10 Netzwerkpraxis
Netzwerke schaffen!
In diesem Kapitel finden Sie zusammengefasste Informationen zur Planung, zum Bau und zum Betrieb von Netzwerken. Sie finden hier Anregungen für die Umsetzung eigener Projekte.
10.1 Planung von Netzwerken
Die Planung eines Netzwerks können Sie in verschiedene Phasen unterteilen. Damit erreichen Sie mehr Klarheit und schaffen mehr Entscheidungsspielraum. Bevor Sie den ersten Meter Netzwerkkabel verlegen (lassen), haben Sie bereits
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den Bedarf und
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den Ist-Zustand ermittelt,
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die räumlichen und baulichen Verhältnisse erkundet,
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sich Gedanken über die Ausfallsicherheit gemacht und
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Investitionssicherheit und Unterbringung durchdacht.
10.1.1 Bedarf ermitteln
Für Nachrüstungen und Neubauten müssen Sie die Zahl der Netzwerkanschlüsse überschlägig ermitteln.
Wie viele Netzwerkanschlüsse Sie in einem Betrieb benötigen, hängt überwiegend vom tatsächlichen Gebrauch der EDV ab. Bei Verkabelungsprojekten versuchen die Bauherren oft die Kosten dadurch zu drücken, dass sie auf Nachrüstmöglichkeiten und den Einsatz von mobilen Mini-Switches setzen. Einfache und kostengünstig vorzunehmende Nachrüstungen sehen Sie sowieso vor. Beim Einsatz von Mini-Switches sollten Sie aber Folgendes bedenken:
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Bei zugriffsintensiven Netzwerkteilnehmern wird die Kapazität der Zuleitung zum Haupt-Switch mit jedem aktiven Anschluss des Mini-Switchs geteilt. Damit werden die Zugriffe für die angeschlossenen Geräte verlangsamt (Abbildung 10.1).
Abbildung 10.1 Weiterverteilung mit Mini-Switch
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Sicherheitsmaßnahmen am Haupt-Switch wirken meist nur beim Mini-Switch, nicht bei daran angeschlossenen PCs und Druckern.
Sehen Sie deshalb nur 1:1-Anschlussmöglichkeiten zum zentralen Switch vor!
Wie viele Anschlüsse Sie je Arbeitsplatz vorsehen müssen, hängt natürlich von der Art des Geräteeinsatzes ab:
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Wie viele PCs oder Thin Clients benutzt eine Person an einem Arbeitsplatz?
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Verwenden Sie Netzwerkdrucker/Printserver?
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Müssen mitgebrachte Außendienst-Laptops am gleichen Arbeitsplatz angeschlossen werden, oder sehen Sie für diese Personen eigene Büros vor?
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Haben Sie vor, Voice over IP als Haustelefon einzusetzen?
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Werden Überwachungskameras, Fernwirkeinrichtungen, Steuerungen, Besucherterminals, Werbemonitore usw. eingesetzt?
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Maschinen: Wie viele Anschlüsse hat eine Maschine, und wie viele kommen zum Einsatz?
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Administrative Arbeitsplätze: Betreiben Sie mehrere Netze (»Echtnetz« und »Schattennetz«)?
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Arbeiten Sie mit Reserveräumen?
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Liegt das Gebäude in einem Überschwemmungsgebiet? (Eventuell müssen Sie die Lage des EDV-Raumes anpassen.)
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Sind Erweiterungen in der nahen planbaren Zukunft für Sie schon vorhersehbar?
Nach Ihren Erhebungen richten sich:
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die Zahl der Anschlüsse, also der Netzwerkdosen und Zuleitungen in den Räumen
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die Zahl der Anschlüsse am zentralen Switch
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die Leistungsmerkmale des zentralen Switchs
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die Zahl der Anschlüsse am zentralen Patchfeld
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die Aufnahmefähigkeit der Kabeltrassen
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der Bau neuer Kabeltrassen
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die Größe und die zusätzliche Ausstattung zentraler Netzwerk- und Rechnerräume
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zusätzliche Maßnahmen, wie die Berücksichtigung einer höheren Brandlast und die eventuelle Erweiterung der Sicherheitstechnik
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rechtliche Rahmenbedingungen (Unfallverhütungsvorschriften, Baurecht usw.)
10.1.2 Ermitteln des Ist-Zustands
Bei Erweiterungen und Erneuerungen der Netzwerkinfrastruktur müssen Sie abwägen, was Sie von der vorhandenen Technik noch über längere Zeit verwenden können.
