3 Management der Digitalisierung

Ernst Tiemeyer

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Fragen, die in diesem Kapitel beantwortet werden:

Image       Welche Veränderungen zeichnen sich durch die Digitalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft generell sowie für die Geschäftstätigkeit und das IT-Management von Unternehmen und Dienstleistern ab?

Image       Welche Basistechnologien sowie angewandte Tools tragen wesentlich zur erfolgreichen Entwicklung und zum Betrieb von Digitalisierungslösungen (digitale Produkte, Prozesse, Services) bei?

Image       Wie werden Digitalisierungsstrategien von Unternehmen und Dienstleistungsorganisationen erfolgreich entwickelt und welche Akteure sind daran beteiligt?

Image       Welches Vorgehen und welche Methoden haben sich für die Erarbeitung digitaler Geschäftsmodelle bewährt und wie können Digitalisierungspotenziale in der Unternehmenspraxis identifiziert und in ein Lösungsdesign überführt werden?

Image       Welche Optionen zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen werden abhängig von den Prozesstypen ermöglicht und durch welche Technologien (z. B. Workflow-Software, RPA, Bots, KI) wird die Umsetzung eines digitalen Prozessdesigns unterstützt?

Image       Inwiefern kann mittels digitaler Technologien dem Fokus „Kundenzentrierung“ (Stichworte Customer Journey und Customer Experience) in besonderer Weise Rechnung getragen werden?

Image       Welche organisatorischen Strukturen, Prozesse sowie Rollen/Skills prägen erfolgreiche digitale Transformationen?

Image       Inwiefern kommt der Unternehmensführung und dem IT-Management eine besondere Bedeutung für einen erfolgreichen digitalen Wandel in Unternehmen zu?

Image       Durch welche Maßnahmen können Akzeptanz und Vertrauen in digitale Produkte und Prozesse geschaffen werden?

Image       Wie kann das Management von Digitalisierungslösungen (digital platform management) nachhaltig gestaltet und mittels IT-Unterstützung umgesetzt werden?

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Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sind bereits seit der Jahrtausendwende zum unverzichtbaren Enabler von Geschäftsprozessen geworden. Darüber hinaus können viele Geschäfte von Unternehmen mittlerweile erst durch den effizienten Einsatz von IT realisiert werden (zu denken ist etwa an die vielfältigen Angebote der Medienbranche, z. B. neben den Print-Medien die Bereitstellung von E-Books, digitalen Zeitungen und Zeitschriften, Portale etc.).

Mit der Digitalisierung vollzieht sich vielfach (im Sinne einer digitalen Revolution) ein Paradigmenwechsel. So werden nunmehr von den Informations- und Kommunikationstechnologien nicht nur Geschäftsprozesse unterstützt, sondern digitale Lösungen können einen wesentlichen Beitrag zum Geschäft (Business) eines Unternehmens erbringen. Im Extremfall kommt es bereits vielfach zur Etablierung rein digitaler Unternehmen.

Die Nutzung neuer leistungsfähiger digitaler Technologien wie Cloud-Computing, Big Data und Data Analytics, mobile Endgeräte, neue Formen der Vernetzung bzw. technischer Kommunikation (Maschine-zu-Maschine-Kommunikation) ermöglicht nun

Image       völlig neue Geschäftsmodelle,

Image       eine attraktive Konfigurierung und Gestaltung digitaler Produkte und Services,

Image       die Realisierung innovativer (digitaler) Arbeits- und Geschäftsprozesse (mit erhöhtem Integrationsgrad bzw. inkl. Automatisierung) sowie

Image       eine vielfältige neue Kundenkommunikation bzw. nachhaltige Kundenerlebnisse (Stichworte Customer Journey bzw. Customer Experience).

Eine wesentliche Frage, die nach wie vor differenziert diskutiert und unterschiedlich bewertet wird, bezieht sich auf die Prüfung, welche Konsequenzen sich für die IT-Organisation bzw. für das IT-Management aufgrund der digitalen Herausforderungen ergeben. Unabhängig von der konkreten Organisation und den festgelegten Rollen und Verantwortlichkeiten für die Digitalisierung besteht weitgehend Konsens, dass digitale Transformationen nur dann erfolgreich gelingen können, wenn ein Alignment von Business und IT sichergestellt wird.

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Hinweis

Das für eine erfolgreiche Digitalisierung notwendige Business-IT-Alignment kann in unterschiedlicher Form umgesetzt werden. Zu beachten ist, dass – abhängig von dem Schwerpunkt der digitalen Entwicklungslösung – die Bearbeitung digitaler Handlungsfelder unter Verantwortung unterschiedlicher Akteure (mit differenziertem Management-Know-how) 118erfolgt. Dazu gibt es in der Praxis bereits sehr unterschiedliche Organisationsformen, die ebenfalls wie die Technologien teils zu einem disruptiven Wandel führen und in diesem Buchbeitrag angesprochen werden.

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3.1 Die digitale Revolution – Herausforderungen für das IT-Management

Für das Management der Digitalisierung ist es von besonderer Bedeutung, dass – im Gegensatz zu früheren klassischen Handlungsfeldern des IT-Managements – nunmehr die IT verstärkt in Kooperation mit anderen Bereichen des Managements agieren muss. Dazu rechnen insbesondere

Image       ein vermehrter Einbezug der Unternehmensführung,

Image       die intensivere Zusammenarbeit mit ausgewählten Fachbereichsverantwortlichen (primär aus den Bereichen Product Management, Vertrieb und Marketing, aber auch aus den Be­ reichen Logistik und Beschaffung) und

Image       eine differenzierte Beteiligung von übergreifenden Managementbereichen wie das Prozess- und Projektmanagement sowie – falls vorhanden – das Innovationsmanagement.

Darüber hinaus sind spezifische IT-Bereiche wie das Enterprise IT-Architecture Management, IT-Product-Development und IT-Deployment auf- und auszubauen sowie im Rahmen von Transformationen in den Fokus zu nehmen.

Eine Besonderheit für den IT-Bereich ergibt sich bezüglich der Verantwortlichkeiten für die Digitalisierung. So gibt es zu einem Teil Unternehmen, in denen der CIO die verantwortliche Rolle für die Digitalisierung mit übernimmt. Das gelingt am besten dann, wenn er im Unternehmen von jeher in Managemententscheidungen involviert war und das Standing eines strategischen Vordenkers auch bezüglich der Geschäftsfelder hat. Darüber hinaus gibt es für die Digitalisierung die Option der Einrichtung einer eigenen Organisationseinheit unter Leitung eines Chief Digital Officer (CDO). Eine solche eigenständige Rolle ist mittlerweile in verschiedenen Unternehmen etabliert, wobei Digitalisierung dann als ganzheitliche (übergreifende) Aufgabe verstanden wird, die das gesamte Unternehmen betrifft. Es gibt aber auch andere Festlegungen zur organisatorischen Verankerung des CDO. Das kann auf der gleichen Ebene wie der CIO sein, es kann aber auch eine organisatorische Unterordnung unterhalb der IT-Leitung (CIO) sein.

Trotz der zuvor skizzierten neuen Option eines CDO gibt es aber auch nach wie vor die Situation, dass es im Unternehmen keinen offiziell Beauftragten für die digitale Transformation gibt. Verantwortlich sind mitunter die Fachbereiche dezentral, sei es ein Fachbereich (zum Beispiel Marketing mit der Rolle des Chief Marketing Officer (CMO)) oder Bereiche wie Personal-, Produktions-, Entwicklungs- oder Vertriebschefs, die Digitalisierungsverantwortung für ihren jeweiligen Bereich übernehmen. Neben CDO und CIO findet sich ferner auch der Chief Technology Officer (CTO) in der Rolle des obersten Digitalisierers. Schließlich übernehmen auch CEOs selbst gelegentlich die Rolle des „Chefdigitalisierers“.

3.1.1 Wandel der Geschäftstätigkeit durch Digitalisierung – branchentypische Disruptionsfelder

Mit zunehmender Digitalisierung zeichnen sich grundlegende Veränderungen ab, wie in den Unternehmen produziert wird bzw. wie die logistischen Prozesse zwischen den beteiligten Unternehmen einer Wertschöpfungskette organisiert werden. Dabei lassen sich im Rahmen der digitalen Umsetzungsaktivitäten Geschäfts-, Verbraucher- und Gerätedaten so miteinander verknüpfen, dass die benötigten Anwendungsinformationen zum richtigen Zeitpunkt der richtigen Person auf einem beliebigen Gerät (bzw. der Produktionsanlage) zur Verfügung stehen. Möglich ist hier, dass auf die Mitwirkung menschlicher Akteure ganz oder teilweise verzichtet werden kann. Zulieferer, Partner und Kunden werden dabei unmittelbar in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse eingebunden.

Wirtschaftssektoren und entsprechend zugehörige Unternehmen sind von den Herausforderungen der Digitalisierung in unterschiedlichem Ausmaß getroffen. Als besonders betroffen werden etwa der Finanzdienstleistungsbereich, das Gesundheitswesen (Digital Health), die gesamte Energiewirtschaft (Smart Grid), der Fertigungsbereich und die Telekommunikationsbranche gesehen. Aber auch die Logistikbranche, der Maschinen- und Anlagenbau und viele andere Bereiche erfahren nicht zuletzt durch verschiedene innovative digitale Technologien sowie mit dem Einsatz „intelligenter“ Sensoren weitreichende Veränderungen (Stichworte: „Industrial Control Systems“, „Internet der Dinge“, „Cyberphysical Systems“).

Eine grobe Analyse zeigt: Vor allem in den Bereichen Finanzen, Handel, Mobilitätsdienste, Tourismus, Bildung, Hotel- und Gastgewerbe sowie Personaldienstleistungen haben neue digitale Plattformen die herkömmlichen Geschäftsmodelle schnell und tiefgreifend in Be­ drängnis gebracht und dabei ein so hohes Wachstum erzielt, dass vorhergehende Geschäftsmodelle/Lösungen ganz oder teilweise obsolet geworden sind. Letztlich ist heute kein Wirtschaftsbereich mehr vom digitalen Wandel ausgenommen, der Weg zu einem mehr oder weniger stark ausgeprägten „digitalen Unternehmen“ ist unaufhaltsam. Und dabei muss das IT-Management eine wesentliche Rolle spielen bzw. sich in Richtung Business-IT-Alignment selbst teilweise neu „definieren“ und „positionieren“.

Der Nutzen dieser Veränderungen für die Unternehmen liegt auf der Hand. Durch Digitalisierungslösungen besteht die Chance, dass

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Image       im Bereich des Handels bzw. der Logistik eine höhere Effektivität unternehmensinterner und übergreifender Prozesse und eine hohe Kundenzufriedenheit erreichbar sind,

Image       im Dienstleistungsbereich letztlich auch eine bessere Versorgung mit Verwaltungs-, Bildungs- oder auch Gesundheitsdiensten möglich wird,

Image       im Finanzsektor (Banken, Versicherungen) sich neue Dienstleistungen (etwa innovative Versicherungsprodukte) und „schlankere“ bzw. flexible Geschäfts- und Arbeitsprozesse ergeben.

Insgesamt ist zu erwarten, dass die digitalen Veränderungen außerordentlich disruptiv sein werden, wobei allerdings wohl niemand wirklich weiß, wohin die Reise genau geht bzw. wo sie endet. Dennoch lassen sich klare Richtungen absehen.

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Beachten Sie:

Schwerpunkte für die Anwendungspotenziale der Digitalisierung unterscheiden sich naturgemäß von Branche zu Branche. Von daher muss jeder für sein Unternehmen seine Inhalte und Definition finden und mit konkreten Anwendungsfällen für alle im Unternehmen veranschaulichen. Wie dies konkret aussieht, hängt stark vom aktuellen Digitalisierungs- und Integrationsgrad der Anwendungsfelder ab. Hier ist das IT-Management in Verbindung mit Enterprise-IT-Architekten und Data-Analysten sowie Business-Analysten und Prozessmanagern besonders gefordert.

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Den höchsten Digitalisierungsgrad haben im Branchenvergleich Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie (z. B. Telekommunikationsunternehmen), gefolgt mit einem gewissen Abstand von den Versicherungen und Banken sowie ebenso mit einem Abstand von der Medienbranche. Elektronik-, Automotive- und Energieversorgungsunternehmen hinken im Vergleich etwas hinterher. Weiter abgeschlagen sind die Pharma- und Chemieindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau sowie der Handel (vgl. [HA18], S. 7).

Diese neuen Ausrichtungen sollen nachfolgend exemplarisch anhand von wesentlichen Disruptionsfeldern skizziert werden.

Disruptionsfeld „Produktionsunternehmen“

Mit zunehmender Digitalisierung zeichnen sich grundlegende Veränderungen ab, wie in den Unternehmen produziert wird. Wesentliche Punkte stellen dabei die Digitalisierung der Daten sowie die Vernetzung der Geräte und Informationen dar. Dadurch lassen sich beispielsweise mittels innovativer digitaler Lösungen Geschäfts-, Verbraucher- und Gerätedaten so miteinander verknüpfen, dass die benötigten Anwendungsinformationen zum richtigen Zeitpunkt (realtime) der richtigen Person auf einem beliebigen Gerät (zum Beispiel der Produktionsanlage) zur Verfügung stehen. Dabei werden mitunter Maschinen-zu-Maschine-Systeme implementiert, bei denen eine Mitwirkung menschlicher Akteure ganz oder teilweise entbehrlich wird. Folgende Beispiele seien genannt, um diese Veränderungen zu verdeutlichen:

Image       In der Industrie sorgen intelligente Sensoren dafür, dass vollautomatische Produktionsanlagen entwickelt und genutzt werden. So können etwa Bauteile, die für die Fertigung benötigt werden, eigenständig mit einer Produktionsanlage kommunizieren.

Image       Eine IoT-Plattform bietet Fertigungsunternehmen vielfältige Anwendungsoptionen: Kontinuierliche Informationsbereitstellung über den Wartungsstand der Produkte sowie vorausschauendes Handling von Produkt und Prozessen (Predictive Maintenance) seien als besonders typisch hervorgehoben.

Image       Darüber hinaus ermöglichen IoT-Plattformen in vielen Produktionsunternehmen auch die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, indem zusätzliche Services bereitgestellt werden können. So entstehen mitunter smarte Produkte und Maschinen, die neue datengetriebene Abrechnungsmodelle ermöglichen.

Image       Zu den Technologien, die sich in der Industrie bereits bewährt haben, zählt die Robotik. Immer mehr Unternehmen integrieren Industrieroboter für das Handling von Produktionsschritten – insbesondere von Aufgaben, die für Menschen mit größeren Gefahren verbunden sind.

Image       Eine weitere Technologie, die sich immer mehr etabliert, ist der 3D-Druck.

Image       Mittels des sogenannten Predictive Maintenance kann bei Bedarf „quasi“ selbstständig ein Auftrag für eine Reparatur eines Bauteils ausgelöst werden.

Image       Ausgewählte Logistikaufgaben können autonom durch fahrerlose Transporter erledigt werden.

In produzierenden Unternehmen kann eine IoT-Anwendung durch eine Vernetzung der Produktionsanlagen eine Automatisierung, die Überwachung und Analyse von Herstellungs- und Wartungsprozessen und Lieferketten realisieren. Dabei liefern Sensordaten eine hohe Datentransparenz, damit verbundene Prozesse lassen sich gezielt steuern und weiter automatisieren.

Besondere Bedeutung hat IoT (= Internet of Things) in Form der sogenannten Machine-to-Machine-Kommunikation etwa für Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. In den sogenannten Smart Factories kommunizieren sensorgesteuerte Maschinen miteinander sowie mit Menschen. Dabei wird Fachpersonal benötigt, das in der Lage ist, maschinell erzeugte Massendaten zu analysieren, um auf dieser Basis zu noch besseren Produkten, smarten Services und effektiveren Prozessen zu kommen.

Disruptionsfeld „Logistik“

Digitalisierung ermöglicht auch grundlegende Veränderungen, wie logistische Prozesse zwischen den beteiligten Unternehmen einer Wertschöpfungskette oder auch zum Endkunden hin organisiert werden. Dabei nutzt die Logistik- und Supply-Chain-Wirtschaft ebenfalls Sensoren, um ihre Lager- und Transportprozesse zu verbessern. Ziele sind beispielsweise eine bessere Auslastung der Fahrzeuge, die Optimierung der Fahrwege und eine möglichst zeitnahe Lieferung.

Beispiel: Im Logistikmanagement lässt sich durch mit Sensoren ausgestatteten Fahrzeugen und Robotern eine hohe Datentransparenz realisieren, sodass gewünschte Dienstleistungen im Logistikbereich bei gleichzeitig erhöhter Sicherheit verbessert werden können.

Disruptionsfeld „Versicherungen, Banken, Finanzdienstleister“

Die Versicherungsbranche hat mit der Digitalisierung bereits grundlegende Veränderungen erfahren. Dieser Prozess wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Neben der Automatisierung von internen Prozessen stehen dabei die Kundenschnittstelle sowie der Vertrieb und die Beratung im Zentrum des Wandels. Vor diesem Hintergrund steht die strategische Positionierung der gesamten Versicherungsbranche sowie der einzelnen Unternehmen vor einer fundamentalen Neuausrichtung (vgl. auch M. Beenken; D. Knörrer; J. Moormann; D. Schmidt (Hrsg.): Digital Insurance, 2018).

