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„Sie hätten es besser wissen müssen“ – Falsche Namen und andere Schlauheiten

„Oh, Mann, hey!“, rief Cathal. „Und sie hat wirklich die Bordsteine grün angemalt?“

Cathal rümpfte die Nase, um zu zeigen, wie cool er das fand, megacool sogar, auch wenn er nicht ganz einsah, dass Robins Mum erst jetzt auf die Idee gekommen war und er sich auch wunderte, dass Robin nicht sonderlich begeistert wirkte.

Aber da stürmte Vater Duncan ins Klassenzimmer und die beiden Jungen unterbrachen ihr Gespräch.

„Später erzählst du mir mehr“, zischte Cathal und machte das Zeichen: zwei zusammengelegte Finger, der Ringfinger, der Mittelfinger, kurz an die Nasenwurzel getippt und blitzschnell nach vorne geschnappt, auf Robins Augen zu. Das bedeutete, unmissverständlich: Jetzt ist es abgemacht! Im Grunde war es ein Befehl, und irgendetwas fühlte sich falsch an daran. Auch wenn Robin nicht wusste, was falsch daran sein sollte. Schließlich war Cathal Robins bester Freund. Und sein einziger, um genau zu sein. Und beste und einzige Freunde erzählten einander nun mal solche Dinge.

Außerdem besaß Cathal seinen eigenen Kopf, wie es so schön, aber völlig unsinnig hieß, schließlich besaß jeder Mensch einen eigenen Kopf. Auf Cathal traf das jedoch unbedingt zu. Und seinen eigenen Kopf hatte er auch bitter nötig. Wie sonst hätte er sich gegen all den Trubel, der bei ihm zu Hause herrschte, wehren sollen – die riesige Geschwisterschar, in deren Mitte sich jede Mahlzeit anfühlte, als würde Cathals Mutter einen Zoo abfüttern?

„Es ist der blanke Wahnsinn, du glaubst nicht, wieee nervig es ist!“, stöhnte Cathal immer und rollte mit den Augen, dass Robin das Weiße darin aufblitzen sah. Und trotzdem beneidete Robin seinen Freund genau darum. Denn Cathal stand nicht andauernd im Mittelpunkt irgendeiner elterlichen Aufmerksamkeit. Er wurde nicht von den Wünschen und Erwartungen der Erwachsenen belagert. Und vor allen Dingen musste er nicht ständig dafür sorgen, dass sich seine Eltern vertrugen.

„Bei uns knallen sie die Türen doch auch“, widersprach Cathal dann. Aber darauf zuckte Robin bloß die Schultern. Wer vier Brüder hatte und obendrein zwei Zwillingsschwestern, die so süß waren wie zuckrige Marshmallows, auch wenn sie deshalb manchmal an einem festklebten, brauchte sich wahrhaftig nicht zu beklagen, dass es daheim lebendig zuging. Lebendig – was für ein Wort!

„Ruhe!“, brüllte Vater Duncan. „Was gibt es da zu tuscheln? Schlagt lieber eure Geschichtsbücher auf und lest! Seite vierundzwanzig: die Rede von Patrick Pearse.“

Patrick Pearse war auch so ein Held gewesen, ähnlich wie der heilige Sebastian. Auch er hatte sich geopfert. Für ein freies Irland allerdings und weniger für seinen Glauben. Ungeschickt für alle Schüler in Nordirland, die eine katholische Schule besuchten, blieb allerdings die Tatsache, dass dieser Mann im Gegensatz zum heiligen Sebastian sehr viel geschrieben hatte. Reden in etwa, die man nachlesen konnte bis heute. Was wiederum zur Folge hatte, dass eine ganze Klasse diese Reden in einer Geschichtsstunde bei Vater Duncan nachlesen musste – zum Beispiel: „Ein unfreies Irland wird niemals friedlich sein!“

Im Grunde kam es Robin jedoch sehr gelegen, dass Vater Duncan nun den Unterricht begann und Robins Gespräch mit Cathal, das eher einem Verhör geglichen hatte, unterbrach. Sonst hätte Robin seinem Freund womöglich noch erzählen – oder beichten – müssen, dass der Bürgersteig vor ihrem Haus zwar mittlerweile grün, aber leider keineswegs orange glänzte. Obwohl Orange doch unbedingt dazugehörte wegen der irischen Trikolore. Wofür Robin auch eigens orange Abtönfarbe gekauft hatte, gestern in Murphys kleinem Laden, in dem es alles gab, was das Herz begehrte. „Nur blaue und rote Farbe habe ich nicht“, hatte Murphy gesagt und in sich hineingekichert, als hätte er einen besonders lustigen Witz gemacht. (Es hatte auch ein Witz sein sollen. Nämlich, dass Murphy keine Farbe für den Union Jack verkaufte – also weder Blau noch Rot.)

