Romanzen

EIN WEIB

SIE hatten sich beide so herzlich lieb,

Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.

Wenn er Schelmenstreiche machte,

Sie warf sich aufs Bett und lachte.

Der Tag verging in Freud und Lust,

Des Nachts lag sie an seiner Brust.

Als man ins Gefängnis ihn brachte,

Sie stand am Fenster und lachte.

Er ließ ihr sagen: O komm zu mir,

Ich sehne mich so sehr nach dir,

Ich rufe nach dir, ich schmachte –

Sie schüttelt’ das Haupt und lachte.

Um sechse des Morgens ward er gehenkt,

Um sieben ward er ins Grab gesenkt;

Sie aber schon um achte

Trank roten Wein und lachte.

ROMANCES

A Woman

THEY loved each other so very dearly, she was a scoundrel, he was a thief. When he got up to his knavish tricks she threw herself on to the bed and laughed.

The days passed in joy and delight, at night she lay on his breast. When they took him off to prison she stood at the window and laughed.

He sent her a message: Oh come to me, I long for you so much, I cry out for you, I languish – she shook her head and laughed.

At six in the morning he was hanged, at seven he was lowered into his grave; but at eight she was drinking red wine and laughing.

CHILDE HAROLD

EINE starke, schwarze Barke

Segelt trauervoll dahin.

Die vermummten und verstummten

Leichenhüter sitzen drin.

Toter Dichter, stille liegt er,

Mit entblößtem Angesicht;

Seine blauen Augen schauen

Immer noch zum Himmelslicht.

Aus der Tiefe klingts, als riefe

Eine kranke Nixenbraut,

Und die Wellen, sie zerschellen

An dem Kahn, wie Klagelaut.

Childe Harold

A STOUT, black bark sails sadly along. In it sit the masked and silent pall-watchers.

The dead poet lies still, his face unshrouded; his blue eyes still gaze up at the light of heaven.

Sounds rise from the deep, as if a water-sprite’s ailing bride were calling, and the waves break against the bark, like lamentations.

ANNO 1839

O, DEUTSCHLAND, meine ferne Liebe,

Gedenk ich deiner, wein ich fast!

Das muntre Frankreich scheint mir trübe,

Das leichte Volk wird mir zur Last.

Nur der Verstand, so kalt und trocken,

Herrscht in dem witzigen Paris –

O, Narrheitsglöcklein, Glaubensglocken,

Wie klingelt ihr daheim so süß!

Höfliche Männer! Doch verdrossen

Geb ich den artgen Gruß zurück. –

Die Grobheit, die ich einst genossen

Im Vaterland, das war mein Glück!

Lächelnde Weiber! Plappern immer,

Wie Mühlenräder stets bewegt!

Da lob ich Deutschlands Frauenzimmer,

Das schweigend sich zu Bette legt.

Und alles dreht sich hier im Kreise,

Mit Ungestüm, wie’n toller Traum!

Bei uns bleibt alles hübsch im Gleise,

Wie angenagelt, rührt sich kaum.

Mir ist, als hört ich fern erklingen

Nachtwächterhörner, sanft und traut;

Nachtwächterlieder hör ich singen,

Dazwischen Nachtigallenlaut.

Dem Dichter war so wohl daheime,

In Schildas teurem Eichenhain!

Dort wob ich meine zarten Reime

Aus Veilchenduft und Mondenschein.

Anno 1839

O GERMANY my distant love, when I think of you I almost weep! Gay France seems to me sad, her frivolous people weigh me down.

Reason alone, so cold and dry, reigns in witty Paris – O fool’s bells, great bells of faith, how sweetly you ring out at home!

Polite men! But sullenly I return their courteous greeting. – The rudeness I once enjoyed in my fatherland was happiness to me!

Smiling women! They chatter away like steadily turning mill-wheels! I praise Germany’s girls who go quietly to bed.

And everything spins round here impetuously, as in a mad dream! At home everything follows its accustomed course, as if fixed, and scarcely bestirs itself.