Neben der besseren Einschätzung von Risiken und „Pricing“ können Versicherungen Schadensfälle einfacher bearbeiten. Mithilfe digitaler Tools sparen sie Zeit und können direkt mit dem Kunden kommunizieren. Mit der zunehmenden Internet- und Computeraffinität der Menschen gewinnen Onlinevertriebskanäle an Bedeutung. Die bestehenden Vertriebswege im Versicherungsgeschäft konzentrieren sich insbesondere auf die drei Kanäle Direktvertrieb, Intermediäre und Bancassurance, also den Absatz über Banken. Die Digitalisierung verändert Vertriebswege nachhaltig. Um die Kundenbedürfnisse auch zukünftig zu erfüllen, wird ein Multikanal-Vertriebsansatz zum Standard.

Aufgemischt werden die Versicherungsgesellschaften darüber hinaus durch sogenannte „Insurtechs“ (= Startups), indem sie bestimmte Nischensegmente versichern oder neue Modelle auf der Basis von Peer-to-Peer-Ansätzen bieten. „Fintechs“ übernehmen in der Finanzwelt für Banken analog Teile der Wertschöpfungsketten, indem sie – strikt vom Kundenverhalten ausgehend – smarte Apps und Web-Dienste beispielsweise für die Kreditvermittlung, den Zahlungsverkehr oder das Portfolio-Management anbieten.

Die anstehenden Veränderungs- und Erneuerungsprozesse für die Finanzdienstleister sind zweckmäßigerweise aus strategischen Überlegungen abgeleitet (unter Beachtung neuer oder veränderter Geschäftsmodelle) und müssen die Auswirkungen auf einzelne Versicherungssparten bzw. das Finanzgeschäft berücksichtigen. Dabei werden neue, datengetriebene Prozesse beleuchtet sowie die von einem veränderten Kundenverhalten ausgehende Neuausrichtung der Vertriebs- und Beratungsstrukturen erörtert.

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Praxistipp

Eine wesentliche Aufgabe für CIO, CDO bzw. das IT-Management (IT-Leiter, CTO) besteht darin, ausgehend von der Analyse der branchenbezogenen Digitalisierungspotenziale sowie den vereinbarten strategischen Zielsetzungen die daraufhin vorgeschlagenen digitalen Projekte bzw. die Digital Roadmap zu prüfen und gemeinsam zu entscheiden, welche Handlungserfordernisse sich für die diversen Handlungsfelder im IT-Management bzw. bei angrenzenden Managementdisziplinen ergeben.

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3.1.2 Digitalisierung gestalten – Kern-Aktionsfelder für das Management

Unternehmen und Dienstleistungsorganisationen aller Art müssen sich heute den vielfältigen Herausforderungen der Digitalisierung stellen und – mit Blick auf vorhandene und potenzielle Geschäftsfelder sowie der Wettbewerbsposition – vor allem in entsprechend zu bildenden Management-Teams (unter differenzierter und expliziter Mitwirkung des IT-Managements bzw. von IT-Professionals) prüfen sowie rasch entscheiden,

Image       welche innovativen Geschäftsfelder sich in der Branche abzeichnen und für das Unternehmen einer adäquaten Adaption und Umsetzung bedürfen,

Image       inwiefern eine Digitalisierung und Automatisierung der (internen und unternehmensübergreifenden) Geschäftsprozesse in Angriff zu nehmen ist,

Image       wie an der Schnittstelle zum Kunden eine optimierte Kundenbeziehung mittels Digitalisierung realisierbar ist und

Image       wie unter Berücksichtigung der vorhandenen Rahmenbedingungen (Arbeitsmodelle, Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestaltung) eine Neuausrichtung zum digital workplace angezeigt ist.

Erfahrungen der Praxis zeigen: Insbesondere eine Digitalisierungsstrategie sowie eine an­gemessene organisatorisch-personelle sowie technologische Zuordnung von Verantwortungen und Kompetenzen stellen wesentliche Erfolgsfaktoren für ein Gelingen digitaler Transformationen dar. Viele Unternehmen setzen dabei (neben der Einrichtung von digital labs oder der Etablierung eines CDO) vor allem auf Personal, das über ganzheitliche Beratungskompetenzen für die Initiierung, Planung und Umsetzung digitaler Transformationsvorhaben verfügt. Diese „Berater für digitale Transformation“ werden entweder von außen rekrutiert oder es findet eine gezielte Qualifizierung betriebseigener Personen statt, die in der Regel aus den Bereichen IT, Prozessmanagement oder den Fachbereichen kommen.

Ohne eine Digitalisierungsstrategie und eine darauf bezogene „Digitalisierungs-Health-Analyse“ dürfte es nicht gehen. Sowohl die Prozesse als auch die Produkte des Unternehmens sind im Hinblick auf Digitalisierungspotenziale einer Prüfung zu unterziehen und müssen auf die neuen Herausforderungen ausgerichtet werden.

Gleichzeitig ist festzustellen: Neue Unternehmen „erobern“ aktuelle Märkte bzw. etablieren neue Marktmodelle: Die Nutzung von Digitalisierungsoptionen lässt neue Unternehmen entstehen (Start-up-Unternehmen). So sind bereits in den letzten Jahren durch die Digitalisierung vollkommen neue Unternehmen entstanden (denken Sie etwa an Unternehmen wie Booking.com, Uber oder Spotify). Weitere solcher Unternehmensgründungen, die auf digitale Geschäftsmodelle und Geschäftsprodukte fokussieren, zeichnen sich für ausgewählte Branchen ab, etwa für den Finanzdienstleistungssektor.

Welche wesentlichen Veränderungen zieht die Digitalisierung bzw. das Internet der Dinge (IoT = Internet of things) für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Dienstleistern nach sich? Die wesentlichen Aspekte und Handlungsfelder, die für die Gestaltung der Digitalisierung in Angriff zu nehmen sind, zeigt der Überblick in Bild 3.1.

Bild 3.1 Gestaltung der Digitalisierung – zentrale Aspekte und Handlungsherausforderungen

Aus der Grafik werden die wesentlichen Herausforderungen und Aspekte deutlich, die im Laufe der Gestaltung der Digitalisierung im Teamwork von Geschäftsführung, Fachbereichen und IT-Management angegangen werden:

Image       Entwicklung neuer Geschäftsfelder bzw. neuartiger digitaler Produkte: Existierende Unternehmen aus nahezu allen Branchen stehen vor der Notwendigkeit, ihre Geschäfte/Geschäftsfelder und Prozesse zu überdenken. Nur so können sie verhindern, den An­ schluss an den Wettbewerb zu verlieren. Durch den Einsatz neuer Technologien wie Big Data/Analytics, Social Media, Mobility, Vernetzungstechnologien (Connectivity-Optionen) und Cloud Computing ergeben sich dabei oft vielfältige Potenziale für neue Geschäftsmodelle, neue (digitale) Produkte und Dienstleistungen.

Image       Entwicklung neuer Kooperations- und Marktmodelle: Unternehmensgründungen, die auf digitale Geschäftsmodelle und Geschäftsprodukte fokussieren, zeichnen sich für ausgewählte Branchen ab, etwa für den Finanzdienstleistungssektor, für den Handel oder Logistikunternehmen. Dabei werden auch neue Kooperationsmodelle bzw. Plattformen geprüft und etabliert.

Image       Digitalisierung der Prozesse (auch über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg): Die Etablierung digitaler Geschäftsprozesse bzw. die Unterstützung ganzer Wertschöpfungsketten ermöglichen es beteiligten Unternehmen, effizienter und effektiver zu arbeiten. Sie gewährleisten gleichzeitig eine hohe Kundenorientierung. Es bedarf deshalb für viele Organisationen zeitnah einer konsequenten Entwicklung und Implementierung digitaler Prozesse.

Image       Intensivierung der Kundenorientierung mit vielfältigen Kundenschnittstellen: Eine weitere Ziel- und Handlungsoption durch Digitalisierung besteht darin, Kunden über eine Vielzahl bzw. über nahezu alle Kanäle hinweg einheitlich anzusprechen (sogenannter Omni-Channel als eine Plattform für alle Kanäle). Bei derartigen Lösungen ist es möglich, Filial-, Webshop- und mobile Anwendungen intelligent miteinander zu verbinden. So lassen sich personalisierte Angebote in Echtzeit entwickeln und den potenziellen Kunden präsentieren (Berichte, Analysen und Prognosen in Echtzeit). Der Vorteil: Kunden geben – laut Studien und Statistiken – ca. 3,5-mal mehr bei einem Händler aus, wenn er ein Omni-Channel-Angebot hat.

Image       Digitale Transformationen und Projekte: Ausgangspunkt für das Umsetzen digitaler Transformationsvorhaben bzw. komplexer Projekte sollte ein vereinbartes Projektportfolio sein, das aufzeigt, welche digitalen Projekte in Angriff genommen werden sollen. Projektprofilierung im Portfolio: Für alle digitalen Projekte des Portfolios sind frühzeitig Überlegungen darüber anzustellen, welche Unternehmens-IT-Architekturen (Entwicklungswerkzeuge, Applikationen, Daten, Devices, Infrastrukturen und Plattformen) für eine erfolgreiche Projektumsetzung zukunftsfähig sind. Nur so kann ein nachhaltiger Projekterfolg gesichert werden. Festzuhalten ist, dass nahezu alle digitalen Projekte der Begleitung durch Unternehmens-IT-Architekten bedürfen (und ggf. auch spezifisch ausgerichteter Solution-, Data-, Cloud- und Infrastruktur-Architekten). Diese cross-funktionalen Teams sollten durchgängig mit architekturellem Denken und Handeln ans Werk gehen.

Image       Digital Work: Mit der Digitalisierung zeichnet sich ein gravierender Wandel der Arbeitsorganisation und der Arbeitsweisen ab. Neue Arbeits-, Informationsmanagement-, Collaboration- und Kommunikationstools eröffnen für das Arbeiten grundsätzlich neue Formen der Zusammenarbeit. So können Beschäftigte, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, einfacher zusammenarbeiten und dabei ihre Ideen und Expertisen austauschen. Gleiches gilt für Produktinnovationen, zu denen weltweit mit Kollegen, Experten und Kunden einfacher kommuniziert werden kann sowie teamorientierte Entscheidungen getroffen werden können.

Image       Digital Change: Einigkeit besteht aufgrund von Erfahrungen und Studien darüber, dass ein erfolgreicher digitaler Wandel nur dann gelingt, wenn auch die Unternehmenskultur den neuen Herausforderungen gerecht wird und vor allem inspirierend „aufgesetzt“ wird, sodass auch disruptive Veränderungen ermöglicht werden. Dazu bedarf es unterstützend eines umfassenden digital mindset der Beschäftigten im Unternehmen und einer Unternehmenskultur, die auf eine hohe Innovationsbereitschaft setzt.

Die umfassende, nachhaltige Nutzung der Digitalisierungspotenziale für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Dienstleistern gelingt nur dann, wenn auch die Unternehmenskultur, die Organisation des Unternehmens, die Prozesse und Projekte „digital“ werden. Gleichzeitig müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen über digitale Kompetenzen verfügen und diese situativ kompetent einsetzen. Nur unter diesen Bedingungen kann die digitale Transformation in der Praxis erfolgreich realisiert und das Geschäft der Unternehmen mit digitalen Produkten und digitalen Prozessen nachhaltig gesichert werden.

3.1.3 Managementdisziplinen und digitale Transformation

Aus den vielfältigen Herausforderungen und Handlungsnotwendigkeiten für die digitale Transformation wird deutlich, dass Managementkompetenzen aus vielfältigen Disziplinen benötigt werden. Das IT-Management muss sich dabei – je nach Herausforderung und Handlungsfeld – auf entsprechende Kooperationen mit anderen Managementbereichen fokussieren. Die wesentlichen skizziert Bild 3.2.

Im digitalen Zeitalter ist das IT-Management – so zeigen es auch die Studien zu den Optionen der Digitalisierung – in zunehmendem Maß gefordert, das Gesamtunternehmen aktiv mitzugestalten. Mit digitalen Produkten und Prozessen kann die Informationstechnologie nun vielfältige Innovationen für das Geschäft des Unternehmens realisieren. Die Konsequenz: Das IT-Management bzw. die IT-Organisation könnten/sollten nun proaktiv und frühzeitig mit den Fachbereichen und den Endkunden kooperieren, um solche digitalen Innovationen erfolgreich auf den Weg zu bringen. Zur Umsetzung wird in der Praxis mitunter neben der klassischen IT-Organisation eine besondere Unit für die Umsetzung der digitalen Transformation geschaffen. Diese kann im IT-Bereich angesiedelt sein, denkbar sind aber auch Organisationslösungen, die eine Stabsorganisation oder die Ausgründung eines eigenen Unternehmens vorsehen. Im Falle einer bimodalen Organisation („IT der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“) wird neben einem CIO oder einem IT-Leiter die zusätzliche Etablierung eines Chief Digital Officer (kurz CDO) realisiert bzw. empfohlen.

Bild 3.2 Kern-Managementdisziplinen zur Realisierung digitaler Transformation bzw. digitaler Geschäftsprozesse und Workplaces

Für eine erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsideen und -vorhaben bedarf es darüber hinaus eines besonderen Engagements der Unternehmensleitung. Dies betrifft vor allem strategische Festlegungen (insbesondere hinsichtlich der Geschäftsfeldentwicklung und damit zusammenhängend zu den Geschäftsmodellen). Entsprechende strategische Überlegungen und Informationen zur Unternehmensentwicklung benötigen sämtliche Managementbereiche, so auch das IT-Management bzw. der CIO oder CDO. Sie stellen die wesentliche Orientierung für alle von der Digitalisierung betroffenen Unternehmensbereiche dar.

Neben der Unternehmensleitung ist im Rahmen eines Business-IT-Alignments für das IT-Management zur erfolgreichen Realisierung digitaler Transformation bzw. digitaler Ge­schäftsprozesse und Workplaces vor allem eine Kooperation mit folgenden Bereichen nötig:

Image       Fachbereichsmanagement

Image       Business-Analysten bzw. Anforderungskoordinatoren

Image       Geschäftsprozessmanagement (GPM bzw. BPM)

Image       Enterprise IT Architecture Management (EAM)

Für das Fachbereichsmanagement geht es um die Weiterentwicklung bzw. die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bzw. um das Herausarbeiten von Digitalisierungspotenzialen für die Fachbereiche. Klassische Top-down-Managementansätze versagen im digitalen Wandel. Um in den Unternehmen umfassende und ganzheitliche Energien für die Digitalisierungspotenziale freizusetzen, ist heute ein Mehr an Dezentralisierung und Bottom-up-Vorgehen gefordert. Ein erster Schritt sollte auch sein, das richtige Bewusstsein in den Fachbereichen im Unternehmen zu schaffen. Das kann beispielsweise durch Digital Bootcamps erreicht werden, in denen anhand eingängiger Beispiele die Grundmechanismen der Digitalisierung demonstriert werden – wie beispielsweise Plattformdenken oder sich selbst verstärkende Netzwerkeffekte. Zu Beginn gilt es, eine Digitalvision mit klaren strategischen Zielen für die Fachbereiche zu formulieren, an der sich alle entstehenden Ideen und Geschäftsansätze messen lassen.

Zur Rolle der Business-Analysten finden sich in der Unternehmenspraxis unterschiedliche Festlegungen. Das gilt auch für die konkrete Ausgestaltung der Rolle im Hinblick auf Aufgaben und Verantwortung. Wichtige Aufgabenbereiche sind:

Image       Identifikation und Dokumentation von Geschäftsfeldern

Image       Analyse und Konzeption von Geschäftsmodellen/Geschäftsprozessen und IT-Anforderungen zur Weiterentwicklung des Unternehmens (im Rahmen der digitalen Transformation)

Image       Priorisierung der fachlichen Anforderungen unter Berücksichtigung von Aufwand und Geschäftsnutzen in enger Abstimmung mit den Stakeholdern

Image       Erarbeitung verschiedener Realisierungsvarianten und deren Bewertung,

Image       Mitwirken bei der Testkonzeption und -durchführung, Datenmigration und Rollout

Image       Abstimmung der fachlichen Anforderungen mit der Implementierung der Architektur und den Tests

Image       Vorbereitung und Durchführung von Workshops mit den Fachabteilungen

Image       Mitarbeit in agilen und klassischen Teams, auch als Product Owner möglich

Eine weitere Managementdisziplin, die im Rahmen der Digitalisierung eine erhöhte Relevanz erhält, ist das Geschäftsprozessmanagement. Die Rolle der Prozessmanager sowie der Prozessverantwortlichen erfährt mit der Digitalisierung gravierende Veränderungen – vom Dokumentierer der Prozesslandschaft zum Planer, Entscheider, Gestalter und Innovator von zunehmend digital gestützten Unternehmensprozesslandschaften. Die Umstellung vorhandener Geschäftsprozesse auf eine digitale/virtuelle Basis ist für die Unternehmen der allermeisten Branchen ein überlebenswichtiger Schritt. Einerseits gilt es, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um die Kostenpotenziale der weltweiten Vernetzung, der dezentralen Arbeit und der Unterstützung durch IT-Systeme voll auszuschöpfen. Andererseits ist die Digitalisierung auch auf der Vertriebsseite unabdingbar, um den sich verändernden Kundenanforderungen und Markttrends gerecht zu werden. Neue Prozessmanagement-Handlungsfelder im digitalen Zeitalter sind (in Kooperation mit Enterprise Architecture Management und IT-Management):

Image       Geschäftsarchitekturen gemeinsam gestalten: neue Geschäftsmodelle ermöglichen, Ge­ schäftsprozesse optimieren, Geschäftsfähigkeiten (Business Capabilities) managen

Image       Business-IT-Alignment realisieren: digitale Architekturen integrativ entwickeln und digitale Transformationen optimieren

Image       Automatisierte Prozesslösungen zielorientiert planen mit RPA, KI

Image       Integriertes Steuern digitaler Lösungen: digital platform management

Image       Lösungsprojekte verantwortlich steuern: Business-IT-Projekte, digitale Transformationsprojekte

Unter Nutzung von Methoden und Techniken des Enterprise Architecture Management (EAM) kann das Management der gesamten Unternehmens-IT-Landschaft wesentlich er­ leichtert werden (vgl. hierzu ausführlich auch Kapitel 4 dieses Handbuchs). Potenziale für die Digitalisierung lassen sich gezielt identifizieren und die Effizienz der IT kann insgesamt signifikant erhöht werden. Die Rolle des Enterprise-IT-Architekten kann im Rahmen digitaler Transformationsprozesse wie folgt skizziert werden:

Image       Begleiter der Geschäftsbereiche bei strategischen Initiativen, Gestaltung innovativer Ge­ schäftsfelder (Geschäftsmodelle) und digitaler Prozesse

Image       Unterstützung der Geschäftsbereiche bei der Strategieentwicklung (ggf. in Kooperation mit Business-Architekten)

Image       Mitarbeit bei Portfolio-Bildung (Auswahl und Gestaltung digitaler Produkte und Projekte)

Ausgangspunkt für das Umsetzen digitaler Transformationsvorhaben bzw. komplexer Projekte sollte ein vereinbartes Projektportfolio sein, das aufzeigt, welche digitalen Projekte in Angriff genommen werden sollen. Für alle digitalen Projekte des Portfolios sind frühzeitig Überlegungen darüber anzustellen, welche Unternehmens-IT-Architekturen (Entwicklungswerkzeuge, Applikationen, Daten, Devices, Infrastrukturen und Plattformen) für eine er­ folgreiche Projektumsetzung zukunftsfähig sind. Nur so kann ein nachhaltiger Projekterfolg gesichert werden.

