Vierter Akt

Hochgebirg,

starre zackige Felsengipfel,

eine Wolke zieht herbei, lehnt sich an, senkt sich auf eine
vorstehende Platte herab. Sie teilt sich
.

FAUST (tritt hervor).

Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß,

10040

Betret ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum,

Entlassend meiner Wolke Tragewerk, die mich sanft

An klaren Tagen über Land und Meer geführt.

Sie löst sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab.

Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug,

10045

Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach.

Sie teilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich.

Doch will sich’s modeln. Ja! das Auge trügt mich nicht! –

Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt,

Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Frau’ngebild,

10050

Ich seh’s! Junonen ähnlich, Leda’n, Helenen,

Wie majestätisch lieblich mir’s im Auge schwankt.

Ach! schon verrückt sich’s! formlos breit und aufgetürmt,

Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich,

Und spiegelt blendend flücht’ger Tage großen Sinn.

10055

Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif

Noch Brust und Stirn, erheiternd, kühl und schmeichelhaft.

Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf,

Fügt sich zusammen. – Täuscht mich ein entzückend Bild,

Als jugenderstes, längstentbehrtes höchstes Gut?

10060

Des tiefsten Herzens frühste Schätze quellen auf,

Aurorens Liebe, leichten Schwung, bezeichnet’s mir,

Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick,

Der, festgehalten, überglänzte jeden Schatz.

Wie Seelenschönheit steigert sich die holde Form,

10065

Löst sich nicht auf, erhebt sich in den Äther hin,

Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort.

Ein Siebenmeilenstiefel tappt auf. Ein anderer folgt alsbald. MEPHISTOPHELES steigt ab. Die Stiefel schreiten eilig weiter.

MEPHISTOPHELES.

Das heiß ich endlich vorgeschritten!

Nun aber sag, was fällt dir ein?

Steigst ab in solcher Greuel Mitten,

10070

Im grässlich gähnenden Gestein?

Ich kenn es wohl, doch nicht an dieser Stelle,

Denn eigentlich war das der Grund der Hölle.

FAUST.

Es fehlt dir nie an närrischen Legenden,

Fängst wieder an dergleichen auszuspenden.

MEPHISTOPHELES (ernsthaft).

10075

Als Gott der Herr – Ich weiß auch wohl warum –

Uns, aus der Luft, in tiefste Tiefen bannte,

Da, wo zentralisch glühend, um und um,

Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte,

Wir fanden uns bei allzu großer Hellung,

10080

In sehr gedrängter unbequemer Stellung.

Die Teufel fingen sämtlich an zu husten,

Von oben und von unten aus zu pusten;

Die Hölle schwoll von Schwefelstank und Säure,

Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure,

10085

Sodass gar bald der Länder flache Kruste,

So dick sie war, zerkrachend bersten musste.

Nun haben wir’s an einem andern Zipfel,

Was ehmals Grund war ist nun Gipfel.

Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren

10090

Das Unterste ins Oberste zu kehren.

Denn wir entrannen knechtisch-heißer Gruft,

Ins Übermaß der Herrschaft freier Luft.

Ein offenbar Geheimnis wohlverwahrt

Und wird nur spät den Völkern offenbart.

(Ephes. 6,12.)

10095

FAUST. Gebirgesmasse bleibt mir edel-stumm,

Ich frage nicht woher und nicht warum?

Als die Natur sich in sich selbst gegründet,

Da hat sie rein den Erdball abgeründet.

Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut,

10100

Und Fels an Fels und Berg an Berg gereiht;

Die Hügel dann bequem hinabgebildet,

Mit sanftem Zug sie in das Tal gemildet.

Da grünt’s und wächst’s, und um sich zu erfreuen

Bedarf sie nicht der tollen Strudeleien.

MEPHISTOPHELES.

10105

Das sprecht Ihr so! Das scheint Euch sonnenklar.

Doch weiß es anders der zugegen war.

Ich war dabei, als noch da drunten, siedend,

Der Abgrund schwoll und strömend Flammen trug,

Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend,

10110

Gebirgestrümmer in die Ferne schlug.

Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen;

Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?

Der Philosoph er weiß es nicht zu fassen,

Da liegt der Fels, man muss ihn liegen lassen,

10115

Zuschanden haben wir uns schon gedacht. –

Das treu-gemeine Volk allein begreift

Und lässt sich im Begriff nicht stören;

Ihm ist die Weisheit längst gereift:

Ein Wunder ist’s, der Satan kommt zu Ehren.

10120

Mein Wandrer hinkt, an seiner Glaubenskrücke,

Zum Teufelsstein, zur Teufelsbrücke.

FAUST. Es ist doch auch bemerkenswert zu achten,

Zu sehn wie Teufel die Natur betrachten.

MEPHISTOPHELES. Was geht mich’s an! Natur sei wie sie sei!

10125

’s ist Ehrenpunkt! – Der Teufel war dabei.

Wir sind die Leute Großes zu erreichen;

Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! –

Doch, dass ich endlich ganz verständlich spreche,

Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche?

10130

Du übersahst, in ungemessnen Weiten,

Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten;

   (Matth. 4.)

Doch, ungenügsam wie du bist,

Empfandest du wohl kein Gelüst?

FAUST. Und doch! ein Großes zog mich an.

Errate!

MEPHISTOPHELES.

10135

Das ist bald getan.

Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,

Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus,

Krummenge Gässchen, spitze Giebeln,

Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln;

10140

Fleischbänke wo die Schmeißen hausen

Die fetten Braten anzuschmausen;

Da findest du zu jeder Zeit

Gewiss Gestank und Tätigkeit.

Dann weite Plätze, breite Straßen,

10145

Vornehmen Schein sich anzumaßen;

Und endlich, wo kein Tor beschränkt,

Vorstädte grenzenlos verlängt.

Da freut’ ich mich an Rollekutschen,

Am lärmigen Hin- und Widerrutschen,

10150

Am ewigen Hin- und Widerlaufen,

Zerstreuter Ameis-Wimmelhaufen.

Und, wenn ich führe, wenn ich ritte,

Erschien’ ich immer ihre Mitte

Von Hunderttausenden verehrt.

FAUST.

10155

Das kann mich nicht zufrieden stellen!

Man freut sich dass das Volk sich mehrt,

Nach seiner Art behäglich nährt,

Sogar sich bildet sich belehrt,

Und man erzieht sich nur Rebellen.

MEPHISTOPHELES.

10160

Dann baut’ ich, grandios, mir selbst bewusst,

Am lustigen Ort ein Schloss zur Lust.

Wald, Hügel, Flächen, Wiesen, Feld

Zum Garten prächtig umbestellt.

