrradständern abgepasst. Aber nicht, um mir wegen des Schwimmbads Bescheid zu sagen, sondern nur, um mir mitzuteilen, dass sie erst wieder mit mir redet, wenn ich ihr helfe, dass Scharina nicht mit in unser Zelt kommt. Ich hab gesagt, dass ich nicht wüsste, was man dagegen machen soll. Daraufhin hat sie gesagt, sie hätte schon einen Plan, und wenn ich nicht mitmachen würde, würde sie mit bei der dicken Jette im Zelt schlafen. Und ich könnte sehen, wo ich mit Scharina, der Lesbe, bleibe. Ich hab daraufhin nichts mehr gesagt. Ich bin eine MIESE FEIGE Opportouristin!!!8 (Aber ich will in Zukunft nicht allein ins Schwimmbad!!)
3) Nur noch fünf Tage, bis Papa wieder arbeitet und ich mit Mama und meiner neuen Schwester allein zu Hause bin. Ich entwickele zunehmend Paranoia (tolles Wort, passt echt zu vielem).
4) Hanna hat mich eben am Telefon als Liebesboten auserkoren! Schlimmer kann’s nicht kommen …
Scharina war heute nett zu mir und das war fast noch ätzender als Hannas böse Blicke und die Sache mit dem Schwimmbad. Hab die halbe Nacht nicht geschlafen (obwohl Ottilie nur zweimal geschrien hat) und war irgendwann so fertig mit den Nerven, dass ich Hanna angerufen und mich entschuldigt habe. Hanna hat sich erst geziert, aber dann hat sie gesagt, sie würde mir unter zwei Bedingungen verzeihen: Erstens wenn ich ihr mit Ben helfe und zweitens wenn ich bei ihrem Plan in Sachen Scharina mitmache. Dabei hat sie mir noch immer nicht gesagt, worin ihr Plan überhaupt besteht. Tolle Wurst!
Als wenn die Sache mit Ben nicht schon schlimm genug wäre. Hanna hat nämlich beschlossen, sich ihm endlich »zu erklären«. (Hat sie echt so gesagt!) Sie hat Ben einen Brief geschrieben, den ich nicht lesen darf, aber ich kann mir schon denken, was drin steht. (Garantiert, dass sie in ihn verliebt ist.) In meinen Augen macht sie damit einen Riesenfehler! Ich bin mir zu 98,9% sicher, dass Ben nicht im Mindesten in sie verliebt ist, und eines der wichtigsten Dinge, die Mama mir je beigebracht hat, ist, dass man nie, nie, niemals einem Jungen seine Liebe »erklären« sollte, wenn man sich nicht absolut sicher ist, dass der auch in einen verliebt ist. Das ALLERPEINLICHSTE an dieser bescheuerten Liebesbrief-Aktion ist, dass Hanna sich plötzlich nicht mehr traut, Ben den Brief zu geben, und dass ich ihn ihm deshalb geben soll! Und das nur, weil ich neben ihm wohne!
Bisher ist Ben immer ganz okay zu mir gewesen, aber wenn ich ihm jetzt diesen bekloppten Brief gebe, denkt er bei meinem Anblick garantiert immer nur an Hannas Liebesbeteuerungen. Und dann kann ich jeden Morgen fünf Minuten früher aus dem Haus gehen, nur um ihm auf dem Schulweg nicht zu begegnen. Ich hab wie eine Blöde auf Hanna eingeredet und ihr gesagt, dass sie Gefahr läuft, von Ben wegen des Briefs im besten Fall geschnitten und im schlimmsten Fall megamäßig verarscht zu werden. Weißt du, was sie daraufhin zu mir gesagt hat?! Ich sei ja nur eifersüchtig.
Hanna hat echt zwei Seiten. Wenn sie gerade gut drauf ist, dann ist sie eine wirklich gute Freundin, wie vor ein paar Wochen, als ich ein Computerspiel von ihr kaputt gemacht habe und richtig Angst davor hatte, dass sie mir jetzt den Kopf abreißt, und sie stattdessen nur gesagt hat, das wäre überhaupt nicht schlimm, weil ihre Eltern ihr das bestimmt noch mal kaufen. Bei solchen Sachen ist sie wirklich obernett und so großzügig, dass es einem beinahe schon peinlich ist. (Katja hat sie neulich ihre pinke Daunenweste geschenkt, einfach so, weil sie fand, dass die ihr besser steht als ihr.) Aber wehe, man macht einmal nicht das, was sie will – dann kann sie so ätzend werden, dass es einem richtig Angst einjagt. Das ist dann so, als ob bei ihr ein Schalter umkippt. Und ehrlich – ich finde, dass der Schalter in letzter Zeit ein bisschen zu häufig umkippt.
8 Opportouristin = Das Wort hab ich von Mumi. Mumi meint, ein Opportourist ist jemand, der jemand anderem aus Feigheit recht gibt, auch wenn der andere gar nicht recht hat.