Die mathematische Matrix der Vernunft ist das Fundament einer Welt, in der Technik und Kapital ohne Zweifel sämtliche Formen des öffentlichen Lebens organisieren. Obwohl Marx, Nietzsche und Freud dieses Welt-Fundament bereits im 19. Jahrhundert erschütterten, obwohl sie bis heute wichtige Anknüpfungspunkte für das zeitgenössische Philosophieren liefern, stellt Heideggers Denken den radikalsten Bruch dar. Wo jene das Denken von seinen Rändern her begrenzen, sieht dieser in Voraussetzungen der techno-ökonomischen Vernunft selbst das Andere, das die Vernunft verleugnet, indem sie sich als alternativlos behauptet und realisiert.

In der Mitte von allem, was ist, entziehe sich die »Lichtung der sich verbergenden Anwesenheit«.[49] Das sei das Offene, das alles Anwesende sein lasse; das Es gibt, das sich vor und in allem Gegebenen verberge. Der Gedanke ist: Bevor die Vernunft sich zur Herrin der Welt erklärt, muss sie anerkennen, dass sie über ihr Sein nicht verfügt. Ihre mathematische Selbstauslegung ist nur eine Möglichkeit – eine Gabe – des Seins, aber nicht schon das Offene des Seins selbst, die Möglichkeit der Möglichkeit.

Das ist für die Vernunft zu wenig. Sie, die nicht selten zerknirscht durch den Kommunismus, den Nihilismus und die Psychoanalyse hindurchgeschritten ist, die die Kolonialisierung ganzer Kontinente sowie totalitaristische Staaten inklusive sehr rationaler Massenmorde und Arbeitslager wie bittere Pillen geschluckt hat, die sich in nuklearen Katastrophen und der Erderwärmung wiedererkennen muss, sie hält sich nach wie vor für das Gute. Die »Lichtung der Anwesenheit« – was sagt man dazu?