Vor grünen Wänden Sammetmatten,

10165

Schnurwege, kunstgerechte Schatten,

Kaskadensturz, durch Fels zu Fels gepaart,

Und Wasserstrahlen aller Art;

Ehrwürdig steigt es dort, doch an den Seiten,

Da zischt’s und pisst’s, in tausend Kleinigkeiten.

10170

Dann aber ließ’ ich allerschönsten Frauen,

Vertraut-bequeme Häuslein bauen;

Verbrächte da grenzenlose Zeit

In allerliebst-geselliger Einsamkeit.

Ich sage Frau’n; denn, ein für allemal,

10175

Denk ich die Schönen im Plural.

FAUST. Schlecht und modern! Sardanapal!

MEPHISTOPHELES. Errät man wohl wornach du strebtest?

Es war gewiss erhaben kühn.

Der du dem Mond um so viel näher schwebtest,

10180

Dich zog wohl deine Sucht dahin?

FAUST. Mitnichten! Dieser Erdenkreis

Gewährt noch Raum zu großen Taten.

Erstaunenswürdiges soll geraten,

Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß.

MEPHISTOPHELES.

10185

Und also willst du Ruhm verdienen?

Man merkt’s du kommst von Heroinen.

FAUST. Herrschaft gewinn ich, Eigentum!

Die Tat ist alles, nichts der Ruhm.

MEPHISTOPHELES. Doch werden sich Poeten finden,

10190

Der Nachwelt deinen Glanz zu künden,

Durch Torheit Torheit zu entzünden.

FAUST. Von allem ist dir nichts gewährt.

Was weißt du was der Mensch begehrt?

Dein widrig Wesen, bitter, scharf,

10195

Was weiß es was der Mensch bedarf.

MEPHISTOPHELES. Geschehe denn nach deinem Willen!

Vertraue mir den Umfang deiner Grillen.

FAUST. Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen;

Es schwoll empor, sich in sich selbst zu türmen.

10200

Dann ließ es nach und schüttete die Wogen,

Des flachen Ufers Breite zu bestürmen.

Und das verdross mich. Wie der Übermut

Den freien Geist, der alle Rechte schätzt,

Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut,

10205

Ins Missbehagen des Gefühls versetzt.

Ich hielt’s für Zufall, schärfte meinen Blick,

Die Woge stand und rollte dann zurück,

Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;

Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.

MEPHISTOPHELES (ad Spectatores).

10210

Da ist für mich nichts Neues zu erfahren,

Das kenn ich schon seit hunderttausend Jahren.

FAUST (leidenschaftlich fortfahrend).

Sie schleicht heran, an abertausend Enden

Unfruchtbar selbst Unfruchtbarkeit zu spenden,

Nun schwillt’s und wächst und rollt und überzieht

10215

Der wüsten Strecke widerlich Gebiet.

Da herrschet Well auf Welle kraftbegeistet,

Zieht sich zurück und es ist nichts geleistet.

Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte,

Zwecklose Kraft, unbändiger Elemente!

10220

Da wagt mein Geist sich selbst zu überfliegen,

Hier möcht ich kämpfen, dies möcht ich besiegen.

Und es ist möglich, flutend wie sie sei,

An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbei;

Sie mag sich noch so übermütig regen,

10225

Geringe Höhe ragt ihr stolz entgegen,

Geringe Tiefe zieht sie mächtig an.

Da fasst ich schnell im Geiste Plan auf Plan:

Erlange dir das köstliche Genießen

Das herrische Meer vom Ufer auszuschließen,

10230

Der feuchten Breite Grenzen zu verengen

Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drängen.

Schon Schritt für Schritt wusst ich mir’s zu erörtern;

Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern.

(Trommeln und kriegerische Musik im Rücken der Zuschauer, aus der Ferne, von der rechten Seite her.)

MEPHISTOPHELES.

Wie leicht ist das! Hörst du die Trommeln fern?

FAUST.

10235

Schon wieder Krieg! der Kluge hört’s nicht gern.

MEPHISTOPHELES.

Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen

Zu seinem Vorteil etwas auszuziehen.

Man passt, man merkt auf jedes günstige Nu.

Gelegenheit ist da, nun, Fauste greife zu.

10240

FAUST. Mit solchem Rätselkram verschone mich!

Und kurz und gut, was soll’s? Erkläre dich.

MEPHISTOPHELES.

Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen

Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen,

Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,

10245

Ihm falschen Reichtum in die Hände spielten,

Da war die ganze Welt ihm feil.

Denn jung ward ihm der Thron zuteil,

Und ihm beliebt’ es falsch zu schließen:

Es könne wohl zusammengehn,

10250

Und sei recht wünschenswert und schön,

Regieren und zugleich genießen.

FAUST. Ein großer Irrtum. Wer befehlen soll,

Muss im Befehlen Seligkeit empfinden.

Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,

10255

Doch was er will, es darf’s kein Mensch ergründen.

Was er den Treusten in das Ohr geraunt,

Es ist getan und alle Welt erstaunt.

So wird er stets der Allerhöchste sein,

Der Würdigste –, Genießen macht gemein.

MEPHISTOPHELES.

10260

So ist er nicht! Er selbst genoss und wie?

Indes zerfiel das Reich in Anarchie,

Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten,

Und Brüder sich vertrieben, töteten.

Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt,

10265

Zunft gegen Adel – Fehde hat,

Der Bischof mit Kapitel und Gemeinde;

Was sich nur ansah waren Feinde.

In Kirchen Mord und Totschlag, vor den Toren

Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren.

10270

Und allen wuchs die Kühnheit nicht gering;

Denn leben hieß sich wehren – Nun das ging.

FAUST.

Es ging, es hinkte, fiel, stand wieder auf;

Dann überschlug sich’s, rollte plump zuhauf.

MEPHISTOPHELES.

Und solchen Zustand durfte niemand schelten,

10275

Ein jeder konnte, jeder wollte gelten.

Der Kleinste selbst er galt für voll.

Doch war’s zuletzt den Besten allzu toll.

Die Tüchtigen sie standen auf mit Kraft

Und sagten: Herr ist der uns Ruhe schafft.

10280

Der Kaiser kann’s nicht, will’s nicht – lasst uns wählen,

Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen,

Indem er jeden sicher stellt,

In einer frisch geschaffnen Welt

Fried’ und Gerechtigkeit vermählen.

FAUST. Das klingt sehr pfäffisch.

10285

MEPHISTOPHELES.                 Pfaffen waren’s auch,

Sie sicherten den wohlgenährten Bauch.

Sie waren mehr als andere beteiligt.

Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt;

Und unser Kaiser, den wir froh gemacht,

10290

Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht.

FAUST. Er jammert mich, er war so gut und offen.

MEPHISTOPHELES.

Komm, sehn wir zu, der Lebende soll hoffen.

Befrein wir ihn aus diesem engen Tale!

Einmal gerettet ist’s für tausend Male.

10295

Wer weiß wie noch die Würfel fallen?