I seem to hear, far away, night-watchmen’s horns ring out, soft and familiar; I hear night-watchmen’s songs, and in between, the sound of the nightingale.

The poet was so content at home, in Gotham’s beloved oak-grove! There I wove my tender rhymes from the scent of violets and from moonshine.

DIE NIXEN

AM einsamen Strande plätschert die Flut,

Der Mond ist aufgegangen,

Auf weißer Düne der Ritter ruht,

Von bunten Träumen befangen.

Die schönen Nixen, im Schleiergewand,

Entsteigen der Meerestiefe.

Sie nahen sich leise dem jungen Fant,

Sie glaubten wahrhaftig, er schliefe.

Die eine betastet mit Neubegier

Die Federn auf seinem Barette.

Die andre nestelt am Bandelier

Und an der Waffenkette.

Die dritte lacht, und ihr Auge blitzt,

Sie zieht das Schwert aus der Scheide,

Und auf dem blanken Schwert gestützt

Beschaut sie den Ritter mit Freude.

Die vierte tänzelt wohl hin und her

Und flüstert aus tiefem Gemüte:

«O, daß ich doch dein Liebchen wär,

Du holde Menschenblüte!»

Die fünfte küßt des Ritters Händ,

Mit Sehnsucht und Verlangen;

Die sechste zögert und küßt am End

Die Lippen und die Wangen.

Der Ritter ist klug, es fällt ihm nicht ein,

Die Augen öffnen zu müssen;

Er läßt sich ruhig im Mondenschein

Von schönen Nixen küssen.

The Nixies

THE tide murmurs on the lonely shore, the moon has risen, the knight rests on the white dune, engrossed in gay dreams.

The lovely nixies, dressed in veils, emerge from the depths of the sea. They softly approach the young warrior, they really thought he was asleep.

In her curiosity one fingers the feathers on his cap. Another nestles on his bandoleer and sword-belt.

The third laughs and her eye sparkles, she draws the sword from its sheath, and leaning on the shining sword she gazes at the knight with pleasure.

The fourth dances to and fro and whispers feelingly: ‘Oh, if only I were your darling, fair flower of men!’

The fifth kisses the knight’s hands with desire and longing; the sixth hesitates arid finally kisses his lips and cheeks.

The knight is sensible, the need to open his eyes doesn’t occur to him; he quietly lets himself be kissed in the moonlight by lovely nixies.

DIE UNBEKANNTE

MEINER goldgelockten Schönen

Weiß ich täglich zu begegnen,

In dem Tuileriengarten,

Unter den Kastanienbäumen.

Täglich geht sie dort spazieren,

Mit zwei häßlich alten Damen –

Sind es Tanten? Sinds Dragoner,

Die vermummt in Weiberröcken?

Niemand konnt mir Auskunft geben,

Wer sie sei? Bei allen Freunden

Frug ich nach, und stets vergebens!

Ich erkrankte fast vor Sehnsucht.

Eingeschüchtert von dem Schnurrbart

Ihrer zwei Begleiterinnen,

Und von meinem eignen Herzen

Noch viel strenger eingeschüchtert,

Wagt ich nie ein seufzend Wörtchen

Im Vorübergehn zu flüstern,

Und ich wagte kaum mit Blicken

Meine Flamme zu bekunden.

Heute erst hab ich erfahren

Ihren Namen. Laura heißt sie,

Wie die schöne Provenzalin,

Die der große Dichter liebte.

Laura heißt sie! Nun da bin ich

Just so weit wie einst Petrarcha,

Der das schöne Weib gefeiert

In Kanzonen und Sonetten.

Laura heißt sie! Wie Petrarcha

Kann ich jetzt platonisch schwelgen

In dem Wohllaut dieses Namens –

Weiter hat ers nie gebracht.

The Unknown Lady

I CAN be sure of meeting my golden-haired beauty each day in the Tuileries gardens beneath the chestnut-trees.

Each day she walks there with two ugly old ladies – are they aunts? Are they dragoons disguised in women’s clothes?