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Merke:

Alle digitalen Projekte bedürfen der Begleitung durch Unternehmens-IT-Architekten (und ggf. auch spezifisch ausgerichteter Solution-, Data-, Cloud- und Infrastruktur-Architekten). Diese cross-funktionalen Teams sollten durchgängig mit architekturellem Denken und Handeln ans Werk gehen.

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3.2 Technologien und Plattformen digitaler Transformation

Nahezu alle Unternehmen und Dienstleistungsorganisationen müssen sich den technologischen Herausforderungen der Digitalisierung umfassend stellen. Dabei muss über mehr oder weniger disruptive Veränderungen der Geschäfts- und Arbeitsfelder entschieden werden. Ohne eine Kenntnis der Basistechnologien und ihrer Potenziale und Wirkungen im Rahmen digitaler Transformationsprozesse wird es für alle Akteure schwierig – da sind sich alle Experten und Studien einig –, sich in Beratungs- und Entscheidungsprozessen bei digitalen Transformationen kompetent einzubringen.

Letztlich kommt den „richtigen“ Technologieentscheidungen für die digitale Transformation eine zentrale Bedeutung zu. In den letzten Jahren wurden neben den Basistechnologien (etwa Cloud, Connectivity, Mobility, IoT, Big Data/Smart Data), die den Anwendungen und Prozessen zugrunde liegen, weitere innovative Optionen entwickelt, deren Anwendungspotenziale allen beteiligten und betroffenen Akteuren bekannt sein sollten.

Eine Möglichkeit der Systematisierung zeigt Bild 3.3.

Bild 3.3 Digitale Basistechnologien und Ausprägungsformen: neue Potenziale mit Relevanz für alle Branchen und alle Fachbereiche

Vielfältige technologische Innovationen der letzten Jahre haben maßgeblich dazu beigetragen, dass wir mittlerweile teils disruptive Veränderungen in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft feststellen. Neue digitale Produkte und Services sowie veränderte Arbeits- und Geschäftsprozesse, die eine immer stärkere Automatisierung erfahren, sind bereits erfolgreich implementiert. Weitere Veränderungen mit hoher Dynamik stehen uns für die nächsten Jahre bevor.

Trends wie Cloud und Mobile Computing, Big Data sowie neue Möglichkeiten der Connectivity stellen neben besonderen Spezialtechnologien wie beispielsweise Blockchain oder Virtual Reality wesentliche Treiber für digitale Innovationen dar. Eines steht fest: Firmen, die diese Innovationen und spezifischen „Branchentechnologien“ erfolgreich implementieren und nutzen, werden die Wirtschaft und Gesellschaft über Jahrzehnte maßgeblich beeinflussen und mitunter dominieren.

Um einen Einblick in wesentliche Technologien zur Digitalisierung zu geben, sollen diese nachfolgend – so kompakt wie möglich – vorgestellt und exemplarisch deren Anwendungspotenziale verdeutlicht werden.

3.2.1 Cloud Computing – tragende Säule der Digitalisierung

Eine wichtige Basis für digitale Lösungen sind flexible, schnell anpassbare IT-Infrastrukturen in den Unternehmen oder in mobilen Umgebungen. Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen wollen, setzen stark auf die Cloud. Dabei zeigt sich, dass die Varianten

Image       Infrastructure-as-a-Service (IaaS) und

Image       Platform-as-a-Service (PaaS)

besonders favorisiert und als Basis für Entwicklung und Betrieb neuer digitaler Applikationen eingesetzt werden.

Zunehmend verfolgen Unternehmen daher eine Cloud-First-Strategie, um so Beschäftigten, Kunden und Partnern die Möglichkeit zu geben, Dienste jederzeit von überall auf verschiedenen Endgeräten abrufen zu können. Es gilt aber die Empfehlung: Unternehmen sollten ihre Applikationen nicht einfach unverändert in die Wolke schieben, sondern sie für den Betrieb in der Public Cloud anpassen.

Hinsichtlich der konkreten Umsetzung bieten sich folgende Cloud-Alternativen an:

Image       Private Cloud: In diesem Fall möchte sich die IT-Organisation die Kontrolle über das Cloud-Management erhalten. Als Vorteil wird dabei gesehen, dass Sicherheitsbedürfnissen in besonderer Weise Rechnung getragen werden kann.

Image       Public Cloud: Hier verwaltet der Anbieter (Provider) in Eigenregie die Cloud-Lösung für das Unternehmen (etwa die Applikationen und den Betrieb). Damit wird es dem Anwender ermöglicht, in erhöhtem Maß von Skaleneffekten zu profitieren und so eine höhere Flexibilität zu erreichen.

Mittlerweile haben Cloud-Dienste unternehmenseigene Server-Infrastrukturen zumindest teilweise abgelöst. Gerade im Rahmen von Digitalisierungslösungen werden Anwendungen als Service in die Cloud ausgelagert, wobei mitunter ein hybrides Konzept verfolgt wird. Dabei werden Teile der Anwendungen in der privaten Cloud beziehungsweise Infrastruktur belassen und die anderen Teile in öffentliche Clouds verschoben.

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Merke:

Transparente und maßgeschneiderte Cloud-Services tragen in vielen Fällen digitaler Transformation sicher dazu bei, bestimmte digitale Produkte zu realisieren sowie die Geschäftsprozesse von Unternehmen nachhaltig zu verbessern. So können die Unternehmen schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren, was gerade bei digitalen Produkten und Services erfolgskritisch ist. Ergänzend kommt als Vorteil hinzu, dass Cloud-Dienste bedarfsgerecht skalierbar sowie Software-Updates zentral einspielbar sind und auch der Wartungsaufwand massiv gesenkt werden kann.

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3.2.2 Vernetzungstechnologien und IoT sind digitale Treiber

Mit dem digitalen Zeitalter erfahren auch die Bereitstellungsmöglichkeiten von IT-Services und IT-Produkten gravierende Veränderungen, wobei sich zahlreiche Innovations- und Erweiterungspotenziale zeigen. So gibt es neben dem klassischen Server/Client-Betrieb beispielsweise nun auch mittels Vernetzung und Cloud Computing die Möglichkeit, einzelne Komponenten von Netzwerkressourcen sowie Storage-Leistungen bis hin zu kompletten virtuellen Servern „in der Wolke“ bereitzustellen. Server-Landschaften, die klassischerweise im eigenen Unternehmen selbst betrieben werden, verlieren – zumindest in reiner Form – an Bedeutung.

Mittels moderner Vernetzungstechnologien – ausgehend von vielfältigen Möglichkeiten einer Verknüpfung von Daten, Systemen, Produkten, Maschinen und Menschen sowie dem Breitbandnetz – wird die Option eröffnet, in enormer Geschwindigkeit nahezu in Echtzeit auf Computerressourcen zuzugreifen.

Über spezifische Plattformen und entsprechende Dienste in der Cloud können die dahinterliegenden Ressourcen mittlerweile hochverfügbar und skalierbar erbracht werden. Gleichzeitig wird ein hohes Maß an Sicherheit und Zuverlässigkeit geboten. Vielfach werden Hybrid-Modelle gewählt, die es ermöglichen, einen effizienten Mischbetrieb von Komponenten im „eigenen Haus“ (on premise) und in der Cloud zu realisieren.

Begünstigt oder ermöglicht werden zahlreiche digitale Anwendungen durch neue oder verbesserte Vernetzungstechnologien. Dazu zählen wachsende Netzbandbreiten, eine steigende Netzabdeckung durch Mobilfunk und WLAN sowie neue erschwingliche Übertragungstechniken und leistungsfähige Sensoren (IoT).

Spezifische Ausprägungen von IoT sind Smart Factories, Connected Consumer, Connected Smart Car oder etwa Smart Health/Smart Energy/Smart Cities. Dazu einige Beispiele:

Image       Alltagsgegenstände wie die Heizung oder das Licht im eigenen Haus können über das Internet mit einer App direkt aktiviert und gesteuert werden (Smart Home/Connected Consumer).

Image       Das Auto kann über Connect-Lösungen aus der Ferne gesteuert (Fernbedienung für ausgewählte Funktionen) und der Standort mittels einer App ausfindig gemacht werden (Connected Smart Car).

In Sachen Internet der Dinge sind Entwicklungstools, Security-Lösungen und Management Services zu entfernt stehenden Assets/Geräten weit verbreitete Investment-Felder. Die Angebote der IoT-Firmen sind primär sichere Konnektivität und Datenanalyse von IoT-Devices im Privat- und Unternehmenseinsatz. Produkte und Dienstleistungen für das Internet der Dinge sind etwa:

Image       Analytics Software für industrielle und kommerzielle IoT-Applikationen, unter anderem in den Bereichen Produktion, Healthcare und Einzelhandel

Image       Software zur Steuerung von IoT-Devices und Assets

Image       Sicherheitstechnologien für Unternehmen

Image       Bereitstellung smarter Sensoren/Aktoren

Image       Sensorplattformen, die jedes Device im öffentlichen Teil des Internets indexieren und es ermöglichen, Beziehungen zwischen diesen Devices herzustellen.

Ein gemeinsames Merkmal von IoT-Lösungen: Über Sensoren werden Daten aus der Um­ gebung erfasst, sie gelangen über die Cloud in eine Applikation, werden interpretiert und Entscheidungen werden gegebenenfalls automatisiert ausgelöst. Derartige intelligente Lösungen ermöglichen beispielsweise eine vollvernetzte Industrieproduktion oder IoT-unterstützte unternehmensübergreifende Supply-Chain-Prozesse. Die Einsatzgebiete für das Internet der Dinge werden immer breiter.

Welche IoT-Anwendungsszenarien zeichnen sich als nachhaltig ab? Auf ein solches Internet der Dinge steuern die industrialisierte Welt und viele Bereiche von Dienstleistungen bis hin zu privaten Anwendungen zu. Vernetzte Produkte für Smart-Home-Anwendungen, Wearables und Gadgets sind hier erste Anwendungsbeispiele der neuen Möglichkeiten. Durch die Nutzung neuer Möglichkeiten, etwa der Sensorik, mit dem IoT können Unternehmen letztlich ihre Produkte und Services sowie die Zusammenarbeit und ihre Geschäftsmodelle verbessern.

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Merke:

Connectivity bedeutet im Rahmen von Digitalisierungslösungen bzw. IoT- Anwendungen, dass Computersysteme, Maschinen sowie Geräte des täglichen Lebens (Autos, Fahrstühle, Rolltreppen, Heizkörper, Waschmaschinen) durch Sensoren bzw. über Netzwerke miteinander verbunden werden können. Dadurch ergeben sich sogenannte Maschine-zu-Maschine-Systeme sowie auch neue Geschäftsmodelle. Ermöglicht wird damit ebenfalls eine intelligente Vernetzung von Objekten via Internet und eine Echtzeitanalyse von bereitgestellten Daten.

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3.2.3 Mobile Computing – flexible Nutzung digitaler Potenziale

Mobile IT-Systeme und mobil tätige Fach- und Führungskräfte sind aus der Unternehmenspraxis schon seit einiger Zeit nicht mehr wegzudenken. Viele Unternehmen haben bereits in den letzten Jahren mobile Systeme (Smartphones, Tablets, Notebooks) in einem gewissen Umfang den Fachbereichen bereitgestellt und dafür angepasste Lösungen realisiert. Im Rahmen vernetzter Digitalisierungslösungen ist eine erweiterte Ausstattung mit mobilen Systemen angesagt. Nur so können oft die erheblichen Vorteile von Echtzeitlösungen Nutzen stiften.

Deshalb muss die Unternehmensführung oder das IT-Management beim Umsetzen der digitalen Transformation gezielt darüber nachdenken, nicht nur die bisherigen mobilen Unterstützungssysteme zu optimieren, sondern dafür weitere Anwendungsbereiche zu er­ schließen und weiteren ausgewählten Mitarbeitern maßgeschneiderte mobile Systeme mit geeigneten Applikationen bereitzustellen. Darüber hinaus sind den mobilen Beschäftigten auch für bereits vorhandene mobile IT-Systeme zusätzliche oder neue digitale Applikationen zur Verfügung zu stellen.

Als Reaktion auf die rasanten Veränderungen in der Unternehmenskultur haben sich – mittlerweile auch durch die Digitalisierung bedingt – aus einfachem Mobile Device Management (MDM) sehr schnell komplexe Enterprise-Mobility-Management-(EMM-)Lösungen entwickelt.

Unter Beachtung der genannten Anforderungen lassen sich folgende besonderen Möglichkeiten unterscheiden, die effiziente EMM-Lösungen für die Praxis bieten:

Image       Ressourcenbereitstellung und Gewährleistung effizienter und sicherer Netzwerkzugriffe für die mobilen Lösungen

Image       Umfassendes App-Management der vom Unternehmen erworbenen Applikationen – inklusive Lebenszyklusmanagement: Beschaffung, Installation, Freigabe, Monitoring

Image       Maßgeschneiderter Support für die mobilen Lösungen sowie Bereitstellung von Angeboten zum Self Service

Image       Intelligentes Application Management auf den privaten und firmeneigenen Geräten

Image       Option zur Verwaltung ausgewählter Daten in der Cloud oder vor Ort über eine einzige Managementkonsole

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Merke:

Als Folge der Herausforderungen und der neuen technologischen Möglichkeiten ist es in vielen Firmen nötig, die Herangehensweise an Enterprise Mobility als Folge digitaler Transformationen weiterzuentwickeln. Im Enterprise Mobility Management treten nun Aspekte wie die Entwicklung und Verwaltung von mobilen Apps, der mobile Zugriff auf Dateien und Dokumente sowie eine Verbesserung der Sicherheit bei mobiler Systemnutzung stärker in den Mittelpunkt.

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3.2.4 Datengetriebene Digitalisierung – Big Data und Data Analytics

Das Management der Daten nimmt in Unternehmen einen hohen Stellenwert ein. Ein zeitgemäßes Datenmanagement ist wesentlich, um sich einerseits rechtlich abzusichern und andererseits die Daten auch konstruktiv und wertschöpfend nutzen zu können. Im Zentrum neuer datenbasierter Business-Modelle und vernetzter Produkte stehen Daten. Als Bindeglied zwischen Unternehmen und ihren Kunden spiegeln Daten einerseits nahezu die ge­ samten Wirtschafts- und Kundenbeziehungen wider und bilden andererseits den Ausgangspunkt für daraus resultierende neue digitale Lösungen. Daten sind letztlich so etwas wie das Schmiermittel der digitalen Transformation. Sie „beflügeln“ Geschäftsmodelle und ermöglichen eine gezielte Ansprache von Kunden.

Die Digitalisierung verändert – wie zuvor bereits dargestellt – die Unternehmenswelt:

Image       Exponentiell wachsende Daten und Informationen bieten dank analytischer Tools und umfassender Auswertungsmöglichkeiten ein nahezu unbegrenztes Potenzial für neue Sichten auf die Kunden und die Produkte.

Image       Innovative Technologien ermöglichen effizientere Abläufe und produktivere Mitarbeiter sowie eine weitreichende Erfassung und Analyse unterschiedlichster Daten.

Image       Die wachsende Verflechtung von Geschäftsprozessen innerhalb und außerhalb der Unternehmensgrenzen beschleunigt das Geschäft als Ganzes.

Wesentliche Voraussetzung für das Datenmanagement der Zukunft sind klare Strukturierungen der vorhandenen Datenbestände. So lassen sich diese Daten für neue Geschäftsprodukte, Dienstleistungen und „Kundenerlebnisse“ nutzen. Wichtig ist dabei auch eine umfassende Integration der Daten mit den relevanten Systemen, wie CRM, ERP und Marketingautomatisierung. Nur im Zusammenspiel ergeben sich nachhaltige Effizienzvorteile für das Unternehmen.