Und hat er Glück so hat er auch Vasallen.

(Sie steigen über das Mittelgebirg herüber und beschauen die Anordnung des Heeres im Tal. Trommeln und Kriegsmusik schallt von unten auf.)

MEPHISTOPHELES.

Die Stellung, seh ich, gut ist sie genommen,

Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.

FAUST. Was kann da zu erwarten sein?

10300

Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein.

MEPHISTOPHELES.

Kriegslist um Schlachten zu gewinnen!

Befestige dich bei großen Sinnen,

Indem du deinen Zweck bedenkst.

Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,

10305

So kniest du nieder und empfängst

Die Leh’n von grenzenlosem Strande.

FAUST. Schon manches hast du durchgemacht,

Nun, so gewinn auch eine Schlacht.

MEPHISTOPHELES. Nein, du gewinnst sie! Dieses Mal

10310

Bist du der Obergeneral.

FAUST. Das wäre mir die rechte Höhe

Da zu befehlen wo ich nichts verstehe.

MEPHISTOPHELES.

Lass du den Generalstab sorgen

Und der Feldmarschall ist geborgen.

10315

Kriegsunrat hab ich längst verspürt,

Den Kriegsrat gleich voraus formiert,

Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;

Wohl dem der sie zusammenrafft.

FAUST.

Was seh ich dort was Waffen trägt?

10320

Hast du das Bergvolk aufgeregt?

MEPHISTOPHELES.

Nein! aber, gleich Herrn Peter Squenz,

Vom ganzen Prass die Quintessenz.

DIE DREI GEWALTIGEN treten auf.

(Sam. II,23,8.)

MEPHISTOPHELES. Da kommen meine Bursche ja!

Du siehst, von sehr verschiedenen Jahren,

10325

Verschiednem Kleid und Rüstung sind sie da,

Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren.

(Ad Spectatores.) Es liebt sich jetzt ein jedes Kind

Den Harnisch und den Ritterkragen;

Und, allegorisch wie die Lumpe sind,

10330

Sie werden nur um desto mehr behagen.

RAUFEBOLD (jung, leicht bewaffnet, bunt gekleidet).

Wenn einer mir ins Auge sieht

Werd ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren,

Und eine Memme wenn sie flieht

Fass ich bei ihren letzten Haaren.

HABEBALD (männlich, wohlbewaffnet, reich gekleidet).

10335

So leere Händel das sind Possen,

Damit verdirbt man seinen Tag;

Im Nehmen sei nur unverdrossen,

Nach allem andern frag hernach.

HALTEFEST (bejahrt, stark bewaffnet, ohne Gewand).

Damit ist auch nicht viel gewonnen,

10340

Bald ist ein großes Gut zerronnen,

Es rauscht im Lebensstrom hinab.

Zwar nehmen ist recht gut doch besser ist’s behalten;

Lass du den grauen Kerl nur walten

Und niemand nimmt dir etwas ab.

(Sie steigen allzusammen tiefer.)

Auf dem Vorgebirg

Trommeln und kriegerische Musik von unten. Des Kaisers Zelt wird aufgeschlagen.

KAISER. OBERGENERAL. TRABANTEN.

OBERGENERAL.

10345

Noch immer scheint der Vorsatz wohlerwogen

Dass wir, in dies gelegene Tal,

Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen,

Ich hoffe fest uns glückt die Wahl.

KAISER. Wie es nun geht, es muss sich zeigen;

10350

Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen.

OBERGENERAL.

Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke.

Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke;

Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich,

Den Unsern vorteilhaft, dem Feind verfänglich.

10355

Wir, halb versteckt, auf wellenförmigem Plan;

Die Reiterei sie wagt sich nicht heran.

KAISER. Mir bleibt nichts übrig als zu loben;

Hier kann sich Arm und Brust erproben.

OBERGENERAL.

Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten,

10360

Siehst du den Phalanx, wohlgemut zu streiten.

Die Piken blinken flimmernd in der Luft,

Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.

Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat!

Zu Tausenden glüht’s hier auf große Tat.

10365

Du kannst daran der Masse Kraft erkennen,

Ich trau ihr zu der Feinde Kraft zu trennen.

KAISER.

Den schönen Blick hab ich zum ersten Mal.

Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl.

OBERGENERAL.

Von unsrer Linken hab ich nichts zu melden,

10370

Den starren Fels besetzen wackere Helden.

Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt,

Den wichtigen Pass der engen Klause schützt.

Ich ahne schon hier scheitern Feindeskräfte

Unvorgesehn im blutigen Geschäfte.

KAISER.

10375

Dort ziehn sie her die falschen Anverwandten,

Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten,

Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,

Dem Zepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten;

Dann, unter sich entzweit, das Reich verheerten,

10380

Und nun gesamt sich gegen mich empörten.

Die Menge schwankt im ungewissen Geist,

Dann strömt sie nach wohin der Strom sie reißt.

OBERGENERAL.

Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,

Kommt eilig felsenab; sei’s ihm geglückt!

ERSTER KUNDSCHAFTER.

10385

Glücklich ist sie uns gelungen,

Listig, mutig unsre Kunst,

Dass wir hin und her gedrungen;

Doch wir bringen wenig Gunst.

Viele schwören reine Huldigung

10390

Dir, wie manche treue Schar,

Doch Untätigkeits-Entschuldigung:

Innere Gärung, Volksgefahr.

KAISER. Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,

Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre.

10395

Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll,

Dass Nachbars Hausbrand euch verzehren soll.

OBERGENERAL.

Der Zweite kommt, nur langsam steigt er nieder,

Dem müden Manne zittern alle Glieder.

ZWEITER KUNDSCHAFTER.

10400

Erst gewahrten wir vergnüglich

Wilden Wesens irren Lauf;

Unerwartet, unverzüglich

Trat ein neuer Kaiser auf.

Und auf vorgeschriebnen Bahnen

Zieht die Menge durch die Flur;

10405

Den entrollten Lügenfahnen

Folgen alle. – Schafsnatur!

KAISER. Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn,

Nun fühl ich erst dass Ich der Kaiser bin.

Nur als Soldat legt ich den Harnisch an,

10410

Zu höherem Zweck ist er nun umgetan.

Bei jedem Fest, wenn’s noch so glänzend war,

Nichts ward vermisst, mir fehlte die Gefahr.

Wie ihr auch seid zum Ringspiel rietet ihr,

Mir schlug das Herz ich atmete Turnier.

10415

Und hättet ihr mir nicht vom Kriegen abgeraten,

Jetzt glänzt’ ich schon in lichten Heldentaten.

Selbstständig fühlt ich meine Brust besiegelt,

Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt,

Das Element drang grässlich auf mich los,

10420

Es war nur Schein, allein der Schein war groß.

