In Uganda33 sind es vor allem fundamentalistische christliche Kirchen, oft finanziell unterstützt von evangelikalen Gemeinden aus den USA, die gegen sexuelle Minderheiten hetzen: „Homos“ würden Kinder „rekrutieren“, und es wird so getan, als wäre sexuelle Orientierung etwas, für das man sich frei entscheiden würde und das man aus eigenem Willen und mit dem richtigen Glauben auch wieder ablegen könnte.
Welche Menschen, die den heterosexuellen Mehrheiten angehören, haben sich jemals für ihre Orientierung entschieden oder könnten sie gar durch eine Willensentscheidung verändern?
Schließlich: Wer würde sich schon frei entscheiden, zu einer benachteiligten Minderheit gehören zu wollen? Es ist keine freie Wahl. Wir sind so geboren.
Hinzu kommt, dass die Angehörigen anderer Minderheiten zumeist die Familie als Rückendeckung und Schutz haben, die oft der gleichen sprachlichen, religiösen oder kulturellen Minderheit angehört. Diskriminierung kann zumindest gemeinsam getragen werden. Jugendliche, die sich im Laufe ihrer Pubertät klar darüber werden, dass sie anders sind als die meisten Gleichaltrigen, haben oft eine einsame Zeit zu bewältigen. Bis sie endlich andere treffen, die ähnlich empfinden wie sie. Die sie verstehen, so wie sie sind.
In Ugandas nördlichen Nachbarländern Südsudan und Sudan gilt nach islamischem Recht die Todesstrafe für Homosexuelle. Da ist es nicht Gott, sondern Allah, dem zugeschrieben wird, dass es rechtens ist, „Homos“ zu steinigen oder aufzuhängen. Insgesamt gibt es die Todesstrafe weltweit in 13 Ländern34. In mehr als 70 Ländern existieren schwere, zum Teil lebenslängliche Haftstrafen für Homosexuelle. In der Mehrheit aller Länder der Welt werden sexuelle Minderheiten benachteiligt und ausgegrenzt, oft auch gewalttätig verfolgt, ohne dass dafür Gesetze gelten. Selbst die Polizei, die die Bürger eines Landes schützen sollte, beteiligt sich nicht selten an Übergriffen auf sexuelle Minderheiten.
Als am Ende des Zweiten Weltkriegs die Überlebenden der deutschen Konzentrationslager endlich befreit wurden und „Nie wieder!“ rufen konnten, galt dies für homosexuelle Häftlinge nicht. Sie mussten sich weiter verstecken. Selbst im Land der Täter, in Deutschland, galt der in der Nazizeit verschärfte §175 gegen homosexuelle Männer bis 1969 unverändert. In der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz, das international fraglos als das Symbol für die Vernichtungspolitik der Nazis gilt, erinnert bis heute nichts an die dort umgekommenen Häftlinge mit dem Rosa Winkel. Warum? Weil im streng katholischen Polen, derzeit noch verstärkt durch eine rechtsnationale Regierung, mehrheitlich kein Interesse an einer Anerkennung dieses historischen Unrechts besteht.
Auch wenn es heute in fast allen Gedenkstätten an die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich Gedenktafeln für homosexuelle Opfer gibt, so hat es bis heute keine Zustimmung im deutschen Bundestag gegeben, um in der jährlichen Gedenkstunde für die Opfer der NS-Zeit am 27. Januar (dem Tag der Befreiung von Auschwitz) auch einmal thematisch an die Leiden sexueller Minderheiten zu erinnern.
Aber wie die Freundinnen und Freunde in Uganda sagen: „Es geht weiter. Es gibt uns.“
Und auch das gilt in der modernen Geschichte der Menschheit: Zwei Staatsoberhäupter schafften es bisher, sich für die Verbrechen an sexuellen Minderheiten, die in ihren Ländern geschehen waren, zu entschuldigen – im November 2017 war es der kanadische Premierminister Justin Trudeau und im Juni 2018 der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Und immerhin drei afrikanische Länder beendeten die Strafverfolgung Homosexueller in den letzten Jahren: Mosambik (2016), Angola und Botswana (2019).
Ein Anfang.
Es geht weiter. Es gibt uns.
Es wird uns immer geben.
33 Die Gesetzgebung in Uganda (erstmals verabschiedet im Parlament 2014) gegen Homosexuelle sieht bei „schweren Fällen“ (zum Beispiel „Wiederholungstätern“) lebenslängliche Haft vor. Wer sich öffentlich positiv zu Homosexualität äußert („homosexuelle Propaganda“) kann bis zu 7 Jahre Haft erhalten, und wer Kenntnis von einem Homosexuellen hat und ihn nicht innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei anzeigt, kann mit bis zu 3 Jahren Haft bestraft werden – dies gilt selbst für Familienangehörige. Diese Gesetzesvorlage war zuerst eingebracht worden von dem Abgeordneten David Bahati (*1973), der ursprünglich darin auch die Todesstrafe gefordert hatte. Das Gesetz von 2014 wurde wenige Monate später aus formalen Gründen von einem hohen Gericht für ungültig erklärt, bestimmt aber weiter das Denken vieler Politiker*innen und Richter*innen. Seit Ende 2019 bemüht sich vor allem der ehemalige katholische Priester und heutige „Minister für Ethik und Integrität“, Simon Lokodo (*1957) weiter darum, die Todesstrafe für Homosexuelle doch noch einzuführen. Wörtlich sagte er kurz vor dem brutalen Mord an Brian Wasswa (*1991): „Homosexualität ist unnatürlich für Menschen in Uganda. Es ist eine Lüge, dass jemand so geboren wird. Homosexualität ist ein schweres Verbrechen und verdient die Todesstrafe.“
34 Diese 13 Länder mit Todesstrafen für Homosexuelle sind (Stand 2020): Afghanistan, Brunei, Iran, Jemen, Mauretanien, Nigeria, Pakistan, Quatar, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Südsudan und die Vereinigten Arabischen Emirate.