[1]
Sodano, geboren 1927 auf der Insel Asti, ist bis heute eines der wichtigsten und mächtigsten Mitglieder der römischen Kurie. Seit dem 28. Juni 1991 ist er Kardinal im Konsistorium, und drei Tage danach wurde er von Johannes Paul II. zum Staatssekretär ernannt. Letzteres war er bis Ende 2006, als Benedikt XVI. sein Rücktrittsgesuch aus Altersgründen annahm. Er war in der Vergangenheit vor allem wegen seiner Unterstützung von Marcial Maciel Degollado, dem Gründer der Legionäre Christi, in die Kritik geraten, der 2006 vom Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs an mehreren jungen Seminaristen seiner Kongregation verurteilt worden war. Weitere Kritik an ihm wurde 2010 laut, als Kardinal Christoph Schönborn, der Benedikt XVI. sehr nahe stehende Bischof von Wien, ihn beschuldigte, die Bildung einer Kommission zur Untersuchung von Missbrauchsvorwürfen gegen seinen Vorgänger Hans Hermann Groër verhindert zu haben. Heute ist Sodano Kardinaldekan des Kardinalskollegiums.
[2]
In der Tat gibt es in den Dikasterien des Vatikans zahlreiche Gerüchte und Verleumdungen, und selbst die mehrfache Mahnung von Benedikt XVI. und nun von Franziskus, dass dadurch Spannungen geschürt und Gräben zwischen den Mitgliedern des kleinen Staates aufgerissen würden, konnte daran nichts ändern. Im März 2016 hat einer der engsten und scharfsinnigsten Mitarbeiter des jetzigen Papstes, der Präfekt des Kommunikationssekretariats Dario Edoardo Viganò, daher ein Pamphlet herausgebracht: »Il brusio del pettegolo. Forme del discredito nella società e nella Chiesa« (2016), worin er ausführt: »Papst Franziskus lädt uns alle ein, eine positive Sprache zu verwenden, die weniger darauf abzielt, was man nicht tun soll, als vielmehr darauf, was man besser machen kann. Wenn wir Negatives ansprechen, sollten wir auch immer sagen, wie wir es besser machen können. Sonst werden wir zu Meistern im Lamentieren und einem Früher-war-alles-besser, zu Experten für Vorwürfe und Miesmacherei. Wenn wir auf das hören, was uns die Menschen sagen, werden wir auch erkennen, was sie sich wünschen.«
[3]
Gespräch mit dem Autor, Juli 2017.
[4]
Im Lukas-Evangelium heißt es noch deutlicher: »Es ist unmöglich, daß nicht Ärgernisse kommen; weh aber dem, durch welchen sie kommen!«
[5]
Die im April 2012 gebildete Kommission bestand aus drei über achtzigjährigen Kardinälen: Neben Herranz gehörten der Kommission der Slowake Jozef Tomko und der Italiener Salvatore De Giorgi an.
[6]
Marco Lillo, »L’altro Vaticono: truffe, furti nelle ville pontificie e fatture contraffatte«, Il Fatto Quotidiano, 27. Januar 2012.
[7]
Concita de Gregorio, »Sesso e carriera, i ricatti in Vaticano dietro la rinuncia di Benedetto XVI«, La Repubblica, 21. Februar 2013.
[8]
Peter Seewald, Hg., Benedikt XVI., Letzte Gespräche, München 2016, S. 259.
[9]
Andrea Gallo, In cammino con Francesco, Mailand 2013.
[10]
Gespräch mit dem Autor, 23. Juli 2017.
[11]
Nach den Papstworten vom Juli 2013 nannte der Vatikankenner Sandro Magister auf seinem Blog sogar Namen. In dem Artikel »Il prelato della lobby gay« – »Der Prälat der Schwulenlobby« nennt er den treuen Franziskus-Anhänger Battista Ricca, einen mächtigen Prälaten der Vatikanbank IOR und Direktor der Gästehäuser im Vatikan, darunter auch Santa Marta, in dem der Papst wohnt. Der Papst dementierte auf der Stelle.
