Die ungefährliche Universität

Nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reichs« begannen die Alliierten, sich dem Geisteszustand der deutschen Bevölkerung zuzuwenden. Sie musste sich einer »Entnazifizierung« unterziehen, d.h. einem Prüfverfahren, das auf fünf Stufen herauszufinden versprach, wie tief man sich in den Nationalsozialismus verstrickt hatte. Heidegger wurde als »Mitläufer« eingestuft, was weniger bedeutete als »minderbelastet« und ein wenig mehr als »entlastet«.

Im Juni 1946 entzog die Freiburger Universität Heidegger die Lehrerlaubnis. Ein negatives Gutachten von Karl

Seine Reaktionen überraschen. Die Universität vollziehe einen »Verrat am Denken«;[58] eine fadenscheinige Strategie, seine Rolle von seiner Person zu trennen. Der einzige Denker, den die Welt bisher gesehen hatte, strich seinen Namen durch, weil er den Irrtum der Universität umso krasser erscheinen lassen wollte. Der ging es jedoch vor allem um den Namen …

Dann das Eingeständnis:

»Ein dreißigjähriges Bemühen in der Zugehörigkeit zur Universität läßt sich nicht mühelos im Handumdrehen auf die Seite werfen.«[59]

Das klingt ehrlich. Die Alternative sei dann »die Notwendigkeit des Wegbleibens aus dem Erfahren der stets nur fern und kaum gewagten Heimat des Denkens und seiner Bestimmung aus der Stimme der Stille des Seyns«. Heidegger entscheidet sich also für sich selbst. Doch man fragt sich, was der Philosoph noch hätte an der Universität leisten können, wenn das sein Projekt war. Die »Stille des Seyns« – als Forschungsprojekt?

Und wirklich erscheint plötzlich, in diesem Jahr 1946, zwischen Heideggers Denken – nicht nur der vierziger und fünfziger Jahre, sondern im Grunde seit seinen akademi

Daher hat Heideggers Universitätskritik einen Punkt. Was, »wenn die Universität selbst keine Möglichkeit mehr bietet, einen Raum der Gefährlichkeit des eigentlichen Denkens freizugeben«?[60] Gefahr meint hier intellektuelles Risiko, Lust zum Experiment, zum Abwegigen, zum Randständigen, philosophische Kreativität, Abstand zu den konformistischen Techniken, die nicht nur die Studierenden, sondern die Dozierenden selbst langweilen.

Ein paar Jahre später hat sich Heideggers Betroffenheit kanalisiert. »Lange Vermutetes« bestätige sich »immer deutlicher durch die Organisation der Wissenschaften aus der Organisation ihrer Probleme«.[61] Die Wissenschaften seien »während der letzten hundert Jahre auf das sichere Geleise ihres technischen Wesens gekommen«. Noch einmal der Hinweis auf die Gefahr-Reduzierung und Verharmlosung, d.h. auf die Unterdrückung improvisatorischer Spontaneität zugunsten bräsiger Forschungsprojekte (»sichere Geleise«), die es im Philosophieren ohnehin nicht gibt.

Die individuelle Gebärde, die Heideggers gesamte Philosophie auszeichnet, wurde, wie alle jene individuellen Denkunternehmungen von Wittgenstein zu Arendt und Adorno, von der Institution outgesourct. Die Universität ist zur Magd des techno-ökonomischen Apparats geworden, der die Philosophie in Exzellenzinitiativen zu seinem Design erniedrigt. In ihnen wuseln die blitzgescheiten Wissensmanager, deren Individualität sich im Bewohnen schickster Altbau

Das Aussterben von dem, was einmal Bildung war, hat begonnen. Wo z.B. sind Altphilologen wie Karl Reinhardt, Wolfgang Schadewaldt oder auch Bruno Snell, die verkörperten, was eine Universität einmal sein konnte?