Einen Erfolgsfaktor in Sachen Gewichtsverlust unterschätzen die meisten Abnehmwilligen ganz besonders: unsere Organe. Dabei kann, wer sie angemessen mit dem Wichtigsten versorgt, diese in einer Weise aktivieren, dass sie uns als echte Schlankkraftwerke unterstützen. Das große Problem: Nur wenige Menschen wissen darüber Bescheid, wie die einzelnen Organe arbeiten und in welchen Wechselbeziehungen sie zueinander stehen. Ein wenig überraschend ist das doch: Schließlich bildet unser Körper den einen Partner, mit dem wir buchstäblich verwachsen sind und der uns ein Leben lang treu ist. Die Gründe, die hinter diesem Unwissen stecken, sind zahlreich, wie ich in Patientengesprächen immer wieder erfahre. Einige Menschen fühlen sich unwohl beim Gedanken, dass sie eben nicht nur Geist und Wille sind, sondern auch Körper – und dass da in ihrem Inneren biochemische und -physikalische Prozesse ablaufen, auf die sie mal mehr, mal weniger Einfluss haben. Andere wiederum finden die Vorgänge rund um Herz, Lunge, Magen und Darm viel zu kompliziert – und überlassen es den Ärzten zu entscheiden, was ihrem Körper guttut und was nicht.
Apropos Ärzte: Selbst viele Profis folgen noch immer einer mechanistischen Vorstellung vom Menschen, die sich parallel zur modernen Medizin entwickelt hat. Sie betrachten den Körper als Maschine, die mitunter mal ruckelt und hakt – ein Ansatz, der Folgen hat für die Therapie, die sie ihren Patienten empfehlen. Denn gibt es Probleme an einer spezifischen Stelle, empfehlen sie dieses oder jenes Medikament, auf dass der Apparat genau dort wieder rundläuft. Doch so einfach funktioniert der Mensch leider nicht! Da unser Körper in Organsystemen organisiert ist, die in vielfältigen Wechselbeziehungen miteinander interagieren, helfen Medikamente nur in den seltensten Fällen auf Dauer. Da sie meist nur die spezifischen Beschwerden, selten aber die systemische Ursache dahinter beheben.
Es ist wie mit den Straßen: Sobald der Baumeister einer Stadt ein Schlagloch geschlossen hat, bemerkt er ein neues, das gerade aufgebrochen ist – weil das Ausbessern des einen nichts an der grundsätzlich miesen Qualität des Asphalts ändert. Ganz ähnlich folgt auf eine Baustelle im Körper zuverlässig die nächste – einfach weil es im System hakt.
Wer gesund werden oder es bleiben will, muss daher lernen, vor allem die Auslöser zu beheben. Übergewicht ist dabei die Ursache, die hinter den allermeisten Zivilisationskrankheiten steckt – da es sämtliche Organe in Mitleidenschaft zieht und deren Funktionsfähigkeit langfristig erheblich einschränkt oder gar komplett zerstört. Wie etwa beim Diabetes: Ist der Blutzuckerspiegel konstant zu hoch – was bei vielen Übergewichtigen der Fall ist –, muss die Bauchspeicheldrüse derart viel Mehrarbeit leisten, dass sie irgendwann erschöpft ist und kaum noch Insulin produzieren kann. Jetzt Insulin zu spritzen hilft natürlich für den Moment – ändert aber am Grundproblem nichts.
Entsprechend bringt es in Sachen Abnehmen so gut wie gar nichts, das Übergewicht mit Medikamenten wie etwa Fettblockern anzugehen. Abgesehen von der geringen Wirksamkeit dieser Mittel (siehe >), erreichen Sie die Wurzel des Übels mit solchen Pillen nie. Ein nachhaltiger Gewichtsverlust gelingt nur, wenn Sie systemisch denken lernen: also wirklich begreifen, welche Organsysteme bei uns im Körper wie miteinander in Beziehung stehen, welche Prozesse Übergewicht befördern – und welche umgekehrt eine gesunde Figur begünstigen. Wissen Sie darüber Bescheid, hat dies vor allem zwei Vorteile:
1. Sie werden Ihren Körper nie wieder als Feind betrachten, gegen den Sie ankämpfen müssen. Sondern als das, was er ist – ein Partner, den Sie hegen und pflegen sollten und der Ihnen diese Fürsorge dankt, indem er zuverlässig so arbeitet, dass Sie sich dauerhaft wohlfühlen und leistungsfähig sind. Dann kann auch das so wichtige Prinzip der Selbstheilung am besten wirken.