Robin war mit seinem frisch erworbenen Farbeimer stolz und überaus froh über seinen guten Einfall nach Hause gelaufen – oder eher gewankt, denn der Eimer hatte viel gewogen. Aber statt dass Mum sich bei Robin bedankt und ihm die Farbe aus der Hand gerissen hätte, wie es doch eigentlich bei einem so großartigen Geschenk angemessen gewesen wäre, hatte sie zu weinen begonnen, und das Einzige, das sie unter Tränen hatte stottern können, war „Ach, Robin, lieber, lieber Robin!“ gewesen. Was Robin nicht besonders hilfreich gefunden hatte und die Bordsteine draußen vor der Tür auch nicht bunter malte.

Robin hatte sich daraufhin mit dem Plastikjesus beraten, aber der Plastikjesus hatte lediglich um Schnee gebettelt. Und in Das Buch der hundert Merkwürdigkeiten hatte Robin ebenfalls nichts Brauchbares gefunden, außer dass das älteste Rezept der Welt das für Bier war – eine Merkwürdigkeit, die eigentlich nur Big Chief interessieren konnte. Und dass es für die ersten vier Züge beim Schach dreihundertachtzehnmilliardenneunhundertneunundsiebzigmillionenfünfhundertvierundsechzigtausend verschiedene Möglichkeiten gab, ja, das hatte er auch gelesen. Aber was für eine Möglichkeit Robin selbst hatte, da der Eimer mit der Farbe seitdem ungenutzt unter seinem Bett stand, und wenn es auch nur eine einzige und winzige Möglichkeit gewesen wäre, wusste Robin dadurch leider auch nicht.

Und nun also Patrick Pearse!

Patrick Pearse, verkündete Vater Duncan soeben und sein gewaltiger Bauch wackelte, sei ein kluger Mann gewesen und obendrein ein Held; er habe sich geopfert, damit Irland eines Tages frei sein würde.

„Opfer“, sagte Vater Duncan und der Herr Jesus schaukelte an der Kette um seinen Hals hin und her, und her und hin, „verändern die Welt!“

Das hatte Robin schon einmal gehört, neulich in der Kirche, als Big Chief über den heiligen Sebastian gesprochen hatte. Auch der heilige Sebastian hatte ein Opfer gebracht, es waren sogar zwei gewesen. Oder war der heilige Sebastian vielleicht selbst ein Opfer? Was bestimmt einen Unterschied machte.

Und wie, überlegte Robin weiter, verhielt es sich mit dem Herrn Jesus, der jetzt wieder vor Robins Augen vorbeischwang, weil Vater Duncan an Robins Pult vorüberging? War Jesus ein Held? Oder ein Opfer? Oder beides zusammen?

Aber dann landete Vater Duncan doch wieder bei der Schlacht am Fluss Boyne, weil er immer dort landete und alles dort begonnen hatte, daran gab es nichts zu rütteln. Denn Wilhelm von Oranien hatte das Verderben über Nordirland gebracht und blieb ein Verräter in alle Ewigkeit bis heute, bis zu dieser Schulstunde im Jahre 1990, dreihundert Jahre später.