Data-Analytics- und BI-Lösungen der Zukunft müssen die Analyse von digitalen Prozessen und digitalen Geschäftsmodellen unterstützen. Ein ganz zentraler Aspekt ist dabei die Anbindung an bzw. die Integration in die operativen Systeme. Dafür ist eine analytische Architektur erforderlich. Sie verbindet das Frontend, beispielsweise Sensoren, mit dem Backend, d. h. der Datenaufbereitung, und den verschiedenen analytischen Anwendungen, um entweder Verantwortlichen Handlungsempfehlungen zu geben oder um in einem regelbasierten Kreislauf eigenständig Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe am Frontend vorzunehmen.

Gleichzeitig gilt es, das mit den zuvor skizzierten Herausforderungen verbundene rasant wachsende Datenvolumen zu beherrschen. Unternehmen benötigen ein Datenmanagement, das den steigenden Anforderungen an die Absicherung und die datenschutzkonforme Bewirtschaftung eben jener Datenbestände gerecht wird. Hierzu gehört es, die Datenhoheit beziehungsweise Datensouveränität über die Daten zu behalten sowie gleichzeitig Agilität und Innovationskraft zu wahren.

Die Mehrzahl der digitalen Lösungen ist datengetrieben. Empirische Studien sowie zahlreiche Einsatzbeispiele zeigen dabei den vielfältigen Nutzen von Big Data in digitalen Einsatzgebieten. Wichtig ist dabei, dass mit den Big-Data-Technologien heute nicht nur strukturierte Daten, wie sie in klassischen Datenbanken vorzufinden sind, sondern auch unstrukturierte Daten, wie sie etwa von Sensoren, RFID-Tags, Smart-Metering-Systemen oder auch im Social Web erzeugt werden, für Geschäftsvorfälle nutzbar gemacht werden können.

Im Rahmen von Big-Data-Anwendungen geht es darum, die Fülle der Daten ganzheitlich zu sammeln und so zu bearbeiten, dass sich präzise Aussagen etwa zu Marktentwicklungen, Geschäftseinflüssen, Leistungsparametern und Kundeninteressen treffen lassen.

Durch die Zusammenführung von Daten sind mit Big Data vielfältige quantitative und qualitative Analysen realisierbar, die die Data-Services erheblich erweitern. Letztlich wird damit die Basis für Managementmaßnahmen geschaffen, die es Unternehmen ermöglicht, mittels digitaler Lösungen Vorteile im Wettbewerb zu erzielen. Ein Beispiel: Mithilfe von Big Data können im Marketing riesige Datenmengen analysiert werden, was Experten die Chance eröffnet, die Zielgruppen von Maßnahmen besser zu definieren sowie die angebotenen Produkte und Services gezielter auf vorhandene und neue Kunden abzustimmen.

Durch die umfassende Informationstransparenz werden mit Big Data wichtige Voraussetzungen für eine verbesserte Entscheidungsfindung im Unternehmen geschaffen: Mit Big Data kann da angesetzt werden, wo konventionelle Ansätze der Informationsverarbeitung an Grenzen stoßen. Gleichzeitig können einzelne Fachbereiche nun eine Flut zeitkritischer Informationen für die Entscheidungsvorbereitung erfolgreich bewältigen.

Festzuhalten ist: Big Data stellt umfassende Optionen zur Datensammlung und Datenanalyse für Digitalisierungslösungen bereit. Neu ist im Rahmen der Digitalisierung etwa die Integration von Funktionen aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Machine Learning, die Analysetechniken erheblich verbessern können. Somit heben drei Faktoren Big Data auf ein völlig neues Niveau:

Image       die Fülle an strukturierten und unstrukturierten Daten, die auf Auswertung warten,

Image       eine rasant angewachsene Rechenpower, auf die jedes Unternehmen Zugriff hat sowie

Image       die Vielzahl leistungsfähiger Tools zur Datenanalyse.

3.2.5 Innovative Anwendungsformen digitaler Transformation – KI, AR/VR, Blockchain

Analog zu den Technologieprognosen von Gartner aus dem Jahr 2017 sollen folgende Technologien, denen im Rahmen der digitalen Transformation eine hohe Bedeutung zugemessen wird, hier herausgestellt und kurz erläutert werden:

Image       KI bzw. Machine Learning

Image       Augmented Reality und Virtual Reality

Image       Blockchain

KI und Machine Learning

Künstliche Intelligenz (KI) besteht aus neuesten Technologien, durch die Maschinen wahrnehmen, verstehen, handeln und lernen können. KI wird in den nächsten Jahren wesentliche Innovationen hervorbringen: zum Beispiel beim autonomen Auto, im E-Commerce mit Chatbots oder in Sachen Business Intelligence, Kundenverhaltensanalyse und medizinische Forschung.

Künstliche Intelligenz wird aber die menschliche Arbeitskraft nicht ersetzen, sondern Lernbereitschaft und Fähigkeiten zur Übernahme neuer Rollen einfordern. Nichts wird jemals die Bedeutung menschlicher Kreativität, Empathie und Innovation ersetzen. Aber Tools und Plattformen für Machine Learning und KI werden immer einfacher zu nutzen sein und dadurch auch immer tiefer in Prozesse eingreifen. Cloud-Ressourcen werden für das Training dieser Algorithmen immer bedeutsamer. Beide Technologien werden einen großen Einfluss auf die Zukunft von Arbeit und Sicherheit haben.

Entsprechende Plattformen (wie etwa Azure) bieten bereits umfassende KI-Dienste, die genutzt werden können. Beispiele sind:

Image       Spracherkennung: Die Spracherkennung, sogenannte Speech-Dienste (auch als Sprachezu-Text bezeichnet), ermöglicht die Echtzeittranskription von Audiostreams in Text.

Image       Sprachübersetzung: Die Sprachübersetzung ermöglicht eine Übersetzung von Audiostreams in Sprache oder Text in Echtzeit.

Image       Sprechererkennung: Bei den Sprechererkennungs-APIs handelt es sich um cloudbasierte APIs, die Algorithmen zur Sprecherüberprüfung und Sprecheridentifikation bereitstellen.

Image       Textanalyse: Die Textanalyse-API ist ein cloudbasierter Dienst für die erweiterte Verarbeitung natürlicher Sprache aus unformatiertem Text.

Image       Text-zu-Sprache: Text-zu-Sprache ist ein cloudbasierter Dienst, der es Anwendungen, Tools oder Geräten ermöglicht, Text in natürliche, menschenähnliche, synthetisierte Sprache zu konvertieren.

Image       Gesichtserkennung: Eine Gesichtserkennungs-API ist ein Cloud-Dienst, über den Algorithmen zum Erkennen und Analysieren von menschlichen Gesichtern in Bildern bereitgestellt werden.

Das Erkennen gesprochener Sprache und das Kategorisieren von Bildern waren bislang Aufgaben, die Menschen vorbehalten waren. Andererseits bieten sich gewaltige Chancen, etwa wenn in der Medizin 3D-Aufnahmen eines Tumors bis ins letzte Detail analysiert und so Auffälligkeiten frühzeitig entdeckt werden können.

Die Top-Ziele von KI sind höhere Effizienz, optimierter Personaleinsatz, Umsatzsteigerung und mehr Analytics für eine bessere Kundenansprache.

Blockchain

Technisch gesehen handelt es sich bei der Blockchain um eine dezentrale Datenbank, die in einem Peer-to-Peer-Netzwerk von Computern verteilt ist. Als Merkmal ist dabei festzuhalten, dass dieses System von keinem Beteiligten bzw. keinem „externen“ Angreifer mehrheitlich zu kontrollieren ist. Somit lässt es sich auch nicht manipulieren oder „hacken“. In diesem Netzwerk können Parteien an einer Blockchain-basierenden Lösung teilhaben, so sie den Regeln dieser Blockchain folgen.

Mit der besonders disruptiven Blockchain-Technologie werden sichere, direkte Transaktionen im weltweiten Web ohne Einbindung von Intermediären möglich. Dabei kann es sich bei den Objekten, die transferiert werden, beispielsweise um Verträge, Testamente, Transportpapiere oder Finanztransaktionen handeln.

Ein oft genanntes Anwendungsbeispiel für die Blockchain-Technologie ist eine Kfz-Versicherung, die mit Autofahrern tarifliche Regeln vereinbart, die kontextsensitiv sind und etwa abhängig vom Fahrverhalten unterschiedliche Tarife berechnen (sogenannte „Smart Contracts“). Das Fahrverhalten wird dann über die Blockchain analysiert, die Beiträge ändern sich ständig je nach Fahrstil. Vorsichtige Fahrer werden belohnt, risikobereite Fahrer zur Kasse gebeten. Solche „Smart Contracts“, deren Einhaltung nicht von bestimmten Akteuren überwacht werden muss, sind in vielen Branchen und Nutzungsszenarien denkbar.

Fazit: Die Blockchain könnte irgendwann dafür sorgen, dass sich Lieferanten und Konsumenten direkt und für jedermann nachvollziehbar im Netz verbinden, ohne dass ein dritter Partner (etwa für Finanztransaktionen) nötig ist.

Augmented Reality und Virtual Reality

Die Option Augmented Reality (AR) – eine computergestützte Erweiterung dessen, wie Menschen die reale Welt wahrnehmen – gewinnt mit Aufkommen der digitalen Transformation an Bedeutung. Anwendungen stehen zwar nach wie vor am Anfang, aber mittlerweile investieren einige Unternehmen in AR-Techniken, die Mitbewerber beachten sollten. Beispielsweise bietet eine Baumarktkette für Heimwerker eine App „Project Color“ an, die es Heimwerkern ermöglicht, ihre Wohnung in einer anderen Farbe „kennenzulernen“. Sobald Sie mit der Kamera des mobilen Geräts auf eine Raumwand in einem Gebäude oder einer Wohnung zeigen, erscheint nach Auswahl einer Farbe diese Wand im ausgewählten Anstrich, Gegenstände wie Lampen, Regale oder Schränke werden erkannt und nicht übermalt. Verbunden damit kann dann eine Produktbestellung unmittelbar unter Berücksichtigung der Aufmaße aufgegeben werden.

Bei Virtual Reality (VR) geht es um die täuschend echte Darstellung einer rein virtuellen interaktiven Umgebung. Der User taucht in eine neue Welt ein (Immersion), mit der er interagieren kann. In dieser Welt sieht er qualitativ hochwertige 3D-Bilder und kann sich, etwa ausgestattet mit einer VR-Brille, ohne Verzögerungen in 360 Grad umsehen.

3.3 Digitalisierungsstrategien entwickeln und umsetzen

Nahezu alle Unternehmen und Dienstleistungsorganisationen müssen sich – wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt – den Herausforderungen der Digitalisierung umfassend stellen und mehr oder weniger disruptive Veränderungen ihrer Geschäfts- und Arbeitsfelder vornehmen. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, wie das Thema Digitalisierung systematisch angegangen werden kann. Ohne eine Digitalisierungsstrategie und eine dazu notwendige „Business- und Digitalisierungs-Health-Analyse“ wird es – da sind sich alle Experten und Studien einig – nicht gehen.

In so gut wie jedem Unternehmen wurden mittlerweile Digitalisierungsinitiativen gestartet. Schnell stellt sich die Frage, ob diese strategisch in die richtige Richtung laufen, ob sie sich nicht überschneiden und ob diese nicht durch zentral entwickelte Ansätze ergänzt werden sollten. Soll die Initiative für eine Transformationsstrategie eher vom Top-Management kommen oder soll dieses nur den Rahmen setzen? Auch muss die Frage beantwortet werden, wer eigentlich den digitalen Wandel eines Unternehmens steuert (vgl. auch Hess, Thomas: Digitale Transformation strategisch steuern; 2019).

Sind die Grundentscheidungen bzgl. der Verantwortlichkeiten getroffen, bedarf es der Entscheidung zu folgenden Fragen:

Image       Welches Vorgehensmodell wird bezüglich der Strategieentwicklung gewählt?

Image       Wie sieht die Teambildung für die Vereinbarung der Strategie aus?

Image       Welche Instrumente stehen zur Verfügung bzw. sollten gewählt werden, um zu einer Digitalisierungsstrategie zu gelangen?

Ein mögliches Vorgehensmodell zur Entwicklung eine Digitalisierungsstrategie zeigt Bild 3.4.

Bezüglich der Teambildung sind als typische („gesetzte“) Mitglieder folgende Initiatoren und Promotoren aus dem Unternehmen zu nennen:

Image       Business-Analysten bzw. Fachkoordinatoren

Image       Enterprise- und IT-Architekten (Solution- und Systemarchitekten etc.) sowie

Image       IT-Verantwortliche für ausgewählte Domänen

Image       Stakeholder aus den Fachbereichen

Darüber hinaus kommen HR-Experten bzw. Marketing- und Vertriebsverantwortliche, Vertreter der Belegschaft, externe Experten (Consultants, Startups) als ergänzende Mitglieder in Betracht.

Bild 3.4 Vorgehensmodell zur Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie

3.3.1 Strategische Lagebeurteilung und Business-Analyse

Um zu abgestimmten Vereinbarungen für die Umsetzung der digitalen Transformation im Unternehmen zu gelangen, ist zunächst eine ausgewogene strategische Lagebeurteilung unerlässlich. Dabei muss seitens der Geschäftsführung in Verbindung mit den Fachbereichen, den übergreifenden Management-Handlungsfeldern (z. B. Organisation und Prozessmanagement, IT-Management) eingeschätzt werden, wie das Kundenprofil unter dem Aspekt der neuen Möglichkeiten der Digitalisierung einzuordnen ist und welche digitalen Produkte oder IT-Services künftig angeboten werden sollen und müssen.

Ausgehend von der Unternehmenssituation gilt es eine systematische Lagebeurteilung vorzunehmen. Tabelle 3.1 zeigt die dabei sich anbietenden Handlungsebenen sowie mögliche Ergebnisse.

Tabelle 3.1 Strategische Lagebeurteilung (Handlungsebenen und Ergebnisse)

Handlungsebenen/Methoden

Mögliche Ergebnisse

Digitales Leistungs- und Kundenportfolio erheben, Service-Analyse

Kundenportfolio mit Auswertungen zu den Anforderungen an Produkte und Services, Ist-Serviceportfolio und Anforderungskataloge für künftige Services

Business-Analyse: Geschäftsfelder, Geschäftsprozesse, Capability Map

Ist-Geschäftsfeld-Abbildung, Ist-Prozesslandkarten und Wertschöpfungsketten, Business Capability Map

Digitaler Health-Check (mittels Fragebogen, Kriterien-Checklisten), Digitalisierungspotenzialanalysen

Ermittelte digitale Reifegrade (für Geschäftsmodelle, Geschäftsprozesse etc.), Auswertungen der Digital-Health-Analyse; Handlungsentwürfe für die Ausschöpfung von Digitalisierungspotenzialen

Stärken/Schwächen bzw. Risiko/Chancen analysieren (SWOT-Analyse-Technik), Wettbewerbsanalysen

Chancen bzw. Digitalisierungspotenziale mit ersten Maßnahmenempfehlungen gemäß SWOT-Tableau

Kundenanforderungen und Leistungs-/Kundenportfolio: Um die strategische Ausrichtung der Digitalisierung für ein Unternehmen entwickeln und präzisieren zu können, ist ein Blick auf das Leistungs- und Kundenportfolio der Business-Bereiche sowie die Ableitung der wesentlichen Erfolgsbedingungen für das Erbringen von hochwertigen Dienstleistungen für die digitalen Transformationsprozesse in der jeweiligen Branche erforderlich. Vor allem ist daraufhin der bisherige Produkt- und Servicekatalog im Hinblick auf ergänzende oder veränderte digitale Produkte und Services fortzuschreiben und bei Bedarf neu aufzusetzen.

Geschäftsfeldanalyse: Um die Digitalisierungspotenziale für das Geschäft des Unternehmens zu erkennen, ist es vor allem nötig, die aktuellen Geschäftsfelder zu überprüfen und die künftige Geschäftsausrichtung festzulegen. Das gilt im Prinzip für Unternehmen aller Branchen. Im Rahmen von gezielten Interviews/Befragungen mit der Unternehmensführung sowie Innovations-Workshops sind die zentralen Parameter für die zu entwickelnde Digitalisierungsstrategie zu ermitteln und zu dokumentieren. Wichtige Fragen, die adressiert und beantwortet werden sollten, sind beispielsweise:

Image       Wie wird die künftige Geschäftsentwicklung des Unternehmens unter den Möglichkeiten der Digitalisierung eingeschätzt?

Image       Welches sind die Hauptgeschäftsfelder unseres Unternehmens? Kann das existierende Geschäftsmodell weiterbestehen, wird es obsolet oder bedarf es grundlegender Veränderungen?

Image       Welche Anforderungen haben meine „Connected Customer“ heute und wie können sie gezielter durch digitale Produkte bedient werden?

Image       Welche neuen Geschäftsfelder und Geschäftsprozesse bieten ein Wachstumspotenzial durch Entwicklung und Implementierung von digitalen Produkten?

Image       Welche aktuellen Herausforderungen sowie rechtlichen Regularien sind für die Digitalisierungslösungen des Unternehmens zu beachten?

Wettbewerbsanalyse: Die Branchen- und Wettbewerbstrends können im Regelfall durch externe Quellen wie zum Beispiel Branchenberichte von Analysten oder Industrieverbänden angereichert werden. So kann ein möglichst vollständiges Bild erstellt werden, das für das Festlegen der Digitalisierungsstrategie außerordentlich wichtig sein kann.

Situationsanalysen: Sie liefern ergänzend eine umfassende Sicht der IT-Situation im Unternehmen – insbesondere aus fachlicher und technischer Sicht. Dabei sollte der erreichte Stand skizziert, eine Standortbestimmung vorgenommen und der Handlungsbedarf aus Sicht der Fachbereiche/der Tochterunternehmen für die Bewältigung der erkannten Digitalisierungsherausforderungen aufgezeigt werden.

