[1]
Das kürzeste Pontifikat der Kirchengeschichte war das von Urban VII., der 1590 nach nur 13 Tagen an Malaria starb.
[2]
Marcinkus wurde in Chicago geboren und wuchs in Cicero auf, einer von Gewalt beherrschten Vorstadt Chicagos, in der Al Capone in den Zwischenkriegsjahren sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Im Vatikan kursierte die Story, dass ausgerechnet der 1908 aus Litauen emigrierte Vater von Marcinkus, Mykolas, zu den Fahrern Al Capones gehörte.
[3]
»In den fünfziger Jahren betrat ein junger amerikanischer Priester die Korridore des Vatikans. Er war nach Rom gekommen, um an der Päpstlichen Universität Gregoriana kanonisches Recht zu studieren. […] [1947 wurde Marcinkus] zum Priester geweiht. Nach Abschluss seines Studiums besuchte er die Päpstliche Kirchenakademie, eine Kaderschmiede für die Diplomaten des Heiligen Stuhls. Dass er eine strahlende Zukunft vor sich hatte, war jedem sofort klar. 1952, als 30-Jähriger, hatte er im Staatssekretariat bereits einen eigenen Schreibtisch. Die Nachricht von seinem kometenhaften Aufstieg in der Hierarchie des Vatikans machte die Runde. Kardinal Giovanni Benelli, so wurde gemunkelt, wolle ihn als Mitarbeiter und betrachte sich als seinen Mentor. Andere sahen den Schlüssel für seinen Eintritt in die Schaltzentrale Papst Pius’ XII., der den antikommunistischen Thesen des New Yorker Kardinals Francis J. Spellman sehr aufgeschlossen gegenüberstand, in den amerikanischen Referenzen des jungen Priesters. […] [Es war] eine Begegnung in den Amtsräumen des Staatssekretariats, die Marcinkus’ Leben verändern sollte und in der Folge die Finanzen des Vatikans ins Trudeln brachte. Als päpstlicher Prosekretär war Giovanni Battista Montini die rechte Hand Pius’ XII. So gegensätzlich Montini und Marcinkus in Auftreten und Charakter auch waren, schlossen sie nach anfänglichen Vorbehalten einen eisernen Pakt. 1963, nach dem Tod Johannes’ XXIII., wurde Giovanni Battista Montini, der Bankierssohn aus Brescia, zum Papst gewählt. Nach einer Übergangsphase, in der die Finanzgeschäfte des Heiligen Stuhls eher unauffällig verliefen, lenkte Papst Paul VI. sie in aggressive und gewagte Bahnen. […] 1964 kam es zu einem kleinen Zwischenfall. Bei einer Fahrt durch Rom blieb Paul VI. in der Menschenmenge stecken und wurde fast erdrückt. Geistesgegenwärtig warf sich Marcinkus ins Getümmel und rettete seine Heiligkeit. Vom nächsten Tag an war Marcinkus der Leibwächter des Papstes und verantwortlich für dessen Sicherheit bei seinen Reisen nach Indien und in die Türkei, nach Portugal und in die Vereinigten Staaten. Auf den Philippinen stellte sich Marcinkus 1970 einem Mann in den Weg, der sich mit einem Messer auf den Papst stürzen wollte. Der Amerikaner gewann Zugang zur Schaltzentrale der Macht im Vatikan und schloss unter anderem Freundschaft mit Pater Pasquale Macchi, dem Privatsekretär des Papstes, der auf den Heiligen Vater großen Einfluss ausübte. Beide verstanden sich auf Anhieb. Marcinkus wurde Bischof und 1971 Sekretär der Vatikanbank.« (Gianluigi Nuzzi, Vatikan AG, üb. Frederike Hausmann, Petra Kaiser, Rita Seuß, Salzburg 2010, S. 37–39).
[4]
Die These wird vor allem von Rupert Cornwell vertreten (Il banchiere di Dio, Roberto Calvi, Bari 1983) sowie von Leonardo Coen und Leo Sisti (Il caso Marcinkus. Le vie del denaro sono infinite, Mailand 1991).
