2. Medizinethische Herausforderungen bei der Entscheidung über eine Behandlung

Die (intensiv-)medizinische Behandlung eines Patienten bietet viele Chancen in den Bereichen der Lebensrettung und der Heilung von Krankheit. Mit den Medizinern Alfons Labisch und Norbert Paul ist zu betonen, dass die Chancen des Patienten, auch bei schwerwiegenden und komplikationsreichen Erkrankungen wiederhergestellt zu werden, und das Umfeld der ambulanten und stationären Krankenversorgung nie sicherer und komfortabler waren als in der Gegenwart.40

Die stetig wachsenden Möglichkeiten der derzeitigen Medizin bringen jedoch insbesondere für die Gestaltung des Lebensendes grundsätzliche Fragestellungen hervor. Damit verbunden ist auch die Frage, wann eine Behandlung abgebrochen oder auf sie verzichtet werden soll. In den Bereichen Medizin und Ethik sind daher Suchbewegungen bezüglich der Kriterien für Entscheidungen über Behandlungen festzustellen.41 In der Auseinandersetzung hinsichtlich der Entscheidung über eine Therapie werden in der Medizinethik dazu verschiedene Desiderate benannt.42

Im folgenden Abschnitt soll daher in ethischer Perspektive auf ausgewählte und bedeutende Aspekte in der Medizin hinsichtlich der Fragestellung nach einem Behandlungsabbruch und -verzicht, ja grundsätzlich nach dem Maß von Behandlung eingegangen werden. Diese Aspekte bilden schließlich den Anlass, um in den nachfolgenden Kapiteln das Kriterium der Verhältnismäßigkeit kritisch zu untersuchen und näher bestimmen zu können.

In einem ersten Punkt wird gefragt, welche Veränderungen sich für die Situation eines Patienten und die Entscheidung über eine Behandlung durch die Technisierung und das Verständnis von Krankheit in der modernen Medizin ergeben haben. Chancen und Grenzen moderner Medizintechnik werden dabei in den Blick genommen.

Vermehrte Behandlungsmöglichkeiten sowie Erweiterungen im Krankheitspanorama haben ebenfalls Auswirkungen auf das Befinden eines Patienten. In einem zweiten Abschnitt soll daher aus medizinethischer Perspektive der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise sich der Rahmen von Entscheidungen über Behandlungen gewandelt hat.

Durch medizinische Entwicklungen und technische Innovationen kann auf vielfältige Weise das Leben zahlreicher Patienten verlängert werden. In einem dritten Punkt wird schließlich gefragt, welche Veränderungen sich für den Patienten angesichts einer Vielzahl von Formen der Lebensverlängerung in der modernen Medizin ergeben haben.

Im folgenden Abschnitt wird dazu auf Literatur aus den Bereichen der Ethik, Geschichte und Soziologie der Medizin zurückgegriffen. Auf diese Weise sollen ausgewählte, elementare medizinethische Fragestellungen der Gegenwart hinsichtlich von Entscheidungen über Behandlungen skizziert werden.

2.1. Chancen und Grenzen angesichts von Technisierung und Objektivierung in der modernen Medizin

In der Medizin haben sich durch Forschung und Entwicklung vielfältige Möglichkeiten, aber auch Umgestaltungen für die Patienten ergeben. Bei Entscheidungen über Behandlungen insbesondere in terminalen Phasen erfolgten Veränderungen insbesondere durch die so genannte Apparatemedizin, im Verständnis von Krankheit sowie im gesellschaftlichen Krankheitsprofil.

Die Darstellung ausgewählter Entwicklungen in der Medizin ist für die Untersuchung des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit von Bedeutung, da die medizinischen und technischen Möglichkeiten einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung von Krankheits- und Sterbeprozessen haben.

2.1.1. Erfolge in der modernen Medizin

Insbesondere durch den naturwissenschaftlichen Ansatz in der Schulmedizin und die Inanspruchnahme neuester technologischer Errungenschaften ist es in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Erweiterung des Behandlungsspektrums auch bei Patienten in kritischen und terminalen Lebensphasen gekommen.43 Im 19. und 20. Jahrhundert konnten zahlreiche neue Methoden sowie medizinische und technische Errungenschaften eingeführt werden.44 Der Mediziner Günter Rager beschreibt diesen Vorgang als Entwicklung von einer empirischen Heilkunde hin zu einer naturwissenschaftlich geprägten Medizin.45 Durch die Analyse von Kausalverhältnissen können verschiedene Pathomechanismen erklärt und behandelt werden.46 Eine bedeutende Zäsur in der Medizingeschichte stellt dabei die Lokalisation der Krankheiten dar, die zu einer stets präziseren Organpathologie führte.

Beispielsweise verdankt auch die Anästhesiologie ihre Entwicklung zu einer Spezialdisziplin der technisch-apparativen Ausstattung mit Narkosegeräten, modernen Anästhesiemitteln sowie computergestützter Überwachung des Patienten.47 Durch eine künstliche Beatmung kann kurzfristig die Atmung kontrolliert werden und Patienten können auch in Grenzsituationen über einen längeren Zeitraum am Leben gehalten werden. Seit den 1980er Jahren können Patienten mit Hilfe der Perkutanen Endoskopischen Gastrostomie (PEG-Sonde) relativ komplikationsarm über einen längeren Zeitraum mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt werden, wenn sie nicht mehr selbst essen und trinken können.48 Durch den medizinischen Fortschritt, so der Medizinethiker Georg Marckmann, ist es vor allem im Bereich der Intensivmedizin gelungen, den Tod schwer kranker und leidender Menschen hinauszuschieben.49

Eine starke Dominanz der naturwissenschaftlich-technischen Methode hat dabei nicht nur Einfluss auf die wissenschaftliche Ebene der Medizin, sondern wirkt sich nachhaltig auf den Gesundheits- und Krankheitsbegriff, den Umgang mit Sterben und Tod sowie die Frage nach einem Behandlungsabbruch und -verzicht aus.