Besondere Bedeutung kommt der SWOT-Analyse zu. Aus den identifizierten Stärken und Schwächen bzw. Risiken und Chancen lassen sich sehr gut Maßnahmen und notwendige digitale Projekte ableiten. Handlungsbedarf ergibt sich aus dem Ausbau von Stärken, dem Abbau von Schwächen, dem Nutzen von Chancen sowie dem Bekämpfen von Risiken; und zwar jeweils im Hinblick auf digitale Produkte und Leistungen, Digitalisierungsprozesse sowie das einzusetzende IT-Personal.

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Praxistipp

Wichtige Unterstützung leisten dabei bewährte und neue Analysemethoden wie die Business-Analyse (mit Geschäftsfeld- und Prozessanalysen), digitale Produkt- und Service- sowie die SWOT-Analyse. Speziell für das Ermitteln der Digitalisierungspotenziale haben Organisationen heute ein Digital-Health-Check-Verfahren etabliert.

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3.3.2 Digitalisierungslösungen konzipieren

Für das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle und von Digitalisierungspotenzialen (etwa zu den Geschäftsprozessen und zu den Kundenmerkmalen) gilt es, zunächst die wesentlichen Innovations- und Erfolgsmotoren zu identifizieren. Um auf der Basis der Analyseergebnisse zu den Digitalisierungspotenzialen der jeweiligen Organisation zu gelangen, können die strategischen Zielsetzungen präzisiert, Analysen zur IT-Organisation vorgenommen und schließlich Technologie- und Applikationstrends zur Digitalisierung eingeschätzt werden.

Ausgehend von den Ergebnissen der systematischen Lagebeurteilung kann eine Grundposition vorgenommen werden und können erste Digitalisierungslösungen zu den Geschäftsfeldern (Produkten, Services), Geschäftsmodellen sowie zu den Prozessen und zur erneuerten Kundenorientierung entwickelt werden. Tabelle 3.2 zeigt die sich dabei anbietenden Handlungsebenen sowie mögliche Ergebnisse.

Tabelle 3.2 Konzeptentwicklung: Digitalisierungslösungen konzipieren

Handlungsebenen/Methoden

Mögliche Ergebnisse

Strategische Positionierung: Digitale Mission/Vision und Ziele der Digitalisierung entwickeln/vereinbaren

Mission-Dokument, digitale Vision-Map, Zielkatalog „Digitalisierung“

Digitale Geschäftsfelder/Geschäftsmodelle entwickeln und vereinbaren

Digitale Ideenskizzen (innovative Geschäftsfelder und Produkte), Geschäftsmodell-Abbildungen (Soll)

Geschäftsprozesse neu ausrichten (Prozessdesign etc.) und stärker digitalisieren und automatisieren

Soll-Geschäftsprozesse (mit erhöhtem Digitalisierungs-, Automations- und Integrationsgrad), KPIs zur Prozessmessung bzw. Prozesssimulationen

Kundenorientierung digital verstärken

Customer Journey analysieren und weiterentwickeln, Kundenschnittstellen (Channels) optimieren

Wichtige Ausgangspunkte und Handlungsnotwendigkeiten für eine grundlegende strategische Positionsbestimmung zur Digitalisierung im Unternehmen sind:

Image       Analysieren der Anforderungen der Kunden und Stakeholder des Unternehmens im Hinblick auf eine zunehmende Ausschöpfung von Digitalisierungspotenzialen,

Image       Dokumentieren der Mission zur Digitalisierung,

Image       Formulieren und ggf. Aktualisieren der Digitalvision,

Image       Formulieren und Vereinbaren von strategischen Zielsetzungen (digital scope) für die digitalen Transformationsaktivitäten sowie

Image       Formulieren des Wertbeitrags durch Nutzung der vielfältigen Digitalisierungspotenziale.

Grundsätzlich ist eine schrittweise Entwicklung einer Mission und von Visionen sowie der strategischen digitalen Ziele empfehlenswert. Den Zusammenhang zum Vorgehen zeigt Bild 3.5.

Bild 3.5 Digitale Mission/Vision und Ziele der Digitalisierung stufenweise entwickeln/vereinbaren

In einer Mission wird dargelegt, was eine organisatorische Einheit als ihre übergeordnete Aufgabe ansieht bzw. warum es sie gibt und in welchen Bereichen sie tätig sein soll. Zu­ gleich ist die Mission die Anerkennung der Verpflichtung oder einer Organisation gegenüber ihren Stakeholdern und ihrem Umfeld. Im Einzelnen kann die digitale Mission anhand folgender Fragestellungen erarbeitet werden:

Image       Wofür steht die digitale Unit bzw. welchen Sinn und welches Selbstverständnis vermittelt das Agieren des Bereichs?

Image       Welche Qualitäten und Werte waren in der Vergangenheit im täglichen Denken und Handeln entscheidend, die auch in Zukunft für uns wichtig sind bzw. noch zusätzlich wichtig werden?

Image       Wie kann das Leitbild für den Bereich formuliert und kommuniziert werden?

Image       Welche zentralen Werte sollen künftig im Mittelpunkt des Handelns stehen?

Beachten Sie: Analog zur unternehmensweiten Mission sollte die digitale Mission auch die Gründe darlegen, warum etwa eine digitale Unit im Unternehmen (bzw. innerhalb der IT-Organisation) existiert. Ergänzend ist festzulegen, unter welchen Wertmaßstäben die digitalen Transformationen realisiert und kontinuierlich umgesetzt werden.

Im Rahmen des Visioning ist zu vereinbaren, wohin sich das Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation bewegen möchte. Ergebnis des Visionen-Entwicklungsprozesses sollten dokumentierte Überlegungen sein, die Formulierungen einer umsetzbaren Vision unter Berücksichtigung späterer Ausbaustufen enthalten. Dazu gehören die Darlegung der Rahmenbedingungen, einprägsame Visionsgrundsätze für den Bereich sowie eine Vision-Map (etwa unter Berücksichtigung einer Zeitachse oder in Form einer Mindmap).

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Beachten Sie:

Ein erster Schritt sollte auch sein, das richtige Bewusstsein im Unternehmen zu schaffen. Das kann beispielsweise durch Digital Bootcamps erreicht werden, in denen Mitarbeitern anhand eingängiger Beispiele die Grundmechanismen der Digitalisierung demonstriert werden – wie Plattformdenken oder sich selbst verstärkende Netzwerkeffekte. Zu Beginn gilt es, eine Digitalvision mit klaren strategischen Zielen zu formulieren, an der sich alle entstehenden Ideen und Geschäftsansätze messen lassen.

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3.3.3 Strategische Handlungsfelder für die digitale Transformation vereinbaren

Ergebnis einer Digitalisierungsstrategie sollte eine klare Vereinbarung der strategischen Handlungsfelder für die digitale Transformation sein. Dabei sind auch strategische Teilkonzepte zu Organisations-, Personal-, Service- und Sourcing-Fragen zu konkretisieren. Ta­ belle 3.3 zeigt die sich dabei anbietenden Handlungsebenen sowie mögliche Ergebnisse.

Tabelle 3.3 Strategische Handlungsfelder für die digitale Transformation vereinbaren

Handlungsebenen/Methoden

Mögliche Ergebnisse

Enterprise-/IT-Architecture Transformation: Technologiefestlegungen und Implementierungen

Bereitzustellende Plattformen; digitale Plattformstrategie für Cloud, Big Data und IoT

Produktlebenszyklusmanagement für digitale Produkte etablieren

Einordnung der vorhandenen bzw. der geplanten digitalen Produkte im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit bzw. den Zeitplan der Nutzung

Digitale Services definieren und Qualität der Serviceerbringung vereinbaren

Strategisches Serviceportfolio, SLAs

Datenstrategien/Cloud-Strategien

Data-Excellenz-Initiative aufsetzen; Einführung von Cloud-Technologien und -Plattformen

Neue digitale Initiativen entfalten

Digitale Ideenskizzen (Produkte, Disruptionsfelder), Geschäftsmodell-Abbildungen (Soll); etwa mit Canvas, Customer Journey analysieren und weiterentwickeln, Kundenschnittstellen (Channels) optimieren

Empfehlungen zu den Enterprise- bzw. IT-Architekturen (Architekturkonzept für die Digitalisierung)

Ein wesentlicher Planungsbereich betrifft die Enterprise-Architekturen des Unternehmens, wobei sich eine grafische Darstellung der aktuellen Enterprise-Architektur (ein sogenanntes Big Picture) als Ausgangspunkt anbietet. Es umfasst die Bereiche IT-Infrastrukturen, Anwendungen (digitale Applikationen) sowie Geschäftsfunktionen/Geschäftsprozesse des jeweiligen Unternehmens in ihrem Zusammenhang. Damit werden das Management der gesamten Unternehmens-IT-Landschaft wesentlich erleichtert, Potenziale für die Digitalisierung gezielt erkannt und die Effizienz der IT insgesamt signifikant erhöht.

Die digitalen Bebauungspläne geben dann an, wie zurzeit (Ist-Architektur) oder wie zu­ künftig (Soll-Architektur) die digitale Bebauungslandschaft aussieht bzw. aussehen soll. Ein wichtiger Grundsatz bezüglich Digitalisierung: Bestehende IT-Architekturen (und damit verbundene Systeme) müssen „entrümpelt“ werden, auch und gerade weil sie mit hohem Aufwand beschafft, entwickelt und betrieben werden.

Produkt-Lebenszyklusmanagement für digitale Produkte etablieren

Offenen Schnittstellen (APIs) und DevOps gehört die Zukunft, weshalb ein professionelles Produkt-Lebenszyklusmanagement für IT-Systeme und digitale Produkte wesentlich ist.

Unter API (für Application Programming Interfaces) werden standardisierte Programmierschnittstellen verstanden. Sie ermöglichen es Entwicklern von Digitalisierungslösungen, ihre Lösungen unter Nutzung der von anderen Organisationen bereitgestellten Anwendungen (Apps) und Daten zu verbinden. So lassen sich damit Daten austauschen und gegebenenfalls ganze Services abrufen. Ein Beispiel dafür ist das disruptive Geschäftsmodell des Fahrdienstes Uber, der mit seiner Taxi-App etwa auf das Kartenmaterial von MapKit und GoogleMaps, sowie bezüglich der Zahlungsabwicklung auf die App von Braintree zurückgreift.

Unter dem Begriff „DevOps“ werden methodische Ansätze und Tools zusammengefasst (Dev für Development; Ops für Operations), die die agile Entwicklung und den Betrieb von Digitalisierungslösungen intelligent miteinander verzahnen. Wesentliche Voraussetzung für ein Gelingen dieser Verknüpfung ist die Organisation einer effizienten und vertrauensvollen Zusammenarbeit von Entwicklern, Test-Engineers sowie Systemadministratoren. Darüber hinaus wird angestrebt, eine umfassende Dokumentation und Automatisierung der integrierten Prozesse zu realisieren sowie möglichst ein Live-Monitoring der Prozessqualität zu ermöglichen.

Digitale IT-Servicestrategien

Die Geschäftsaktivitäten und Geschäftsprozesse lassen sich nur dann erfolgreich realisieren, wenn die dazu nötigen IT-Applikationen und IT-Infrastrukturen störungs- und problemfrei arbeiten sowie eine adäquate Funktionalität und Usability aufweisen. Um dies sicherzustellen, ergibt sich in der Praxis ein wachsender Bedarf an leistungsfähigen IT-Services.

Aus strategischer Sicht ist zunächst eine Entscheidung über das IT-Serviceportfolio und dessen Entwicklung bzw. das damit verbundene SLA-Management wichtig. Außerdem gilt es über die IT-Serviceprozesse, die einen reibungslosen Betrieb der IT-Systeme gewährleisten sollen, Entscheidungen zu treffen, die optimierte Lösungen ermöglichen.

Besonderes Augenmerk soll bei der Planung der IT-Servicestrategie hier zum einen auf die Berücksichtigung der Betriebsanforderungen bei der Konzeption sowie auf die sorgfältige Übergabe von angeschlossenen Entwicklungen an den technischen Betrieb gelegt werden.

Als weitere Maßnahmen zur Förderung der Kundenorientierung kann im Rahmen strategischer Überlegungen geprüft werden, inwieweit ein Service-Level-Management gegenüber den internen IT-Kunden aufgebaut bzw. optimiert werden kann. Unter Umständen stellt sich auch die Frage, inwieweit ein Kundenmarketing auf- und ausgebaut werden kann. Erfahrungen aus anderen Unternehmen zeigen, dass es hilfreich sein kann, wenn die Kommunikation der IT-Organisation zu den Kunden (hier der Fachbereiche) gezielt initiiert und gesteuert wird.

Bezüglich der IT-Servicestrategie wird neben dem Aufbau bzw. der Fortschreibung eines IT-Produkt- und Servicekatalogs insbesondere auch die Ausrichtung und grundsätzliche Vorgehensweise auf dem Weg zu einer ITIL-konformen IT-Organisation empfohlen. Für eine IT-Service-Strategie muss es das Ziel sein, die IT-Organisation bestmöglich an den Zielen Ihres Unternehmens auszurichten, die Kunden der IT-Organisation zu identifizieren sowie festzulegen, wie die IT-Services an die Kunden geliefert werden. Darüber hinaus wird angeraten, im Rahmen einer Strategieentwicklung auch die Formen für die Erbringung der IT-Services zu vereinbaren.

Cloud-Strategie

Längst hat Cloud Computing die Art und Weise komplett verändert, wie Unternehmen in der heutigen Welt agieren. Es geht dabei nicht nur um die technologischen Einflüsse, sondern auch um die Geschäftsauswirkungen, die mit der Technologie einhergehen. Begründen lässt sich diese Entwicklung sehr einfach, denn die Cloud bietet Unternehmen neben einem innovativen Beschaffungsmodell auch eine hohe Geschwindigkeit und Agilität bei der Verfügbarkeit der Unternehmens-IT.

Die Einführung von Cloud-Technologien und -Plattformen ist mittlerweile zu einer wichtigen Geschäftsanforderung geworden und hat damit sowohl für das Business als auch für die IT-Seite eine hohe Priorität in To-do-Listen für strategische Aktivitäten. Führungskräften ist bewusst, dass sich eine digitale Strategie, die in der Regel auf der Cloud basiert, nur mit einer klar definierten Roadmap zum Leben erwecken lässt.

Im Rahmen der Cloud-Strategie sollte ein strategischer Plan entwickelt werden, welcher die Möglichkeiten des Einsatzes von Cloud-Plattformen sowohl aus Entwicklungs-, Deployment- und Service-Sicht als auch aus Sicht von Geschäftsprozessen beurteilt und bewertet.

Die Lösung ist das Beste aus zwei Welten: die Hybrid-Multi-Cloud. Geschäftskritische Daten liegen in der firmeneigenen, privaten Cloud. Preissensible Massenanwendungen für mobile Kollaboration, Kommunikation und einfachen E-Commerce liegen in der Public Cloud oder stehen als nutzerfreundliche Web-Anwendung für die schnelle Interaktion bereit. Diese Szenarien bergen jedoch weitreichende Herausforderungen für Performance und Sicherheit. Und die IT muss beides garantieren, auch wenn ihr Workload bedingt durch die Flut an Endgeräten bzw. durch das Internet of Things ohnehin weiter zunimmt.

Personalstrategie/Capability-Management

Für eine erfolgreiche Digitalisierung von Unternehmen fehlt es in Deutschland nicht selten an Mitarbeitern mit den notwendigen Skills. Die Beschreibung der Personalstrategie innerhalb der IT und der Fachbereiche (Qualifikation der einzelnen Beschäftigten, Weiterbildungskonzepte, Laufbahnen) enthält Aussagen zur strategischen Personalplanung, durch die sichergestellt werden kann, dass qualifiziertes IT-Personal sowie digitale Experten in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um allen künftigen Aufgaben aufgrund der neuen digitalen Herausforderungen in hohem Maße gerecht zu werden.

Außerdem wird empfohlen, ein umfassendes Transformationsprogramm aufzusetzen, um Mitarbeiter mit den passenden Fähigkeiten und Kompetenzen zu aktivieren oder zu rekrutieren sowie Partner- und Technologiekonzepte festzulegen. Wichtig ist dabei auch ein aktives Talentmanagement zur Stärkung der „Digital Skills“. Bezüglich der Skills empfiehlt sich in jedem Fall eine offenere Herangehensweise an das Thema mittels Partnerschaften mit Universitäten und Startups sowie eine Kollaboration über Unternehmensgrenzen hinweg, bei der Partner gemeinsam neue Geschäftsmodelle entwickeln. Besonders spezielle Ausbildungsprogramme, Digital Bootcamps, Mentoring oder der Aufbau von Digital Think Tanks tragen zur Optimierung der digitalen Organisation bei.

Digitale Risikopolitik und Compliance-Strategie

Aufgrund des KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) ist die Unternehmensleitung verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. Selbst wenn ein unternehmensweites allgemeines Risikomanagement etabliert ist, fehlt vielfach die spezifische Berücksichtigung der Risiken, die in den digitalen Produkten und Prozessen, den IT-Systemen und in den Digitalisierungsprojekten liegen. Durch die zunehmenden Regulierungsvorgaben sowie eine stetig wachsende Zahl von Projekten bzw. der höheren Komplexität der IT-Systeme ist davon auszugehen, dass Digitalisierungsrisiken in vielen Organisationen verstärkt in den Blickpunkt genommen werden müssen. Wesentlich ist deshalb aus strategischer Sicht zunehmend, ein eigenständiges Risikomanagementsystem für das Management digitaler Prozesse und digitaler Lösungen zu entwickeln und zu implementieren. Aufbau und Weiterentwicklung dieses Handlungsfelds sind im Strategiedokument zu fixieren.

