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Ihr Lieben,

es ist total verrückt. Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, dass ich mal Bücher zum Thema Gemüseanbau, Hühnerhaltung und Kochen schreiben würde: ich hätte erst die Stirn gerunzelt und mich dann kaputtgelacht.

So wie mein Vater es in diesem Moment wahrscheinlich gerade tut. Weil er sich nicht darüber einkriegen kann, dass seine Tochter plötzlich eine Leidenschaft fürs Kochen entwickelt. Seine Tochter, die sich jahrzehntelang nur von Tiefkühlkost und Ravioli aus der Dose ernährt hat. Die Gästen ganz unbekümmert Spaghetti mit Rührei und Ketchup servierte und in deren Kühlschrank immer irgendetwas vor sich hin schrumpelte.

In meinem Buch »Homefarming. Selbstversorgung ohne grünen Daumen« (2021) hatte ich das schon mal kurz angedeutet: Ich bin bei meinem alleinerziehenden Vater aufgewachsen, der Physiotherapeut war und oft erst nach acht Uhr abends nach Hause kam. Und wenn dann endlich Wochenende war, stand mit Sicherheit wieder irgendjemand wie Quasimodo vor der Haustür oder direkt auf unserer Terrasse und fragte: »Hermann, kannst du mir mal eben den Hals einrenken, der sitzt schief seit heute Morgen.« Mit anderen Worten: Gemeinsame Zeit war rar und wir verbrachten sie dann lieber mit anderen Dingen als mit Kochen. Mit einem Besuch in der Eisdiele zum Beispiel, wo mein Vater IMMER einen Amarenabecher bestellte und ich IMMER einen Mombasabecher mit Extra-Schokosauce.

Auch als ich dann allein wohnte, blieb mein Bezug zum Essen maximal pragmatisch. Erst wenn langsam Hunger aufkam, suchte ich in der näheren Umgebung nach Essbarem und frische Lebensmittel zum Kochen waren dann überraschenderweise nicht zu finden. Denn die hätte ich ja vorausschauend einkaufen müssen – was bei mir im Terminstress irgendwie immer unterging. Fertiggerichte und Konserven blieben also weiterhin meine ständigen Begleiter.

Wenn ich dann tatsächlich mal ans Einkaufen von frischem Gemüse und Obst dachte, kaufte ich viel zu viel. Und weil dann wiederum die Zeit zum Zubereiten fehlte, musste ich am Ende viel wegschmeißen, weshalb ich beim nächsten Mal lieber wieder zu Tiefkühlkost und Raviolidosen griff. Denn Lebensmitteln wegzuwerfen fiel mir schon immer schwer.

Mit dem Umzug aus der Stadt auf meine kleine Farm auf dem Land änderte sich das alles radikal. Heute habe ich fast alle Gemüsesorten, die hierzulande wachsen, immer frisch in meinem Garten. Ich bepflanze Beete und Kübel mit Gemüse, habe Obstbäume in den einstigen Ziergarten geholt und einen Naschgarten mit den verschiedensten Beerensorten angelegt. Mein Gewächshaus ist den ganzen Sommer voller Gurken und seltener Tomatensorten und mittlerweile baue ich sogar Wintergemüse an.

Wegwerfen muss ich auch nichts mehr. Denn jetzt ernte ich immer erst direkt vor dem Zubereiten so viel, wie ich tatsächlich brauche. Und selbst die Schnibbelreste wandern nicht mehr in den Müll, sondern in den Futtertrog meiner Hühner. Ihr solltet sehen, wie stolz so ein Huhn übrig ge bliebene Nudeln durchs Gehege schleppt. Und wie genüsslich es sich über die Salatreste hermacht. Unbezahlbar, dieser Anblick.

Hühnerhaltung und Gemüseanbau sind in den letzten Jahren zu einer so großen Leidenschaft von mir geworden, dass ich mich 2021 sogar traute, ein Buch über meine Erfahrungen als Selbstversorgerin zu schreiben. Als Anfängerin FÜR AnfängerInnen – weil ich wusste, dass ich im Gegensatz zu den ExpertInnen noch genau die Fragen ganz präsent im Kopf hatte, die man eben so hat, wenn man ohne grünen Daumen komplett bei null anfängt.

Ich unterteilte die Gemüsesorten in meinem Buch daher nicht in biologische Familien, sondern in Schwierigkeitsklassen. Ich schrieb über Motivationsgemüse und Gemüse für Leidensfähige, mit dem Anfängerinnen und Anfänger vielleicht nicht unbedingt starten sollten. Und ich versuchte bei alldem immer wieder, das Lebensgefühl einzufangen – denn Gemüseanbau ist nicht nur Arbeit: es ist Glück. Und ein wunderbarer Ausgleich zum Job.

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Wie gern ich Zeit mit ihnen verbringe: Die Hühner, die ich früher unsympathisch und hektisch fand, sind jetzt Familienmitglieder.