[12]
Zitiert nach dem Originaltext der elektronischen Ausgabe: https://www.schweizamwochenende.ch/nachrichten/ex-garde-chef-warnt-vor-geheimbund-131056085 [Zugriff: 30.5.2018]. Die Aussagen des Ex-Kommandanten der Schweizergarde erfolgten zwei Wochen, nachdem in der Wochenzeitung »Schweiz am Sonntag« ein Interview mit einem Ex-Schweizergardisten veröffentlicht worden war, in dem dieser über sexuelle Belästigungen im Vatikan klagte. So habe ihn ein Kardinal nachts per Handy belästigt und in seine Wohnung eingeladen, ebenso wie ein kirchlicher Angestellter des Staatssekretariats.
[13]
Becciu wurde in dem Interview besonders deutlich: »Als Ex-Schweizergardist sollte Mäder wissen, dass jedes Gerücht, jede Anschuldigung, um nicht zu sagen Verleumdung im Zusammenhang betrachtet werden und bewiesen werden muss. Es ist leicht, das Innenleben des Vatikans im Allgemeinen anzuprangern, wenn man keine Namen nennt. Hatte er denn keinen konkreten Verdacht, als er noch im Dienst war? Ist derjenige noch immer im Vatikan? Okay, dann soll er kommen und sagen, wen er meint. Ich warte, ich werde ihm zuhören und alles aufschreiben. Viele sprechen von einer Homo-Lobby, aber bisher weiß noch keiner, wo die überhaupt sein soll. Papst Franziskus wäre der Erste, der sich in diesem Punkt Klarheit wünscht, genauso wie alle anderen auch.« (Artikel ohne Autorennennung: »Lobby gay, il Papa vuole chiarezza e verità ma basta denunce anonime: chi sa parli«, La Repubblica, 21. Januar 2014).
[14]
Krzysztof Charamsa, Der erste Stein. Als homosexueller Priester gegen die Heuchelei der katholischen Kirche, München 2017, S. 102, 141.
[15]
Fabio Marchese Ragona, »Complotto della lobby omosex contro le denunce di Francesco«, Il Giornale, 4. Oktober 2015.
[16]
Barbara Ciolli, »Vaticano, pratiche gay diffuse nella Santa Sede«, lettera43.it, 21. März 2013. http://www.lettera43.it/it/articoli/politica/2013/03/21/vaticano-pratiche-gay-diffuse-nella-santa-sede/78891/ [Zugriff: 30.05.2018].
[17]
Carmelo Abbate, Sex and the Vatican. Viaggio segreto nel Regno dei Casti, Mailand 2012.
[18]
In letzter Zeit spielte etwa Georg Gänswein, der Präfekt des päpstlichen Hauses, die Bedeutung des homosexuellen Netzwerks herunter. So stritt der deutsche Erzbischof, der Benedikt XVI. am Ende des Pontifikats bei der Zerschlagung der Homo-Lobby unterstützte, in einem Fernsehinterview ab, dass es diese Lobby noch gebe, oder dass diese Ernennungen und Versetzungen habe beeinflussen können: »Die Bedeutung dieser angeblichen Schwulenlobby wird überschätzt. Das Problem wurde in Angriff genommen und gelöst. Es reicht. Hier von Macht zu sprechen, halte ich nicht nur einmal, sondern hundertmal für überschätzt.« (Fabio Marchese Ragona, Interview mit Georg Gänswein, Matrix, Canale 5, 5. April 2017). Alles falsch, sagt auch Prälat Francesco Camaldo, genannt Jessica, als Zeremoniar der Liturgischen Feiern. In einem anonymen Interview in der Tageszeitung »Libero« vom 9. Februar 2014, sagt Jessica, der »päpstliche Zeremoniar, der vom Papst ins Abseits gestellt wurde«: »Diese Schwulenlobby wird maßlos aufgebauscht. Auch die drei ›Kardinäle 007‹ haben gesagt, dass in ihren Unterlagen nichts davon steht, aber die Journalisten hören lieber auf die Gerüchte.«
[19]
Carmela Formicola, Lia Mintrone, »Dalla Puglia la storia ›Io, prete gay e sposato ecco i segreti del Vaticano‹«, La Gazzetta del Mezzogiorno, 13. Juni 2013.
[20]
Carmela Formicola, Lia Mintrone, »Prete gay Tony Adams sposato da 8 anni. ›Si sa, ma tutti zitti‹«, La Gazzetta del Mezzogiorno, 12. Oktober 2015.