No one could tell me who she was. I inquired of all my friends, and always in vain! I was almost sick from desire.

Intimidated by the moustaches of her two companions, and intimidated much more strongly still by my own heart,

I never dared to whisper a single sighing word as I went past, and I scarcely dared to show my ardour by my glances.

Only today have I learnt her name. She is called Laura, like the beautiful maid of Provence whom the great poet loved.

She is called Laura! So now I have got as far as Petrarch once did, who celebrated the beautiful woman in canzonas and sonnets.

She is called Laura! Like Petrarch I can now bask platonically in the euphony of this name – he never got any farther.

WECHSEL

MIT Brünetten hats ein Ende!

Ich gerate dieses Jahr

Wieder in die blauen Augen,

Wieder in das blonde Haar.

Die Blondine, die ich liebe,

Ist so fromm, so sanft, so mild!

In der Hand den Lilienstengel

Wäre sie ein Heilgenbild.

Schlanke, schwärmerische Glieder,

Wenig Fleisch, sehr viel Gemüt;

Und für Liebe, Hoffnung, Glaube

Ihre ganze Seele glüht.

Sie behauptet, sie verstünde

Gar kein Deutsch – ich glaub es nicht.

Niemals hättest du gelesen

Klopstocks himmlisches Gedicht?*

Change

BRUNETTES are out! This year I’m falling for blue eyes again, and fair hair.

The blonde I love is so good, so gentle, so mild! With a lily in her hand she would be the image of a saint.

Slender, passionate limbs, not much flesh, plenty of spirit; and her whole soul glows for love, hope, faith.

She claims she doesn’t understand any German – I don’t believe it. You don’t mean to say you’ve never read Klopstock’s heavenly poem?*

BEGEGNUNG

WOHL unter der Linde erklingt die Musik,

Da tanzen die Burschen und Mädel,

Da tanzen zwei, die niemand kennt,

Sie schaun so schlank und edel.

Sie schweben auf, sie schweben ab,

In seltsam fremder Weise,

Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt,

Das Fräulein flüstert leise:

«Mein schöner Junker, auf Eurem Hut

Schwankt eine Neckenlilie,

Die wächst nur tief in Meeresgrund –

Ihr stammt nicht aus Adams Familie.

«Ihr seid der Wassermann, Ihr wollt

Verlocken des Dorfes Schönen.

Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick,

An Euren fischgrätigen Zähnen.»

Sie schweben auf, sie schweben ab,

In seltsam fremder Weise,

Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt,

Der Junker flüstert leise:

«Mein schönes Fräulein, sagt mir, warum

So eiskalt Eure Hand ist?

Sagt mir, warum so naß der Saum

An Eurem weißen Gewand ist?

«Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick,

An Eurem spöttischen Knixe –

Du bist kein irdisches Menschenkind,

Du bist mein Mühmchen, die Nixe.»

Die Geigen verstummen, der Tanz ist aus,

Es trennen sich höflich die beiden.

Sie kennen sich leider viel zu gut,

Suchen sich jetzt zu vermeiden.

Meeting

MUSIC rings out under the lime-tree, and the boys and girls are dancing; there are two dancers whom no one knows, they look so slender and noble.

They bob up and down in a strange, unfamiliar way, they look laughingly at each other, they shake their heads, the girl whispers softly:

‘My handsome sir knight, a nixie’s lily waves on your hat, such as only grows deep at the bottom of the sea – you are not of Adam’s brood.

‘You are the water-sprite, you want to seduce the village beauties. I recognized you at a glance by your fish-bone teeth.’

They bob up and down in a strange, unfamiliar way, they look laughingly at each other, they shake their heads, the knight whispers softly:

‘My fair young lady, tell me why your hand is so ice-cold? Tell me why the hem of your white garment is so wet?

‘I recognized you at a glance by your mocking curtsy – you are no mortal child, you are my kinswoman the nixie.’

The violins fall silent, the dance is over, the two take leave of each other politely. Alas, they know each other much too well, and now try to avoid each other.