„Und deshalb verstehe ich auch nicht“, sagte Vater Duncan und er baute sich vor einem schmalen Jungen namens William auf, „wieso deine Eltern dich ausgerechnet William genannt haben, William Lenihan! Sie hätten es wahrhaftig besser wissen müssen und dich anders nennen können. William ist ein völlig unangebrachter, ein falscher Name. Immerhin gibt es genug Namen, die weitaus ehrwürdiger sind – wie zum Beispiel, zum Beispiel …“ Und er schaute sich in der Klasse um, bis sein Blick auf Cathal fiel. „Wie zum Beispiel Cathal. Sie hätten dich Cathal nennen können! Cathal ist ein schöner Name. Ein irischer Name. Cathal bedeutet großer Krieger.“10

Da war es schon wieder, dachte Robin. Immerzu ging es ums Kämpfen. Damals bei der Schlacht am Boyne. Und heute noch. Kämpfen und Opfer bringen. Musste das so sein? Wo es doch ganz unsinnig erschien, weil es nichts beendet hatte. Bis heute nicht. Es hatte keinen Frieden gebracht. Und keine Versöhnung. Nirgends.

Was aber, wenn Robin sich täuschte und Vater Duncan und Big Chief recht hatten, weil sich der Lauf der Welt tatsächlich nur durch Opfer ändern ließ? Und wenn – aber das war ein ganz und gar beunruhigender Gedanke – das ganze Durcheinander nur deshalb nicht aufhörte, weil Robin selbst kein Opfer brachte? Ja, was dann?

Da meldete sich Cathal.

„Cathal! Möchtest du uns etwas mitteilen?“, fragte Vater Duncan und er schaute sehr verdutzt.

„Die Schlacht am Boyne, Vater Duncan“, sagte Cathal, „das war doch im Jahr 1690?“

„Ganz recht, mein Junge“, sagte Vater Duncan, und er lächelte milde, wie Erwachsene manchmal milde lächelten, wenn sie der Meinung waren, dass die Kinder eine überflüssig leichte Aufgabe brav erledigt hatten, wenn sie ihre Schuhe zubanden zum Beispiel, und man sie trotzdem dafür loben musste. „Merk es dir gut!“

„Aber, Vater Duncan“, sagte Cathal, „das ist doch ziemlich lange her!?“

„Dreihundert Jahre“, sagte Vater Duncan, und er nickte und lächelte.

„Aber, Vater Duncan“, sagte Cathal, der zwar seinen eigenen Kopf besaß, aber manchmal war es ein Dummkopf, der ihm zwischen den Schultern hockte, „sind dreihundert Jahre nicht eine furchtbar lange Zeit, um so nachtragend zu sein?“

Das Lächeln in Vater Duncans Gesicht erlosch schlagartig, als hätte sich eine Gewitterwolke vor die Sonne geschoben. Auch der Herr Jesus an der Kette hörte auf zu schaukeln. Jetzt hing er vollkommen still, als würde er vor Schreck den Atem anhalten.

Robin wusste sofort, dass Cathal einen Fehler gemacht hatte, einen von der schlimmen Sorte, weil er Folgen nach sich zog. Und alle anderen in der Klasse, bis auf Cathal, wussten es auch. Es war auch nicht schwer, das zu wissen, und zwar aus gleich drei gewichtigen und überaus einsichtigen Gründen.

Erstens widersprach niemand jemals Vater Duncan. (Und wenn, dann tat er es nie ungestraft.) Zweitens widersprach ganz allgemein an der Schule Zu Unserer Lieben Frau kein Schüler einem Lehrer. So stand es auch geschrieben in der Schulsatzung, die jedes Jahr zu Schulbeginn laut vorgelesen wurde, damit es jeder Schüler hörte, und zwar in ihrem vollem Umfang, was geschlagene dreiunddreißig Minuten und achtzehn Sekunden dauerte. Robin und Cathal wussten das, seit Cathal einmal dabei auf die Uhr gesehen und die Zeit gestoppt hatte. Und in eben jener Schulordnung, Paragraf fünf, Absatz drei, stand es schwarz auf weiß: „Den Anweisungen des Lehrpersonals ist bedingungslos Folge zu leisten, Widerspruch wird nicht geduldet.“

Drittens aber, und das wog von allen drei Gründen am schwersten, war es schlichtweg dumm von Cathal, diese Frage überhaupt zu stellen. Denn wenn auch manche Dinge furchtbar lange zurücklagen, wie zum Beispiel die Schlacht am Boyne – so lange, dass man sich kaum erinnerte –, konnten sie doch nach wie vor gültig sein. Schließlich ging auch die Sonne jeden Tag aufs Neue auf, obwohl sie das bereits seit vier oder fünf Milliarden Jahren tat. Beziehungsweise fiel der Regen jeden Tag, weshalb man Irland schließlich auch Die Grüne Insel nannte.