Für Ihre Entscheidung müssen Sie Folgendes feststellen:
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Reichen die Anschlüsse im Arbeitsplatzbereich aus?
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Ist die Übertragungsgeschwindigkeit für Ihre Anwendungen noch über einen längeren Zeitraum ausreichend?
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Sind die verbauten Kabel noch für höhere Geschwindigkeiten nutzbar?
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Sind die verbauten Kabel mit dem Telefonnetz kombiniert (strukturierte Verkabelung, gemeinsame Nutzung der Kabel für Telefon und 100Base-T-Netze)?
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In welchem Zustand befinden sich die zentralen Einrichtungen?
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Haben zentrale Komponenten wie Switches und Patchfelder noch freie Kapazitäten?
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Verfügt der zentrale Switch über zeitgemäße Ausstattungsmerkmale (Sicherheit, VLAN usw.)?
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Sind zentrale Komponenten nach derzeitigen und vorhersehbaren künftigen Kriterien ausreichend untergebracht, gesichert und gegebenenfalls klimatisiert?
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Mit welchem Aufwand lassen sich Erweiterungen installieren?
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Sind eventuell vorhandene Kabeltrassen aufnahmefähig?
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Stehen weitere Sanierungsmaßnahmen für das Gebäude an?
Die Antworten auf diese Fragen fließen in Ihre Planungen mit ein. Bei einem Neubau haben Sie natürlich keine »Altlasten« zu berücksichtigen.
10.1.3 Berücksichtigung räumlicher und baulicher Verhältnisse
Bei einem Neubau können Sie meist die Bedürfnisse der Netzwerktechnik in vollem Umfang berücksichtigen. Anders sieht es bei Bestandsbauten aus. Hier müssen Sie bei der Einbringung der neuen Netzwerktechnik auf weitere Gegebenheiten Rücksicht nehmen:
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Denkmalschutz: Wie können Sie trotzdem Kabelkanäle oder Unterputzleitungen in das Gebäude einbringen?
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Grundriss: Wie lässt sich das Leitungsnetz am effektivsten anordnen?
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Sicherheit: Wie kann der EDV-Raum einfach und effektiv geschützt werden?
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Telefonnetz: Ist hier eine ausreichende Infrastruktur vorhanden? Können hier Kabelarbeiten zusammengefasst werden?
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Klimatisierung: Wie können Sie die eventuell notwendige Klimatechnik im Rechnerraum unterbringen?
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Stromversorgung: Reicht die Gebäudestromversorgung aus? Wo können Sie eine USV-Anlage unterbringen?
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Brandschutz: Hat das Einbringen der Verkabelung und die damit verbundene Erhöhung der Brandlast Folgen?
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Brandmeldeanlage: Ist eine solche Anlage vorhanden oder notwendig?
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Zutrittskontrolle/Alarmanlage: Ist eine Anlage vorhanden, oder muss eine errichtet werden?
10.1.4 Investitionssicherheit
Auch bei der Planung des Netzwerks stehen Sie zwischen kaufmännischen Zwängen und technischer Vernunft. Falsches Sparen führt aber auch hier dazu, dass Sie später mit eventuell teuren Nachrüstmaßnahmen »belohnt« werden. Schenken Sie deshalb einigen Punkten Beachtung:
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Sind für Sie Erweiterungen des Netzes absehbar?
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Können Sie bereits jetzt günstig die Voraussetzungen für solche Erweiterungen schaffen (mehr Trassenplatz, mehr Einbauplatz für Switches und Patchfelder, Auslegung von USV und Klimatechnik)?
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Verwenden Sie die Verkabelungstechnik mit der höchstmöglichen Übertragungsgeschwindigkeit.
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Raumanbindung: Setzen Sie zusätzliche Leerrohre ein, oder sehen Sie größere Kabelkanäle vor.
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Sehen Sie eine leichte Austauschbarkeit der Verkabelung vor. Zu solchen Maßnahmen gehören neben Leerrohren und Kabelkanälen mit mehr Platz Zugdosen und weiter gefasste Radien in der Kabelführung.
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Switch(es): Können Sie diese Geräte einfach per gesichertem Webzugang konfigurieren, oder müssen Sie auf systemabhängige proprietäre Software zurückgreifen?
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Switches: Können und dürfen Sie diese selbst konfigurieren?