Neue digitale Initiativen entfalten

Im Rahmen einer (mindestens jährlich) fortzuschreibenden Digitalisierungsstrategie gilt es auch immer wieder neue digitale Initiativen zu entfalten und zu dokumentieren. Dabei kann auch die Einrichtung bzw. der Aufbau sogenannter Digital Labs (Innovation Labs) wesentlich sein. Diese orientieren sich an Erfahrungen der Startup-Szene und werden mitunter als „unternehmensinterne Denkfabriken“ bezeichnet, in denen kreative Freiräume für unternehmensinterne Mitarbeiterteams geschaffen werden. Zusammengesetzt aus kreativen Mitarbeitern, die aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen kommen (etwa IT-Architekten, Anwendungsentwickler, Produktdesigner), sollen hier – unbelastet von zentralen Unternehmenszwängen – Ideen für neue Geschäftsmodelle und innovative digitale Produkte entwickelt werden, die für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens erfolgreich genutzt werden können.

3.3.4 Roadmap, Masterplanung und Digital Change entwickeln

Nach Vereinbarung der strategischen Konzepte und der Ausrichtung in den verschiedenen Handlungsfeldern ist die agile Umsetzung der strategischen Überlegungen des Unternehmens gezielt in Angriff zu nehmen. Hier gilt es zunächst, die digitalen Roadmaps umzusetzen, die Klarheit bezüglich der vorhandenen und künftigen Investitionen in digitale Produkte und Prozesse schaffen. Dies sollte zentraler Bestandteil der Entscheidungen zur Umsetzung der strategischen Überlegungen sein. Dadurch können sich die Unternehmen auf das Wesentliche konzentrieren und so gezielt auf die enormen Chancen vorbereiten, die die Digitalisierung bietet.

Tabelle 3.4 zeigt die sich dabei anbietenden Handlungsebenen sowie mögliche Ergebnisse.

Tabelle 3.4 Roadmap, Masterplanung und Betrieb von Digitalisierungslösungen

Handlungsebenen/Methoden

Mögliche Ergebnisse

Masterplanung für die digitale Transformation

Digitaler Masterplan Strategisches Projekt-/Serviceportfolio

Digital Product Roadmap entwickeln

Product-Roadmaps (für digitale Produkte)

Digital Platform Management

Verschiedene Plattformen (mobile Systeme, Big Data, Social Connectivity, IoT etc.) spielen eine zentrale Rolle für die Digitalisierung. Unternehmen müssen diese Plattformen nutzen. Ggf. sind eigene Plattformen zu entwickeln und zu betreiben.

Empfohlen wird, dass Unternehmen ihre digitalen Geschäftsmodelle konsequent nach einem strukturierten Masterplan aufbauen und in Projekten umsetzen:

Image       Das Umsetzen des digitalen Masterplans bedarf einer ganzheitlichen Managementunterstützung für alle Entwickler- und Implementationsteams.

Image       Wichtig ist darüber hinaus, dass die Unternehmensführung eine digitale Innovationskultur über alle Unternehmensbereiche hinweg fördert. Schlagworte wie Digital Leadership oder Digital Empowerment kennzeichnen die Richtung, in die es gehen muss.

Image       Führungsverantwortlichkeiten und -rollen können dafür sorgen, dass die nötigen Leadership-Skills vorhanden sind und ein Entrepreneur-Geist entsteht.

Notwendig ist die Dokumentation der Vorhabensplanung in einem digitalen Masterplan. Dieser beschreibt im Wesentlichen die Digitalisierungsprojekte, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Neben einem Projektportfolio empfiehlt es sich, eine Masterplan-Grafik zu entwickeln, die die Informationssysteme oder Projekte auf einer Zeitachse abbildet, um so die Weiterentwicklung der IT-Landschaft oder der digitalen Produkte und Verfahren im Zeitverlauf zu illustrieren, sodass auch potenzielle Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Digitalisierungsprojekten identifiziert werden.

Mittels einer sogenannten Digital Leadership sollen entsprechende Veränderungen in der Unternehmenskultur, im Verhalten der Mitarbeiter, aber auch im öffentlichen Auftreten von Mitarbeitern und Managern initiiert und realisiert werden. Dies kann etwa durch das Schaffen von „kreativen Inseln“ im Unternehmen ermöglicht werden, wobei aber auch wesentlich ist, dass sich diese nicht zu weit vom restlichen Unternehmen entfernen, sondern dieses mit den digitalen Innovationen „infizieren“ müssen.

Grundsätzlich besteht Einverständnis darüber, dass vernetzte Kommunikation, bereichsübergreifendes Denken und das Auflösen von Hierarchieebenen als wesentliche Erfolgselemente einer Unternehmenskultur gelten, die die digitale Transformation erfolgreich befördern können.

Bezüglich der Entwicklung einer Roadmap zur digitalen Transformation von Geschäftsmodellen empfiehlt sich eine Orientierung an dem folgenden 5-Phasen-Modell (vgl. Schallmo, D.; Reinhart, J.; Kuntz, E. (2018): Digitale Transformation von Geschäftsmodellen erfolgreich gestalten):

1.      Digitale Realität skizzieren: Ausgehend vom Verständnis der bestehenden Geschäftsmodelle gilt es zunächst die Wertschöpfungsketten des Unternehmens (bezogen auf die Ge­ schäftsfelder) zu analysieren und darauf bezogen die Kundenanforderungen zu definieren.

2.      Digitale Ambitionen/Ziele bestimmen: Die mit der digitalen Transformation angestrebten Ziele sind möglichst smart zu formulieren und zu vereinbaren. Sie geben eine Orientierung für die Auswahl der geeigneten Optionen sowie für eine Bewertung der auszuwählenden Maßnahmen bzw. der erreichten Ergebnisse.

3.      Digitale Potenziale benennen: Die verschiedenen Möglichkeiten der Geschäftsmodellgestaltung sind zu identifizieren und konkret zu benennen. Dies muss durch Identifikation von vergleichbaren Best Practices erfolgen oder durch die Kommunikation und Prüfung geeigneter Enabler (digitaler Technologien).

4.      Digitale Fit-Analyse: Die identifizierten Optionen für die potenziellen neuen Geschäftsmodelle sind einer Bewertung zu unterziehen, wobei insbesondere die Ziele sowie die Kundenanforderungen als Kriterien einbezogen werden.

5.      Implementierung: Es wird – aufgrund der Ergebnisse der digitalen Fit-Analyse – ein finales Geschäftsmodell definiert, zu dem ein entsprechender Implementierungsplan er­stellt wird.

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Beachten Sie:

Eine Fixierung der strategischen Überlegungen (mit integrierter Masterplanung und Roadmap) ist heute für nahezu alle Unternehmen und Dienstleistungsorganisationen wesentlich, um die richtigen Entscheidungen und Handlungen für eine Unternehmens- und IT-Steuerung (Planung und Steuerung der digitalen Produkte und Services) der Organisation zu gewährleisten.

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3.4 Digital Business und Innovation – Geschäftsmodelle, Geschäftsprozesse, Kundenzentrierung

Welche Aktionsfelder stehen in der Praxis der digitalen Transformation im Mittelpunkt? Folgende wesentliche Optionen, bei denen sich das IT-Management bzw. Enterprise-IT-Architekten, Innovationsmanager und Business-Analysten einbringen müssen, werden be­ schrieben:

Image       Innovationsförderung und Durchführung von Technologie- und Trendanalysen

Image       Digitale Geschäftsmodelle entwickeln und implementieren

Image       Geschäftsprozesse digitalisieren (inkl. automatisieren)

Image       Kundenschnittstelle mit digitalen Technologien optimieren

3.4.1 Innovative Technologien und Trends analysieren

Möchte das IT-Management mit Innovationskraft und Leidenschaft einen Wertbeitrag für die erfolgreiche digitale Transformation in der Praxis leisten, dann bedarf es gleichzeitig systematischer Technologie- und Trendanalysen sowie einer Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen (Innovationskultur).

Mit Hilfe des sog. Technologie-Radars (einer bewährten Technology-Foresight-Methodik und Plattform) können die Potenziale intelligenter Technologien für die eigene Organisation frühzeitig gezielt identifiziert werden. Toolgestützt ermöglicht der „Technologie-Radar“ ein kontinuierliches Monitoring zur Beobachtung neuer Technologien und IT-Trends, so dass Innovationsentscheidungen zuverlässig getroffen werden können. Damit werden letztlich die „richtigen“ digitalen Projekte initiiert und umgesetzt. Innovationsfördernde Instrumente wie Assessments, Roadmapping sowie IT-Portfolios runden den Anwendungskontext ab. Im Einzelnen haben sich folgende Phasen bewährt:

Image       Technologieidentifikation (durch systematisches „Aufspüren“ der Trends/Technologien und Verankerung in einem Technologie-Radar)

Image       Auswahl der in Betracht kommenden Technologien (Vorauswahl durch Expertengremien, Clusterbezug)

Image       Detailbewertung von Technologien und Trends (nach ausgewählten Kriterien)

Image       Strategische Planungen, Maßnahmen und Investitionsentscheidungen

Image       Kommunikation/Verbreitung in der Organisation (Reports, Innovation Guide)

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Erfolgreiche Lösungen (mit intelligenten Technologien) bei den Kunden (Fachbereichen) zeitnah zu etablieren, erfordert die Organisation und Sicherstellung eines zukunftsfähigen Innovationsmanagements für den IT-Bereich sowie eine Weiterentwicklung der strategischen Planung und Steuerung der Unternehmens-IT mit entsprechenden Konsequenzen für ein integriertes IT-Portfoliomanagement (digitale Projekte und Business IT-Services). Permanente Technologie- und Trendanalysen schaffen dafür die wichtigen Voraussetzungen.

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3.4.2 Digitale Geschäftsmodelle entwickeln und implementieren

Als Folge der Globalisierung und Digitalisierung verändern sich – darauf wurde bereits hingewiesen – zahlreiche Märkte mit zunehmender Geschwindigkeit. Auch etablierte Unternehmen, die bereits seit Jahrzehnten erfolgreich in ihren Märkten agieren, müssen nun ihr Geschäftsmodell (bzw. ihre Geschäftsmodelle) hinterfragen und sich stetig an aktuelle Markterfordernisse anpassen. Letztlich entscheidet die Fähigkeit, notwendige Disruptionen frühzeitig zu erkennen, das eigene Geschäftsmodell anzupassen, zu optimieren oder sogar neu zu erfinden, mehr denn je auch über die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Nur so ist ein Fortbestand des Unternehmens in der Zukunft zu gewährleisten.

Bestimmte Geschäftsmodelle sind ohne IT und digitale Technologien überhaupt nicht um­ setzbar, etwa Cloud-Angebote, soziale Netzwerke, Multimediaportale oder der Onlinehandel. Andererseits entstehen durch Hinzufügen von IT zu etablierten Produkten und Geschäftsmodellen vollkommen neue Konstruktionen. IT ist damit oftmals sowohl Prozessunterstützung als auch Service und Produktbestandteil.

Zunächst eine Definition: Mit einem Geschäftsmodell wird in der Praxis das Grundprinzip beschrieben, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst. Die Entwicklung digitaler Angebote und Geschäftsmodelle gilt für manche als die Königsdisziplin der Digitalisierung.

Um Unternehmen bei der Entwicklung und Realisierung innovativer Geschäftsmodelle zu unterstützen, wurde der St. Galler Business Model Navigator (kurz BMN) entwickelt. Dieses von Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger und Michaela Czsik entwickelte Mo­ dell geht davon aus, dass durch die Beantwortung von vier Kernfragen die verschiedenen Dimensionen eines Geschäftsmodells abbildbar sind.

Folgende vier Kernfragen sind zu beantworten:

Image       Wer sind unsere Zielkunden? Festzustellen sind insbesondere die spezifischen Bedürfnisse sowie mögliche Probleme der Kunden.

Image       Was bieten wir den Kunden an? Welches Nutzenversprechen können wir geben? Was bieten wir dem Zielkunden konkret an und welche Leistungen könnten ihm von Nutzen sein?

Image       Wie stellen wir die Leistung her? Welche Prozesse und Aktivitäten brauchen wir innerhalb der Wertschöpfungskette, um dem Zielkunden das Nutzenversprechen anbieten zu können?

Image       Wie wird Wert erzielt? Welche Ertragsmechanik, welche Kostenstruktur und Umsatzmechanismen nutzen wir, um das Geschäftsmodell finanziell überlebensfähig zu machen?

Über die vier genannten Dimensionen lässt sich demnach jedes Geschäftsmodell beschreiben. Verändern sich mindestens zwei davon, handelt es sich um eine Geschäftsmodellinnovation. Dabei ist es entscheidend, dass jeder Geschäftsmodellinnovation sowohl die Generierung als auch das Abschöpfen von Wert zugrunde liegen. Denn viele Innovatoren konzentrieren sich primär darauf, Wert für Kunden zu schaffen, und versagen darin, den geschaffenen Wert für sich nutzbar zu machen.

Das wesentliche Framework zur systematischen Geschäftsmodellentwicklung in diesem Kontext – das Business-Modell Canvas (A. Osterwalder) – umfasst neun Bausteine, die in Tabelle 3.5 aufgeführt und erläutert werden.

Tabelle 3.5 Modell Canvas (Bausteine)

Bausteine Canvas

Erläuterungen/Hinweise

Kundensegmente (Customer Segments, CS)

Festzulegen sind die Kundensegmente, die mit dem Geschäftsmodell angesprochen werden.

Wertangebote (Value Propositions, VP)

Es wird versucht, anhand von Wertangeboten Kundenprobleme zu lösen und die Kundenbedürfnisse zu befriedigen.

Kanäle (Channels, CH)

Wertangebote werden den Kunden durch Kommunikations-, Distributions- und Verkaufskanäle unterbreitet. Die Optionen müssen identifiziert und dem Geschäftsmodell zugeordnet werden.

Kundenbeziehungen (Customer Relationship, CR)

Mit jedem Kundensegment werden Kundenbeziehungen hergestellt und gepflegt. Diese sind zu skizzieren.

Einnahmequellen (Revenue Streams, RS)

Werden den Kunden Wertangebote erfolgreich vermittelt, sind positive Einnahmequellen die Folge. Denkbare Einnahmevarianten sind Abomodelle oder einmaliger Kaufpreis.

Schlüsselressourcen (Key Resources, KR)

Schlüsselressourcen sind die Güter, die zum Anbieten und Bereitstellen der zuvor beschriebenen Elemente erforderlich sind.

Schlüsselaktivitäten (Key Activities, KA)

Es sind die Schlüsselaktivitäten anzugeben, die ausgeführt werden müssen.

Schlüsselpartnerschaften (Key Partnerships, KP)

Manche Aktivitäten werden ausgelagert und manche Ressourcen werden außerhalb des Unternehmens beschafft.

Kostenstruktur (Cost Structure, CS)

Die Geschäftsmodellelemente resultieren in der Kostenstruktur, die es festzustellen und zu dokumentieren gilt. Dabei lassen sich vor allem Kosten für den Aufbau und Betrieb einer digitalen Plattform sowie für den Aufbau eines unternehmensspezifischen Ökosystems identifizieren.

3.4.3 Geschäftsprozesse digitalisieren

Die Umstellung vorhandener Geschäftsprozesse auf eine digitale Basis gilt für Unternehmen aus vielen Branchen als eine herausragende Möglichkeit zur Geschäftsprozessoptimierung. Einerseits können so Kostenpotenziale aufgrund weltweiter Vernetzung und der Unterstützung durch IT-Systeme voll ausgeschöpft werden. Andererseits ist die Digitalisierung auch auf der Vertriebsseite unabdingbar, um den sich verändernden Kundenanforderungen und Markttrends gerecht zu werden.

Geschäftsprozesse sind das Herzstück jedes Unternehmens, da mit ihnen die Wertschöpfung direkt realisiert oder indirekt unterstützt wird. Geschäftsprozesse

Image       dienen dem Erreichen der Geschäftsziele und werden durch IT unterstützt,

Image       enthalten eine Funktions- und stellenübergreifende Folge von Arbeitsschritten (einzelne Schritte = Geschäftsaktivitäten) zur Erreichung eines geplanten Arbeitsergebnisses,

Image       dienen der Erfüllung der Anforderungen/Erwartungen der internen/externen Kunden.

Ein Prozess kann letztlich als eine Abfolge logischer Aktivitäten gesehen werden, bei dem der Input zu einem Output transferiert wird. Beispiele sind etwa Produktions-, Beschaffungs-, Logistik- und Vertriebsprozesse. Dabei ist die Digitalisierung von Geschäftsprozessen niemals Selbstzweck, das heißt, es muss immer ein betriebswirtschaftlicher Nutzen existieren (Business Case).

Prozessmanagement als Ausgangspunkt der Prozessdigitalisierung

Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist der Disziplin des Prozessmanagements (bzw. der Geschäftsprozessoptimierung) untergeordnet. Prozessmanagement kann als ein Konzept verstanden werden, das planerische, organisatorische und kontrollierende Maßnahmen umfasst, um Prozesse eines Unternehmens hinsichtlich Qualität, Zeit, Kosten und Kundenzufriedenheit zielorientiert planen und steuern zu können. Der Prozess selbst stellt sich dabei als eine Gesamtheit von integrierten Tätigkeiten dar, mit denen ein Produkt hervorgebracht und/oder eine Dienstleistung bereitgestellt wird. Im Regelfall handelt es sich um eine Folge von wiederholt ablaufenden Aktivitäten mit messbarer Eingabe, messbarer Wertschöpfung und messbarer Ausgabe.

Einen Überblick über die Handlungsfelder im Prozessmanagement gibt Bild 3.6.