Gerade in schwierigen gesundheitlichen Situationen, in denen nicht nur um die Gesundheit, sondern zunächst um die Erhaltung des Lebens eines Patienten gerungen wird, ist die Anwendung einer Vielzahl spezialisierter und technischer medizinischer Behandlungsmöglichkeiten notwendig. Im Zusammenhang mit einer solchen Maximalmedizin wird häufig von der so genannten Apparatemedizin gesprochen.50 Als Apparatemedizin wird nach Susanne Hahn eine medizinische Behandlung charakterisiert, welche durch den Einsatz moderner intensivmedizinischer Geräte dominiert ist und die subjektiven Belange eines Patienten vernachlässigt.51

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich durch die Entwicklungen in der Medizin zahlreiche Chancen in den Diagnose- und Therapieformen ergeben haben. Die Fortschritte haben die Medizin auch verändert, da die technische Seite an Bedeutung gewann. Zu fragen ist daher auch, welchen Einfluss die medizinisch-technischen Entwicklungen auf die Lebensgestaltung der Patienten an den Grenzen des Lebens in Krankheit und Sterben besitzen.

2.1.2. Zum Krankheitsverständnis in der modernen Medizin

Hinsichtlich der Gestaltung der Therapie in kritischen und terminalen Phasen bringt auch ein von den Naturwissenschaften geprägtes Krankheitsverständnis Veränderungen für den Patienten mit sich. Die Grundlagen dafür liegen im Wesentlichen in den naturwissenschaftlichen Methoden und Prinzipien, die im 19. Jahrhundert eingeführt wurden. Dieses Konzept wird in der Wissenschaftstheorie als iatrotechnisches Konzept beschrieben.52 In der naturwissenschaftlichen Medizin werden physikalische und chemische Naturgesetze gesammelt, die Einfluss auf die Lebensvorgänge im Menschen haben. Der Medizinhistoriker Karl E. Rothschuh hebt hervor, dass diese Verfahren zu einer Zuverlässigkeit in der Wahl der Mittel führen, wo es um Diagnose und Therapie von Krankheiten geht.53

Für jeden einzelnen physiologischen und pathologischen Prozess ist der kausale Zusammenhang zu ermitteln und eine gezielte Intervention zu entwickeln.54 Krankheit wird daher primär als Prozessstörung im Regelkreislauf beschrieben: „Krankheit ist eine Störung der Lebensprozesse, die sich in der Regel sekundär in der morphologischen Struktur niederschlägt. Doch kann die Störung auch primär an morphologischen Elementen beginnen und die funktionellen Entgleisungen erst nach sich ziehen.“55 Demnach sind krankhafte Vorgänge und Lebensäußerungen grundsätzlich nichts anderes als physiologische oder allgemeine Naturprozesse.56 Diese (patho-)physiologischen Prozesse funktionieren auf der Basis der Naturgesetzlichkeit der Lebensvorgänge des Organismus.

Jedoch ist darauf zu verweisen, dass das Abstrahieren vom ganzen Organismus ein stark verkürztes Menschenbild mit sich bringt.57 Die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise bringt eine höhere Zuverlässigkeit in der Wahl der Mittel in Diagnose und Therapie mit sich, dennoch wird es einem Patienten nicht gerecht, ihn allein auf krankhafte Prozesse zu reduzieren.58

2.1.3. Transformation krankheitsbedingter in behandlungsbedingte Beschwerden

Auch Behandlungen und Therapieverfahren selbst haben die Situation von Patienten verändert. Der Soziologe Günter Feuerstein sieht in der Anwendung moderner Medizintechnik eine so genannte „Technisierungsspirale“ als Teil eines systemischen Verselbstständigungsprozesses.59 Diese Analyse geht davon aus, dass die Expansionsdynamik des Technikeinsatzes geradezu notwendigerweise in der naturwissenschaftlichen Orientierung des medizinischen Ansatzes und den Strukturen medizinischen Handelns verankert ist.60 Feuerstein geht dabei der Fragestellung des Überschusses an technischer Rationalität, der der Frage der Null-Effekte, d. h. dem zunehmend spürbar werdenden Missverhältnis von materiellen, finanziellen und personellem Aufwand hochtechnisierter und dem daraus folgenden medizinischen Ertrag nach. Zu fragen ist aber mehr noch nach dem jeweiligen Ertrag für den Patienten. Die Frage der Technisierungsspirale betrifft zutiefst den einzelnen Patienten, dem die Behandlungen dienen sollen. Innerhalb der Krankheit und der Behandlung tritt das vom Patienten empfundene körperliche Leid in unterschiedlicher Dauer und Schwere auf; es hat mehr oder weniger offenkundige Ursachen und unterscheidet sich in Bezug auf seine Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit.