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Zentrale Komponenten (Switch, USV, Klima): Wie lange und unter welchen Kosten und Bedingungen gewähren Hersteller oder Lieferanten zentraler Komponenten eine unbedingte Schadenersatzleistung (Garantie)? Welche Zeiten werden für die Wiederherstellung der Funktionsbereitschaft angeboten? Unterscheiden Sie zwischen Reaktionszeit und Reparaturzeit. Können Sie günstig eine Garantieverlängerung abschließen?
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Zentrale Komponenten: Wer kommt zur Behebung einer Störung? Hat der Kundendienst eine lange Anfahrt?
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Zentrale Komponenten: Achten Sie auf vollständige IPv6-Kompatibilität.
10.1.5 Ausfallsicherheiten vorsehen
In Grenzen können Sie Ihre Netzwerkinfrastruktur vor Ausfällen schützen. Hauptsächliche Gründe für einen Ausfall können sein:
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Stromausfall: Hiergegen setzen Sie ein USV-Konzept ein (unterbrechungsfreie Stromversorgung).
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Funktionsausfall Switch: Halten Sie entweder ein Reservegerät oder Reservebaugruppen vor, oder bilden Sie den zentralen Switch aus mehreren managebaren kleineren Einzelgeräten. Von den kostengünstigen Einzelgeräten beschaffen Sie eines oder mehrere als Ausfallreserve.
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Kabelschaden: Schaffen Sie die Möglichkeit des leichten Kabelwechsels, sehen Sie auch Reserveleitungen in wichtigen Bereichen des Betriebs vor.
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Klimatisierung: Verteilen Sie, wenn möglich, die Arbeit auf mehrere Anlagen.
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Abhängigkeit von Kundendiensten: Achten Sie bei Ihrer Auswahl darauf, dass Sie und gegebenenfalls Ihre Kollegen bei Ausfällen so viel wie möglich selbst beheben können.
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VoIP: Wenn das LAN ausfällt, ist telefonisch niemand erreichbar. Es sollte zumindest eine kleine Telefonanlage für Geschäftsleitung, EDV und Hausmeister sowie wichtige Abteilungen mit Kundenkontakt oder gefahrenorientierten Arbeiten installiert sein. Diese Kleinanlage sollte zum einen über den USV-Stromkreis betrieben werden und zum anderen auch über einen anderen Netzzugang verfügen als über den für den Normalbetrieb. Verzichten Sie aber auf DECT-Telefone: Ihre Basisstationen funktionieren nicht bei Stromausfall (Abhilfe: USV-Stromkreis). Bei kleinen Betrieben reicht ein kleines Funktelefon (kein Smartphone), bei dem aber regelmäßige Akkupflege betrieben werden muss. Darauf kann man dann eine Rufumleitung bei Netzausfall einrichten.
10.1.6 Zentrales oder verteiltes Switching
Je nachdem, wie Ihr Gebäude beschaffen ist, können Sie die zentralen Komponenten entweder in einem zentralen Raum oder nach Gebäuden bzw. Stockwerken unterteilt unterbringen. Die zentrale Unterbringung (Abbildung 10.2) bietet Ihnen Vor- und Nachteile:
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Einen zentralen, gegebenenfalls überwachten Raum: In diesem sind auch andere Komponenten wie Router, Server und das zentrale Patchfeld untergebracht.
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Anschlussmöglichkeit an die USV
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Ein großer Switch oder mehrere kaskadierte Geräte tragen zur Erwärmung des EDV-Raums bei.
Die verteilte Unterbringung der Switches auf dem Betriebsgrundstück oder im Haus ist sicher bei besonders umfangreichen Installationen auch eine Überlegung wert:
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Es kommt zu keiner zusätzlichen Erwärmung durch die Switches.
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Ersparnis bei der Verkabelung, da zu den einzelnen Räumen hin kürzere Verbindungen genutzt werden (stockwerksweise, flurweise usw.).
Abbildung 10.2 Zentraler Switch
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Aber: Sie benötigen managebare Switches, die das Port Trunking (Link Aggregation) unterstützen. Einige Anschlüsse der Switches werden hierfür benötigt und stehen nicht für den Anschluss von Netzwerkteilnehmern zur Verfügung (siehe auch Abschnitt 4.6.3, »Verbindungen zwischen Switches (Link Aggregation, Port Trunking, Channel Bundling)«, und Abbildung 10.3).
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In bestimmten Fällen können Sie die Trunking-Verbindungen auch in Glasfasertechnik ausführen. Dies ist sogar notwendig, wenn die zulässigen Leitungslängen überschritten werden. Insgesamt ist die gemischte Ausführung (Kupfer/LWL) kostengünstiger als eine reine Glasfaserverkabelung.