Regen fiel auch, als Robin ein paar Schulstunden später ohne Cathal nach Hause ging, weil Cathal für seine nicht ordnungsgemäße und unverschämte Bemerkung, wie es Vater Duncan mit kargen Worten ungerührt verkündet hatte, nachsitzen musste.

Ohne Cathal nach Hause zu gehen, fühlte sich sehr merkwürdig an, weil Cathal und Robin nach Schulschluss stets gemeinsam nach Hause gingen, ehe sie sich vor Murphys kleinem Laden trennten und ein jeder seiner Wege ging. Noch merkwürdiger aber kam es Robin vor, dass er sich darüber freute. Denn nun brauchte er nicht mehr zu erzählen, dass auf den Bordsteinen vor ihrer Haustür das Orange fehlte.

Cathal ist mein Freund, dachte Robin, aber ich bin froh, dass er nicht da ist. Und er schämte sich dafür. Vielleicht war es das, was man eine Zwickmühle nannte? Es gab Gründe für das eine Gefühl. Und es gab Gründe für das andere. Und Robin steckte mittendrin.

Ich werde den Herrn Jesus in seiner Glaskugel fragen, ob es eine Lösung dafür gibt, beschloss Robin. Und vielleicht tue ich sogar etwas. Ich nehme die orange Abtönfarbe und mache es selbst. Aber vorher werde ich Big Chief fragen, was er darüber denkt.

„Hoppla, junger Mann, wohin so eilig?“

Robin war derart versunken in seine Gedanken, in denen schon ein Plan heranreifte, dass er vollkommen vergessen hatte, die Straßenseite zu wechseln, als er zur Königlichen Polizeiwache von Portamena gekommen war. Obwohl alle hier in Portamena die Straßenseite wechselten, sobald sie zur Königlichen Polizeiwache von Portamena kamen. Weil es durchaus geschehen konnte, dass genau in dem Augenblick, in dem man an der Königlichen Polizeiwache vorbeilief, ein Auto anbrauste, und das Auto konnte eine Bombe geladen haben und dann ... Peng!

Der Polizist war aus dem Schatten der Polizeiwache getreten, wie er es schon einmal gemacht hatte. Robin wäre beinahe in seinen dicken Bauch gerannt. Wieder erkannte Robin die Walther PP, die im Gürtel des Polizisten baumelte und den Schlagstock und die kugelsichere Weste, die den umfangreichen Bauch umspannte. Auf dem Kopf trug der Polizist eine Mütze. Die grüne Mütze. Die heckenschützengrüne Mütze.

„Verzeihung“, murmelte Robin.

„Aber warum denn?“, fragte der große Mann. „Was gibt es da zu verzeihen? Verzeihen sollte man ganz andere Dinge, aber nicht, dass du einen Polizisten umrennst, weil du gerade mit deinen Gedanken woanders bist! Ich heiße übrigens Hugh. Freut mich, dich kennenzulernen, wo ich dich doch fast jeden Morgen hier mit deinem Freund entlanggehen sehe!“

Robin zuckte zusammen. Der Polizist hat einen Namen, dachte er, und sein Herz fing an zu bummern, das dumme, ängstliche Ding.

Sie schwiegen. Und während sie schwiegen, tröpfelte der Regen auf die Mütze des Polizisten. Am Mützenrand sammelten sich die Tropfen. Als es zu viele wurden, plumpsten sie auf den Asphalt. Robin blickte auf den Boden; die Regentropfen färbten den Bürgersteig dunkelgrau.

„Hast du auch einen Namen?“, fragte der Polizist.

„Ich, äh, Entschuldigung“, sagte Robin, obwohl er sich nicht mehr entschuldigen wollte, „ich heiße Robin.“

„Robin!“, rief der Polizist, als hätte Robin etwas überaus Wunderbares erzählt. „Das ist ein schöner Name. Du heißt wie mein Lieblingsvogel. Das Rotkehlchen.“

„Entschuldigung“, sagte Robin noch einmal.