Im Zusammenhang mit der Ausweitung behandelbarer körperlicher Zustände durch die Technisierung von Diagnose und Therapie weist Badura darauf hin, dass es zu einer vermehrten Transformation krankheitsbedingter in behandlungsbedingte Beschwerden kommt. Der zunehmende Einsatz von Medikamenten, Geräten und Hilfsmitteln und ihre beeinträchtigenden Nebenwirkungen führen zu einer „verstärkten Technikbedingtheit körperlicher Leiden“61. Diese, durch die Behandlung verursachten, Leiden haben nicht nur körperliche Auswirkungen für den Patienten, sondern auch emotionale. Badura beschreibt diese Auswirkungen folgendermaßen: „Die Patienten empfinden Erniedrigung, Scham oder auch Wut über die Notwendigkeit der Entblößung vor oft zahlreichen fremden Menschen. Sie müssen behandlungsbedingte Schmerzen und Unbequemlichkeiten erdulden, werden mit zahlreichen diagnostischen Prozeduren bearbeitet, dazu kreuz und quer durch die Klinik zu unterschiedlichsten Funktionseinheiten transportiert, erleiden massive Kontrollverluste, stellen fest, daß im Alltag sonst selbstverständliche Regeln mitmenschlichen Umgangs außer Kraft gesetzt sind: Fremde arbeiten an ihrem Körper scheinbar ohne sie zu beachten oder ernst zu nehmen, sind wenig taktvoll oder freundlich, haben keine Zeit für ihre Informationsbedürfnisse, Sorgen und Nöte, anerkennen nicht ihre Mitarbeit. Patienten fühlen sich dadurch insgesamt weniger als vollwertige Menschen denn als Sachen behandelt.“62

Dass sich in einer modernen Medizin Technisierung und ein Zugang, der den Menschen in seiner Gesamtheit wahrnimmt, nicht ausschließen, kann u. a. anhand der medizinischen, pflegerischen, mitmenschlichen und seelsorgerlichen Zuwendung in Hospizen und auf Palliativstationen gezeigt werden. Hospize und Palliativstationen sind Orte, an denen Pflegefachkräfte und Ärzte Menschen in ihrer letzten Lebensphase aufnehmen.63 Hier kann nicht nur eine intensive medizinische und pflegerische Betreuung der Patienten und Bewohner gewährleistet werden. Prägendes Merkmal dieser Einrichtungen sind die palliativen Behandlungsziele sowie eine Zuwendung zum Patienten in seiner Gesamtheit. Der Übergang von einer „kurativen“ zu einer „palliativen“ Versorgung des Patienten erscheint jedoch häufig noch unklar.64

2.2. Vielfältige Entscheidungsoptionen

Auf der einen Seite sind durch die eingangs skizzierten Entwicklungen und Errungenschaften in der modernen Medizin oft optimale Untersuchungen und Behandlungen möglich. Jedoch sind auf der anderen Seite mit den vielfältigen Möglichkeiten auch vermehrt komplexe Entscheidungen notwendig geworden. Daher soll im folgenden Abschnitt gefragt werden, welche Auswirkungen Erweiterungen in den Handlungsmöglichkeiten und im Krankheitspanorama auf Behandlungsprozesse haben.

2.2.1. Erweiterte Handlungsmöglichkeiten und Ausweitung der Zielsetzungen

Die naturwissenschaftlich geprägte Medizin agiert im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Naturerkenntnis und ärztlicher Kunstfertigkeit (techne). Durch die Entwicklungen in Naturwissenschaft und Technik konnten in der Medizin die Handlungsspiel- und Handlungsfolgenräume erheblich ausgedehnt werden. Der Bioethiker Dirk Lanzerath weist darauf hin, dass die Form der Naturerkenntnis und die Tiefe möglicher Eingriffe in die Natur des Menschen eine neue Dimension erreicht hat.65 Medizintechnische Geräte ermöglichen intensivmedizinische Maßnahmen, die vielen Menschen das Leben retten; sie schaffen Bedingungen, die es Menschen ermöglichen, auch auf Dauer mit einer Krankheit zu leben. Nach Lanzerath macht dieses Angebot der modernen Medizin den Menschen aber auch mehr und mehr abhängig von ihr.66 Diagnosen und Weiterbehandlungen erfordern einen kontinuierlichen Einsatz des Patienten, der Ärzte und Pflegekräfte.

Durch die zahlreichen Möglichkeiten der Medizin werden Arzt und Patient vor neuartige Facetten der Entscheidungsfindung gestellt. Diese Schwierigkeiten bei der Entscheidung befinden sich dabei auf zwei Ebenen. Rettungswesen und Intensivmedizin ermöglichen beispielsweise ein Weiterleben eines Unfallopfers trotz längerer Zeit ohne Sauerstoffversorgung.67 Auf einer anderen Ebene werden vielfach (aus Angst vor juristischen Konsequenzen? aus technischen Übereifer? aus medizinischen Aktionismus?) Maßnahmen zur Lebensverlängerung ergriffen, die medizinisch nicht indiziert sind, da die Sterblichkeit selbst keine Krankheit ist, die behandelt werden könnte und deshalb auch nicht müsste.68

Da eine Orientierung an klar definierten Zielen nicht mehr selbstverständlich ist, sich das medizinische Handlungsfeld ausdehnt und der Entscheidungsdruck zunimmt, besteht laut Lanzerath eine größere Unsicherheit im medizinischen Handeln.69 Im Bereich der Ziele des ärztlichen Handelns müssen die traditionellen Leitkonstanten auf dem Hintergrund der erweiterten Handlungsmöglichkeiten der modernen Medizin durch neue Ziele ergänzt oder ersetzt werden. Daher wird die „medizinisch-technische Machbarkeit“ zunehmend in den Mittelpunkt von Überlegungen und Handlungen in der Medizin gestellt. Lanzerath charakterisiert diesen Paradigmenwechsel in der Medizin folgendermaßen: „Das Bestreben der Menschen, ihre Leistungen immer weiter steigern zu wollen, alte Grenzen zu überschreiten und in diesen Prozeß auch die eigene Gesundheit mit einzubeziehen, führt seit der Aufklärung zu jener Vorstellung, die davon ausgeht, daß potentiell keine Grenzen mehr für das menschliche Handeln bestehen. Kontingenz und Sterblichkeit als Kennzeichen für die Natürlichkeit des Menschen werden letztlich verdrängt.“70 Hierbei wird die Gefahr beschrieben, dass die medizinisch-technische Machbarkeit zu einer „Medikalisierung“ des Lebens führe. Durch den Einfluss der Naturwissenschaften könne, so Lanzerath, die traditionelle ärztliche Teleologie aufgelöst werden und die Medizin so aus einer „techne“ in eine Technik verwandeln.71

