Heidegger bezeichnet das Denken einmal als »eine spurlose Spur des enteigneten Seyns«.[331] Ein großer Teil des späteren Denkens von Heidegger besteht darin, zu sagen, was Denken sei. Die Notwendigkeit dazu ergab sich aus der Distanzierung von seinem traditionellen Verständnis als Philosophie oder Metaphysik.

Nach Heidegger hatte die Philosophie stets »Etwas« zu denken versucht: das Seiende in seiner »Seiendheit«, d.h. in seinen allgemeinen Bestimmungen. Auch Gott als das höchste Seiende war wichtig. Die Philosophie dachte und denkt, sie habe es mit Gegenständen zu tun, denen man spezifische Eigenschaften zusprechen könne – jedenfalls in den Augen Heideggers.

Es stimmt – im Großen und Ganzen. Es gibt Ausnahmen, mit denen Heidegger sich kaum beschäftigt hat. Gerade der Neoplatonismus im Anschluss an Plotin böte Gelegenheiten, eine andere Tradition des Philosophierens zur Kenntnis zu nehmen. Es war Plotin, der das Bild der Spur (ἴχνος, vgl. Enneade IV 4) verwendete, wenn es denn ein Bild ist, allerdings in anderer Hinsicht. Bedeutender ist, dass das ganze von Plotin ausgehende und beeinflusste Denken die Aufgabe, das nichtgegenständliche Eine zu betrachten, kennt. Schon Augustinus zeigt sich davon beeindruckt und beeinflusst. Daraus entstand die »Negative Theologie«. Heidegger scheint das nicht interessiert zu haben.

Das Denken ist eine Spur. Eine Spur erscheint als Anwesenheit eines Abwesenden. Solche Spuren sind zu lesen, ihnen kann man folgen – jedenfalls ein Spurenleser. Die Spur wird nicht durchs Medium, in dem sie erscheint, hervorgebracht. Die Spur vergegenwärtigt das Nicht-Erscheinende.

Die Spur im Denken komme vom »enteigneten Seyn«, von einem »Seyn«, das sein Eigenes verloren hat; übrigens nicht absolut oder für immer, sondern als Vorbereitung für ein Wieder-holen dieses Eigenen. Wie dem auch sei: Ein solches »enteignetes Seyn« ist gleichsam noch ungegenständlicher als das »Seyn« überhaupt. Daher muss seine Spur auch »spurlos« sein.

Diese superfragile Figur der Spur ist besonders von Derrida z.B. in der »Grammatologie« oder am Ende des Aufsatzes »Ousia und Gramme« erläutert worden. Es liegt auf der Hand, dass eine bloße Spur als Anwesenheit eines Abwesenden selbst noch Anwesendes ist. Sie wäre als Zeugnis von etwas zu lesen, das als Spur vor Augen liegt. Ich erkenne die Spur und folge ihr (das ist der Sinn des Spurenlesens). Die Spur im Denken zeugt von etwas, das als solches niemals bezeugt werden kann. Daher ist sie spurlos, sozusagen eine Spur des Nichts. Ihr kann ich nur folgen, indem ich weiß, schon angekommen zu sein.

Das Denken eine »spurlose Spur«, damit wird auch die Gefahr gebannt, dass die Hervorkehrung des Ungegenständlichen zuletzt vom Gegenständlichen abhängig bleibt. Sicher, das »enteignete Seyn« ist nicht bloß Negation des Objektiven. Der Abschied vom Gegenstand gilt einem ganz anderen, das sich keineswegs nur als Unterschied von Ge

Zu denken bedeutet für Heidegger, sich einem sich entziehenden Entzug zu überlassen. Auch das lässt sich ohne performativen Anteil nicht verstehen. Denn dass es ein gänzlich rezeptives Denken des im Nichts saugenden »zu Denkenden« gebe, ist eine sich dauernd widersprechende Behauptung: weil der Gedanke »etwas« besagt, das niemals ein »Etwas« sein darf. – Das Denken ist ein Tonband, das nur abspielt, was es aufnimmt. Der Magnetismus zieht selber den Entzug. Zu hören ist nichts. Und doch muss hören, wer nicht spüren will.