Bild 3.6 Strategische und operative Aufgaben des Geschäftsprozessmanagements im Überblick

Auf der strategischen Ebene (hier strategisches BPM genannt) werden die Geschäftsfelder eines Unternehmens einschließlich der hier wirksamen kritischen Erfolgsfaktoren be­ trachtet. Auf der darunter liegenden fachlich-konzeptionellen Ebene werden die Prozesse im Rahmen des Prozessmanagements abgeleitet. Im Rahmen des strategischen Geschäftsprozessmanagements unterstützen dokumentierte und kommunizierte Geschäftsprozesse das Management bei der Identifikation der geschäftskritischen Kernprozesse sowie der Definition relevanter Kennzahlen und fördern darüber hinaus die Etablierung einer allgemeinen Prozessorientierung innerhalb der Belegschaft.

Beachten Sie: Das Prozessmanagement bildet die Verbindung zur Unternehmensplanung auf der strategischen Ebene, während das Workflow-Management aus der Perspektive der darunter liegenden operativen Durchführungsebene die Anwendungssystem- und Organisationsgestaltung einbindet.

Der Prozessentwurf umfasst die Phasen der Prozessabgrenzung, Prozessmodellierung, Prozessanalyse und den Entwurf der Soll-Prozesse. Diese Phase schließt sowohl die genaue Erfassung des Ist-Zustands im Unternehmen als auch die Konzeption verbesserter Abläufe ein und wird daher sowohl durch die Dokumentation des aktuellen Stands als auch durch die Simulation möglicher Alternativen erleichtert. Die Prozessabgrenzung beschreibt die Prozessentstehung. Ausgehend von den Geschäftsfeldern und strategisch orientierten Spezifikationen wie Produktsortiment, kritische Erfolgsfaktoren usw. sind in einem schrittweisen Vorgehen Prozesskandidaten für jedes Geschäftsfeld abzuleiten, zu bewerten und schließlich die zu modellierenden und zu implementierenden Prozesse auszuwählen. Die IT-gestützte Analyse findet zwar in erster Linie im Controlling statt, kann aber unter Um­ ständen auch zu diesem Zeitpunkt schon sinnvoll sein.

In der Prozessmodellierung geht es darum, Realitätsausschnitte aus einem Geschäftsfeld unter einer fachlich-konzeptionellen Perspektive in einem Geschäftsprozess abzubilden. Abhängig von den strategischen Zielen eines Unternehmens wird dabei z. B. eine völlige Neugestaltung von Abläufen oder eine weitergehende Automatisierung bestehender Prozesse angestrebt.

Auf die Phase der Prozessdurchführung beziehen sich die Prozessimplementierung und das Prozesscontrolling. Ihr Ziel ist die Ausrichtung der Prozesse an vorzugebenden Messgrößen für den Prozesserfolg, die sogenannten Prozessführungsgrößen. Diese werden, gegebenenfalls in mehreren Schritten, aus den kritischen Erfolgsfaktoren der jeweiligen Geschäftsfelder abgeleitet. Je nach dem Umfang der ermittelten Erfolgsdefizite, der Bedeutung der im Projektablauf aufgetretenen Schwachstellen usw. kann eine Re-Modellierung bzw. ein erneutes Durchlaufen der Prozessmodellierung erforderlich sein.

Die Implementierung der konzipierten neuen Geschäftsprozesse kann sowohl organisatorisch als auch technisch erfolgen. Eine technische Implementierung bedeutet natürlich die Entwicklung, Beschaffung oder Anpassung geeigneter Software.

Das Prozesscontrolling arbeitet weniger mit Prozessdarstellungen (auch wenn diese hilfreich sein können) und mehr mit Kennzahlen. Diese können sowohl manuell als auch automatisiert im Modell hinterlegt und periodisch analysiert werden, aber auch kontinuierlich in Echtzeit gemessen werden. Bei der Analyse spielt neben der Erfassbarkeit von Kennzahlen im Modell natürlich ihre Aggregation und Auswertung mithilfe geeigneter Software eine Rolle. Die Echtzeitmessung von Kennzahlen ist häufig ein „Abfallprodukt“ einer erfolgreichen Automatisierung von Geschäftsprozessen.

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Beachten Sie:

Das Management der Geschäftsprozesse, also die Planung, Steuerung und Kontrolle der Prozessausführung, ist eine etablierte Aufgabe und in vielen Unternehmen ein zentrales Thema, das über Erfolg und Misserfolg mitentscheidet. Bezüglich der Handlungsbereiche können strategische, taktische und operative Handlungsfelder unterschieden werden.

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Um nun eine Digitalisierung von Geschäftsprozessen vorzunehmen, kann folgendes Vorgehen im Rahmen von Projektumsetzungen empfohlen werden:

1.      Identifikation und Einordnung der zu digitalisierenden Geschäftsprozesse (im Rahmen einer Prozesslandkarte)

2.      Darstellung der Ist-Prozesse (als Wertschöpfungskette sowie als RACI-Tabelle, ergänzend als BPMN-Diagramm); Durchführung von Prozessanalysen

3.      Identifikation der Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale und Formulierung der Zielsetzungen durch die digitale Transformation

4.      Prüfung der Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Digitalisierung/Automatisierung

5.      Beschreibung und Dokumentation der (neuen) digitalisierten Prozesse

6.      Empfehlungen zum Change-Management/Systemeinführung

Mit dem ersten Schritt der Einordnung der zu digitalisierenden Geschäftsprozesse im Rahmen einer Prozesslandkarte ergibt sich eine Transparenz zu den Unternehmensprozessen (Überblicksfunktion für alle Beteiligten im Unternehmen) sowie ein Kommunikations- und Organisationsinstrument zur Optimierung und Steuerung der Unternehmensprozesse.

In einem nächsten Schritt gilt es, die Ist-Prozesse so zu dokumentieren, dass sich daraus Konsequenzen für die Digitalisierung und Automatisierung erkennen lassen. Bewährt haben sich in dieser Phase die Abbildung als Wertschöpfungskette sowie eine RACI-Tabelle (R = Responsible, A = Accountable, C = Consulted, I = Informed) zur Spezifikation der den Prozessschritten zugeordneten Rollen.

Bezüglich der Prüfung der Möglichkeiten der Digitalisierung (Schritt 4) kann festgestellt werden, dass ein Effizienzgewinn durch optimierte Geschäftsprozesse mit den unterschiedlichen Stellschrauben wie Automatisierung („Elektrifizierung“), datengetriebene Prozesse, Mensch-Maschine- und Maschine-Maschine-Kommunikation, Machine Learning, Self-Service-Portale und Smart-Vernetzung erreichbar ist (vgl. Hanschke, S. 5).

Als ein Instrument zur Prüfung hat sich das in Bild 3.7 gezeigte Referenzmodell von Appelfeller und Feldmann bewährt.

Bild 3.7 Referenzmodell mit Ankerpunkten zur Prozessdigitalisierung [Quelle: modifiziert nach Appelfeller, W.; Feldmann, C. (2018), Seite 4]

Für eine Digitalisierung von Geschäftsprozessen lassen sich unter Beachtung des Referenzmodells die verschiedene Optionen (Bild 3.8) unterscheiden (u. a. abhängig davon, welche Technologie dabei zum Einsatz kommt bzw. welche Prozesslogik und welche Datenstruktur gegeben ist).

Bild 3.8 Technologien zur Prozessdigitalisierung – Entscheidungshilfen auf Basis vorhandener Datenstruktur und Prozesslogik [Quelle: Thomas Üblacker]

OCR, ECM und Prozessdigitalisierung

Im Kern der Prozessautomatisierung stehen Software-Lösungen, die Arbeitsabläufe automatisieren. Sie dienen der aktiven Steuerung arbeitsteiliger Prozesse und der technologischen Unterstützung des Prozessmanagements. Prozessautomatisierung betrifft die Abfolge der einzelnen Schritte, die einen Arbeitsprozess umfassen, zwei oder mehr Personen einbeziehen und die Aktivitäten der Organisation koordinieren. Geeignet für die Automatisierung sind Prozesse mit vielen Beteiligten, mit hohem Abstimmungsbedarf und vielen Me­ dienbrüchen sowie Workflows, die dezentral und häufig durchlaufen werden.

Die hier skizzierte Beispiellösung nimmt Bezug auf Prozesse der Schadensverarbeitung in Versicherungen. Sie ermöglicht die Optimierung von Prozessen, gerade in Bereichen wie der Hausrat- und Wohngebäudeversicherung, in denen Automatisierung bisher wenig verbreitet ist. Voraussetzung für die Digitalisierung ist eine Analyse der bestehenden Abläufe/Prozesse und Regelwerke im jeweiligen Prozess (hier Schadenmanagement). So lassen sich Chancen für die Automatisierung mit traditionellen OCR-Erfassungstechnologien und/oder Prozessautomation mit Robotik (RPA) und Künstlicher Intelligenz (KI) identifizieren.

Dadurch können viele Aufgaben automatisiert werden, die bisher manuell von Sachbearbeitern durchgeführt werden. Dazu gehören die Vertragsprüfung, die Prüfung auf Vorschäden, die Plausibilitätsprüfung der Schadenereignisse und die Suche nach kosteneffizienten Ersatzoptionen (z. B. durch die Neuwertermittlung von elektronischen Haushaltsgegenständen). Auch Spezialfälle (z. B. komplexe technische Berichte) oder die abschließende Validierung von Rückerstattungen werden von den Schadenexperten mit Zugriff auf die Vorfallakte abgeschlossen.

In Kombination mit Document Management Services bietet eine Solution/Automatisierungslösung für die Schadenbearbeitung einen umfassenden Service, der hilft, auch saisonale Spitzen zu bewältigen. Bei der Erhebung und Interpretation von Kundendaten, beim Umgang mit Ausnahmen oder bei der Validierung von Forderungen stellen Solutions sicher, dass alle für die Bearbeitung der Forderung notwendigen Informationen korrekt sind und für die abschließende Entscheidung zur Verfügung stehen.

RPA und Prozessdigitalisierung

Eine Option zur Prozessdigitalisierung ist – so auch im Beispielfall – die RPA-Technologie (RPA = Robotic Process Automation). Es handelt sich dabei um eine Softwaretechnologie, die Front- und Backoffice-Prozesse automatisiert durchführt sowie imitiert, wie Menschen ihren Computer bedienen, Anwendungen nutzen und Prozesse durchführen. Vorteil: Durch das Nachahmen von Benutzereingaben entfällt das aufwendige Programmieren einer An­ wendungsschnittstelle.

RPA emuliert wiederkehrende Tätigkeiten in bestehenden Eingabemasken von IT-Systemen. RPA greift nicht in die bestehenden Systeme oder die IT-Infrastruktur eines Unternehmens ein. Veränderungen in den Anwendungen werden nicht vorgenommen. Dies hat den Vorteil, dass kein kostspieliges Investment zur Anpassung der Software erfolgen muss.

Letztendlich eignen sich für eine Automatisierung durch RPA alle strukturierten Prozesse, die immer wiederkehrenden Regeln und klaren Handlungsanweisungen folgen. Typische RPA-Anwendungsszenarien sind:

Image       Bearbeitung von Bestellungen und Kundenanfragen,

Image       Realisierung von Datenübertragungen,

Image       Abrechnungen,

Image       Änderungen der Stammdaten, Formulareingaben,

Image       Kundendatenpflege,

Image       Statusmeldungen und Versandbenachrichtigungen,

Image       Beschwerdemanagement,

Image       Antragsbearbeitung.

In der Regel handelt es sich dabei um repetitive Routinevorgänge wie das Verschieben von Dateien und Ordnern, das Kopieren, Einfügen und Vergleichen von Daten, das Ausfüllen von Formularen oder das Extrahieren strukturierter und halbstrukturierter Daten aus Dokumenten. Der Software-Roboter ahmt das Verhalten eines menschlichen Nutzers nach. Dazu loggt er sich in verschiedene Anwendungen ein und führt die bisher von Mitarbeitern durchgeführten Aufgaben aus.

Zu beachten ist, dass Software-Roboter mithilfe von Experten aufgesetzt werden und anhand eines festgelegten Prozess-Workflows arbeiten. Sie verfügen daher nur über so viel Intelligenz, wie es die im Workflow festgelegten Regeln zulassen.

Ein abschließendes Beispiel, wie unter Beachtung der zuvor skizzierten Phasen ein digitalisierter Prozess entsteht, zeigt Bild 3.9.

Bild 3.9 Beispiellösung: Digitalisierungsgrade am Beispiel Eingangsrechnungsverarbeitung [Quelle: modifiziert nach Appelfeller, W.; Feldmann, C. (2018), Seite 34]

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Beachten Sie:

Das Hauptziel der Digitalisierung von Prozessen besteht darin, die Prozesse in ihrer Effizienz oder Wertschöpfung zu steigern. Voraussetzung für eine Automatisierung/Digitalisierung ist eine Prozessidentifikation bzw. Prozessoptimierung. Das grundsätzliche Schnittmuster, resultierend aus Prozessmodell und Prozesskatalog, ist bis zur Hauptprozessebene vorgegeben.

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3.4.4 Kundenschnittstelle mit digitalen Technologien optimieren

Die Rolle des Kunden hat im digitalen Zeitalter für die erfolgreiche Umsetzung neuer digitaler Geschäftsmodelle und bei der Optimierung der Geschäftsprozesse sowie für den Erfolg von Unternehmen insgesamt an Bedeutung gewonnen:

Image       Der Kunde zählt neben dem Personal des Unternehmens und den Lieferanten zu den wichtigsten Akteuren der digitalen Transformation.

Image       Die digitale Kundenintegration bei Produktentwicklung, Beratung, Kauf und After-Sales-Service ist in vielen Branchen bereits weit fortgeschritten.

Image       Die Interaktion mit dem Kunden gewinnt bei Kaufprozessen – von der ersten Wahrnehmung des Leistungsangebots bis zum After-Sales-Service – eine hohe Relevanz.

Grundsätzlich kommt es immer darauf an, durch Nutzung digitaler Technologien Kauferlebnisse zu schaffen (Customer-Experience-Sichtweise) und so die Kundenbindung zu steigern. Mittels eines digital gestützten Customer Relationship Management und ausgeprägter Data-Analytics-Systeme gelingt vielfach eine 360-Grad-Sichtweise auf den Kunden.

Notwendige Grundsätze moderner Kundenorientierung (um Kundenbindung mittels digitaler Technologien/Kanäle zu intensivieren) sind:

Image       Kundenorientierung muss im gesamten Unternehmen „durchgängig“ etabliert werden. Dabei ist die Konzentration auf Kundenzufriedenheit (mittels Umfragen „erfragbar“) so­ wie auf die Sicherstellung durchgängiger Serviceerfahrung verbreitet.

Image       Kunden bedürfen in der heutigen Zeit einer immer stärkeren individuellen Ansprache. Durch ein Personalisieren der Kundenansprache und das Schaffen von Kundenerlebnissen mittels digitaler Technologien (Bots etc.) kann es gelingen, mehr Kunden zu wirklichen „Fürsprechern“ der Produkte machen.

Image       Unternehmen müssen Wissen über ihre Kunden datengestützt aufbauen, kontinuierlich pflegen und im Sinne einer 360-Grad-Sicht systematisch ausbauen. Das bedeutet, dass konsistente und umfassende Erkenntnisse über alle Kunden und über alle Touchpoints und Kanäle hinweg zu gewinnen sind. Auf diese Weise lassen sich vielfach intensive Kundenerlebnisse realisieren.

Image       Marketing- und Vertriebsleitung sollten als Entscheidungsträger bei der Auswahl und dem Einsatz digitaler Technologien an der Kundenschnittstelle intensiv beteiligt werden. Dies ermöglicht es, Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu erzielen.

Nahezu allen Unternehmen ist heute klar, dass sie ihre Geschäftsmodelle, Prozesse und Kundenbeziehungen digitalisieren müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Obwohl jede Branche spezifisch gefordert ist, stehen alle vor der Herausforderung, ihre Customer Relations zu digitalisieren – etwa durch personalisierte Marketing- und Vertriebsmaßnahmen, den Aufbau von Social-Web-Aktivitäten und Self-Service-Mechanismen sowie den Einsatz von Portalen, die Umsetzung von Multi-Channel-Strategien und vielem mehr.

Der digitale Wandel gibt dem Konsumenten mehr Macht, mehr Informationen und mehr Auswahl. Folglich gilt die kundenzentrierte Customer Experience als eine der wichtigsten Aufgaben innerhalb aller Marketingaktivitäten. Zu beachten ist, dass im Kaufprozess von der ersten Wahrnehmung des Leistungsangebots bis zum After-Sales-Service eine optimale Interaktion des jeweiligen Unternehmens mit dem Kunden notwendig ist. Grundlage für entsprechende Maßnahmen sind Customer-Journey Ansätze sowie Tools für ein automatisiertes Marketing zur Nachfragegenerierung und E-Mail-Marketing, Datenverwaltung in der Cloud und die Nutzung von Analysefunktionen im Digital Business (Big Data).

Drei typische Maßnahmen, um mittels Digitalisierung einen Wandel im Kundenerlebnis zu ermöglichen:

Image       Der Kunde steht im Mittelpunkt jeder digitalen Interaktion. Dabei kommt der Beachtung aller Touchpoints und Kanäle zu den Kunden eine besondere Bedeutung zu.

Image       Die Kunden sind während des gesamten Kundenzyklus – von unbekannten potenziellen Kunden über Interessenten bis hin zu zahlenden Kunden – über die am besten geeigneten Kanäle (E-Mail, Internet, mobil, produktintern, sozial) digital zu betreuen.