2.2.2. Erweiterungen im Krankheitspanorama

In der Medizin des 20. Jahrhunderts konnte eine wesentliche Verbesserung in der Behandlung akuter Krankheitszustände erreicht werden. Durch eine hochspezialisierte Diagnostik und Therapie mit Hilfe technischer Verfahren können akute Störungen des menschlichen Organismus erkannt und behandelt werden.72 Die Weiterentwicklungen im Bereich der Pharmazie, der Chirurgie und der medizinischen Technik verbessern die Behandlungsmöglichkeiten. Sie ermöglichen daher die Behandlung eines weiten Krankheitspanoramas in nahezu jedem Lebensalter.

Ein Aspekt im Wandel des Krankheitspanoramas stellt dabei die demografische Entwicklung der Bevölkerung in den Industrienationen dar. Zum einen können durch immer schonendere Behandlungstechniken, z. B. minimalinvasive Chirurgie, Patienten in nahezu jedem Lebensalter und akute Krankheiten immer frühzeitiger und erfolgreicher behandelt werden. Zum anderen stellt sich durch die höhere Lebenserwartung ein Wandel im Krankheitspanorama ein. In der älter werdenden Bevölkerung überwiegen chronischdegenerative Krankheiten und multimorbide Krankheitszustände, hier vor allem zivilisations-(mit)bedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und altersbedingte Krankheiten.73 Dadurch haben sich Veränderungen im Behandlungsspektrum und im Anforderungsprofil der Medizin ergeben.

Aus der Erhöhung der Lebenserwartung und der Verbesserung der medizinischen Versorgung erwachsen individuelle Bedürfnisse nach einem Leben in Gesundheit und somit der Wunsch, dieses Leben in Gesundheit über einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten oder wiederherzustellen.

2.2.3. Veränderte Situation bei Prognosen und Entscheidungen

Verbunden mit den Möglichkeiten, die menschlichen Prozesse von Krankheit, Sterben und Tod zu beeinflussen, ist der Verlust von Eindeutigkeit des Endes einer Therapie und einer Behandlungsmöglichkeit. Die medizinische Behandlung endete in der vormodernen Medizin meist dann, wenn das Maß der Mittel zu heilen ausgeschöpft war.74 Therapeutische Maßnahmen wurden im Rahmen des medizinisch Möglichen angewendet; die Medizin galt als Anwalt der sachgerechten und maximalen Anwendung des therapeutischen Fächers. Die Eindeutigkeit des Gebrauchs medizinischer Mittel lag in den Grenzen der Mittel selbst. Josef Römelt betont, dass die therapeutischen Anstrengungen meist dann endeten, „[…] wenn Arzt und Patient (häufiger noch der Arzt allein) zu der Überzeugung kamen, dass eine weitere Behandlung keinen Sinn mehr hat. Das Ende der Therapie stand zumeist unter dem Vorzeichen des Zwangs von außen, der Natur ihren Lauf zu lassen – unter dem Eindruck, aufgrund der Grenzen der Einsicht in die Prozesse von Krankheit und Sterben der Natur einen letzten Sieg lassen zu müssen. Und in den relativen Grenzen des therapeutischen Spektrums konnte auch relativ schnell und eindeutig Konsens darüber erzielt werden, wann ein solcher finaler Prozess begonnen hatte.“75

Eine solche Klarheit in Bezug auf das Ende einer Therapie ist jedoch nicht mehr vorhanden. Die Ziele und Möglichkeiten stellen sich insbesondere durch die medizinische Technik als sehr differenziert dar; es kann nicht mehr klar in eine nützliche Therapie und einen notwendigen Abbruch eingeteilt werden.76 Der Einsatz moderner Medizintechnik verleiht der Behandlung eines Patienten am Lebensende eine neue Dimension: „Die Möglichkeiten, Leben vielleicht auch nur um Stunden zu verlängern, Schmerzen zu steuern, Ebenen der Rekonvaleszenz auf lange Zeiträume hin zu eröffnen, komplizierte neurologische und physiologische Störungen sukzessiv zu beherrschen usw., lassen das Ringen um die Gesundheit eines Menschen immer subtiler werden.“77

Auch auf der Ebene der Zeiträume für eine Entscheidung über eine Behandlung haben sich Veränderungen ergeben. Zahlreiche Medikamente und medizintechnische Instrumente ermöglichen sowohl die Rettung von Menschen, die Weiterbehandlung sowie die Lebensverlängerung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zeiträume für Entscheidungen höchst unterschiedlich sind. Bei Reanimationsmaßnahmen in der Notfall- und Rettungsmedizin ist der Zeitraum für Entscheidungen sehr kurz. Der Arzt ist zunächst mit der Erfassung der Situation und den ersten Behandlungsschritten befasst. Die Berücksichtigung des Patientenwillens, einer Patientenverfügung sowie ein Gespräch mit Angehörigen über einen möglichen Behandlungsabbruch oder -verzicht sind nahezu unmöglich. Bei längeren Therapien auf der Intensivstation, in der Inneren Medizin oder in der Palliativmedizin kann dagegen durch ein Arzt-Patienten-Gespräch, die Berücksichtigung von möglichen Verfügungen und das Gespräch mit Angehörigen ein weiteres Vorgehen in der Therapie abgewogen werden.