Von Sieg und Ruhm hab ich verwirrt geträumt,

Ich bringe nach was frevelhaft versäumt.

(Die Herolde werden abgefertigt zu Herausforderung des Gegenkaisers.)

FAUST, geharnischt mit halbgeschlossnem Helme.
DIE DREI GEWALTIGEN, gerüstet und gekleidet wie oben.

FAUST. Wir treten auf, und hoffen ungescholten;

Auch ohne Not hat Vorsicht wohl gegolten.

10425

Du weißt das Bergvolk denkt und simuliert,

Ist in Natur- und Felsenschrift studiert.

Die Geister, längst dem flachen Land entzogen,

Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.

Sie wirken still durch labyrinthische Klüfte,

10430

Im edlen Gas, metallisch reicher Düfte;

In stetem Sondern, Prüfen und Verbinden,

Ihr einziger Trieb ist Neues zu erfinden.

Mit leisem Finger geistiger Gewalten,

Erbauen sie durchsichtige Gestalten;

10435

Dann im Kristall und seiner ewigen Schweignis

Erblicken sie der Oberwelt Ereignis.

KAISER. Vernommen hab ich’s und ich glaube dir;

Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier?

FAUST.

Der Negromant von Norcia, der Sabiner,

10440

Ist dein getreuer ehrenhafter Diener.

Welch greulich Schicksal droht’ ihm ungeheuer,

Das Reisig prasselte, schon züngelte das Feuer;

Die trocknen Scheite, rings umher verschränkt,

Mit Pech und Schwefelruten untermengt;

10445

Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten,

Die Majestät zersprengte glühende Ketten.

Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,

Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.

Von jener Stund an ganz vergaß er sich,

10450

Er fragt den Stern, die Tiefe nur für dich.

Er trug uns auf, als eiligstes Geschäfte,

Bei dir zu stehn. Groß sind des Berges Kräfte;

Da wirkt Natur so übermächtig frei,

Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberei.

KAISER.

10455

Am Freudentag wenn wir die Gäste grüßen,

Die heiter kommen heiter zu genießen,

Da freut uns jeder wie er schiebt und drängt,

Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt.

Doch höchst willkommen muss der Biedre sein,

10460

Tritt er als Beistand kräftig zu uns ein,

Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet,

Weil über ihr des Schicksals Waage schaltet.

Doch lenket hier, im hohen Augenblick,

Die starke Hand vom willigen Schwert zurück:

10465

Ehrt den Moment, wo manche Tausend schreiten,

Für oder wider mich, zu streiten.

Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron begehrt

Persönlich sei er solcher Ehren wert.

Sei das Gespenst, das gegen uns erstanden

10470

Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,

Des Heeres Herzog, Lehnsherr unsrer Großen,

Mit eigner Faust ins Totenreich gestoßen.

FAUST. Wie es auch sei das Große zu vollenden,

Du tust nicht wohl dein Haupt so zu verpfänden.

10475

Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt,

Er schützt das Haupt das unsern Mut entzückt.

Was, ohne Haupt, was förderten die Glieder?

Denn schläfert jenes, alle sinken nieder;

Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,

10480

Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet.

Schnell weiß der Arm sein starkes Recht zu nützen,

Er hebt den Schild den Schädel zu beschützen,

Das Schwert gewahret seiner Pflicht sogleich,

Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich;

10485

Der tüchtige Fuß nimmt teil an ihrem Glück,

Setzt dem Erschlagenen frisch sich ins Genick.

KAISER. Das ist mein Zorn, so möcht ich ihn behandeln,

Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln.

HEROLDE (kommen zurück).

Wenig Ehre wenig Geltung

10490

Haben wir daselbst genossen,

Unsrer kräftig edlen Meldung

Lachten sie als schaler Possen:

»Euer Kaiser ist verschollen,

Echo dort im engen Tal;

10495

Wenn wir sein gedenken sollen,

Märchen sagt: – Es war einmal.«

FAUST. Dem Wunsch gemäß der Besten ist’s geschehn,

Die, fest und treu, an deiner Seite stehn.

Dort naht der Feind, die Deinen harren brünstig,

10500

Befiehl den Angriff, der Moment ist günstig.

KAISER. Auf das Kommando leist ich hier Verzicht.

(Zum Oberfeldherrn.)

In deinen Händen, Fürst, sei deine Pflicht.

OBERGENERAL. So trete denn der rechte Flügel an!

Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,

10505

Soll, eh sie noch den letzten Schritt getan,

Der Jugendkraft geprüfter Treue weichen.

FAUST. Erlaube denn dass dieser muntre Held

Sich ungesäumt in deine Reihen stellt,

Sich deinen Reihen innigst einverleibt,

10510

Und, so gesellt, sein kräftig Wesen treibt.

(Er deutet zur Rechten.)

RAUFEBOLD (tritt vor).

Wer das Gesicht mir zeigt der kehrt’s nicht ab

Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken,

Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp

Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd grass im Nacken.

10515

Und schlagen deine Männer dann

Mit Schwert und Kolben wie ich wüte,

So stürzt der Feind, Mann über Mann,

Ersäuft im eigenen Geblüte. (Ab.)

OBERGENERAL.

Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,

10520

Dem Feind begegn’ er, klug mit aller Macht,

Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert,

Der Unseren Streitkraft ihren Plan erschüttert.

FAUST (auf den Mittelsten deutend).

So folge denn auch dieser deinem Wort.

Er ist behend, reißt alles mit sich fort.

HABEBALD (tritt hervor).

10525

Dem Heldenmut der Kaiserscharen

Soll sich der Durst nach Beute paaren;

Und allen sei das Ziel gestellt:

Des Gegenkaisers reiches Zelt.

Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,

10530

Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze.

EILEBEUTE (Marketenderin, sich an ihn anschmiegend).

Bin ich auch ihm nicht angeweibt,

Er mir der liebste Buhle bleibt.

Für uns ist solch ein Herbst gereift!

Die Frau ist grimmig wenn sie greift,

10535

Ist ohne Schonung wenn sie raubt;

Im Sieg voran! und alles ist erlaubt.

(Beide ab.)

OBERGENERAL. Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,

Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn

Wird, Mann für Mann, dem wütenden Beginnen

10540

Den engen Pass des Felswegs zu gewinnen.

FAUST (winkt nach der Linken).

So bitte Herr auch diesen zu bemerken,

Es schadet nichts wenn Starke sich verstärken.

HALTEFEST (tritt vor).

Dem linken Flügel keine Sorgen!

Da wo ich bin ist der Besitz geborgen,

10545

In ihm bewähret sich der Alte,

Kein Strahlblitz spaltet was ich halte. (Ab.)

MEPHISTOPHELES (von oben herunterkommend).

Nun schauet wie im Hintergrunde,

Aus jedem zackigen Felsenschlunde,

Bewaffnete hervor sich drängen,

10550

Die schmalen Pfade zu verengen.

