Eine Außen- und eine Binnenperspektive gibt es in jeder Beziehung und Ehe. Bei manchen Paaren scheinen sie nahezu identisch: wie das Paar nach außen wirkt, so funktioniert die Beziehung auch zwischen den beiden. Bei anderen Paaren gibt es bemerkenswerte Differenzen. So auch bei den Schmidts. Auf öffentlichen Veranstaltungen, auf ihren Reisen im In- und Ausland und in den Medien traten sie als ein sich ergänzendes und harmonisches Ehepaar auf. Betrachtet man die Beziehung der Schmidts jedoch aus der jeweiligen Innensicht der beiden, stellt sich das Verhältnis durchaus anders dar.

Ohne Zweifel hatten sie in Bonn eine neue wichtige Basis für ihre Gemeinsamkeit gefunden. Loki Schmidts Übernahme zahlreicher Aufgaben für ihren Mann und sein Amt, ihr endgültiger und sehr bewusst vollzogener Abschied aus ihrem Berufsleben als Lehrerin sprachen dafür, dass sie bereit war, neu in ihre Beziehung zu investieren, und dass die beiden die Jahre der Kanzlerschaft als Team gemeinsam erleben und gestalten wollten.

Ihr kontinuierliches Bestreben, sich als eine eigenständige Persönlichkeit in der Ehe mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt weiterzuentwickeln, kennzeichnet fortan Lokis Leben. Dies äußert sich zunächst – wie sollte es auch anders funktionieren – in einem längeren Suchprozess, den sie später wie folgt kommentierte: »Damals ist mir klar geworden, dass ich ein eigenes Feld brauchte, das ich für mich ganz selbstständig bearbeiten konnte. Ansonsten kann man wohl ein Leben mit einem so erfolgreichen und viel beschäftigten Mann auch nicht führen.«[224]

In der vorsichtigen Formulierung verbirgt sich allerdings ebenso die leidvolle Erfahrung, dass sie bei aller erneut gefundenen Gemeinsamkeit nicht auf die eheliche Treue Helmut

Mit Hilfe von Freunden, wie den Hamburger Unternehmern und Mäzenen Kurt Körber und Alfred Toepfer, gründete Loki Schmidt im April 1976 unter dem Dach des Deutschen Naturschutzrings ein »Kuratorium zum Schutze gefährdeter Pflanzen«, aus dem 1979 eine bis heute agierende eigenständige Stiftung hervorging. Die wichtigsten Ziele waren damals und sind noch immer eine öffentliche Aufklärung über die steigende Gefährdung der Pflanzenwelt, eine Bestandsaufnahme aller in Deutschland wachsenden Pflanzen und ihrer Standorte sowie der Aufkauf von Grund und Boden mit einer besonders gefährdeten Pflanzenpopulation.

Der Erfolg, den Loki Schmidt mit dieser Stiftung in den nächsten Jahren erringen konnte, ist frappierend. Als sie damals – auf einer sehr begrenzten finanziellen Basis – mit dem Kuratorium für gefährdete Pflanzen loslegte, war sie nur wenigen in der Republik als eine versierte Amateurbotanikerin bekannt. Als sie Bonn Ende 1982 verließ, war sie zu einer der führenden Persönlichkeiten im deutschen Naturschutz avanciert. Gemessen am Bekanntheitsgrad war sie mit Sicherheit sogar allen anderen Naturschützern in der Republik überlegen.

Die Vielfalt ihrer Aktivitäten war beeindruckend. So entfaltete sie ab 1976 eine Öffentlichkeitsarbeit mit publikumswirksamen Auftritten und dem Verkauf von Schallplatten, Postkar

Für ihre Stiftung wurde die Naturschützerin auch als Autorin tätig. Ihr erstes Buch Schützt die Natur erschien 1979. Inhaltlich geht es um Naturwanderungen durch alle elf Bundesländer der alten Bundesrepublik mit kenntnisreichen Schilderungen der jeweils typischen Flora und Fauna.

»Das erste für Dich! Deine Loki, 24.4.1979«, schrieb sie ihrem Mann in sein Exemplar, das sich heute im Archiv der Schmidts am Neubergerweg befindet. In der Widmung paart sich der Stolz über ihre Leistung auch mit einem Dank, denn die erste eigene Publikation war durchaus mit Helmut Schmidts Einfluss befördert worden. »Ich habe seinen Namen schamlos ausgenutzt«, sagte sie des Öfteren. Vieles in ihrer Stiftungsarbeit war schnell und wirkungsvoll möglich gewesen, weil sie eben die Ehefrau des Bundeskanzlers war. Das erste Exemplar widmete sie aber nicht dem Bundeskanzler, sondern dem Ehemann Helmut Schmidt und zeigte ihm damit vielleicht vor allem, wie wichtig er für sie war.

Im Jahr der Stiftungsgründung beginnt sie auch ihre Karriere als Naturforscherin und Forschungsreisende zu extremen

Helmut Schmidt unterstützte die Forschungsvorhaben seiner Frau. Er kannte ihre Leidenschaft für Botanik und fand es richtig, dass sie neue Herausforderungen suchte. Ihre Reisen musste Loki Schmidt nicht gegen ihren Mann durchsetzen. Er und das Kanzleramt halfen bei den Vorbereitungen und informierten die jeweiligen deutschen Botschaften in den Ländern über ihre Reiseziele. Das Amt versuchte auch, Loki Schmidts

Er habe seine Frau und ihre Expeditionen bewundert, sie manchmal auch ein wenig beneidet, erinnert sich Helmut Schmidt in einem Gespräch.[226] Loki kam von diesen Reisen mit neuen Erkenntnissen, starken Eindrücken und immer höchst angeregt zurück. Ob er schon damals die Leistungen seiner Frau und die Bedeutung der Reisen in ihrem Leben richtig eingeordnet habe, bezweifelte er. Später zeigte er sich jedoch uneingeschränkt stolz. Sie sei eine anerkannte Botanikerin geworden, ihre Auszeichnungen, Doktor- und Professorentitel seien hoch verdient. Er kannte die von ihr entdeckten und nach ihr benannten Pflanzen, auch den Skorpion »Tityus lokiae« vergaß er nie.

Für Loki Schmidt erbrachten die Reisen nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Freundschaften auf allen Kontinenten, sie ertüchtigten sie auch in körperlicher Hinsicht. Bereits ihre ersten beiden Reisen an den Nakuru-See 1976 und auf die Galapagosinseln 1977 hatten gezeigt, dass sie allen Strapazen standhalten konnten. Sie sei stets belebt nach Bonn zurückgekehrt, berichteten damalige Vertraute und Begleiter. Sie selbst hielt im Sommer 1977 nach der Rückkehr von den Galapagosinseln fest: »Als ich […] zurückkam, hatte ich eine Sonnenallergie entwickelt. Ich sah aus wie ein Plattenkuchen mit Johannisbeeren drauf, aber nach zwei Tagen hier in Deutschland war der Ausschlag wieder weg, und darunter trat ein gut erholter Mensch zutage.«[227] Erst bei den letzten Reisen, als sie bereits das siebzigste Lebensjahr überschritten hatte, spürte sie selbst ihre körperlichen Grenzen, und es gab Momente der physischen und psychischen Überforderung.