Winnifred und Joshua Haldeman (oben links); Errol, Maye, Elon, Tosca und Kimbal Musk (unten links); Cora und Walter Musk (rechts)
© O. und u. l.: Mit freundlicher Genehmigung von Maye Musk; r.: Mit freundlicher Genehmigung von Elon Musk
Elon Musks Hang zum Risiko lag in der Familie. Er kam da nach seinem Großvater mütterlicherseits, Joshua Haldeman , einem tollkühnen Abenteurer und Sturkopf, der auf einer Farm in der kahlen Prärie Zentralkanadas aufwuchs. In Iowa erlernte er chiropraktische Methoden und kehrte anschließend in seinen Heimatort nahe Moose Jaw zurück, wo er Pferde zuritt und chiropraktische Behandlungen gegen Kost und Logis vornahm.
Schließlich konnte er sich eine eigene Farm kaufen, die er jedoch in der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre wieder verlor. In den darauffolgenden Jahren arbeitete er als Cowboy, trat bei Rodeos auf und jobbte als Hilfsarbeiter auf dem Bau. Bestand hatte nur seine Abenteuerlust. Er heiratete, ließ sich scheiden, reiste als Landstreicher auf Güterzügen und als blinder Passagier auf einem Ozeandampfer.
Der Verlust seiner Farm machte einen Populisten aus ihm. Joshua Haldeman engagierte sich in einer Partei, die Social Credit Party genannt wurde und die dafür eintrat, dass Bürger gratis Kreditnoten als gültige Zahlungsmittel bekommen sollten. Die Bewegung hatte auch einen konservativ-fundamentalistischen Zweig mit antisemitischen Tendenzen. Ihr erster Anführer in Kanada beklagte eine »Perversion kultureller Ideale«, weil »eine disproportionale Anzahl von Juden Schaltstellen besetzt«. Haldeman stieg schließlich zum nationalen Vorsitzenden der Partei auf. Außerdem schloss er sich einer Bewegung namens Technocracy an, die die Überzeugung vertrat, die Regierungsgeschäfte sollten besser von Technokraten statt von Politikern geführt werden. Zeitweise war sie in Kanada verboten, weil sie sich gegen den Eintritt des Landes in den Zweiten Weltkrieg aussprach. Haldeman trotzte dem Verbot, indem er die Bewegung mit einer Zeitungsannonce unterstützte.
Irgendwann wollte er Gesellschaftstanz lernen. Dabei machte er die Bekanntschaft von Winnifred Fletcher , deren Abenteuerlust es mit seiner aufnehmen konnte. Als 16-Jährige hatte sie einen Job bei der Times-Herald in Moose Jaw angenommen, doch sie träumte nach wie vor von einer Karriere als Tänzerin und Schauspielerin. Und so war sie mit dem Zug erst nach Chicago abgehauen, dann weiter nach New York. Zurück in Moose Jaw, eröffnete sie eine Tanzschule, in der sich Haldeman zum Unterricht anmeldete. Als er sie zum Abendessen einladen wollte, erwiderte sie: »Ich gehe nicht mit meinen Schülern aus.« Also brach er den Unterricht ab und bat sie erneut um eine Verabredung. Nur wenige Monate später fragte er: »Wann wirst du mich heiraten?« – »Morgen«, antwortete sie.
Die beiden bekamen vier Kinder, darunter die Zwillinge Maye und Kaye , die 1948 geboren wurden. Bei einem Ausflug entdeckte Haldeman eines Tages ein »Zu verkaufen«-Schild an einer einmotorigen Luscombe. Das Flugzeug stand auf der Wiese eines Farmers. Joshua, der kein Bargeld bei sich hatte, konnte den Farmer überreden, die Maschine gegen sein Auto einzutauschen. Das war ziemlich unüberlegt, da Haldeman noch gar nicht fliegen konnte. Doch er konnte jemanden auftreiben, der ihn erst nach Hause flog und ihm dann beibrachte, die Maschine zu steuern.
Bald war die Familie unter dem Spitznamen »The Flying Haldemans« bekannt. Von einer Branchenzeitschrift für Chiropraktik wurde Haldeman als »die vielleicht bemerkenswerteste Gestalt in der Geschichte fliegender Chiropraktiker« gepriesen. Eine ziemlich eingeschränkte, aber zutreffende Anerkennung. Als Maye und Kaye drei Monate alt waren, schaffte die Familie eine größere einmotorige Maschine an, eine Bellanca. Die Kleinkinder hießen im Ort fortan die »fliegenden Zwillinge«.