Mit Helm und Harnisch, Schwertern, Schilden,

In unserm Rücken eine Mauer bilden,

Den Wink erwartend zuzuschlagen.

(Leise zu den Wissenden.)

Woher das kommt müsst ihr nicht fragen.

10555

Ich habe freilich nicht gesäumt

Die Waffensäle ringsum ausgeräumt;

Da standen sie zu Fuß zu Pferde,

Als wären sie noch Herrn der Erde,

Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser,

10560

Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhäuser.

Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,

Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.

Welch Teufelchen auch drinne steckt,

Für diesmal macht es doch Effekt.

10565

(Laut.) Hört wie sie sich voraus erbosen,

Blechklappernd aneinander stoßen!

Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten,

Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.

Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereit

10570

Und mischte gern sich auch zum neuen Streit.

(Furchtbarer Posaunenschall von oben, im feindlichen Heere merkliche Schwankung.)

FAUST. Der Horizont hat sich verdunkelt,

Nur hie und da bedeutend funkelt

Ein roter ahnungsvoller Schein;

Schon blutig blinken die Gewehre,

10575

Der Fels, der Wald, die Atmosphäre,

Der ganze Himmel mischt sich ein.

MEPHISTOPHELES.

Die rechte Flanke hält sich kräftig;

Doch seh ich, ragend unter diesen,

Hans Raufbold, den behenden Riesen,

10580

Auf seine Weise rasch geschäftig.

KAISER. Erst sah ich Einen Arm erhoben,

Jetzt seh ich schon ein Dutzend toben,

Naturgemäß geschieht es nicht.

FAUST.

Vernahmst du nichts von Nebelstreifen

10585

Die auf Siziliens Küsten schweifen?

Dort, schwankend klar, im Tageslicht,

Erhoben zu den Mittellüften,

Gespiegelt in besondern Düften,

Erscheint ein seltsames Gesicht.

10590

Da schwanken Städte hin und wider,

Da steigen Gärten auf und nieder,

Wie Bild um Bild den Äther bricht.

KAISER. Doch wie bedenklich! Alle Spitzen

Der hohen Speere seh ich blitzen;

10595

Auf unsrer Phalanx blanken Lanzen

Seh ich behende Flämmchen tanzen.

Das scheint mir gar zu geisterhaft.

FAUST. Verzeih, o Herr, das sind die Spuren

Verschollner geistiger Naturen,

10600

Ein Widerschein der Dioskuren,

Bei denen alle Schiffer schwuren,

Sie sammeln hier die letzte Kraft.

KAISER. Doch sage wem sind wir verpflichtet

Dass die Natur, auf uns gerichtet,

10605

Das Seltenste zusammenrafft?

MEPHISTOPHELES.

Wem als dem Meister, jenem hohen,

Der dein Geschick im Busen trägt?

Durch deiner Feinde starkes Drohen

Ist er im Tiefsten aufgeregt.

10610

Sein Dank will dich gerettet sehen,

Und sollt’ er selbst daran vergehen.

KAISER. Sie jubelten mich pomphaft umzuführen,

Ich war nun was, das wollt ich auch probieren,

Und fand’s gelegen, ohne viel zu denken,

10615

Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken.

Dem Klerus hab ich eine Lust verdorben,

Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben.

Nun sollt’ ich seit so manchen Jahren

Die Wirkung frohen Tuns erfahren?

10620

FAUST. Freiherzige Wohltat wuchert reich;

Lass deinen Blick sich aufwärts wenden!

Mich deucht Er will ein Zeichen senden,

Gib Acht, es deutet sich sogleich.

KAISER. Ein Adler schwebt im Himmelhohen,

10625

Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen.

FAUST. Gib Acht: gar günstig scheint es mir.

Greif ist ein fabelhaftes Tier;

Wie kann er sich so weit vergessen,

Mit echtem Adler sich zu messen?

10630

KAISER. Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen,

Umziehn sie sich; – in gleichem Nu,

Sie fahren aufeinander zu

Sich Brust und Hälse zu zerreißen.

FAUST. Nun merke wie der leidige Greif,

10635

Zerzerrt, zerzaust nur Schaden findet,

Und, mit gesenktem Löwenschweif,

Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.

KAISER. Sei’s, wie gedeutet, so getan!

Ich nehm es mit Verwundrung an.

MEPHISTOPHELES (gegen die Rechte).

10640

Dringend wiederholten Streichen

Müssen unsre Feinde weichen,

Und, mit ungewissem Fechten,

Drängen sie nach ihrer Rechten

Und verwirren so im Streite

10645

Ihrer Hauptmacht linke Seite.

Unsers Phalanx feste Spitze

Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze

Fährt sie in die schwache Stelle. –

Nun, wie sturmbewegte Welle,

10650

Sprühend, wüten gleiche Mächte,

Wild in doppeltem Gefechte,

Herrlichers ist nichts ersonnen

Uns ist diese Schlacht gewonnen.

KAISER (an der linken Seite zu Faust).

Schau! Mir scheint es dort bedenklich,

10655

Unser Posten steht verfänglich.

Keine Steine seh ich fliegen,

Niedre Felsen sind erstiegen,

Obre stehen schon verlassen.

Jetzt! – Der Feind, zu ganzen Massen

10660

Immer näher angedrungen,

Hat vielleicht den Pass errungen.

Schlusserfolg unheiligen Strebens!

Eure Künste sind vergebens.

(Pause.)

MEPHISTOPHELES. Da kommen meine beiden Raben,

10665

Was mögen die für Botschaft haben?

Ich fürchte gar es geht uns schlecht.

KAISER. Was sollen diese leidigen Vögel?

Sie richten ihre schwarzen Segel

Hierher vom heißen Felsgefecht.

MEPHISTOPHELES (zu den Raben).

10670

Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.

Wen ihr beschützt ist nicht verloren,

Denn euer Rat ist folgerecht.

FAUST (zum Kaiser).

Von Tauben hast du ja vernommen,

Die aus den fernsten Landen kommen,

10675

Zu ihres Nestes Brut und Kost.

Hier ist’s, mit wichtigen Unterschieden;

Die Taubenpost bedient den Frieden,

Der Krieg befiehlt die Rabenpost.

MEPHISTOPHELES.

Es meldet sich ein schwer Verhängnis,

10680

Seht hin! gewahret die Bedrängnis

Um unsrer Helden Felsenrand.

Die nächsten Höhen sind erstiegen,

Und würden sie den Pass besiegen,

Wir hätten einen schweren Stand.

10685

KAISER. So bin ich endlich doch betrogen!

Ihr habt mich in das Netz gezogen,

Mir graut seitdem es mich umstrickt.

MEPHISTOPHELES.

Nur Mut! Noch ist es nicht missglückt.