Die zunehmenden Möglichkeiten in der Medizin erfordern daher grundsätzlich mehr Entscheidungen sowohl durch den Arzt als auch durch den Patienten bzw. unter Umständen durch seine Angehörigen. Die bewusste Entscheidung zur Beendigung oder zum Verzicht auf eine Behandlung ist durch die Möglichkeiten der Lebensverlängerung notwendig geworden, da Therapien am Lebensende auch dann fortgesetzt werden können, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Eine eindeutige Zuordnung über das Ende einer Therapie sowie eines möglichen Verzichts auf eine Behandlung ist daher heute nicht mehr gegeben.78 Entscheidungen seien „[…] nur unter Inkaufnahme erheblicher Unsicherheiten abschätzbar“79.

Welche Bedeutung Entscheidungen über Behandlungen bei Patienten im Kontext der modernen Medizin haben, wurde unter anderem durch die EURELD-Studie (Medical End-of-Life Decisions in six European Countries) erhoben. Die Studie zeigt, inwieweit die Frage der Entscheidung über einen Behandlungsabbruch oder -verzicht, die mit Sterbehilfe verbunden ist, in der klinischen Praxis virulent ist.80 Sterbehilfe, die in dieser Studie im weitesten Sinne verstanden wird, war in Bezug auf sämtliche Todesfälle in der Schweiz am höchsten (51 %), gefolgt von den Niederlanden (44 %), Dänemark (41 %), Belgien (38 %) und Schweden (36 %); am seltensten wurde Sterbehilfe in irgendeiner Form in Italien geleistet.81

Die unterschiedliche Handhabung medizinischer Lebenserhaltung und Weiterbehandlung lässt sich schließlich auch anhand unterschiedlicher Therapien bei Patienten mit terminalen Erkrankungen ablesen. Untersuchungen belegen, dass in verschiedenen Ländern Patienten unterschiedlich intensiv therapiert werden. Henning T. Baberg u. a. befragten in einer Studie japanische, amerikanische und deutsche Ärzte nach Alternativen bei der Behandlung einer multimorbiden Patientin mit stark fortgeschrittener Demenz.82 Japaner entschieden sich zu 96 % für eine Maximaltherapie, Amerikaner zu 55 % und Deutsche zu 67 %.

Eine weitere Befragung hat zudem ergeben, dass Ärzte Patienten bei Behandlungen am Lebensende häufig überschätzen.83 Sowohl der Wille des Patienten zur Weiterbehandlung als auch dessen tatsächliche physische Rekonvaleszenz wird in einer Behandlung mitunter als zu hoch eingeschätzt.

2.3. Ausweitung medizinischer Möglichkeiten und Lebensverlängerung

Die bereits skizzierten Entwicklungen in der Medizin des 19. und 20. Jahrhunderts haben, so die Feststellungen, Auswirkungen auf die Situation der Patienten und den Horizont von Entscheidungen. Hierbei zeigt sich, dass der Fortschritt auch Rückwirkungen auf den Umgang mit Krankheit und Sterben hat.

2.3.1. Erhöhung der Lebenszeit durch Entwicklungen in der Medizin

Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in der modernen Medizin brachten insbesondere in den Bereichen Fortschritte, in denen zuvor enge Grenzen der Handlungsmöglichkeiten zu konstatieren waren. Durch eine technisch verbesserte Grundlagenforschung konnten bedeutende Erfolge beispielsweise in der mikroskopischen Anatomie, Physiologie, Pharmakologie und Bakteriologie erzielt werden.84 So konnte schließlich die gefürchtete Trias Schmerz-Infektion-Verblutung durch eine verbesserte Allgemeinnarkose, die Asepsis und das blutungsarme Operieren weitgehend beherrschbar gemacht werden.85

Die Sorge um Antisepsis und Asepsis führte zu einer völligen Erneuerung der Chirurgie, da sie die chirurgischen Abteilungen nach Jahrhunderten des Hospitalbrands in straff geführte Krankenstationen und keimarme Operationssäle verwandelte, in die sich der Patient, in der Hoffnung, sie lebend wieder zu verlassen, beruhigt schieben lassen konnte.86

Am Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhöhte sich durch Maßnahmen in der Hygiene und in der Medizin in den westlichen Ländern die durchschnittliche Lebenserwartung (1850: 40 Jahre; 1950: 70 Jahre).87 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es in der Medizin durch die Forschung und medizinisch-technische Entwicklungen zu zahlreichen Spezialisierungen und dem Aufbau neuer Fachgebiete. Insbesondere die erweiterten Möglichkeiten in der Funktionsdiagnostik sowie in der Therapie führten zu besseren Behandlungsmöglichkeiten.88

2.3.2. Verlangsamung des Sterbens

Durch die moderne Medizintechnik verändert sich auch der gesellschaftliche und kulturelle Umgang mit Krankheit und Sterben.89 Nicht allein die Lebenszeit insgesamt, sondern auch der Zeitraum des Sterbeprozesses hat sich verlängert.90

Die Zahl der Todesfälle, die auf Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen sind, hat in den letzten Jahren wesentlich zugenommen.91 Durch die Erweiterung der medizinischen Handlungsmöglichkeiten wurden zudem die Kliniken mehr und mehr ein Ort des Sterbens.92 Da die Ärzte und das Pflegepersonal im Krankenhaus im Gegensatz zu den Hospizen und Palliativstationen nicht auf die Betreuung Sterbender, sondern vorrangig auf die Behandlung von Krankheiten der Patienten vorbereitet sind und eine solche Hilfeleistung für Sterbende (noch) nicht zu den offiziellen Zielkategorien zählen, steht meist die Lebenserhaltung und weniger die Sterbebegleitung einschließlich eines Sterbenlassens im Vordergrund.93

