Hannah Arendt sagt in ihrem berühmten Interview mit Günter Gaus, dass sich mit einer »Reihe von Leuten«, die sich 1933 für den Nationalsozialismus entschieden hatten, »die Dinge irgendwie wieder in Ordnung gezogen«[346] haben. Sie betont: »Was immer 33 geschehen ist, ist eigentlich – angesichts dessen, was dann später geschah – unerheblich.« 1933 sei »Leuten« eben »zu Hitler was eingefallen«. Keine Frage, dass sie dabei auch an Heidegger dachte.

Der sprach in einer Vorlesung im Winter 1934/35 folgende Sätze: »[…] und doch ist Hölderlin im ausgezeichneten Sinne der Dichter, d.h. Stifter des deutschen Seyns, weil er dieses am weitesten entworfen, d.h. in die weiteste Zukunft hinaus- und vorausgeworfen hat. Diese zukünftigste Weite vermochte er aufzuschließen, weil er den Schlüssel heraufholte aus der Erfahrung der tiefsten Not des Zurückweichens und des Andrangs der Götter.«[347] Heidegger hatte den Einfall, Hölderlin zum Über-Hitler zu machen.

Der Philosoph dachte exzentrisch, fern der Mitte des real existierenden Nationalsozialismus. Der hatte gerade den wegen seiner Homosexualität keineswegs nur von Nazis angegriffenen Ernst Röhm liquidiert und das Saargebiet »heim ins Reich« geholt. Gewiss, der Zauberer wollte seine Studenten irgendwie für die »nationale Revolution« begeistern, doch Hölderlins Dichtung stand so außerhalb aller realpolitischen Kontexte, dass niemand durch sie hindurch ein effektiver Nazi hätte werden können. Man könnte sich fragen, wie exzentrisch ein Nazi überhaupt sein durfte, bevor er keiner mehr war.

Heidegger war letztlich ein Zauberpriester in eigener Sache; er dachte, die »nationale Revolution« habe ihr dienen