[5]
Der Verkauf von 37 Prozent der Aktien erfolgte über die Auslandsabteilung der Banco Ambrosiano. Laut Carlo Calvi, dem Sohn von Roberto Calvi, »wurden 1972 13,5 Millionen Aktien der Banca Cattolica del Veneto, die die Vatikanbank der luxemburgischen Compendium (später Banco Ambrosiano Holdings) übertragen hatte, an die Gesellschaft Radowall verkauft. Weitere 4.560.000 Aktien der Banca Cattolica del Veneto blieben im Depot Nr. 90521 von Radowall bei der Vatikanbank. Als die beiden Aktienpakete an die Centrale verkauft wurden, erfolgte die Zahlung an die Vatikanbank in Lire. Da die Zahlung durch Radowall im Ausland in Dollar erfolgte, machte die Gesellschaft einen Wechselkursgewinn von 7,6 Millionen Dollar. Den Gewinn investierte Radowall in die Cisalpine Overseas in Nassau-Bahamas (später Banco Ambrosiano Overseas Limited). Im Jahr 1973 unterzeichnete die Vatikanbank Schuldverschreibungen zugunsten von Compendium in Höhe von 85 Millionen Schweizer Franken. Bürge war Radowall, worüber die Geschäfte abgewickelt wurden.« (Carlo Calvi, »Radowall, Ior e l’affaire Banca Cattolica e Toro Assicurazioni«, online unter: http://fraudauditing.blogspot.it/2013/07/radowall-ior-e-laffaire-banca-cattolica.html [Zugriff: 25.5.2018]).
[6]
Die Gründung erfolgte im Jahr 1895 in Venedig auf Initiative der Opera dei Congressi der Diözese Venedig.
[7]
Einige Episoden lassen die Zukunft jedoch schon erahnen. Am 16. September 1972 nahm Paul VI. nach einer Messe in Venedig, in San Marco, seine Papststola ab, zeigte sie der Menge und legte sie dem Patriarchen Albino Luciani um. Die Geste, die den schüchternen Luciani in Verlegenheit brachte, wurde von vielen als »prophetisch« interpretiert.
[8]
Wie der Historiker Carlo Bellavite Pellegrini in seinem Monumentalwerk Storia del Banco Ambrosiano (Rom 2002) zeigt, hatte der Bankier 1958 dank eines Schreibens von Prälat Amleto Todini, einem entfernten Verwandten seiner Frau, Massimo Spada, die Schlüsselfigur in der Vatikanbank vor Marcinkus, kennengelernt. Dank ihm kam er im Erzbistum Mailand mit Papst Paul VI. in Kontakt. Zwei Jahre später erwarb er für den Vatikan – über die liechtensteinische Gesellschaft Fasco A.G. – die Banca Privata Finanziaria, während die Vatikanbank 1964 die Aktienmehrheit der Genfer Banque de Financement (Finabank) an Sidona verkaufte und lediglich 29 Prozent der Aktienanteile behielt. Vier Jahre später, 1968, kaufte der Bankier die Banca Unione, einst im Besitz der Familie Feltrinelli.
[9]
Nach seinem Abschluss an der Università Cattolica in Mailand erhielt Pasquale Macchi, geboren 1923 in Varese, 1946, im Alter von 22 Jahren, die Priesterweihe. Er habe ein Engelsgesicht, aber eine harte Hand, schrieb Giancarlo Galli in Finanza Bianca (Mailand 2004). »Bei der Azione cattolica in Mailand kannte man ihn gut: ein Herz so groß wie ein Haus, äußerst ›verständnisvoll‹, aber absolut unnachgiebig in seiner Haltung. ›Ein Priester bleibt ein Priester‹, sagte er unermüdlich und ärgerte sich über seine ›Kollegen‹, die die Priesterkleidung gerne ablegten.« Macchi blieb Paul VI. stets eng verbunden und teilte jede seiner Entscheidungen. Etwa die, Marcinkus 1968 zum Sekretär der Vatikanbank zu machen, nachdem dieser gerade Bischof von Orta, einem Bischofssitz nahe Karthago in Tunesien, geworden war. Nach dem Tod von Paul VI. kehrte Macchi als Erzpriester von Sacro Monte nach Varese zurück und wurde 1989 von Johannes Paul II. zum Erzbischof von Loreto ernannt, wo er bis zu seinem Ruhestand 1996 blieb. In seinen letzten Jahren befasste er sich näher mit der Person Paul VI. Er starb am 5. April 2006 mit 82 Jahren in Mailand.