Aufgrund seiner kruden konservativ-populistischen Ansichten kam Haldeman zu dem Schluss, dass die kanadische Regierung zu viel Kontrolle über das Leben der Einzelnen ausübte und das Land zu verweichlicht sei. Daher entschied er 1950, nach Südafrika auszuwandern, das damals noch vom weißen Apartheidregime beherrscht wurde. Zerlegt und in Kisten verpackt ließ er die Bellanca auf einen Frachter mit Ziel Kapstadt laden. Haldeman wollte im Landesinneren leben, also brachen sie Richtung Johannesburg auf. Dort sprachen die meisten weißen Bewohner tendenziell eher Englisch als Afrikaans. Doch als sie über das nahe gelegene Pretoria flogen, wo gerade die Jacaranda-Bäume violett blühten, verkündete Haldeman: »Hier werden wir bleiben.«
Als Joshua und Winnifred noch jung gewesen waren, war eines Tages ein junger Schausteller und Scharlatan namens William Hunt (bekannt als »Der große Farini«) nach Moose Jaw gekommen. Er hatte Geschichten von einer uralten »verschwundenen Stadt« erzählt, die er gesehen habe, als er die südafrikanische Kalahari-Wüste durchquerte. »Dieser Schwindler zeigte meinem Großvater Fotos, die offensichtlich gefälscht waren, aber der ließ sich davon überzeugen und machte die Wiederentdeckung zu seiner Mission«, sagt Musk. Nun, in Südafrika , zogen die Haldemans Jahr für Jahr monatelang durch die Kalahari, um diese legendäre Stadt zu suchen. Dabei jagten sie ihr Essen selbst und schliefen mit Gewehren neben sich, um Löwen abzuwehren.
Die Familie machte sich ein Motto zu eigen: »Lebe gefährlich – aber mit Vorsicht«. Man unternahm Langstreckenflüge an Orte wie Norwegen, wurde Erster beim Autorennen über 15 000 Kilometer von Kapstadt nach Algier und absolvierte den ersten Flug mit einer einmotorigen Maschine von Afrika nach Australien. »Sie mussten die Rücksitze entfernen, um Treibstofftanks einzubauen«, erinnerte sich Maye .
Seine Risikobereitschaft wurde Joshua Haldeman schließlich zum Verhängnis. Er kam ums Leben, als einer seiner Flugschüler in eine Stromleitung steuerte; die Maschine überschlug sich und stürzte ab. Sein Enkel Elon war damals drei Jahre alt. »Er wusste, dass wahre Abenteuer mit Risiken verbunden sind«, sagt er. »Das Risiko trieb ihn an.«
Haldeman prägte mit dieser Einstellung auch eine seiner Zwillingstöchter, Elons Mutter Maye. »Ich weiß, dass ich ein Risiko eingehen kann, solange ich vorbereitet bin«, sagt sie. Als Schülerin war sie gut in Naturwissenschaften und Mathe. Noch dazu sah sie umwerfend aus. Groß und blauäugig, mit hohen Wangenknochen und wohlgeformter Kinnpartie, begann sie schon als 15-Jährige zu modeln und trat an Samstagvormittagen bei Modenschauen im örtlichen Kaufhaus auf.
Ungefähr um diese Zeit lernte sie einen Jungen aus der Nachbarschaft kennen, der ebenfalls umwerfend aussah, wenn auch eher auf die lässige, gaunerhafte Art.
Errol Musk war ein Abenteurer und Geschäftemacher, immer auf der Suche nach der nächsten guten Gelegenheit. Seine Mutter Cora stammte aus England. Dort hatte sie mit 14 die Schule abgeschlossen und danach in einer Fabrik gearbeitet, die Außenverkleidungen für Jagdbomber herstellte. Mit einem Flüchtlingsschiff war sie nach Südafrika gelangt und hatte dort Walter Musk kennengelernt. Als Kryptoanalytiker und Geheimdienstoffizier arbeitete Walter in Ägypten Pläne aus, um die Wehrmacht mit dem Einsatz von Waffenattrappen und Scheinwerfern zu täuschen. Nach dem Krieg beschränkte er sich hauptsächlich darauf, schweigend in einem Sessel zu sitzen, zu trinken und mit seinen kryptologischen Fähigkeiten Kreuzworträtsel zu lösen. Also verließ Cora ihn, reiste mit ihren beiden Söhnen nach England, kaufte einen Buick und kam dann wieder nach Pretoria zurück. »Sie war die stärkste Persönlichkeit, die mir je begegnet ist«, schwärmt Errol .