Geduld und Pfiff zum letzten Knoten;

10690

Gewöhnlich geht’s am Ende scharf.

Ich habe meine sichern Boten,

Befehlt dass ich befehlen darf!

OBERGENERAL (der indessen herangekommen).

Mit diesen hast du dich vereinigt,

Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt,

10695

Das Gaukeln schafft kein festes Glück.

Ich weiß nichts an der Schlacht zu wenden,

Begannen sie’s, sie mögen’s enden,

Ich gebe meinen Stab zurück.

KAISER. Behalt ihn bis zu bessern Stunden,

10700

Die uns vielleicht das Glück verleiht.

Mir schaudert vor dem garstigen Kunden,

Und seiner Rabentraulichkeit.

(Zu Mephistopheles.)

Den Stab kann ich dir nicht verleihen,

Du scheinst mir nicht der rechte Mann,

10705

Befiehl, und such uns zu befreien;

Geschehe, was geschehen kann.

(Ab ins Zelt mit dem Obergeneral.)

MEPHISTOPHELES.

Mag ihn der stumpfe Stab beschützen!

Uns andern könnt er wenig nützen,

Es war so was vom Kreuz daran.

FAUST. Was ist zu tun.

10710

MEPHISTOPHELES.       Es ist getan! –

Nun schwarze Vettern, rasch im Dienen,

Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen,

Und bittet sie um ihrer Fluten Schein.

Durch Weiberkünste, schwer zu kennen,

10715

Verstehen sie vom Sein den Schein zu trennen,

Und jeder schwört das sei das Sein.

(Pause.)

FAUST. Den Wasserfräulein müssen unsre Raben

Recht aus dem Grund geschmeichelt haben,

Dort fängt es schon zu rieseln an.

10720

An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle

Entwickelt sich die volle, rasche Quelle,

Um jener Sieg ist es getan.

MEPHISTOPHELES. Das ist ein wunderbarer Gruß,

Die kühnsten Kletterer sind konfus.

FAUST.

10725

Schon rauscht Ein Bach zu Bächen mächtig nieder,

Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder,

Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl,

Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite

Und rauscht und schäumt, nach der und jener Seite,

10730

Und stufenweise wirft er sich ins Tal.

Was hilft ein tapfres heldenmäßiges Stemmen?

Die mächtige Woge strömt sie wegzuschwemmen.

Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.

MEPHISTOPHELES.

Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen,

10735

Nur Menschenaugen lassen sich betrügen

Und mich ergötzt der wunderliche Fall.

Sie stürzen fort zu ganzen hellen Haufen,

Die Narren wähnen zu ersaufen,

Indem sie frei auf festem Lande schnaufen,

10740

Und lächerlich mit Schwimmgebärden laufen.

Nun ist Verwirrung überall.

(Die Raben sind wiedergekommen.)

Ich werd euch bei dem hohen Meister loben;

Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,

So eilet zu der glühenden Schmiede,

10745

Wo das Gezwerg-Volk, nimmer müde,

Metall und Stein zu Funken schlägt.

Verlangt, weitläufig sie beschwatzend,

Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,

Wie man’s im hohen Sinne hegt.

10750

Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne,

Blickschnelles Fallen allerhöchster Sterne,

Mag jede Sommernacht geschehn;

Doch Wetterleuchten in verworrnen Büschen,

Und Sterne die am feuchten Boden zischen,

10755

Das hat man nicht so leicht gesehn.

So müsst ihr, ohn’ euch viel zu quälen,

Zuvörderst bitten, dann befehlen.

(Raben ab. Es geschieht wie vorgeschrieben.)

MEPHISTOPHELES. Den Feinden dichte Finsternisse!

Und Tritt und Schritt ins Ungewisse!

10760

Irrfunken-Blick an allen Enden,

Ein Leuchten plötzlich zu verblenden.

Das alles wäre wunderschön,

Nun aber braucht’s noch Schreckgetön.

FAUST. Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften,

10765

Empfinden sich erstarkt in freien Lüften;

Da droben klappert’s, rasselt’s lange schon,

Ein wunderbarer falscher Ton.

MEPHISTOPHELES.

Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln,

Schon schallt’s von ritterlichen Prügeln,

10770

Wie in der holden alten Zeit.

Armschienen, wie der Beine Schienen,

Als Guelfen und als Ghibellinen,

Erneuen rasch den ewigen Streit.

Fest, im ererbten Sinne wöhnlich,

10775

Erweisen sie sich unversöhnlich,

Schon klingt das Tosen weit und breit.

Zuletzt, bei allen Teufelsfesten,

Wirkt der Parteihass doch zum Besten,

Bis in den allerletzten Graus.

10780

Schallt wider-widerwärtig panisch,

Mitunter grell und scharf-satanisch,

Erschreckend in das Tal hinaus.

(Kriegstumult im Orchester, zuletzt übergehend in militärisch heitre Weisen.)

Des Gegenkaisers Zelt

Thron, reiche Umgebung

HABEBALD. EILEBEUTE.

EILEBEUTE. So sind wir doch die Ersten hier!

HABEBALD. Kein Rabe fliegt so schnell als wir.

10785

EILEBEUTE. O! welch ein Schatz liegt hier zuhauf!

Wo fang ich an! Wo hör ich auf?

HABEBALD. Steht doch der ganze Raum so voll!

Weiß nicht wozu ich greifen soll.

EILEBEUTE. Der Teppich wär mir eben recht,

10790

Mein Lager ist oft gar zu schlecht.

HABEBALD. Hier, hängt von Stahl ein Morgenstern,

Dergleichen hätt ich lange gern.

EILEBEUTE. Den roten Mantel goldgesäumt,

So etwas hatt ich mir geträumt.

HABEBALD (die Waffe nehmend).

10795

Damit ist es gar bald getan,

Man schlägt ihn tot und geht voran.

Du hast so viel schon aufgepackt,

Und doch nichts Rechtes eingesackt.

Den Plunder lass an seinem Ort,

10800

Nehm eines dieser Kistchen fort!

Dies ist des Heers beschiedner Sold,

In seinem Bauche lauter Gold.

EILEBEUTE. Das hat ein mörderisch Gewicht,

Ich heb es nicht, ich trag es nicht.

10805

HABEBALD. Geschwinde duck dich! Musst dich bücken!

Ich hucke dir’s auf den starken Rücken.

EILEBEUTE. O weh! O weh nun ist’s vorbei!

Die Last bricht mir das Kreuz entzwei.

(Das Kistchen stürzt und springt auf.)

HABEBALD. Da liegt das rote Gold zuhauf,

10810

Geschwinde zu und raff es auf.

EILEBEUTE (kauert nieder).

Geschwinde nur zum Schoß hinein!

Noch immer wird’s zur G’nüge sein.