[10]
Macchi widmete sich auch mit besonderem Engagement der Pflege der Sammlung Moderner Kunst der Vatikanischen Museen, was ihm die Anerkennung und Achtung von Marcinkus und Calvi einbrachte, wie Philip Willan schreibt (»Calvi e l’Italia dei poteri occulti«, MicroMega, Nr. 5, 2008).
[11]
John Cornwell, Wie ein Dieb in der Nacht, München 1989, S. 90.
[12]
https://rivaluta.istat.it.
[13]
Mit höchster Wahrscheinlichkeit besagt die Ausstellung des Schecks »Privatsekretär Seiner Heiligkeit (Monsignore Macchi)«.
[14]
Die Gelder kamen vom Konto 051 7 10000Y, das die New Yorker FNCB bei der Vatikanbank eröffnet hatte.
[15]
Zu diesen wenig durchsichtigen Vorgängen gehören auch hohe Geldüberweisungen im Zusammenhang mit dem Lockheed-Skandal. Das amerikanische Luftfahrtunternehmen zahlte, wie es zugegeben hat, Bestechungsgelder an Militär und Politik, um Aufträge zu erhalten, was 1978 zum Rücktritt des italienischen Präsidenten Giovanni Leone führte. Im Februar 1976 nahm die römische Staatsanwaltschaft Ermittlungen im Zusammenhang mit der Lieferung von 14 Lockheed-Flugzeugen Typ Hercules C 130 an die italienische Luftwaffe auf. Dabei stellte man fest, dass die New Yorker FNCB am 8. November 1971 »eine dritte Überweisung an die römische Filiale der Bank in Höhe von 600.000  Dollar angekündigt hatte, die zu Gunsten von William Cowden, dem Internationalen Vertriebsleiter des Unternehmens erfolgte.« (Aus dem Urteil des italienischen Verfassungsgerichts vom 2. August 1979 in der Anklage gegen Luigi Gui, Mario Tanassi und andere.).
[16]
Francesco Anfossi, »La vera storia della banca del Vaticano«, Famiglia Cristiana, 22. März 2013.
[17]
Relazione conclusiva della Commissione mista italo-vaticana. Abschlussbericht der italienisch-vatikanischen Untersuchungskommission. Die Kommission wurde am 24. Dezember 1982 eingerichtet und schloss ihre Arbeit im Herbst des folgenden Jahres ab. Der umfangreiche Abschlussbericht liegt im Dokumentationsarchiv von Professor Mario Cattaneo, Hochschullehrer an der Università Cattolica in Mailand, und unmittelbar nach dem Tod von Roberto Calvi Mitglied der Aufsicht über die Banco Ambrosiano.
[18]
Laut der anderen These erfolgten, wie gesagt, die Vorgänge auf den Konten von Macchi, durch die Paul VI. unter dem Deckmantel der Cisalpine Gelder zur Verfügung standen, ohne Wissen der Beteiligten. Das würde allerdings bedeuten, dass Marcinkus’ Truppe unnötige Risiken eingegangen wäre. Warum hätten sie Vorgänge unter dem Namen des Papstes und seines Mitarbeiters durchführen sollen, wenn es viel brauchbarere Empfänger gab? Ohne Zweifel gab es aber ein heikles Informationsnetzwerk, das einen apokalyptischen Skandal ausgelöst hätte, wäre es der Öffentlichkeit damals bekannt geworden. Wertvolle Informationen also für Machtspiele und Erpressungen im Vatikan.
[19]
Der Zusammenbruch war von beträchtlichem Ausmaß: Die Franklin-Bank beklagte Verluste in Höhe von zwei Milliarden Dollar, die Banca Privata mit dem Konkursverwalter Giorgio Ambrosoli 300 Millionen und die Finbank nur für ihr Wechselkursgeschäft Verluste von 82 Millionen Dollar.
[20]
Der Sensationsbericht über den Tod von Paul VI. gelingt einem jungen Journalisten der Agentur Ansa: Luigi Bisignani war nicht nur Mitglied der P2 und enger Freund von Andreotti, sondern besaß auch ausgezeichnete Verbindungen nach Südamerika und zum Vatikan.