„Verzeihung“, sagte der Polizist, der Hugh hieß und Rotkehlchen mochte. Er lachte. „Jetzt bitten wir uns schon gegenseitig um Verzeihung, obwohl es nichts zu verzeihen gibt. Oder ist es etwa verkehrt, dass wir beide hier stehen und uns miteinander unterhalten?“

Trotzdem trat der Polizist einen Schritt zur Seite. „Aber ich halte dich auf und dabei hast du sicher viel vor. Da wünsche ich dir, dass du gut nach Hause kommst!“

„Danke“, sagte Robin, und er biss sich auf die Zunge, weil es so einfallslos klang.

„Auf Wiedersehen, Robin“, sagte Hugh, und er tippte an seine grüne Mütze, als wäre es ein Gruß.

„Auf Wiedersehen“, murmelte Robin. Aber er dachte: lieber nicht!

Robin blickte sich um. Die Straße war leer. Niemand hatte mitbekommen, dass er sich soeben unterhalten hatte mit einem Mann, mit dem er sich sicher nicht unterhalten durfte, weil er womöglich ein Verräter war. Wie Wilhelm von Oranien. Schließlich war Hugh ein Polizist, und Polizisten dienten der Königin von England.

Sobald es ging, wechselte er auf die andere Straßenseite. Noch im Überqueren beschloss er, nicht bei Cathals Mutter anzuklopfen, um ihr von Cathals Missgeschick zu berichten. Denn wenn Robin Cathal manchmal auch um seine große Familie beneidete, in einem Punkt musste er seinem Freund zustimmen: Bei Cathal war ständig so viel los, dass seine Eltern gar nicht merkten, ob er nun da war oder fehlte.

Lieber ging Robin zielstrebig heim, um mit Big Chief seinen großen Bordsteinanpinselplan zu besprechen. Aber Big Chief war nicht zu Hause. Dafür saß Mum am wackeligen Küchentisch und hielt Robin einen Becher hin.

„Setz dich zu mir und trink Tee“, sagte sie. Und sie bohrte ihren Ich-kann-in-deinem-Kopf-lesen-Mutterblick in Robins Gesicht, als wäre er ein Buch – was nicht besonders angenehm war. „Erzähl!“, befahl sie auch sogleich. „Was war heute wieder los?“

Robin pustete in seinen Tee. In den heißen haselnussbraunen Assam ohne Milch und ohne Zucker. Mum brauchte ihn bloß anzusehen, schon wusste sie Bescheid.

„Cathal musste nachsitzen“, gestand Robin, „und außerdem hat William Lenihan Pech mit seinem Namen.“

„Ha!“, sagte Mum und sie stellte ihren Becher ab, dass der Tee überschwappte. „Hat er das?“

„Natürlich hat er das!“, rief Robin. „Schließlich heißt er wie Wilhelm von Oranien. Du weißt schon, der Verräter-König, der ganz Nordirland ins Verderben gestürzt hat.“

„Ach, du meine Güte!“ Mum wischte sich eine Locke aus der Stirn. „Robin, das glaubst du nicht im Ernst, oder? Was bringen sie euch in der Schule eigentlich für Unsinn bei? Es gibt genauso wenig falsche Namen wie es falsche Menschen gibt!“

„Und trotzdem sind die Bordsteine jetzt grün“, rief Robin, der plötzlich eine große Wut in sich aufsteigen spürte.

„Ja“, sagte Mum, „aber das ist etwas völlig anderes.“

„Ach, ist es das?“ Jetzt knallte Robin seinen Becher auf den Küchentisch. Der Küchentisch wackelte. „Und wieso, bitte schön, soll das etwas anderes sein?“

„Weil …“, sagte Mum. Aber dann sagte sie nichts mehr, als wären ihr die Worte ausgegangen.

Mum hat auch bloß Ausreden, dachte Robin, wie seine Hausaufgaben, von denen er immer behauptete, dass er sie machen müsse, obwohl es keine gab. Lauter dumme Ausreden, die allesamt nichts taugten.

„Ich geh in mein Zimmer“, sagte Robin.

Mum stierte in ihren Tee. Und Robin ließ sie dort sitzen.


10  Im Mittelalter zählte Cathal zu den beliebtesten Namen in Irland; die italienische Armee wählte Cathal im Ersten Weltkrieg sogar zu ihrem Schutzheiligen.