Sprechen ohne Gegenstand

Was ist das Sein selbst? Das: dass etwas ist, nicht was etwas ist? Also was in jedem Satz immer schon vorausgesetzt wird, weil man davon ausgeht, dass es das, was gesagt wird, auch gibt? Das »Es gibt« selbst demnach, nicht ein Etwas, das es gibt? Das, so meinte Heidegger, war es, nach dem alle Phi

Am Rande seines Marburger Vortrags »Phänomenologie und Theologie« aus den zwanziger Jahren hatte Heidegger ein »nichtobjektivierendes Denken und Sagen«[336] ins Spiel gebracht. Das Problem ist klar: Wie kann die Theologie von etwas sprechen, das kein Gegenstand ist? Gott ist kein Gegenstand, er hat z.B. keine Ausdehnung.

Das hat an der Grenze von Spätantike zu Frühmittelalter die sogenannte »Negative Theologie« begründet. Dionysius Areopagita hatte erklärt, dass »die Unbestimmbarkeit der Überwesenhaftigkeit jenseits aller Wesenheiten«, »die übergeistige Einheit jenseits aller Geister« stehe. Und so sei »undenkbar für alles Denken das über dem Denken stehende Eine«, und es sei »unaussprechlich für jederlei Wort das über alle Worte erhabene Gute«.[337] Das von Plotin schon so genannte ἄρρητον, das Unsagbare, wurde diskursiver Zugänglichkeit enthoben.

Auch Heidegger kennt das »Unzugänglich[e] – Unsagbar[e]«.[338] Doch er war offenbar der Ansicht, dass es ein Sprechen gibt, das nicht schon qua Sprechen das Gesagte vergegenständlicht. Das zur Erklärung gewählte Beispiel ist das »leuchtende Rot der Rose«, ein von der Erfahrung einer »blühenden Rose« motiviertes »stillschweigendes Sagen«, das dem »Rotsein der Rose nachsinnt«. Das sei »weder ein Objekt, noch ein Ding, noch ein Gegenstand wie die blühende Rose«.[339] Weiteres Beispiel: die »Statue des Apollon im Museum zu Olympia«, tatsächlich eine ungeheuerliche Statue. Wenn man sie in einem »naturwissenschaftlichen Vorstellen« wahrnehme, d.h. sie messe, dann hänge man

Es liegt nahe, bei diesen Beispielen an die Sprache der Dichtung zu denken. Rilke spricht von der Rose (»Rose, oh reiner Widerspruch. Lust, Niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.«) und vom »Archäischen Torso Apollos«. Annahmen, das Gesagte selbst sei schon eine Rose oder die Statue werde vermessen, stellen sich selbstverständlich nicht ein. Aber ist das schon ein ungegenständliches Sprechen?

Sicherlich gibt es verschiedene Weisen des Sprechens, die verschiedene Verhältnisse zum Gegenstand anzeigen. Die Sprache der Naturwissenschaft oder überhaupt der Wissenschaft ist unmittelbar verdinglichend. Sie unterliegt einem Ideal von Klarheit und Exaktheit, deren Zweck darin besteht, eine Sache oder einen Sachverhalt korrekt darzustellen. Die Sprache der Medien hat für gewöhnlich den Charakter der Information. Auch sie hat gegenständlichen Gehalt. Die Reklame oder Propaganda haben Gegenstandsbezug, selbst wenn das Ideal dieser Sprache nicht mehr in Klarheit und Exaktheit besteht; notwendigerweise, da Konsumverführung psychologische Strategien verfolgt. Die Sprache des Alltags ist komplexer, für gewöhnlich aber daran orientiert, zwischenmenschlich als real Ausgemachtes mitzuteilen.

Die Dichtung bricht mit alldem. Sie hat weder das Ziel, eine Sache oder einen Sachverhalt korrekt darzustellen noch zu informieren; weder ein ökonomisches Interesse zu verfolgen noch Reales zu kommunizieren. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie keinen Gegenstandsbezug hat. Erinnert mich Rilkes Epitaph nicht an Vorstellungen, die von Gegenständen stammen und auf sie verweisen? Gewiss, diese Er

Es ist bemerkenswert, dass Heidegger in seinen esoterischen Manuskripten, in denen eine Sprache des Seins selbst erprobt wird, über sein Verständnis eines »nicht-objektivierenden Denkens und Sagens« hinausgeht. Sowohl das Beispiel der Rose als auch das der Statue bleibt im Bezug zu einem bestimmten Ding. Das gibt es im Verhältnis zum Sein selbst nicht: Das Ding ist der Tod des Denkens.