Errol machte einen Abschluss als Ingenieur im Bereich Maschinenbau und wirkte anschließend am Bau von Hotels, Einkaufszentren und Fabriken mit. Nebenbei restaurierte er alte Autos und Flugzeuge. Er versuchte sich auch in der Politik und setzte sich als einer von wenigen Englisch sprechenden Abgeordneten im Stadtrat von Pretoria City gegen ein Mitglied der für die Apartheid stehenden National Party durch. Die Pretoria News vom 9. März 1972 berichtete unter der Überschrift »Reaction against the Establishment« über diese Wahl.
Wie die Haldemans liebte auch Errol das Fliegen. So kaufte er sich eine zweimotorige Cessna Golden Eagle, um Fernsehteams zu einer Lodge zu fliegen, die er im Busch errichtet hatte. Als er 1986 einmal unterwegs war, um die Maschine zu verkaufen, landete er auf einer Piste in Sambia. Dort bot ihm ein panamaisch-italienischer Unternehmer an, das Flugzeug zu kaufen. Man wurde handelseinig: Statt Bargeld erhielt Errol eine gewisse Menge Smaragde aus den drei Minen, die der Mann in Sambia besaß.
In Sambia gab es damals zwar eine postkoloniale Schwarze Regierung, aber keine funktionierende Verwaltung. Daher war die Mine nicht registriert. »Hätte man sie registriert, wäre man am Ende mit nichts dagestanden, weil die Schwarzen einem alles weggenommen hätten«, sagt Errol . Er kritisiert Maye s Familie als rassistisch, während er selbst darauf beharrt, kein Rassist zu sein. »Ich hab’ nichts gegen die Schwarzen, aber sie sind einfach anders als ich«, erklärt er mir in einer weitschweifigen Diskussion am Telefon.
Errol, der an der Mine nie als Miteigentümer beteiligt war, erweiterte sein Geschäft, indem er Rohsmaragde importierte und in Johannesburg schleifen ließ. »Viele Leute kamen mit gestohlenen Päckchen zu mir«, sagt er. »Auf Reisen nach Übersee verkaufte ich Smaragde an Juweliere. Das war eine abenteuerliche Sache, weil völlig illegal.« Nach Profiten in Höhe von rund 210 000 Dollar 1 brach sein Smaragd-Business in den 1980er-Jahren ein. Die Russen hatten künstliche Smaragde im Labor entwickelt.
1 Bei der Bezeichnung Dollar handelt sich im gesamten Text um US -Dollar.
Errol Musk und Maye Haldeman kamen schon als Teenager zusammen. Von Beginn an ging es in ihrer Beziehung dramatisch zu. Er machte ihr mehrere Heiratsanträge, doch sie traute ihm nicht über den Weg. Als sie dahinterkam, dass er sie betrog, war sie so außer sich, dass sie eine Woche lang weinte und nichts essen konnte. »Vor lauter Trauer nahm ich fast fünf Kilo ab«, erinnert sie sich. Wobei ihr das letztlich dabei geholfen habe, einen lokalen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Sie erhielt 150 Dollar Preisgeld und zehn Bowlingtickets und kam ins Finale der Wahl zur Miss Südafrika.
Nach ihrem Collegeabschluss zog Maye nach Kapstadt, um dort Vorträge über Ernährung zu halten. Errol kam sie besuchen, brachte einen Verlobungsring mit und machte ihr wieder einen Antrag. Er versprach, er würde sich ändern und ihr treu bleiben, wenn sie erst geheiratet hätten. Maye hatte soeben die Beziehung zu einem anderen untreuen Freund beendet und eine Menge zugenommen; sie fürchtete, sie könnte am Ende gar keinen Mann mehr abbekommen, wenn sie noch lange zuwartete, und willigte ein.
Am Abend nach der Hochzeit flogen Errol und Maye für ihre Flitterwochen nach Europa. Die Tickets hatten sie zu einem günstigen Preis erstanden. In Frankreich kaufte Errol mehrere Nummern des Playboy , der in Südafrika verboten war. Die las er dann auf dem schmalen Hotelbett, sehr zu Mayes Missfallen. Ihre Streitereien wurden verbittert. Zurück in Pretoria, überlegte sie, wie sie aus dieser Ehe herauskommen könnte. Doch schon bald litt sie an morgendlicher Übelkeit. Sie war in der zweiten Nacht ihres Honeymoon in Nizza schwanger geworden. »Es war ein Fehler gewesen, ihn zu heiraten«, klagt sie, »aber jetzt ließ es sich nicht mehr rückgängig machen.«