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MEINE KNIFFLIGSTEN FÄLLE – Teil 2: SÜNDER WIDER WILLEN

Als ehemaliger Leistungssportler weiß Volker M. genau, wie bestimmte Lebensmittel und Bewegung gegen Übergewicht helfen. Doch irgendwann verliert seine Strategie an Wirkung. Warum, bleibt lange rätselhaft. Dabei ist die Lösung simpel.

Profisportler, die ihre Karriere beenden, bilden eine Art Hochrisikogruppe für Übergewicht. Denn sie haben sich über Jahre hinweg nicht nur angewöhnt, sehr viel zu trainieren – sondern auch vergleichsweise viel zu essen, und zwar vor allem Kohlenhydrate, um so dem Körper die verbrannte Energie wieder zuzuführen. Wer dieses Essverhalten nach dem Karriereende nicht ändert und weiterhin allabendlich große Mengen Pasta vertilgt, landet zuverlässig im Übergewicht.

So geschehen bei meinem Patienten Volker: Während seiner aktiven Zeit als Radrenn-Profi war er stets ein Schmalhans gewesen. Als er aber das erste Mal in meine Praxis kam – 15 Jahre nach seinem letzten Wettbewerb – wog er bei einer Größe von 1,78 Metern 180 Kilo und spielte mit dem Gedanken, sich den Magen verkleinern zu lassen. »Ich kann das selbst alles nicht fassen«, erklärte er mir. »Ich bin da irgendwie reingerutscht. Und jetzt kann ich nicht mal mehr Rad fahren, weil ich dafür einfach viel zu viel wiege.« Für mich schien Volker ein sehr einfacher Fall zu sein – zunächst. Denn das Problem war so klar wie die Lösung: Er musste seine sehr hohe Kohlenhydrataufnahme reduzieren und sich deutlich mehr bewegen. Neben einem individuellen Ernährungsplan empfahl ich meinem Patienten Nordic Walking – die gelenkschonende Jogging-Alternative. »Das ist doch was für Omas«, meinte der Ex-Profi zunächst. Aber dann schloss er sich einer Gruppe an, die sich zweimal pro Woche traf – und spazierte zusätzlich jeden Tag ein paar Kilometer extra. Außerdem begann Volker mit Krafttraining: Praktischerweise hatte er aus seinen Leistungssport-Zeiten noch eine Art Mini-Fitnessstudio im Keller, das er einfach nur abstauben musste, um danach direkt loszulegen. All das zeigte schnell die zu erwartenden Erfolge: Innerhalb von sechs Monaten nahm Volker 40 Kilo ab. Und fühlte sich dank der Bewegung und der schlankeren Figur so fit, dass er mit Marathon-Training begann.

Alles war auf dem Weg: Mein Patient wusste, wie Sport funktionierte, hantierte lässig mit Begriffen wie Grund- und Leistungsumsatz (siehe >), aß genau nach Plan. Und doch – saß er zwölf Wochen später verzweifelt vor mir: »Ich nehme einfach nicht mehr ab. Was ist nur los?« Wie bei meinen anderen Kniffelpatienten untersuchte ich Volkers Blut nochmals genau, führte Stoffwechselanalysen durch und inspizierte zusammen mit Kollegen sein Ernährungsprotokoll: alles 1A. Meiner Berechnung nach verbrannte Volker pro Tag 500 Kalorien mehr, als er zu sich nahm. Er hätte eigentlich abnehmen müssen. Mir kam ein Verdacht: Vielleicht gehörte mein Patient zur Gruppe jener, die unbeabsichtigt »Underreporting« betreiben, die also entweder vergessen, bestimmte Ernährungsgewohnheiten im Gespräch zu erwähnen – oder aber falsch eintragen. Ich wusste: Es war Zeit für einen meiner seltenen Hausbesuche!

Vor Ort war die Spurensuche schnell beendet – und zwar, nachdem Volker mir gezeigt hatte, was er gewöhnlich aß und trank. Unter anderem konsumierte er regelmäßig einen isotonischen Energiedrink.

Vor einigen Monaten hatte er die Marke gewechselt und geglaubt, das neue Getränk sei, wie das alte, mit Süßstoffen versetzt. Stattdessen enthielt es jedoch Zucker – und lieferte so statt der eingeplanten 15 Kalorien auf 100 Milliliter in Wahrheit 47.

Da Volker locker 1,5 Liter am Tag davon trank, um den Flüssigkeitsverlust durch das intensive Training auszugleichen, kam er auf etwa 500 zusätzliche Kalorien. Und damit war das fürs Abnehmen nötige Energiedefizit weg! »Das gibt es doch nicht. So ein kleiner Fehler – und so eine Wirkung?«, fragte Volker überrascht.

Dabei war sein Fall absolut typisch: Stockt eine Abnahme aus unerfindlichen Gründen, liegt es meist an Kleinigkeiten, die sich summieren.

Mein Patient beschloss, fortan ausschließlich Wasser zu trinken.

Darin bestärkte ich ihn nur zu gern: Denn isotonische Getränke – vor allem solche mit Süßstoffen – braucht kein Mensch! Zufrieden stieg ich ins Auto: Mission erfolgreich abgeschlossen. Volker würde nun weiter abnehmen, davon war ich überzeugt.

Genau so kam es. Heute wiegt mein Patient, inzwischen 60 Jahre alt, vergleichsweise gesunde 85 Kilo, ist bislang dreimal Marathon gelaufen – und leitet sogar eine eigene Nordic-Walking-Gruppe.

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LIGHT MACHT AUCH DICK

Obwohl künstliche Süßstoffe wie Saccharin, Aspartam oder Cyclamat keine Kalorien liefern, gibt es parallel zu ihrem wachsenden Konsum immer mehr Übergewichtige. Mehrere Studien liefern Hinweise, was dahinterstecken könnte. Israelische Forscher zeigten, dass Süßstoffe den Stoffwechsel von Menschen verändern. Bei Probanden, die regelmäßig Light-Softdrinks zu sich nahmen, stieg der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit deutlich stärker an.

Was genau den Glukosestoffwechsel negativ beeinflusst, ist noch unklar. Eine Schädigung der Darmflora scheint dabei eine Rolle zu spielen. Sicher sind die Folgen: Da das Blut von Süßstoff-Konsumenten stets zu viel Insulin aufweist, ist der Abbau von Fett gebremst. Dieses sammelt sich in der Körpermitte und verstärkt den Teufelskreis (siehe >). Eine weitere Studie ergab: Wer mindestens zwei Gläser Light-Softdrinks pro Tag konsumierte, hatte ein um 26 Prozent erhöhtes Risiko, innerhalb der nächsten 16 Jahre zu sterben. Normaler Zucker ist trotzdem keine Lösung: Tranken Probanden viele normal gesüßte Softdrinks, war ihre Sterblichkeit um knapp zehn Prozent erhöht!