Molle & Co

1905 soll es noch rund 13.000 Berliner Eckkneipen gegeben haben, „an jeder Straßenkreuzung fünf“, wie man sagte. Wie die Altberliner Gaststätten werden auch die noch verbliebenen rustikalen Pinten in den hippen Stadtteilen nach und nach von schicken Szenelokalen verdrängt - so verschwindet Jahr für Jahr ein Stück traditioneller Berliner Alltagskultur.
Ein abgehalftertes Klischee besagt: Die Westberliner Kerle trinken Schultheiss, die Ostberliner Berliner Pilsner. Das war einmal. Ohnehin gehören mittlerweile beide Brauereien - und dazu auch noch Berliner Kindl und Berliner Bürgerbräu - zu einem Unternehmen: zur Radeberger Gruppe. Über die Qualität der Berliner Biere kann man sich streiten, aber es gibt ja auch alle anderen gängigen Marken und dazu eine Reihe kleiner Hausbrauereien, die süffige Molle (berlinerisch für „Bier“, Molle mit Strippe = Bier mit Korn) produzieren - unsere Lieblingsbiere sind das Rollberg aus Neukölln und das Georgbräu-Bier(→ S. 139).
Unter Touristen recht beliebt ist die Berliner Weiße. Napoleon soll sie gar als „Champagner des Nordens“ bezeichnet haben. Das obergärige, leichte, säuerliche Bier wird - je nach Wahl - mit einem Schuss Waldmeister-, Himbeer- oder Johannisbeersirup in breiten Kelchen serviert. In den meisten Lokalen wird heute leider eine Fertigmischung ausgeschenkt - und die schmeckt, so der Bierhändler unseres Vertrauens, nach „Scheiße hoch sieben“. Er empfiehlt, Berliner Weiße pur zu kaufen und selbst zu verfeinern.
Ein Tipp für Anti-Alkoholiker ist die Fassbrause - sieht fast aus wie Bier. Die mit Süßholzwurzel versetzte Kräuterlimonade ähnelt geschmacklich leicht dem Almdudler. Leider kommt sie nur noch in wenigen Lokalitäten direkt vom Fass.