Mit den erweiterten Handlungsmöglichkeiten der Medizin änderten sich jedoch nicht nur die Maßnahmen, um ein Leben – auch im Sterbeprozess – länger zu erhalten, sondern auch die Form des Sterbens selbst. Das Sterben, d. h. der Sterbeprozess hat sich insbesondere durch intensivmedizinische Maßnahmen verlangsamt. Ivan Illich spricht davon, dass seit dem 19. Jahrhundert der Tod durch tödliche Krankheiten ersetzt wurde.94 Der Tod wurde durch die medizinischen Eingriffe am Lebensende in eine „Vielzahl spezifischer Ursachen des klinischen Exitus“ aufgelöst.95 Arzt und Medizin seien dazu da, das tödliche Schicksal abzuwenden. Die langen und anspruchsvollen Behandlungsarten und die Einbeziehung medizinischer Technik haben zudem dazu geführt, dass schwerkranke Patienten meist nur noch im Krankenhaus gepflegt werden können. Die Tatsache, dass viele Menschen in den Industrieländern im Krankenhaus sterben, erscheint als Konsequenz des Fortschritts der medizinischen Versorgung und der Leidensminderung.96

Josef Römelt weist aus ethischer Perspektive darauf hin, dass aufgrund der Chancen technischer Beobachtungen und Interventionen von einer „immer tieferen Konfrontation“ mit dem Tod gesprochen werden muss.97 Orte des Sterbens und des Todes sind zwar nicht mehr unmittelbar in der Umgebung von Angehörigen und Bekannten angesiedelt, doch besteht durch die moderne Medizin faktisch eine längere Phase, in denen Patienten und ihre Angehörigen das Lebensende bewusst erleben können. Alterungs- und Sterbeprozesse können durch die medizinische Betreuung immer wieder hinausgeschoben werden; die Frage des Lebensendes erscheint stets mit einer Entscheidung verbunden.98

40   Vgl. Labisch, Alfons; Paul, Norbert, Art. Medizin, 1. Zum Problemstand, in: LBE 2. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 630–642, 631.

41   Vgl. hierzu u. a. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, in: DÄBl. (2011), H. 7, A346–A348. Hayduk, Karl, Art. Behandlungsverzicht/Behandlungsabbruch. 1. Zum Problemstand, in: LBE 1. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 312–314.

42   Vgl. Illhardt, Franz-Josef, Art. Gesundheit, Gesundheitswesen, II. Ethisch, in: LThK 4. (Sonderausgabe) Freiburg [u. a.] 2006, 605f.

43   Für die moderne, naturwissenschaftlich geprägte Medizin werden die Begriffe Schulmedizin, Biomedizin und Hochschulmedizin synonym verwendet.

44   Vgl. im Folgenden u. a. Schneck, Peter, Geschichte der Medizin systematisch. Bremen [u. a.] 1997. Schneck verweist darauf, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Zellen- und Vererbungslehre, der Entwicklungstheorie und Mikrobiologie, der Entstehung der modernen Klinik sowie dem Einzug der Technik und der weiteren Fachspezialisierung es zu einer qualitativ neuen Medizin gekommen sei. Vgl. Schneck, P., Geschichte der Medizin systematisch, 192.

45   Vgl. Rager, G., Medizin als praktische Wissenschaft, 75.

46   Vgl. Kostka, U., Der Mensch in Krankheit, 269.

47   Vgl. Schneck, P., Geschichte der Medizin systematisch, 235.

48   Vgl. Marckmann, Georg, PEG-Sondenernährung: Ethische Grundlagen der Entscheidungsfindung, in: ÄBW (2007) 1, 23–27, 23. Für einen kurzen Zeitraum besteht auch die Möglichkeit der künstlichen Ernährung des Patienten durch eine Nasensonde.

49   Vgl. Marckmann, Georg, Lebensverlängerung um jeden Preis? Ethische Entscheidungskonflikte bei der passiven Sterbehilfe, in: ÄBW (2004) 9, 89.

50   Unter dem Begriff der Maximalmedizin wird hier die Ausschöpfung aller Möglichkeiten einer spezialisierten und technischen modernen Medizin bei der Behandlung eines Patienten verstanden.

51   Vgl. Hahn, Susanne, Art. Apparatemedizin, in: Werner E. Gerabek (Hg. u. a.), Enzyklopädie Medizingeschichte. Berlin [u. a.] 2005, 86–87, 86. Hahn betont dabei den Aspekt der subjektiven Befindlichkeit und erläutert kritisch weiter: Schon seit der Jahrhundertwende stand die primär naturwissenschaftlich orientierte Medizin trotz ihrer Erfolge in der Kritik, da sie die psychische und soziale Dimension von Gesundheit und Krankheit aus dem Auge verliere.

52   Die Iatrotechnik wird als eine nach der Denk- und Arbeitsweise der Technik vorgehende Medizin definiert. Der Begriff „Technik“ bedeutet dabei die Anwendung von physikalischchemischen Verfahren zur Verwirklichung praktischer Zielsetzungen. Vgl. Rothschuh, Karl E., Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart. Stuttgart 1978, 417ff. Ackerknecht, Erwin H., Geschichte der Medizin. Überarb. u. erg. v. Axel Hinrich Murken. Stuttgart 71992, 111ff. Schneck, P., Geschichte der Medizin systematisch, 192ff.

