Verwandlung 1932

Die eigentliche Performanz der Verwandlung findet in Vorlesungen statt, so in »Der Anfang der abendländischen Philosophie« vom Sommer 1932. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Heidegger sich mit Anaximander und Parmenides beschäftigt – einem Thema, das, würde man denken, große Gelehrsamkeit erfordert. Doch solche akademischen Erwartungen haben Heideggers Vorlesungen noch immer enttäuscht.

Die Crux der Vorlesung bildet der Begriff des »Anfangs«. In den meisten akademischen Texten ist er zur Floskel erstarrt, eine Bildungsphrase, mit der man auf die Herkunft der europäischen Identität aus griechischer Philosophie verweist. Heidegger hat eine solche Denkhaltung erschöpfend abgemahnt. Es ist plausibel, eine gewisse Bräsigkeit in den wohlfeilen Darstellungen des griechischen Anfangs der Philosophie aufzuspießen. Das meiste auf diesem Feld ist schierer Professionalismus, der das Leben hinter sich hat.

Performanz – weil Heidegger offenbar zu lehren versucht, dass ein Diskurs über den Anfang sinnlos ist, wenn man nicht bereit ist, selbst anzufangen. Nachahmung ist ein wichtiges Moment des Rituals. Wenn Heidegger in besagter Vorlesung dazu auffordert, »von uns und unserem Dasein zu «,[236] dann verlässt eine solche Aufforderung die gewöhnliche Selbstauslegung der akademischen Lehre.

Und dann die Worte:

»Bevor wir uns nicht in den Stand setzen, aus der Kraft einer Zukunft und das sagt zugleich in Kraft der Vergangenheit die Gegenwart verschwinden zu lassen, kurz gesagt, solange uns nicht diese wesentliche Verwandlung des Wesens der Zeit gelingt, solange bekommen wir nicht eigentlich zu wissen, was wir meinen, wenn wir ›wir‹ sagen.«[237]

Die Formulierung »wesentliche Verwandlung des Wesens der Zeit« ist gewollt zweideutig, denn Heidegger denkt, dass eine Verwandlung des Verhältnisses zur Zeit – des Vorrangs der Gegenwart vor der Vergangenheit und Zukunft – zugleich eine Verwandlung der Zeit im Sinne der politisch-sozialen Selbstauffassung wäre. So als würde das Verschwinden der Gegenwart wie von selbst die Parmenidäischen Fragmente aufblitzen lassen in ihrem Appell, ihren Anfang als Ansporn zum eigenen Anfangen zu verstehen.

Verwandlung ist im Sommer 1932 der Ausblick auf die bevorstehende Revolution, auf den Zusammenbruch der Weimarer Republik. Natürlich wird sie und er in der Vorlesung an keiner Stelle genannt. Das hätte die Ausführungen vor der dann im Winter 1933 wirklich geschehenden Verwandlung überdeterminiert. Heidegger schwieg; ein für die Aufmerksamen beredtes Schweigen.

Verwandlung – als Revolution – akzentuiert die Bewegung an einer Grenze, einer Wand, die ein Vorher und Nachher trennt. Diese Wand muss durchbrochen werden, das Geschehen ist gewaltsam. Das sind Elemente, die in der metanoetisch-kairologischen Tradition eine große Rolle spielen. Die Verwandlung ist ein Ereignis, das dem sich Ver

Was Heidegger sich philosophisch dabei dachte, sagt eher ein esoterisches Manuskript:

»Nicht moralische (›existenzielle‹) Bekümmerung, sondern metaphysische Verwandlung in das Da-sein.«[238]

Solches konnte in Vorlesungen nicht gesagt werden. Die »Verwandlung in das Da-sein« sollte aus der Tiefe der Epoche kommen und den Menschen überhaupt in seiner fundamentalsten Selbstauffassung als ein vernünftiges Lebewesen betreffen. Das war Heideggers Hintergedanke, als er sich für die Revolution engagierte. Die Tragikomödie der modernen Philosophie hatte begonnen.