Eso-Theo-Logie 2

»Seinsfrage« – das ist die zentrale Formel, mit der Heidegger seit »Sein und Zeit« die Philosophie unsicher macht, so wie der Rebell die Gegend. Die Frage, was die Frage bedeuten soll, wäre schon die beste Antwort gewesen. Doch selbst das ist Heidegger nicht gelungen, sollte ihm auch nicht gelingen.

Einmal treibt er das Fragen auf die Spitze. Es geht scheinbar nicht ums Sein, sondern um »den Gott«, also jenes Numinose, das nicht mit dem christlichen und vielleicht überhaupt einem anderen in Beziehung steht. Doch indem es um dieses Numinose geht, gehts auch wieder ums Sein:

»Aber der Gott – wie denn dieser? Frage das Seyn!«[283]

Natürlich. Der Leser wäre schon vom Weg abgekommen, wenn dieser Appell, das Sein zu fragen, im gewöhnlichen Sinne des Fragenstellens verstanden würde. Man kann das Sein nichts fragen so, wie man den Zahnarzt nach einem Termin fragt. Auch gibt es keine Antwort wie bei einer mathematischen Gleichung oder einem logischen Urteil. Vielmehr wird das Sein transitiv gefragt, erst im Akt des Fragens geschiehts (Singe das Lied!); denn das Sein ist kein Gegenstand.

Was geschieht?

»Und in dessen Stille, im anfänglichen Wesen des Wortes, antwortet der Gott. Jegliches Seiende mögt ihr durchstreifen. Nirgends zeigt sich die Spur des Gottes. Alles Seiende könnt ihr umordnen, nie trefft ihr auf eine freie Stelle für die Behausung des Gottes. Über euer Seiendes dürft ihr hinausgehen, und ihr findet nur die Seiendheit dessen noch einmal, was euch schon als das Seiende galt. Ihr erklärt nur mit Solchem, was euch schon für das Klare gelten muß. Aber frage das Seyn!«[284]

Es geschieht – nichts. Leichtsinnig möchte ich meinen, Heidegger denkt an die Erfahrung, das Sein zu fragen, selbst. Klar, dass bei dieser Handlung nichts geschieht, nichts eine Antwort gibt. Das Sein bleibt »still«. Doch gerade diese »Stille« ist der Spielraum, aus dem die Bedeutungen kom

Die zeige sich aber niemals im »Seienden«. Selbst in der Transzendenz, im Übersteigen, des »Seienden« finde man nur die Verallgemeinerung des »Seienden«, seine »Seiendheit« wieder. Man kommt vom »Seienden« offenbar nicht los, wenn man einmal mit ihm anfängt. Deshalb muss eben das Sein gefragt werden:

»Wie jedoch wirst du ein Fragender, der das Seyn fragt und nicht ein Seiendes erforscht? Nur durch die Stimme der Stille, die dein Wesen zur Inständigkeit im Da-sein anstimmt und den Gestimmten in das Aufhorchen auf das Kommen erhebt. Denn allein das Kommen vermag das Wesen der Gottschaft anfänglich zu erfüllen.«[285]

Das Ausbleiben der Antwort, das seltsame Leerbleiben der Stelle, an der sonst alles, was man braucht und wie man es braucht, erscheint, »stimmt«. Will sagen: Es gibt im Zerbrechen der gewöhnlichen Denkbewegungen diese eigentümliche Verwirrung, in der man auf alles Mögliche, auf Gott und die Welt kommt; oder in der Gott und die Welt zu einem selbst kommen. Nicht als Gott und Welt selbst, sondern als ein flow, den Heidegger »Kommen« nennt. Überflüssig zu betonen, dass sich darin nichts als etwas zeigt.

Aber die Frage ist ja, zu oder mit wem Heidegger hier spricht. An wen wird appelliert? Wer ist »ihr«? Wer ist »du«? Warum überhaupt diese Ansprache? Esoterische Initiative – es trennt sich die Spreu vom Weizen. Zugegeben, der Ap

Mag aber auch sein, dass die anderen angesprochen werden. Wie werdet ihr zu Seinsfragern? Wie werdet ihr zu denen, die »im Da innestehen«? Zu denen, die diese elende Welt von Technik und Kapital verlassen haben. Hier Smartphone, Drittmittel, Porn; dort Dichtung, Huld, Ereignis? Die Front wäre klar gezogen – und der Gedanke banal.