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„Jetzt zittern alle Protestanten“ – Dampferfahrt ins Nirgendwo und ein Schlag aufs Auge

„Hey, Mann, wieso bist du gestern nicht gekommen?“ Cathal kickte eine Blechdose vom Gehweg. Die Blechdose knallte scheppernd gegen eine Häuserwand.

Cathal war sauer. Er war so offenkundig sauer, dass Robin es schon an seinem Hinterkopf erkennen konnte, als blinkte dort ein dickes rotes Warnsignal. Robin hatte Cathal versetzt, mehr noch: Er hatte ihn sitzen gelassen. Als hätte die Schmach, die Cathal erlitten hatte, wie er es nannte, als er gestern nachsitzen musste, nicht ausgereicht. Cathal hatte obendrein die Rede von Patrick Pearse, dem Helden, der sich im Jahre 1916 am Osteraufstand für ein freies und deshalb, wie Pearse sagte, friedliches Irland geopfert hatte, abschreiben müssen. Was natürlich keinen Sinn ergab, da Cathal sich die Worte auf diese Weise auch nicht besser merken konnte. Und mal ehrlich, Hand aufs Herz, wäre es da nicht angebracht gewesen, Robin wäre bei seinem besten Freund vorbeigekommen und sie hätten wenigsten noch eine Runde miteinander Brennball gespielt?

„Oder meinetwegen hätten wir uns auch bei Murphy’s ein Eis kaufen und es unten am Fluss neben all den gruseligen Alten schlotzen können. Aber nein! Du kommst nicht. Der Herr Robin macht sich rar. Und überhaupt: In letzter Zeit bist du voll merkwürdig. Als ob du mit deinen Gedanken ständig woanders stecken würdest!“

„Das stimmt nicht“, murmelte Robin, und er dachte an Siobhan, wie sie plötzlich auf seinem Stein aufgetaucht war und dass er es versäumt hatte, sie zu fragen, wo sie wohnte. Im Grunde wusste er fast nichts von ihr, nur dass sie einen Namen trug, der Gott ist gnädig bedeutete und hebräisch war, obwohl er so irisch klang, irischer ging es fast nicht.

Aber wie alt Siobhan war, wusste Robin nicht und auch nicht, in welche Schule sie ging. Und schon gar nicht, ob er sie je wiedersehen würde. Das war, irgendwie, das Schlimmste. „Ich bin überhaupt nicht merkwürdig!“, brummte er.

„Klar bist du das“, sagte Cathal, „voll merkwürdig! Und gar nicht richtig da.“

Hast du eine Ahnung, dachte Robin. Auf dieser Erde gab es so viel Merkwürdiges. Cathal bräuchte bloß Das Buch der hundert Merkwürdigkeiten aufschlagen, dann würde es ihm hundertfach entgegenspringen. Und außerdem: Bedeutete Merkwürdigsein nicht, dass etwas es wert war, dass man es sich merkte? Vielleicht konnte er Siobhan fragen, was sie von seiner Wortdeutung hielt, wenn er sie wiedersah? Falls er sie wiedersah.

„Hast du gewusst, dass man nicht gleichzeitig niesen und die Augen offen halten kann? Oder dass sich Giraffen die Ohren mit der Zunge reinigen? Dass Grillen mit den Knien hören und die Seidenspringerraupe zwölf Gehirne hat?“

„Hör auf mit dem Quatsch!“, rief Cathal. „Das meine ich nicht. Ich meine, dass DU merkwürdig bist. Du allein!“

Sie hatten nicht aufgepasst, wieder nicht, aber diesmal hatten sie gemeinsam vergessen, die Straßenseite zu wechseln, um im sicheren Bogen an der Polizeiwache, die Robin einmal für eine Ritterburg gehalten hatte, vorbeizugehen. Wie man es nun einmal machte in Nordirland, wenn man sicher an einer Polizeiwache vorbeigehen wollte. (Außerdem konnte so niemand, aber niemand, dem lächerlichen Gedanken verfallen, man würde sich mit einem Polizisten unterhalten wollen.)