Vor allem den Hühnern, die ich anfänglich gar nicht haben wollte, widmete ich viele liebevolle Zeilen und das Feedback der Leserinnen und Leser zeigte mir, dass meine Begeisterung offenbar ansteckend war. Nach der Veröffentlichung des Buches erreichten mich immer wieder Fotos und Briefe von Menschen, die sich ebenfalls Federfreunde in den Garten holten und nun mit großem Enthusiasmus Ställe und Freilaufgehege anlegten, um ihren Hühnern ein glückliches Leben zu ermöglichen.

Viele bedankten sich auch einfach nur für die anfängergerechten Tipps und schrieben mir, wie sie mitlachen mussten in den Kapiteln, in denen ich auch sehr ehrlich über meine Missgeschicke im Garten berichtete. Denn davon gab es so einige.

Und immer wieder hörte ich: »Schreib doch bitte noch eins. Eins mit noch mehr Rezepten und Tipps zum Leckermachen.« Denn dieses Kapitel war im Vergleich zu denen über Gemüseanbau und Hühnerhaltung eher knapp geraten. Ich hatte mich am Anfang des Rezeptteils sogar vorsorglich entschuldigt. Nach dem Motto: »Wenn ihr gut kochen könnt, dann lest jetzt einfach nicht weiter.«

Seitdem sind zwei, drei Jahre vergangen und ich habe dazugelernt. Und dabei wieder die Erfahrung gemacht, dass es ein Buch, das mir zu 100 Prozent weiterhelfen würde, noch nicht gibt. Ein Buch, das die Themen Gemüseanbau und Kochen wirklich konsequent zusammenbringt und in dem ich auf einen Blick sehe, was ich genau jetzt säen, ernten und zubereiten kann, wenn ich mich selbstversorgen möchte.

Ein Buch, das mich daran erinnert, einen Teil der sommerlichen Ernte für konkrete Winterrezepte haltbar zu machen oder einfach nur richtig einzulagern. Und ein Buch, dass dabei so klar und verständlich ist, dass ich nicht schon auf > googeln muss, was denn nun eigentlich »blanchieren« bedeutet.

»Alle Profis haben einen individuellen Zugang zum saisonalen Zubereiten.«

»Wenn dieses Buch mich sogar dazu inspirieren würde, im Garten oder auf dem Balkon noch mehr Gemüse auszuprobieren und vielleicht auch welches, das bisher nie auf meiner Speisekarte stand, dann würde ich dieses Buch wirklich gerne lesen«, dachte ich mir. Und dann begann ich zu schreiben. Und zu sammeln. Einfache Gerichte. Schnell in der Zubereitung. Auch für Berufstätige machbar. In der Mehrzahl vegetarisch, aber nicht nur.

Ich fragte Freunde und Familienmitglieder nach Rezepten und ich fragte vier Profiköche, ob ich vielleicht mit einem Gemüsekorb aus meinem Garten bei ihnen vorbeikommen dürfte, um zu lernen, wie man das Obst, das Gemüse und die Eier meiner Federfreunde noch viel virtuoser zubereiten könnte. Ein Profimenü pro Jahreszeit wünschte ich mir und meine große Bitte war: Benutzt ganz konsequent nur die Zutaten, die gerade im Garten oder auf dem Balkon Saison haben.

Und dann haben die gezaubert. Meine Güte! Ein großer Dank geht deshalb an dieser Stelle an Sternekoch Ralf Haug aus Binz auf der Insel Rügen, Unkrautgourmet Marion Putensen aus der Lüneburger Heide, Sternekoch und TV-Star Alexander Herrmann, den ich in Nürnberg besucht habe, und an den Hamburger Spitzenkoch Marianus von Hörsten, der auf dem Demeter-Hof seiner Eltern zwischen Gemüse, Hühnern und anderen Nutztieren aufwachsen durfte.

Apropos Tiere: Ab und zu wird auch eins meiner Farmtiere mit auf den Fotos in diesem Buch sein – meine Hühner, Stute Sazou, ihr Fohlen Charlie oder noch wahrscheinlicher: die Katzen.

Ich entschuldige mich schon jetzt bei allen, die das stört, weil es hier ja um die Zubereitung von Lebensmitteln geht. Aber ich wollte die neugierigen Fellnasen nicht aussperren, als wir zwei Wochen lang in meiner Farmküche fotografiert haben. Denn wenn da plötzlich so etwas Ungewöhnliches passiert, wie der Besuch eines Fotografen, dann wollen sie natürlich gucken, was los ist. So ist es eben, das Leben auf meiner kleinen Farm. Viel Flausch, viel Liebe.

Meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich nun viel Spaß beim Sich-inspirieren-Lassen und beim Staunen – darüber, was alles möglich ist, wenn man seinen Garten oder Balkon zu einem kleinen Homefarmingparadies umbaut.

Es funktioniert. Auch ohne grünen Daumen. Ich weiß das, weil es bei mir auch so war.

Eure Judith

(Ich nenne dieses Buch übrigens gar nicht Kochbuch, Papa. Ich nenne es »Ideensammlung« – und jetzt hör auf zu lachen!)

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