HABEBALD. Und so genug! und eile doch!

(Sie steht auf.)

O weh die Schürze hat ein Loch!

10815

Wohin du gehst und wo du stehst

Verschwenderisch die Schätze säst.

TRABANTEN (unsres Kaisers).

Was schafft ihr hier am heiligen Platz?

Was kramt ihr in den Kaiserschatz.

HABEBALD. Wir trugen unsre Glieder feil,

10820

Und holen unser Beuteteil.

In Feindeszelten ist’s der Brauch

Und wir, Soldaten sind wir auch.

TRABANTEN. Das passet nicht in unsern Kreis

Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß,

10825

Und wer sich unserm Kaiser naht,

Der sei ein redlicher Soldat.

HABEBALD. Die Redlichkeit die kennt man schon.

Sie heißet: Kontribution.

Ihr alle seid auf gleichem Fuß:

10830

Gib her! das ist der Handwerksgruß.

(Zu Eilebeute.) Mach fort und schleppe was du hast,

Hier sind wir nicht willkommner Gast. (Ab.)

ERSTER TRABANT.

Sag warum gabst du nicht sogleich

Dem frechen Kerl einen Backenstreich?

10835

ZWEITER. Ich weiß nicht, mir verging die Kraft,

Sie waren so gespensterhaft.

DRITTER. Mir ward es vor den Augen schlecht,

Da flimmert’ es, ich sah nicht recht.

VIERTER. Wie ich es nicht zu sagen weiß:

10840

Es war den ganzen Tag so heiß,

So bänglich, so beklommen schwül,

Der eine stand der andre fiel,

Man tappte hin und schlug zugleich,

Der Gegner fiel vor jedem Streich,

10845

Vor Augen schwebt’ es wie ein Flor,

Dann summt’s und saust’s und zischt’ im Ohr.

Das ging so fort, nun sind wir da

Und wissen selbst nicht wie’s geschah.

KAISER mit VIER FÜRSTEN treten auf.
DIE TRABANTEN entfernen sich.

KAISER.

Es sei nun wie ihm sei! uns ist die Schlacht gewonnen,

10850

Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen.

Hier steht der leere Thron, verräterischer Schatz,

Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz.

Wir, ehrenvoll, geschützt von eigenen Trabanten,

Erwarten kaiserlich der Völker Abgesandten;

10855

Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an:

Beruhigt sei das Reich, uns freudig zugetan.

Hat sich in unsern Kampf auch Gaukelei geflochten,

Am Ende haben wir uns nur allein gefochten.

Zufälle kommen ja dem Streitenden zugut,

10860

Vom Himmel fällt ein Stein, dem Feinde regnet’s Blut,

Aus Felsenhöhlen tönt’s von mächtigen Wunderklängen,

Die unsre Brust erhöhn, des Feindes Brust verengen.

Der Überwundne fiel, zu stets erneutem Spott,

Der Sieger, wie er prangt, preist den gewognen Gott.

Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen,

10866

Herr Gott dich loben wir! aus Millionen Kehlen.

Jedoch zum höchsten Preis wend ich den frommen Blick,

Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zurück.

Ein junger muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden,

10870

Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten.

Deshalb denn ungesäumt, verbind ich mich sogleich

Mit euch vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich.

(Zum Ersten.)

Dein war o Fürst! des Heers geordnet kluge Schichtung,

Sodann, im Hauptmoment, heroisch kühne Richtung;

10875

Im Frieden wirke nun wie es die Zeit begehrt,

Erzmarschall nenn ich dich, verleihe dir das Schwert.

ERZMARSCHALL.

Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschäftigt,

Wenn’s an der Grenze dich und deinen Thron bekräftigt,

Dann sei es uns vergönnt, bei Festesdrang im Saal

10880

Geräumiger Vaterburg, zu rüsten dir das Mahl.

Blank trag ich’s dir dann vor, blank halt ich dir’s zur Seite,

Der höchsten Majestät zu ewigem Geleite.

DER KAISER (zum Zweiten).

Der sich, als tapfrer Mann, auch zart gefällig zeigt,

Du! Sei Erzkämmerer, der Auftrag ist nicht leicht.

10885

Du bist der Oberste von allem Hausgesinde,

Bei deren innerm Streit ich schlechte Diener finde;

Dein Beispiel sei fortan in Ehren aufgestellt,

Wie man dem Herrn, dem Hof und allen wohlgefällt.

ERZKÄMMERER.

Des Herren großen Sinn zu fördern bringt zu Gnaden,

10890

Den Besten hülfreich sein, den Schlechten selbst nicht schaden,

Dann klar sein ohne List, und ruhig ohne Trug!

Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug.

Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken?

Wenn du zur Tafel gehst reich ich das goldne Becken,

10895

Die Ringe halt ich dir, damit zur Wonnezeit

Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut.

KAISER.

Zwar fühl ich mich zu ernst auf Festlichkeit zu sinnen,

Doch sei’s! Es fördert auch frohmütiges Beginnen.

(Zum Dritten.)

Dich wähl ich zum Erztruchsess! Also sei fortan

10900

Dir Jagd, Geflügelhof und Vorwerk untertan;

Der Lieblingsspeise Wahl lass mir zu allen Zeiten

Wie sie der Monat bringt, und sorgsam zubereiten.

ERZTRUCHSESS.

Streng Fasten sei für mich die angenehmste Pflicht,

Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht.

10905

Der Küche Dienerschaft soll sich mit mir vereinigen,

Das Ferne beizuziehn, die Jahrszeit zu beschleunigen.

Dich reizt nicht Fern und Früh womit die Tafel prangt,

Einfach und kräftig ist’s wornach dein Sinn verlangt.

KAISER (zum Vierten).

Weil unausweichlich hier sich’s nur von Festen handelt,

10910

So sei mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt.

Erzschenke sorge nun dass unsre Kellerei

Aufs Reichlichste versorgt mit gutem Weine sei.

Du selbst sei mäßig, lass nicht über Heiterkeiten,

Durch der Gelegenheit Verlocken, dich verleiten.

ERZSCHENK.

10915

Mein Fürst, die Jugend selbst, wenn man ihr nur vertraut,

Steht, eh man sich’s versieht, zu Männern auferbaut.

Auch ich versetze mich zu jenem großen Feste;

Ein kaiserlich Büffet schmück ich aufs Allerbeste

Mit Prachtgefäßen, gülden, silbern allzumal,

10920

Doch wähl ich dir voraus den lieblichsten Pokal:

Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet,

Des Weins Geschmack sich stärkt und nimmermehr berauschet.

Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr,

Doch deine Mäßigkeit, du Höchster, schützt noch mehr.

KAISER.

10925

Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde,

Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlässigem Munde.