„Hallo, Robin!“ Plötzlich stand er wieder da, der große Mann, der ein Polizist war, Hugh hieß und Rotkehlchen mochte. Weshalb ihm auch Robins Name gefiel. Leider. Denn der Name gefiel ihm so gut, dass Hugh ihn nicht vergessen hatte.

„Schön, dich zu sehen“, sagte Hugh, und er warf den Kopf leicht nach links und kniff dabei das rechte Auge zu, wie sie es alle hier machten, wenn sie einander zufällig auf der Straße trafen. Als freute er sich wirklich.

Hugh war groß und breit; sie kamen nicht an ihm vorbei. „Wie geht es dir?“, fragte der Polizist.

„Äh, danke“, stammelte Robin, „es geht mir gut.“

„Das freut mich!“ Hugh grinste Robin an und zwinkerte Cathal zu und stand noch immer vor ihnen, breitbeinig.

„Entschuldigung“, flüsterte Robin. Ihm fiel auf, dass er sich schon wieder entschuldigte. „Wir müssen zur Schule.“

„Verzeihung“, sagte der Polizist, „daran habe ich nicht gedacht. Wie unaufmerksam von mir.“ Und er trat tatsächlich zur Seite. „Dann wünsche ich euch beiden einen guten Tag! Auf Wiedersehen!“

Robin rannte los, ohne auf Cathal zu achten, bis er um die Ecke gebogen war, außer Sichtweite der Polizeiwache. Aber diesmal stürzte Cathal Robin hinterher und holte ihn bald ein, denn er war ein schneller und starker und kräftiger Freund, viel schneller und stärker und kräftiger als Robin. Cathal packte Robin am Kapuzenkragen und riss ihn herum.

„Hey, Mann, was war das denn? Hab ich richtig gehört? Hat dieser Polizist gerade ‚HALLO, ROBIN‘ zu dir gesagt?“

Robin versuchte, Cathal abzuschütteln, aber Cathal packte umso fester zu.

„Lass mich los!“

„Nein“, brüllte Cathal, „du spinnst voll, Mann!“

Und ehe sie es sich versahen, kullerten sie über den Boden. Ein in sich verflochtenes Knäuel aus Armen und Beinen. Mal lag Cathal oben, mal Robin. Und erst als Cathal Robin mit voller Wucht aufs linke Auge schlug, dass Robin meinte, es würde, peng, explodieren, lockerte Robin seinen Würgegriff. Keuchend, nach Luft japsend, ließen sie voneinander ab.

Cathal richtete sich als Erster wieder auf. Sie musterten einander, auch wenn Robin Cathal auf dem linken Auge nur noch schemenhaft und als Schatten erkannte.

Cathal schnappte seinen Ranzen. Er war ihm vom Rücken gerutscht und auf die Straße gefallen. Einen kurzen Augenblick lang dachte Robin, er würde ihm die Hand reichen und „Hey, Mann, lass uns zur Schule gehen!“ sagen. Stattdessen knurrte Cathal, als würde er jeden Buchstaben einzeln durch die Zähne drücken: „Mann, Robin, was machst du bloß für einen Mist?!“

Dann drehte sich Cathal um und ging. Er ging sehr langsam, aber ohne das geringste bisschen zu schwanken oder zu zögern, als hätte er sich nicht soeben mit seinem besten Freund geprügelt. Und er drehte sich auch nicht noch einmal um, als wäre es ihm vollkommen egal, ob sich Robin aufrappelte oder nicht.

Und so blieb Robin liegen, wo Cathal ihn hingeknickt hatte, wie man einen morschen Baum umhaute.

Er hörte seinen Atem rasseln, und während sein Atem zunächst hastig ging, ehe er allmählich ruhiger wurde, schaute Robin in den Himmel. Wie oft morgens um acht dämmerte er in einem trüben Mausgrau, weil es wieder einmal regnete, und die Tropfen rannen über Robins Gesicht, als wären sie Tränen.

Sehr unangenehm fand Robin seine Lage freilich nicht; im Grunde passte sie zu ihm: Hier lag er wie ein Käfer, den einer auf den Rücken geworfen hatte, und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Und doch war es anders: Robin war kein Käfer. Er brauchte sich bloß umzudrehen, aufzustehen und loszugehen. Und wenn er noch pünktlich zur Schule kommen wollte, sollte er genau das tun. Bald fing der Unterricht an, vielleicht hatte er auch längst begonnen, und wenn Robin zu spät kam, würde er nachsitzen müssen. Wie Cathal zuvor.