[21]
Johannes Paul I. hatte auch vor, Kardinal John Patrick Cody von der Diözese Chicago, der größten der USA, zu entfernen. Der Kardinal, der Marcinkus eng verbunden war, stand im Mittelpunkt von Wirtschafts- und Sexskandalen. Er stand nicht nur im Verdacht, mit einer Angestellten der Bischofskanzlei eine Beziehung zu unterhalten, sondern war zudem ein äußerst schlechter Verwalter und stand als Priester in starkem Gegensatz zum Klerus der Diözese. Nach der Wahl von Johannes Paul I. wurde Cody von seinen Unterstützern in Rom gewarnt, dass der für ungewöhnliche Einfälle bekannte Papst die geplante Entfernung aus der Diözese mit Sicherheit auch umsetzen würde, da erste Gerüchte über ihn den Vatikan bereits erreicht hätten. Laut David A. Yallop (Im Namen Gottes? Reinbek bei Hamburg 2001, S. 424) hätte Cody daher (wie Marcinkus oder Villot) ein Motiv gehabt, den Papst mithilfe von Freunden in Rom umzubringen. Nachdem der Papst gestorben war, leitete Cody die erzbischöfliche Diözese noch bis 1989 und Villot wurde als Staatssekretär von Johannes Paul II.bestätigt. Letzterer starb jedoch am 9. März 1979 an einer Lungenentzündung, und liegt heute in der Kirche Trinità dei Monti in Rom begraben.
[22]
Marcinkus bestritt vehement, dass Johannes Paul I. ihn von der Spitze der Vatikanbank entfernen wollte, er somit ein Mordmotiv gehabt hätte, oder dass es im Vatikan Freimaurer gab. Siehe John Cornwell, a. a. O., S. 157f.
[23]
Ebd., S. 76.
[24]
Da Ros, zitiert nach: Hilmi Toros, »Vatican City«, A.M. cycle, 16. Oktober 1978.
[25]
Interview mit Magee in Giovanni Paolo I. Il Papa del sorriso – La grande storia, Raitre, gesendet am 17. August 2012.
[26]
Claudio Rendina, »Giovanni Paolo I. La morte del Papa del sorriso – La grande storia«, La Repubblica, 29. September 2013.
[27]
Die Zweifel, Ungereimtheiten und Widersprüche, die im Lauf der Jahre im Zusammenhang mit einem der rätselhaftesten Vorkommnisse in der neueren Kirchengeschichte aufgetaucht sind, waren auch Gegenstand zahlreicher Publikationen, die als Todesursache eine Vergiftung annehmen, etwa des Bestsellers Im Namen Gottes? des amerikanischen Journalisten David A. Yallop.
[28]
Giancarlo Zizola, Il conclave. Storia e segreti, Mailand 1993.
[29]
Interview mit Diego Lorenzi in Giovanni Paolo I. Il Papa del sorriso, (Film, RAI 2012). Vertraute des Papstes, die ihn schon als Priester kannten, sprachen auch von Atemwegsproblemen. Mitte der fünfziger Jahre wurde bei dem späteren Papst Tuberkulose diagnostiziert, er musste die Pfarrei verlassen und sich ins Sanatorium in Sondalo begeben. Dort erkannten die Ärzte dann, dass es sich nicht um Tuberkulose, sondern um eine Lungenentzündung handelte. In den Jahren nach seinem Tod haben viele berichtet, dass der Papst an Atemwegsproblemen gelitten habe. Lorenzi sah sich daher genötigt, am 19. August 1980 an Andreotti zu schreiben: »Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Johannes Paul zwei bestens funktionstüchtige Lungenflügel besitzt und keiner der beiden stillgelegt wurde.« Dennoch bestritten viele Buzzonettis Diagnose und gingen von einer Lungenembolie aus, unter anderem der Mediziner Joaquín Navarro-Valls, später Leiter des Presseamtes des Heiligen Stuhls. Navarro-Valls stellte in einem Interview gegenüber Cornwell (a. a. O., S. 55) die These auf, dass ein derart plötzlicher Tod nur durch eine Lungenembolie hervorgerufen werden könne. Der Bruder von Johannes Paul I., Edoardo, starb 2008 eben an einer Lungenembolie.