Des Kaisers Wort ist groß und sichert jede Gift,

Doch zur Bekräftigung bedarf’s der edlen Schrift,

Bedarf’s der Signatur. Die förmlich zu bereiten,

10930

Seh ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten.

DER ERZBISCHOF [ERZKANZLER] tritt auf.

KAISER.

Wenn ein Gewölbe sich dem Schlussstein anvertraut,

Dann ist’s mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut.

Du siehst vier Fürsten da! Wir haben erst erörtert,

Was den Bestand zunächst von Haus und Hof befördert.

10935

Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt,

Sei, mit Gewicht und Kraft, der Fünfzahl auferlegt.

An Ländern sollen sie vor allen andern glänzen,

Deshalb erweitr’ ich gleich jetzt des Besitztums Grenzen,

Vom Erbteil jener die sich von uns abgewandt.

10940

Euch Treuen sprech ich zu so manches schöne Land,

Zugleich das hohe Recht euch, nach Gelegenheiten,

Durch Anfall, Kauf und Tausch ins Weitere zu verbreiten,

Dann sei bestimmt vergönnt zu üben ungestört

Was von Gerechtsamen euch Landesherrn gehört.

10945

Als Richter werdet ihr die Endurteile fällen,

Berufung gelte nicht von euern höchsten Stellen.

Dann Steuer, Zins und Bet’, Leh’n und Geleit und Zoll,

Berg-, Salz- und Münzregal euch angehören soll.

Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben,

10950

Hab ich euch ganz zunächst der Majestät erhoben.

ERZBISCHOF.

Im Namen aller sei dir tiefster Dank gebracht,

Du machst uns stark und fest und stärkest deine Macht.

KAISER.

Euch fünfen will ich noch erhöhtere Würde geben.

Noch leb ich meinem Reich und habe Lust zu leben;

10955

Doch hoher Ahnen Kette zieht bedächtigen Blick

Aus rascher Strebsamkeit ins Drohende zurück.

Auch werd ich, seinerzeit, mich von den Teuren trennen,

Dann sei es eure Pflicht den Folger zu ernennen.

Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligen Altar,

10960

Und friedlich ende dann was jetzt so stürmisch war.

ERZKANZLER.

Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demut an Gebärde,

Stehn Fürsten dir gebeugt, die Ersten auf der Erde.

So lang das treue Blut die vollen Adern regt,

Sind wir der Körper den dein Wille leicht bewegt.

KAISER.

10965

Und also sei, zum Schluss, was wir bisher betätigt,

Für alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestätigt.

Zwar habt ihr den Besitz, als Herren völlig frei,

Mit dem Beding jedoch dass er unteilbar sei.

Und wie ihr auch vermehrt was ihr von uns empfangen,

10970

Es soll’s der ältste Sohn in gleichem Maß erlangen.

ERZKANZLER.

Dem Pergament alsbald vertrau ich wohlgemut,

Zum Glück dem Reich und uns, das wichtigste Statut;

Reinschrift und Sieglung soll die Kanzelei beschäftigen,

Mit heiliger Signatur wirst du’s, der Herr, bekräftigen.

KAISER.

10975

Und so entlass ich euch, damit den großen Tag,

Gesammelt, jedermann sich überlegen mag.

DIE WELTLICHEN FÜRSTEN entfernen sich.

DER GEISTLICHE (bleibt und spricht pathetisch).

Der Kanzler ging hinweg der Bischof ist geblieben,

Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben!

Sein väterliches Herz von Sorge bangt um dich.

KAISER.

10980

Was hast du Bängliches zur frohen Stunde? sprich!

ERZBISCHOF.

Mit welchem bittern Schmerz find ich, in dieser Stunde,

Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde.

Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron,

Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Papst zum Hohn.

10985

Wenn dieser es erfährt schnell wird er sträflich richten,

Mit heiligem Strahl dein Reich das sündige zu vernichten.

Denn noch vergaß er nicht wie du, zur höchsten Zeit,

An deinem Krönungstag den Zauberer befreit.

Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden,

10990

Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden.

Doch schlag an deine Brust und gib, vom frevlen Glück,

Ein mäßig Scherflein, gleich dem Heiligtum zurück.

Den breiten Hügelraum, da wo dein Zelt gestanden,

Wo böse Geister sich zu deinem Schutz verbanden,

10995

Dem Lügenfürsten du ein horchsam Ohr geliehn,

Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemühn;

Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken,

Mit Höhen die sich grün zu steter Weide decken,

Fischreichen klaren Seen, dann Bächlein ohne Zahl,

11000

Wie sie sich, eilig schlängelnd, stürzen ab zu Tal;

Das breite Tal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Gründen:

Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden.

KAISER.

Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt,

Die Grenze sei von dir nach eignem Maß gesteckt.

ERZBISCHOF.

11005

Erst! der entweihte Raum wo man sich so versündigt,

Sei alsobald zum Dienst des Höchsten angekündigt.

Behende steigt im Geist Gemäuer stark empor,

Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor,

Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebäude,

11010

Das Schiff erlängt, erhöht sich zu der Gläubigen Freude,

Sie strömen brünstig schon, durchs würdige Portal,

Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Tal,

Von hohen Türmen tönt’s, wie sie zum Himmel streben,

Der Büßer kommt heran, zu neugeschaffnem Leben.

11015

Dem hohen Weihetag, er trete bald herein!

Wird deine Gegenwart die höchste Zierde sein.

KAISER.

Mag ein so großes Werk den frommen Sinn verkündigen,

Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsündigen.

Genug! Ich fühle schon wie sich mein Sinn erhöht.

ERZBISCHOF.

11020

Als Kanzler fördr’ ich nun Schluss und Formalität.

KAISER.

Ein förmlich Dokument der Kirche das zu eignen

Du legst es vor, ich will’s mit Freuden unterzeichnen.

ERZBISCHOF (hat sich beurlaubt, kehrt aber beim Ausgang um).

Dann widmest du zugleich dem Werke, wie’s entsteht,

Gesamte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Bet’,

11025

Für ewig. Viel bedarf’s zu würdiger Unterhaltung,

Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung.

Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wüsten Platz

Reichst du uns einiges Gold, aus deinem Beuteschatz.

Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,

11030

Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen.

Die Fuhren tut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt,

Die Kirche segnet den der ihr zu Diensten fährt. (Ab.)

KAISER.

Die Sünd ist groß und schwer womit ich mich beladen,

Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden.

ERZBISCHOF (abermals zurückkehrend mit tiefster Verbeugung).

11035

Verzeih o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann

Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann,

Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle,

Auch dort, den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle.

KAISER (verdrießlich).

Das Land ist noch nicht da, im Meere liegt es breit.

11040

ERZBISCHOF. Wer ’s Recht hat und Geduld für den kommt auch die Zeit.

Für uns mög Euer Wort in seinen Kräften bleiben! (Ab.)

KAISER (allein).

So könnt ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.