Aber auch das störte Robin nicht. Im Gegenteil. Denn eigentlich wünschte er sich, heute nachsitzen zu dürfen. Dann bräuchte er wieder nicht mit Cathal heimzugehen und müsste ihm nichts erklären. Keine Ausreden. Keine Entschuldigung. Nichts von alledem, was die Dinge so verworren machte.

Tatsächlich kam Robin zu spät zur Schule und tatsächlich musste er deswegen nachsitzen. Und nachdem Robin ebenfalls Patrick Pearsens Rede abgeschrieben hatte – „Ein unfreies Irland wird niemals friedlich sein!“ –, bis die Buchstaben vor seinen Augen tanzten und er gar nichts mehr verstand, ging er allein nach Hause. Ohne Cathal, ganz wie er es sich erhofft hatte. Neben ihm lief niemand, der ihn mit seinen Fragen löcherte und irgendwelche Erklärungen verlangte über etwas, das Robin selbst nicht verstand.

Diesmal aber gab Robin acht und wählte von vornherein einen anderen Heimweg. Um sieben zusätzliche Häuserecken herum lief er in weitem Bogen an der Königlichen Polizeiwache von Portamena vorbei. So konnte er, auch wenn es um einiges länger dauerte, sicher sein, dass ihm der große Mann, der Hugh hieß und ein Polizist, aber dennoch unleugbar freundlich zu ihm gewesen war, nicht wieder unerwartet in den Weg trat und damit alles noch durcheinandererbrachte, als es ohnehin schon war.

Obwohl Robin später heimkam als sonst, hatte ihn zu Hause niemand vermisst. Seine Eltern saßen in der Küche. Sie tranken Tee und lauschten den Fünfuhrnachrichten aus dem Radio.

„Pssst!“, machte Mum und hielt einen Finger vor die Lippen, ohne Robin dabei anzusehen. Und da hörte es Robin auch.

„ … hat die britische Premierministerin Margaret Thatcher heute ihren Rücktritt bekannt gegeben“, sagte der Nachrichtensprecher. Dann räusperte er sich, als könnte er die unfassbare Neuigkeit selbst kaum schlucken. „Mrs Margaret Thatcher hat elf Jahre und zweihundertneun Tage regiert. Sie ist die erste Frau, die das Amt des britischen Premierministers innehatte und übte es außerdem am längsten von allen Premierministern im zwanzigsten Jahrhundert aus.“

Es stimmte, was der Mann sagte; jedes Kind in Nordirland wusste es: Entschlossen und unnachgiebig hatte Mrs Thatcher all die Jahre die Geschicke des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland gelenkt mit einem geradezu grenzenlosen Selbstbewusstsein, das freilich oft genug an kalte Kompromisslosigkeit erinnerte. Deshalb wurde sie auch Die Eiserne Lady genannt, und eisern regiert hatte sie in der Tat. Niemals (Never ever!) würde Nordirland unter ihrer Herrschaft an die Republik Irland fallen (verfallen, sagte sie) – das hatte sie versprochen. Und sie hatte ihr Versprechen gehalten. Bis zu jenem Tag heute, dem 22. November 1990, an dem sie zurückgetreten war.

„Ha“, rief Big Chief, den das nicht zu beunruhigen schien, „vielleicht weht jetzt endlich ein frischer Wind in dieser Sache!“ Und mit dieser Sache meinte er das, was die Leute in Nordirland und England und sonst wo auf der Welt knapp und fast verniedlichend die Unannehmlichkeiten12 nannten. Als wären all das Blutvergießen, die Bomben, Straßensperren und Soldaten, die mit ihren gepanzerten Wagen durch die Straßen rollten, während sie den Menschen Maschinengewehrläufe ins Gesicht drückten, nichts weiter als ein Mückenstich – lästig gewiss, aber, hey, ziemlich sicher gab es Schlimmeres!