53   Vgl. Rothschuh, K. E., Konzepte der Medizin, 418.

54   Vgl. Kostka, U., Der Mensch in Krankheit, 273.

55   Rothschuh, K. E., Konzepte der Medizin, 418.

56   Vgl. Rothschuh, K. E., Konzepte der Medizin, 429f.

57   Vgl. Rothschuh, K. E., Konzepte der Medizin, 418.

58   Vgl. Rothschuh, K. E., Konzepte der Medizin, 418. Vgl. dazu insbesondere Kapitel 4 in dieser Arbeit.

59   Vgl. Feuerstein, Günter, Zielkomplexe und Technisierungsprozesse im Krankenhaus, in: Bernhard Badura; Günter Feuerstein, Systemgestaltung im Gesundheitswesen. Zur Versorgungskrise der hochtechnisierten Medizin und den Möglichkeiten ihrer Bewältigung. Weinheim [u. a.] 1994, 83–154, 119.

60   Vgl. Feuerstein, G., Zielkomplexe und Technisierungsprozesse, 119.

61   Badura, Bernhard, Arbeit im Krankenhaus, in: Bernhard Badura; Günter Feuerstein, Systemgestaltung im Gesundheitswesen. Zur Versorgungskrise der hochtechnisierten Medizin und den Möglichkeiten ihrer Bewältigung. Weinheim [u. a.] 1994, 21–83, 70.

62   Badura, B., Arbeit im Krankenhaus, 70.

63   Vgl. u. a. Müller-Busch, H. Christof, Gelingende Praxis – Palliativmedizin als Alternative zur Euthanasie, in: Katrin Göring-Eckardt (Hg.), Würdig leben bis zuletzt. Sterbehilfe – Hilfe beim Sterben – Sterbebegleitung – Eine Streitschrift. Gütersloh 2007, 171–194. Fasselt, Gerd, Art. Hospiz/Hospizbewegung, 2. Ethisch, in: LBE 2. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 235–237.

64   Vgl. u. a. Baberg, Henning T.; Kielstein, Rita; Zeeuw, Justus de; Sass, Hans-Martin, Ärztliches Abwägen zwischen Behandlungsgebot und Behandlungsbegrenzung. Ergebnisse einer Ärztebefragung in Bochum und Magdeburg und die internationale Diskussion, in: Hans-Martin Sass; Arnd T. May (Hg.), Behandlungsgebot oder Behandlungsverzicht. Klinisch-ethische Epikrisen zu ärztlichen Entscheidungskonflikten. (Ethik in der Praxis, 3) Münster 2004, 171–212, 174ff.

65   Vgl. Lanzerath, D., Krankheit, 78.

66   Vgl. Lanzerath, D., Krankheit, 81.

67   Vgl. Lanzerath, D., Krankheit, 81f. Jörg, Johannes, Art. Apallisches Syndrom, in: LBE 1. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 184–188, 184.

68   Vgl. zum Wissenschaftscharakter in der Medizin und den Folgen für die Behandlung Honnefelder, Ludger, Art. Medizinische Ethik. 2. Systematisch, in: LBE 2. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 652–661, 653. Rager, G., Medizin als praktische Wissenschaft, 75.

69   Vgl. Lanzerath, D., Krankheit, 81. Römelt, Josef, Dem Sterben einen Sinn geben. Ein theologischer Kommentar zur gegenwärtigen Debatte um Sterbehilfe und Sterbebegleitung. (Zukunftsforum Politik, Broschürenreihe hg. v. der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Nr. 80) Sankt Augustin [u. a.] 2006, 13f.

70   Lanzerath, D., Krankheit, 82f.

71   Vgl. Lanzerath, D., Krankheit, 83.

72   Vgl. Kostka, U., Der Mensch in Krankheit, 278. Hahn, S., Art. Apparatemedizin, 86.

73   Vgl. Eibach, U., Medizin und Menschenwürde, 9ff. Höhn, Hans-Joachim, Zeit zu leben – Zeit zu sterben. Beobachtungen über den gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod, in: ArztChr (1989) 2, 61–67, 62.

74   Vgl. im Folgenden Römelt, J., Dem Sterben einen Sinn geben, 14.

75   Römelt, J., Dem Sterben einen Sinn geben, 14.

76   Vgl. Fritsche, Paul, Ärztlich-ethische Aspekte zur Ambivalenz der Lebensverlängerung, in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht. (Rechtsstaat in der Bewährung, 30) Heidelberg 1995, 3–34.

77   Römelt, J., Dem Sterben einen Sinn geben, 15.

78   Vgl. Lanzerath, Dirk; Honnefelder, Ludger; Feeser, Ulrich, Nationaler Bericht der europäischen Befragung: „Doctor’s views on the management of patients in persistent vegetative state (PVS)“ im Rahmen des Forschungsprojekts „The moral and legal issues surrounding the treatment and health care of patients in persistent vegetative state“, in: Ethik Med (1998) 10, 152–180.

79   Duttge, G., Einseitige („objektive“) Begrenzung, 479.

80   Vgl. Bosshard, Georg, Ärztliche Entscheidungsfindung am Lebensende im internationalen Vergleich, in: Jan Schildmann; Uwe Fahr; Jochen Vollmann (Hg.), Entscheidungen am Lebensende in der modernen Medizin: Ethik, Recht, Ökonomie und Klinik. (Ethik in der Praxis, 24) Münster [u. a.] 2006, 199–211. Es handelt sich um eine schriftliche Befragung von Ärztinnen und Ärzten über eine getroffene Entscheidung. Die Grundlage bilden ca. 30.000 Todesfallformulare aus den Ländern bzw. Landesteilen Belgien (Flandern), Dänemark, Holland, Italien (vier Regionen in Norditalien), Schweden und Schweiz (deutschsprachiger Teil).

81   Vgl. Bosshard, G., Ärztliche Entscheidungsfindung, 200f. Zur Sterbehilfe wurden die Passive und Indirekte Sterbehilfe, der assistierte Suizid sowie die Aktive Sterbehilfe gezählt.

