J.M.W. Turner, Dolbadern Castle, 1800.

Öl auf Leinwand, 119,4 x 90,2 cm.

Royal Academy of Arts, London.

 

 

Die Landschafts- und Aquarellmalerei

 

 

Die Landschaftsmalerei

 

Der erste Landschaftsmaler von Bedeutung in der Geschichte der englischen Kunst ist Richard Wilson[10] (1714-1782). Vor ihm könnten zwar noch ein oder zwei Namen erwähnt werden, die aber beide keinen ernsthaften Einfluss auf die Schule ausgeübt haben.

Richard Wilson wurde im walisischen Penegoes geboren und kommt damit chronologisch vor Hogarth und Gainsborough. Für seinen künstlerischen Erfolg hätte es keinen ungünstigeren Zeitpunkt geben können als diesen, denn seine Landsleute schworen nur auf die im Wesentlichen englischen Produktionen Hogarths und hatten keine Augen für etwas anderes, schließlich war Wilson ja auch nur dem Namen nach ein englischer Künstler. Dank seiner Porträtmalerei verdiente er im Lauf der Zeit etwas Geld, das es ihm zusammen mit einem Kredit ermöglichte, seinen Jugendtraum zu verwirklichen – eine Reise nach Italien.

In Francesco Zuccarellis (1702-1788) Atelier in Venedig wurde Wilson klar, dass seine Berufung in der Landschaftsmalerei lag. Aber es war eine späte Entdeckung, und es stellte sich die Frage, ob er nicht ebenso viel von Claude Lorrains (1600-1682) Bildern wie von der italienischen Landschaft, derentwegen er so weit gereist war, um sie zu sehen, beeinflusst wurde. Allerdings gibt es in seiner Malerei mehr Talent als Originalität; seine Inspiration kam wohl hauptsächlich von Claude Lorrain und Joseph Vernet (1714-1789). Letzterer stand Wilson sehr nahe, und er war es auch, der den englischen Künstlern die wenigen Tage des Erfolgs brachte, die sie in ihrem eigenen Land jemals in ihrem Leben genossen. Es war Vernet zu verdanken, dass Wilsons erste Bilder gekauft wurden und dass er zum Mitbegründer der Academy wurde. Aber kaum war er nach London zurückgekehrt, fiel seine Malerei rasch in Ungnade. Seine akademischen Kollegen ersparten ihm weder Epigramme noch Ermahnungen strengerer Art. Wilson aber blieb seiner Linie treu.

Die hohe Kunst verzauberte ihn, und er konnte sich nicht dazu überwinden, Dinge aus einfacher Perspektive zu betrachten. Wie viele französische Maler jener Zeit, beispielsweise Jean-Victor Bertin (1767-1842) und Jean Joseph Xavier Bidauld (1758-1846), suchte Wilson nach falschen Idealen, und trotz seines unbestreitbaren Talents war diese Tatsache dem britischen Geist nicht bewusst, da man offenbar bereits an die reizvolle Natur von Thomas Gainsboroughs (1727-1788) Stil gewöhnt war.

Doch nach Wilsons Tod gab es unter seinen Landsleuten eine starke Reaktion zu seinen Gunsten, denn seine Bilder wurden zu ständig steigenden Preisen verkauft und Wilson wurde allgemein der „englische Claude Lorrain“ genannt. Diese Übertreibung ist ebenso absurd wie die Vernachlässigung, unter der er zu Lebzeiten gelitten hatte. Es ist schwer zu verstehen, warum Wilson Italien überhaupt verlassen hat, wo er so herrliche Landschaften, sein Lieblingsstudienobjekt, ständig vor Augen hatte.

Nach einer Abwesenheit von fünf Jahren, die stetiger Arbeit gewidmet war, kehrte er mit Skizzen, Studien und Entwürfen beladen zurück, sodass er, als König Georg III. ihm einen Auftrag für eine Ansicht von Kew Gardens gab, statt der herrlichen Wirklichkeit eine von südlicher Sonne beleuchtete italienische Szene malte, die der gewünschten Landschaft nur sehr wenig ähnelte. Der König war so erbarmungslos, Wilson das Bild zurückzuschicken.

Aber was für eine Rechtfertigung kann man für diese Denkweise finden, die solche Mystifikationen nicht nur absegneten, sondern sie unter dem Vorwand der Idealisierung sogar noch förderten? Sie waren nicht nur in England erfolgreich (dort wurden sie allerdings bald verdrängt), denn auch in einem anderen Land haben die Kunstmäzene dieses Prinzip über viele Jahre gutgeheißen.