„Mach dir doch nichts vor, Angus“, hielt Mum dagegen. „Den meisten Engländern ist es vollkommen egal, was hier geschieht. Die wünschen sich nur, sie würden eines Morgens aufwachen und feststellen, dass Nordirland über Nacht in den Atlantik abgedriftet ist. Auf Nimmerwiedersehen. Wie ein Ozeandampfer. Ohne Hafen. Und ohne Ziel. Dann wären sie all das Durcheinander los. Schlagartig und auf alle Zeiten!“

Robin stellte sich vor, wie sich Nordirland vom Rest der Insel löste und hinaustrieb in den dunklen, weiten Atlantik. Ein großer Dampfer musste das sein, dachte er, in der Form einer gekrümmten Hand. Denn genau so sah Nordirland aus auf der Karte, die in Robins Zimmer über dem Bett hing.

Big Chief hörte Mum allerdings nicht länger zu. Der Gedanke, dass Margaret Thatcher nach all den Jahren zurückgetreten war, schien ihn zu beflügeln. „Und wie sie alle Angst haben!“, kicherte er, als wäre er ein kleiner Junge, der sich über einen gelungenen Lausbubenstreich freute. „Alle Protestanten zittern nun, weil Die Eiserne Lady, die sie immer beschützt hat, nicht mehr für sie da ist!“

„Hör auf, Angus!“, sagte Mum und ihre Stimme klang gefährlich scharf. „Du vergisst, dass ich auch Protestantin bin. Immer vergisst du das. Du machst es dir zu einfach. Die Protestanten, sagst du! Als gäbe es nur dies und das.“

„Und du – sag nicht immer immer!“, verlangte Big Chief. „Damit machst du es dir auch immer viel zu einfach. Und außerdem gehst du sonntags in die Messe, vergiss das bitte nicht. Und das ist ja wohl sehr katholisch, katholischer geht es doch fast nicht!“

„Aber das mache ich schon lange nicht mehr“, murmelte Mum, aber so leise, dass es Robin kaum verstand.

„Und außerdem schickst du dein Kind auf eine katholische Schule“, fuhr Big Chief unbeirrt fort.

„Das aber“, sagte Mum und jetzt wurde ihre Stimme wieder laut, „habe ich DIR ZULIEBE getan. Begreifst du das denn nicht, du großer, dummer Mann? All das hier halte ich bloß aus, weil ich dich liebe!“

Jetzt sprachen die beiden von Liebe. Und trotzdem stritten sie sich. War es denn so schwer, in Frieden zusammenzuleben? Und wenn schon seine Eltern es nicht schafften, obwohl sie doch behaupteten, sie hätten einander aus Liebe geheiratet, wie sollte es erst auf der Straße gelingen, wo manch ein Protestant und manch ein Katholik einander niemals trafen?

Plötzlich begann Robins linkes Auge heftig zu pochen, als wollte es ihn daran erinnern, dass es da war. Robin hatte nicht mehr daran gedacht, seit Cathal in der Früh daraufgeschlagen hatte, aber jetzt kam es ihm so vor, als wäre es zu einem winzigen Schlitz herabgeschmolzen.

„Ich habe noch Hausaufgaben“, murmelte Robin, und sogleich biss er sich auf die Lippe, weil es doch wieder nur eine lausige Ausrede war. Er hätte sie sich allerdings auch sparen können. Mum und Dad hatten Wichtigeres zu tun. Sie hatten Robin vergessen, weil sie klären mussten, wer von ihnen beiden recht hatte. Sie hatten ihn noch nicht einmal angesehen.

Im Badezimmer stellte sich Robin vor den Spiegel. Mit dem rechten Auge, das frei und klar war, erkannte er, dass das linke Auge klein und schmal geworden war. Robin grinste den Robin im Spiegel an. Der Badezimmerspiegelrobin grinste einäugig zurück. Das linke Auge machte es richtig: Es kapselte sich ab, weil es all das nicht mehr sehen wollte. Die Farben nicht. Und nicht die Fahnen. Nicht die Bordsteine. Nicht Cathal. Nicht Mum und auch nicht Big Chief, zumindest dann nicht, wenn sie miteinander stritten so wie jetzt.