Image       Steigerung der Kundenbindung durch Aufbau einer Plattform, um ein kontinuierliches Kundenerlebnis mit kontextbezogenen und personalisierten Informationen zu bieten und unsere Kunden so aktiv zu motivieren, unsere Produkte zu erwerben, dauerhaft zu nutzen und Loyalität auszubilden.

Einen kundenzentrierten Ansatz erreichen die Unternehmen vor allem über die Nutzung von Methoden wie Customer Journey Mapping. Customer Journey Mapping stellt eine Form der Datenanalyse dar, die darauf abzielt, das gesamte Kundenverhalten und -erlebnis im gesamten Prozess der Kaufvorbereitung, des eigentlichen Kaufs und ggf. des After-Sales zu verstehen. Die Customer Journey lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, wie Bild 3.10 zeigt.

Bild 3.10 Customer-Journey-Beispiel [Quelle: modifiziert nach Appelfeller, W.; Feldmann, C. (2018), Seite 37]

Eine typische Kundenreise kann zum Beispiel aus folgenden Stationen bestehen:

Kaufimpuls wird gesetzt (z. B. Eingang einer Werbe-E-Mail oder eines Online-Prospekts) – produktbezogene Onlinerecherche und Vorauswahl – Kontaktaufnahme und Beratungsgespräch mit dem anbietenden Unternehmen – Kaufabschluss – Rechnungsempfang und Bezahlung – Lieferung/Empfang der Ware – Nutzung der Ware – (Reklamation/Retoure) – (Weiterempfehlung) – (Kundenbindung).

Jede Kundenreise kann zwar annähernd aus den gleichen Hauptstationen bestehen. Im De­tail jedoch ist der Weg vom Interessenten bis zur intensiveren Kundenbindung bei den einzelnen Kunden verschieden. Auch der gleiche Kunde geht, je nach Situation bzw. Lust und Laune, unterschiedliche Wege.

Der Nutzen: Ein Customer Journey Mapping hilft, den Kaufprozess auf dem Weg zum Geschäftsabschluss von Anfang bis Ende zu beschreiben. Es listet jeden Schritt auf, den ein potenzieller Kunde unternimmt. Eine solche Map zeigt genau auf, was der Nutzer während dieses Prozesses tut, denkt und braucht. Damit lassen sich gezielte Marketing- und Vertriebsaktivitäten ableiten.

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Beachten Sie:

Customer Journey Mapping ist eine ausgezeichnete Methode, um jeden Kontaktpunkt eines Kunden mit dem eigenen Unternehmen zu verstehen: vom ersten Kontakt über den Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung bis hin zum Versand oder dem Support.

Mit diesem Wissen lässt sich jeder Kontaktpunkt mit dem Kunden gezielt optimieren. Schwachpunkte und Lücken treten transparent zutage, was eine strategische Ausrichtung im Marketing überhaupt erst ermöglicht. Am Ende geht es darum, den Käufer während seiner gesamten Customer Journey zu begleiten und im entscheidenden Moment (Moment of Truth) auf dem passenden Kanal anwesend zu sein.

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3.5 Digital Change – kultureller Wandel und Digital Workplace

Für die Umsetzung der digitalen Strategie mit den dabei spezifizierten Handlungsfeldern bedarf es außerdem klarer Umsetzungsinitiativen. Dieser sogenannte Digital Change erfordert häufig integriert einen Wandel in der Unternehmenskultur sowie damit verbunden Veränderungen hinsichtlich der Führung bzw. der Ausstattung der Mitarbeiter im Unternehmen (im Sinne eines sogenannten Digital Workplace).

3.5.1 Kultureller Wandel – Digital Leadership, Digital Teams

Aus Managementsicht (General Management, IT-Management) besteht die Kernaufgabe da­ rin, gemeinsam mit den Geschäftsbereichen Initiativen zur Digitalisierung der Prozesse an­ zustoßen sowie digitale Produktinnovationen erfolgreich zu entwickeln und zu betreiben. Für dieses neue Angebot hat sich der Ansatz sog. „Microservices“ etabliert, die primär marktdifferenzierende Geschäftsfunktionen ermöglichen. Dabei gilt es neue Architekturen bzw. Produkte zu implementieren, was naturgemäß Risiken für Fehler und Ausfälle in sich birgt.

Zu beachten ist: Erfahrungen zeigen, dass die Digitalisierung nur dann gelingt, wenn auch die Digitalisierungskultur im Unternehmen angepasst ist und vor allem inspirierend „aufgesetzt“ wird. Dies alles verlangt klare Strukturen, Verantwortlichkeiten und Prozesse im Unternehmen, die auf die Digitalisierungsstrategien zugeschnitten sind und daraufhin flexible Organisationsformen ermöglichen.

Traditionelle Unternehmensstrukturen sind heute für viele kreative, digital orientierte Menschen nicht mehr attraktiv. Deshalb müssen Unternehmen nach Wegen suchen, wie vorhandene Unternehmenskultur agiler, offener und toleranter ausgerichtet und „gelebt“ werden kann. Dabei ist insbesondere natürlich auch zu berücksichtigen, wie eine Balance der unterschiedlichen Generationen von Beschäftigten im Unternehmen gelingen kann.

Festzuhalten ist, dass digitales Denken, Flexibilität, Kreativität und Innovationsbereitschaft elementare Anforderungen sind, wenn es um die Steuerung der Initiativen im Hinblick auf digitale Produkte, Prozesse und Services sowie die Ausgestaltung von nachhaltigen Arbeitsformen geht. Um eine Unternehmenskultur im Hinblick auf Innovation zu positionieren, gilt es vor allem aber auch Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Kreativität der Beschäftigten fordern, sodass vielfältige neue Ideen generiert und kommuniziert werden können

Die umfassende, nachhaltige Nutzung der Digitalisierungspotenziale gelingt – so die Überzeugung – natürlich nur dann, wenn auch die Unternehmenskultur, die Organisation des Unternehmens, die Prozesse und Projekte „digital“ werden. Gleichzeitig müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen über digitale Kompetenzen verfügen und diese situativ kompetent einsetzen. Nur unter diesen Bedingungen kann die digitale Transformation in der Praxis erfolgreich realisiert und das Geschäft der Unternehmen mit digitalen Produkten und digitalen Prozessen nachhaltig gesichert werden.

3.5.2 Digital Workplacemanagement

Digitalisierte Arbeits- und Lebenswelten sind bereits heute vielfach allgegenwärtig. Dabei werden nicht nur die besonderen technischen Herausforderungen zu bewältigen sein. Auch die Arbeitsaufgaben und Arbeitsinhalte der Beschäftigten selbst stehen vor grundlegenden Veränderungen. Folgende Trends zeichnen sich ab:

Image       Für die Mehrheit der Beschäftigten in Produktion, Handel und Dienstleistungen wird es zu deutlich höheren Komplexitäts-, Abstraktions- und Problemlösungsanforderungen im Beruf kommen.

Image       Es ist zudem zu erwarten, dass ein höheres Maß an selbstgesteuertem Handeln, kommunikativen Kompetenzen und die Fähigkeit zur Selbstorganisation als notwendige Voraussetzungen zur gewinnbringenden Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sein werden.

Die Beschäftigten werden also nicht nur Teil der skizzierten Entwicklungen und Veränderungen sein, sondern können und müssen sie auch selbst gestalten. Dabei werden zur Ge­ staltung der Arbeitsorganisation mehrere Faktoren wesentlich:

Image       die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten, wie etwa die zwingend erforderliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf,

Image       das ortsunabhängige Arbeiten oder

Image       das mobile Lernen.

Ein kritikwürdiger Aspekt der digitalen Arbeitskultur liegt mitunter in ihrer großen Transparenz: Zeitnah und sichtbar für jeden Beteiligten dokumentieren Beschäftigte ihre Leistung. Gescannt werden kann beispielsweise sehr gründlich, wie sich Beschäftigte in sozialen Medien austauschen oder inwiefern sie eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise internalisieren. Das ermöglicht natürlich gleichzeitig auch eine gezielte Kontrolle und Steuerung von Menschen.

Mit dem Wandel der Arbeitsorganisation durch die Digitalisierung müssen auch Konsequenzen für die Personalentwicklung und den Personaleinsatz einhergehen: Für viele Beschäftigten ist der Gebrauch von digitalen Technologien im Rahmen der technologiegestützten Aus-, Fort- und Weiterbildung selbstverständlich und nicht mehr wegzudenken. Unstrittig sei, dass IT als „Megaqualifikation“ die Transformation beflügele, wie in der Automobilindustrie bereits zu beobachten. Deshalb sei es so wichtig, Beschäftigte massiv weiterzubilden und so zu ihrem „Empowerment“ beizutragen. Ohne maßgeschneiderte Qualifikationen und lebenslanges Lernen nicht zuletzt der älteren Fachkräfte dürfte dieser Wandel nicht gelingen.

Notwendig sind letztlich auch Führungskonzepte und Organisationsformen, die neuen Mitarbeitertypen Rechnung tragen: Die im digitalen Zeitalter geborene Generation („born digital“) erwartet vielfach Rahmenbedingungen, die ihren Bedürfnissen in Bezug auf Arbeitsorganisation und Arbeitsweisen gerecht werden. Denn bereits heute lebt jeder in recht ausgeprägtem Maß digital (beispielsweise wenn mobile Apps genutzt werden, auf Cloud-Dienste zugegriffen wird oder Informationen über soziale Netzwerke geteilt werden). Dies bedeutet für die Praxis etwa das Bereitstellen „allgegenwärtiger“ Collaboration-Technologien sowie von Formen des Bring Your Own Device (BYOD).

Um die Akzeptanz einzuführender Digitalisierungstechnologien bzw. der damit verbundenen neuen Prozesse und Arbeitsformen bei den Beschäftigten zu gewährleisten, müssen diese frühzeitig eingebunden und die Veränderungen langsam, aber stetig vorgenommen werden. Am besten eignen sich dafür modular aufgebaute Lösungen, die sich nach dem Baukastenprinzip erweitern lassen (auch hier sollte der bewährte Grundsatz „Think big, but start small“ gelten).

Typischerweise widmet sich ein Change Management diesen veränderten Erfordernissen, indem es Veränderungs- und Entwicklungsprozesse aktiv begleitet. Dies ist auch deshalb wesentlich, da Unternehmen durch den Prozess der digitalen Transformation einer erheblichen Veränderungsdynamik unterliegen, sodass eine unternehmensweite Ausrichtung für ein Change Management angestrebt werden sollte.

Beachten Sie: Neben der strategischen Ausrichtung des Unternehmens ist es für erfolgreiche Veränderungsprozesse auch essenziell, das gesamte Unternehmen auf die Neuausrichtung vorzubereiten (etwa mittels „digital awareness“-Initiativen) und die Mitarbeiter aktiv durch die Veränderung zu begleiten. Dabei spielen strategische und operative Themen eine zentrale Rolle, da nur durch eine vernetzte Betrachtung ein nachhaltiger Erfolg der Digitalisierungsvorhaben möglich wird.

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Das Wichtigste – zusammengefasst

Image       Alle Wirtschaftszweige werden einen digitalen Transformationsprozess durchlaufen müssen, wenn die darin agierenden Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit behaupten wollen.

Natürlich gibt es zwischen den Branchen Unterschiede bezüglich der Potenziale zunehmender Digitalisierung. Auch die Frage, ob sich diese Transformation evolutionär oder disruptiv vollzieht bzw. vollziehen muss, ist differenziert zu entscheiden und zu beurteilen. Disruption liegt dabei dann vor, wenn durch digitale Einflüsse die Zerstörung klassischer Geschäftsfelder erfolgt und sich völlig neue Geschäftsmodelle ergeben.

Image       Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sowie die rasante Entwicklung digitaler Technologien – beispielsweise IoT, Blockchain, DevOps, RPA oder KI – und daraus ableitbare Anwendungspotenziale für digitale

Image       Lösungen stellen die Praxis vor enorme Herausforderungen. Gelingen wird die notwendige digitale Transformation nur mit einem Gleichklang von Business und IT.

Eine strategische Positionierung sowie die Vereinbarung einer digitalen Roadmap bzw. eines digitalen Projektportfolios sind wesentliche Erfolgsfaktoren, um den notwendigen digitalen Change in der Praxis zu initiieren und umzusetzen.

Image       Unternehmen müssen digitale Kompetenzen nachhaltig auf allen Ebenen (bei Fach- und Führungskräften sowie den Produkt-, Prozess- und IT-Experten) etablieren, die Voraussetzungen für einen erfolgreichen digitalen Wandel zu schaffen.

Wichtig ist es deshalb, die jeweils für die digitalen Transformationsprozesse erforderlichen Handlungskompetenzen (Business Capabilities, spezifische Managementkompetenzen der Bereiche IT und Prozessmanagement sowie die Qualifizierung der Professionals der Fachbereiche) zusammenzustellen. Daraufhin sind geeignete Entwicklungs- und Projektteams zu bilden (sogenannte crossfunktionale Teams), die im Rahmen von digitalen Transformationen Aufgaben und Verantwortung übernehmen.

Image       Im Rahmen des Entwickelns und Umsetzens von Digitalisierungsstrategien bedarf es der Durchführung von internen Health-Analysen sowie umfassender Geschäftsfeld- und Businessanalysen. Daraufhin lassen sich strategische Handlungsfelder für die digitale Transformation identifizieren und konkretisieren.

Für das Umsetzen von Digitalisierungsstrategien haben sich das Erstellen einer Roadmap sowie das Ausarbeiten von Masterplänen bewährt. Sowohl die Produkte als auch die Prozesse der Unternehmen sind im Hinblick auf vorhandene Digitalisierungspotenziale einer Prüfung zu unterziehen und müssen mit agilen Methoden auf die neuen Herausforderungen und Chancen für die Unternehmen neu „aufgesetzt“ werden. Hier sind IT und Business (= General Management) gleichzeitig gefordert.

Image       Eine Roadmap für digitale Transformation stellt quasi den Startpunkt für die Arbeit mit künftigen Geschäftsmodellen dar. Dabei wird für ein Unternehmen aufgezeigt, was dieses mittels Umsetzung des Geschäftsmodells vom Wettbewerb differenziert. Letztlich definiert die Roadmap, wo ein Unternehmen aktuell steht und wo es am Ende des digitalen Transformationsprozesses landen kann.

Image       Im Zentrum des digitalen Unternehmens stehen vielfach digitalisierte Prozesse, die unterschiedliche Digitalisierungsoptionen bzw. Digitalisierungsgrade aufweisen können: digitale Daten, Vernetzung/Integration bzw. IT-System-Unterstützung (Workflow, RPA, KI u. a.). Dabei ist die Digitalisierung von Geschäftsprozessen als eine von mehreren Lösungsmöglichkeiten zu verstehen, durch die Geschäftsprozesse optimiert werden können.

Zu beachten ist: Wird die Durchführung der einzelnen Aktivitäten eines Prozesses von einem IT-System unterstützt, handelt es sich um einen digitalisierten Prozess. Führt das IT-System einzelne Aktivitäten eigenständig durch, entsteht ein automatisierter Prozess. Dabei wird die Integration zwischen den Prozessschritten bzw. innerhalb einer Wertschöpfungskette zum zentralen Faktor.

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3.6 Literatur

[APFE18]

Appelfeller, W.; Feldmann, C.: Die digitale Transformation des Unternehmens. Systematischer Leitfaden mit zehn Elementen zur Strukturierung und Reifegradmessung. Springer Gabler, Wiesbaden 2018.

[BKMS18]

Beenken, M.; Knörrer, D.; J. Moormann; D. Schmidt (Hrsg.): Digital Insurance. Strategien, Geschäftsmodelle, Daten. Frankfurt School Verlag, Frankfurt 2018.

[CH15]

Christ, J. P.: Intelligentes Prozessmanagement. Marktanteile ausbauen, Qualität steigern, Kosten reduzieren. Springer Gabler, Wiesbaden 2015.

[FE19]

Felden, C.: DIGITALE TRANSFORMATION. Mehr als nur ein Technologie-Update – Wie Unternehmen ihre Digitalisierungsprojekte zum Erfolg führen. TDWI E-Book. Hrsg. von SIGS DATACOM GmbH, Troisdorf 2019.

[HA18]

Hanschke, I.: Digitalisierung und Industrie 4.0 – einfach und effektiv. Hanser, München 2018.

[HE19]

Hess, Th.: Digitale Transformation strategisch steuern. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019.

[OSPI11]

Osterwalder, A.; Pigneur, Y.: Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Campus, Frankfurt am Main 2011

[SRAWJ17]

Schallmo, D.; Rusnjak, A.; Anzengruber, J.; Werani, T.; Jünger, M.: Digitale Transformation von Geschäftsmodellen: Grundlagen, Instrumente und Best Practice. Springer Gabler, Wiesbaden 2017

[Ti07]

Tiemeyer, E.: IT-Strategien entwickeln. IT-Architekturen planen. IT als Wertschöpfungsfaktor. Rauscher, Haag 2007

[Ti16]

Tiemeyer, E.: Digitale Transformation. In: Computer und Arbeit, Heft 12/2016, S. 25 – 30.

[Ti17a]

Tiemeyer, E.: Strategien zur Digitalisierung. In: Computer und Arbeit, Heft 03/2017, S. 28 – 32.

[Ti17b]

Tiemeyer, E.: Technologien für die Digitalisierung. In: Computer und Arbeit, Heft 5/2017, S. 26 – 31.

[Ti17c]

Tiemeyer, E.: Organisation der Digitalisierung. In: Computer und Arbeit, Heft 9/2017, S. 22 – 27.

[UA16]

Urbach, Nils; Ahlemann, F.: IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung: Auf dem Weg zur IT-Organisation der Zukunft. Springer-Gabler, Heidelberg 2016