82   Vgl. Baberg, H. T.; Kielstein, R.; Zeeuw, J. de; Sass, H.-M., Ärztliches Abwägen, 175.

83   Vgl. Duttge, G., Einseitige („objektive“) Begrenzung, 479.

84   Vgl. Ackerknecht, E. H., Geschichte der Medizin, 111ff.

85   Vgl. Schneck, P., Geschichte der Medizin systematisch, 221.

86   Vgl. Ackerknecht, E. H., Geschichte der Medizin, 137.

87   Vgl. Ackerknecht, E. H., Geschichte der Medizin, 138. Schneck, P., Geschichte der Medizin systematisch, 208. In Deutschland wurde im Jahr 1883 durch die Initiative des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck die Krankenversicherung für Arbeiter zur Pflicht. Die Arbeitnehmer hatten nun das Recht, im Krankheitsfall unentgeltlich behandelt zu werden. Im Jahr 1884 folgte das Gesetz über die Unfallversicherung und 1889 das Gesetz über die Alters- und Invalidenversicherung.

88   Zu den zahlreichen Innovationen in der Medizin im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. u. a. Schneck, P., Geschichte der Medizin systematisch, 170. Ackerknecht, E. H., Geschichte der Medizin, 161.

89   Vgl. u. a. Ariès, Philippe, Geschichte des Todes. München 61993. Nassehi, Armin, Sterben und Tod in der Moderne zwischen gesellschaftlicher Verdrängung und professioneller Bewältigung, in: Armin Nassehi; Reinhard Pohlmann (Hg.), Sterben und Tod. Probleme und Perspektiven der Organisation von Sterbebegleitung. Münster [u. a.] 1992, 11–26. Nassehi, Armin; Weber, Georg, Tod, Modernität und Gesellschaft. Entwurf einer Theorie der Todesverdrängung. Opladen 1989. Ferber, Christian von; Ferber, Liselotte von, Der kranke Mensch in der Gesellschaft. Reinbek 1978.

90   Ein Beispiel für eine Definition von „Sterbender“ bietet Hans Grewel: Unter Sterbender wird ein Kranker oder Verletzter, bei dem der Arzt auf Grund einer Reihe klinischer Zeichen zur Überzeugung kommt, daß die Krankheit irreversibel oder die traumatische Schädigung infaust verläuft und der Tod in kurzer Zeit eintreten wird, verstanden. Vgl. Grewel, Hans, Euthanasie und Technologie. Anfragen an unser Menschenbild, in: Armin Nassehi; Reinhard Pohlmann (Hg.), Sterben und Tod. Probleme und Perspektiven der Organisation von Sterbebegleitung. Münster [u. a.] 1992, 27–41, 28.

91   Vgl. Höhn, H.-J., Zeit zu leben, 62. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen stellen in Deutschland die häufigsten Todesursachen dar. Vgl. Hayduk, Karl; Adamczak, Michael; Derichs, Richard, Art. Behandlung/Behandlungspflicht, 1. Zum Problemstand, in: LBE 1. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 302–305, 303f.

92   Während 1960 noch 43,9 % aller Sterbefälle im Krankenhaus zu verzeichnen waren, stieg die Quote 1972 auf 53,5 % und 1980 auf 55,3 %. Diese nach Nassehi und Weber so genannte „Hospitalisierung des Todes“ hat zur Folge, dass der öffentliche Charakter des Sterbens in den letzten 150 Jahren mehr und mehr zurückgedrängt wurde. Vgl. Nassehi, A.; Weber, G., Tod, 231.

93   Vgl. beispielhaft Kammertöns, Hanns-Bruno; Lebert, Stephan, Ich hasse den Tod. Bruno Reichart will Menschen Schweineherzen einpflanzen, in: Die Zeit, Nr. 24 (06.06.2007), 15–18.

94   Vgl. Illich, Ivan, Tod kontra Tod, in: Hans Ebeling (Hg.), Der Tod in der Moderne. Frankfurt/M. 1984, 184–209, 200.

95   Vgl. Illich, I., Tod kontra Tod, 200.

96   Vgl. Ariès, P., Geschichte des Todes, 748f. Neben dem Faktum, dass sich die Zeit des Sterbens verlängert hat, ist auch der Tod unterteilt worden. Er kann u. a. nach biologischen, zerebralen und zellularen Aspekten klassifiziert werden. Durch die Möglichkeit der Reanimation und der künstlichen Beatmung genügt der Stillstand von Herz- und Atemtätigkeit nicht mehr.

97   Vgl. Römelt, J., Dem Sterben einen Sinn geben, 10. Vgl. dagegen die kulturwissenschaftliche Analyse über die „Verdrängung des Todes“: Ariès, P., Geschichte des Todes, 729. Nassehi, A.; Weber, G., Tod, 199. Zur Kritik an der Theorie der „Verdrängung des Todes“ vgl. u. a. Winkel, Heidemarie, Selbstbestimmt Sterben. Patient(inn)enorientierung und ganzheitliche Schmerztherapie als Kommunikationskoordinaten in der Hospizarbeit. Eine systemtheoretische Perspektive, in: Hubert Knoblauch; Arnold Zingerle (Hg.), Thanatosoziologie. Tod, Hospiz und die Institutionalisierung des Sterbens. Berlin 2005, 169–188.

98   Vgl. zur Differenzierung zwischen Therapie und Lebensverlängerung Seidler, Eduard, Aufwand und Grenzen der Technik in der Medizin (1982), in: Urban Wiesing (Hg.), Diesseits von Hippokrates. 20 Jahre Beiträge zur Ethik in der Medizin im Ärzteblatt Baden-Württemberg. Stuttgart 2003, 33–35.