Nur Siobhan wiederzusehen, überlegte Robin, wäre schön, und er, Dummkopf und Obertrottel, hatte vollkommen vergessen, sie zu fragen, wo sie wohnte.

Robin tränkte einen Waschlappen mit kaltem Wasser und drückte ihn aufs linke Auge. Mit dem Waschlappen auf dem Auge schlurfte er in sein Zimmer und setzte sich, weil ihm nichts Sinnvolleres einfiel und es keine Hausaufgaben gab, aufs Bett.

Über dem Bett hing die Weltkarte. Die Bücher reihten sich auf der Kommode. Der Herr Jesus in der Glaskugel breitete die Arme aus. „Du hast es gut“, sagte Robin. Auf einmal war er sauer. „Du steckst in deiner Kugel wie hinter Panzerglas und bist weit weg von alledem!“

Aber dann überlegte er, dass das womöglich ein ungerechter Vorwurf war. Immerhin hatte Jesus einmal am Kreuz gehangen und gelitten für unsere große, unsere übergroße Schuld, wie es Vater Faughan jeden Sonntag in der Messe verkündete. Und bestimmt war das ein Opfer gewesen, ein großes und blutiges und echtes. Damit es alles aufhörte. Und alles meinte: der Streit, der gerade unten in der Küche brodelte. Und Robins eigener mit Cathal, der in einem Faustschlag gegipfelt war. Und nicht zuletzt meinte es die Gräben zwischen den Menschen, die größer und breiter und tiefer und unüberwindbarer klafften als je zuvor.

„Durch Jesu Tod ist Frieden geworden auf Erden“, behauptete Vater Faughan jeden Sonntags aufs Neue und immer sah er dabei aus, als glaubte er an seine Worte. Nur hörte eben nichts auf. Der Frieden war nicht gekommen. Auch Big Chiefs Beichte neulich hatte nichts daran verändert.

Wie um Robin in seinen düsteren Gedanken zu bestärken, drangen von unten die erregten Stimmen seiner Eltern herauf. Jetzt verhandelten sie die Haushaltkasse, was bedeutete, dass Mum – und ihre Stimme war noch schriller geworden – von Big Chief verlangte, dass er nicht länger ins Ochsenauge verschwinden solle, wo er das Geld vertrinke, obwohl sie es dringend für Assam und Toastbrot brauchten und ohnehin schon an der Milch sparten, während Mum sich abstrampele und alle Last der Welt auf ihren Schultern trage. Das sagte sie nicht nur; sie schrie es.

Der Waschlappen war warm geworden. Robins Auge brannte trotzdem weiter. Die Welt mit nur einem Auge zu sehen, erschien ihm allerdings vollkommen einsichtig: Wenigstens sah die Welt jetzt genauso hälftig aus, wie Robin sich stets selbst empfand. Mit dem gesunden Auge blickte Robin den Herrn Jesus in der Glaskugel an. Der Herr Jesus in der Glaskugel sah zurück und wirkte nicht, als wäre er beleidigt. Robin beschloss dennoch, sich bei ihm zu entschuldigen.

„Entschuldigung, lieber sehr verehrter Herr Jesus“, sagte Robin, „ich wollte dich nicht kränken. Ich weiß nur nicht, wie das alles geht. Opfer bringen und ein Held sein und Frieden machen. Und ich weiß auch nicht, wer mir hilft, damit ich es verstehe. Deshalb habe ich dich angefaucht. Es tut mir leid; du kannst schließlich nichts dafür.“

Der Herr Jesus lächelte und breitete seine Arme aus, als wollte er sie um einen Baum schlingen.

Da fiel es Robin ein. In Sankt Patrick’s stand einer an einen Baum gebunden und kannte sich mit Opfern aus, weil er es gleich zweimal gemacht hatte. Natürlich! Robin würde zum heiligen Sebastian gehen und ihn um Rat fragen!

„Vielen Dank“, sagte Robin zum Glaskugeljesus. „Du hast mich auf eine gute Idee gebracht. Wenn ich wieder zurück bin, werde ich dir von meinem Besuch berichten.“


12  Im Englischen heißt es The Troubles. Zum Nordirlandkonflikt kannst du noch mehr nachlesen im Glossar.