Daß der Philosoph sich jeglicher Metaphorik zu enthalten habe, ist Gemeingut des englischen Empirismus; seit Bacon und nach dessen Vorbild aber genauso, daß die Warner vor dem süßen Gift sprachlicher Erleichterungen – wie so viele Warner vor Gefährlichem auch sonst – ihre eigenen Vorschriften nicht beachteten, sich zur Warnung vor den Entnüchterungen der metaphorischen Emphase bedienten.
Im dritten Buch seines »Essay concerning Human Understanding« hat John Locke vor dem Mangel an Eindeutigkeit in der philosophischen Sprache als der Wurzel aller Übel gewarnt und zur dry truth angehalten. Selbst die Wahrheit rechtfertigt nicht das Mittel der Rhetorik zu ihrer leichteren Eingängigkeit und Ausbreitung. Daß auf diese so schwer verzichtet werden kann, es sogar vergeblich ist, in den Künsten der Verschönerung der Rede die Täuschungen aufzudecken, hat seinen Grund in der von Descartes zu wenig beachteten Feststellung, daß jedermann sich gern täuschen läßt. Sofern man von den Dingen, wie sie wirklich sind, sprechen wolle, müsse man zugeben, daß alle rhetorischen Künste, die über die Ordnung und Klarheit hinausgehen, sowie jeder künstliche und bildliche Gebrauch der Worte … nur dazu dienen, unrichtige Vorstellungen unterzuschieben, die Leidenschaften zu wecken, dadurch das Urteil irrezuführen und also reinen Betrug zu verüben. Dieses Geschäft mit der Neigung, zu täuschen und sich täuschen zu lassen, sei mächtig angewachsen, seitdem die Kunst der Beredsamkeit, dieses mächtige Werkzeug des Irrtums und Betrugs, seine festen Professoren erhalten hat …[1]
Schon Karl Löwith hat darauf hingewiesen, daß zu diesem zehnten Kapitel des dritten Buches ein Herausgeber von Lockes Werken die Anmerkung macht, dessen Angriff auf die Rhetorik stehe in 111Widerspruch zu seiner eigenen Sprache. Locke mache ständig Gebrauch von Metaphern und keineswegs zur bloßen Verschönerung oder gar Verunklarung dessen, was er zu sagen hat, sondern um es zu klären. Von einem Philosophen zu verlangen, er solle gänzlich ohne rhetorische Figuren reden, in völliger Bildlosigkeit, das sei so, wie wenn man von einer Frau verlangen würde, nackt zu gehen, weil auch Kurtisanen Kleider tragen.[2]