Wilson hatte immer geglaubt, dass die Vorsehung die Natur nur geschaffen habe, um Niobes Unglück [Anm.: Tantalos’ Tochter Niobe hatte ihre vierzehn Kinder verloren] als Kulisse zu dienen und dass Ruinen die schönste Architektur der Welt seien (The Destruction of the Children of Niobe, 1760; New Haven, Yale Center for British Art). Man weiß, dass er bei seinen Perspektiven oft mit transparentem Licht gearbeitet hat, aber selbst Claude Lorrain konnte das nicht immer vermeiden, so geschickt wie er in der Behandlung des Lichts auch war.

Der Vordergrund ist undurchsichtig, düster und schwerfällig, während links große Bäume mit dichtem schwarzem Laub stehen. Von einem solchen Rahmen, angeordnet wie die dunkle Halle eines Dioramas, strahlt das Licht hell aus und schafft dadurch Illusion; unterdrückt man aber das Umfeld, dann verschwindet der Charme. Der „arme Richard“, wie ihn seine Freunde nannten, besaß zweifellos ein sehr geschätztes Talent; sein Ehrgeiz war groß, aber unvollkommen, Wilson gehört zu den illustren Opfern des engen Idealismus, der in der Französischen Schule so lange wütete. Er war dazu verurteilt, in einem Land, das die getreue Darstellung von sich selbst in Hogarths Bildern liebte und sich zur gleichen Zeit in Gainsboroughs Bildern bewunderte, fatal zum Opfer zu werden. In Frankreich wäre Wilson mit Ruhm und Ehren überhäuft worden.

Und deswegen kann jetzt das wiederholt werden, was bereits gesagt wurde: Der Vater der englischen Landschaftsmalerei ist Gainsborough. Er verfolgte einen anderen Weg als Wilson: Er malte zwar auch Porträts – wir haben ihn unter diesem Aspekt schon betrachtet – aber zuerst studierte er die Landschaft. Er wollte nicht darauf warten, dass ihn unter anderen Himmeln irgendein Geist aus der Höhe beeinflussen würde, er verließ nie seine Insel und die Wälder von Suffolk erschienen ihm immer als die schönsten der Welt. Man weiß natürlich nicht, wie ihn italienische Landschaften hätten beeinflussen können, aber ausgestattet mit einem stärkeren Geist als David Wilkie (1785-1841) und von umfassenderer Gesinnung als Wilson wäre er zwar mit glühender Bewunderung zurückgekommen, aber seinem Talent doch treu geblieben.

Gainsboroughs wenige Landschaften geben eine sehr komplette Vorstellung von seiner Kunst. Im Hintergrund seiner Porträts, so etwa in Die Familie des Fischers, in Die Kleine Schweinehirtin (1782; Castle Howard, Yorkshire, UK) und in Dorfmädchen mit Hund und Henkelkrug (1785; Privatsammlung) erkennt man die Richtigkeit der Landschaft in der genauen Harmonie zwischen dem Hauptthema und der Landschaft sowie die Genauigkeit, mit der sie angeordnet ist. Aber seine tiefe Kenntnis der Natur zeigt sich in diesen Bildern nicht so klar wie in Die Hüttentür (auch: Pfeife rauchender Bauer vor der Hüttentür, 1788), das dem Herzog von Westminster gehört. Gainsboroughs Ausdruck in seinen Landschaften ist voller Süße und gemütlichem Charme. Es gibt keine großen Farbeffekte, die Farbtöne sind nicht brillant oder zahlreich, jedoch harmonisch variiert. Ein halb unter bizarren Bäumen verborgenes Bauernhaus, ein murmelnder Bach mit Trauerweiden, eine Brücke in Richtung des offenen Landes, über die sich ein weiches Licht verbreitet, auf der Schwelle des Hauses zwei kleine Kinder, die auf ihr Frühstück warten und eine junge Mutter, die ihr Baby auf dem Arm hält – das ist Die Hüttentür, wie eine herrliche Beschreibung des Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) oder eine Idylle der Schriftstellerin George Sand (1804-1876). Die Landschaft mit Tieren (um 1773; Chapel St, New Haven, Yale Center for British Art) hat einen noch entschiedeneren Hauch von Natur. Es ist ein von den Meistern der flämischen Landschaft endlos variiertes Thema. Der von ihm erzeugte rasche und lebendige Eindruck weckt das ganze Interesse. Man sieht, wie eine morgendliche Brise die Wolken von einem nun strahlend blauen Himmel gefegt hat, einige von einem Hirten und seiner Familie an einem Bach entlang getriebene und von einer Ziege begleitete Rinder, die sich schwerfällig auf den Weg in Richtung einer fetten Weide machen. Die gewitterschwüle Atmosphäre in dem kleinen Bild der Hüttentür (The Cottage Door; um 1780; Courtesy of the Huntington Library, Art Collections and Botanical Gardens) ist von einer beispiellosen Transparenz und Klarheit. Gainsborough hat ihm seine feinsten Nuancen und genau wie in seinem schönen Gemälde Die Tränke (1777; London, National Gallery) einen Hauch von perfekter Ruhe mitgegeben.