2. Sie werden in der Lage sein, die Geschwindigkeit und Effektivität zu beeinflussen, mit der Sie Gewicht verlieren: einfach weil Ihnen klar ist, an welchen Stellen im Körper ungenutztes Abnehmpotenzial verborgen liegt – und wie Sie dieses für sich nutzen können.
Begleiten Sie mich nun also auf eine Reise durch unseren Körper, um zu entdecken, was genau unsere Organe brauchen – und was nicht! Auf dass Sie sich anschließend Gehirn, Leber und Co. zu wirkmächtigen Komplizen machen können für das Vorhaben, ein letztes Mal abzunehmen und das gesunde Gewicht zu halten.
Das erste und wichtigste Organ, dem ich mich widmen möchte, haben die meisten Abnehmwilligen überhaupt nicht auf dem Zettel: unser Gehirn. Es ist – relativ betrachtet – unser größter Energiefresser. Denn obwohl das Organ nur etwa zwei Prozent unseres Körpergewichts ausmacht, verbraucht es etwa ein Viertel der Energie, die wir im Ruhezustand verbrennen. Zwar lässt sich diese Rate nicht mit erhöhter geistiger Aktivität steigern, auch nicht mit zehn Sudokus der schwierigsten Kategorie. Indirekt jedoch können wir unser Gehirn zum potentesten Schlankkraftwerk überhaupt machen.
Der Grund: In unserem Oberstübchen entscheidet sich die Frage, wie gut oder schlecht wir uns fühlen. Und nur ein zufriedener Geist ist in der Lage, bewusst mit all den Versuchungen des Alltags umzugehen, seine Ernährung langsam und genussvoll umzustellen – und nicht jeden Tag aufs Neue zu versuchen, mit ungesundem Essen weniger gute Gefühle zu betäuben. Darüber hinaus wirkt die Psyche nachgewiesenermaßen auf alle Organe ein – Forscher konnten inzwischen zeigen, dass unsere Stimmung sogar die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst. Damit bilden Gehirn und Psyche nicht nur die Basis jeder gelungenen Selbstheilung, sondern auch einer nachhaltig erfolgreichen Gewichtsreduktion.
Unsere Gemütslage beruht dabei auf einem hochkomplexen Mix aus Botenstoffen, die im Gehirn wirken – wie etwa Serotonin und Dopamin. Das Gute: In welche Richtung hin die Schaltzentrale im Oberstübchen unsere Stimmung einpegelt, können wir über vier Wege ein gutes Stück weit mitbeeinflussen und damit zugleich die Erfolgsaussichten für eine Ernährungsumstellung deutlich steigern.
Es gibt jede Menge Lebensmittel, die unseren Körper bei der Produktion stimmungsaufhellender Botenstoffe unterstützen – beispielsweise indem sie Bauteile liefern, die der Körper mitunter nicht selbst herstellen kann, wie etwa essenzielle Fettsäuren, Mineralstoffe, Vitamine und die Aminosäure Tryptophan.
Den positiven Effekt einer Ernährung, die reich an solchen Mood Foods ist, spürt jeder, der sie über ein paar Wochen durchhält. Auch wird er durch immer mehr Studien belegt, wie zum Beispiel eine – zugegebenermaßen eher kleine – Untersuchung australischer Forscher.
Die Wissenschaftler stellten die Ernährung von 33 Menschen um, die an einer schweren Depression litten und dagegen Medikamente erhielten, einige machten gleichzeitig eine Psychotherapie.
Die Probanden sollten nach Studienbeginn gesund-mediterran essen, also viel Gemüse konsumieren, dazu Hülsenfrüchte, Obst, Fisch, Nüsse und wertvolle Öle – und auf Wurst, Fleisch sowie Fertig- und Weißmehlprodukte so weit wie möglich verzichten. Das Ergebnis nach drei Monaten: Die Stimmung hatte sich bei fast allen Teilnehmern gebessert, jeder dritte Proband erfüllte die Kriterien einer schweren Depression nicht mehr.
Die Wirkmacht einer gesunden Ernährung im Hinblick auf die Psyche zeigte außerdem eine Langzeitstudie mit 3500 Teilnehmern mittleren Alters. Sie ergab: Wer sich ausgewogen ernährte, hatte ein um 25 Prozent niedrigeres Risiko, in den folgenden fünf Jahren eine Depression zu entwickeln. Jene Teilnehmer dagegen, die sich eher ungesund ernährten und dabei regelmäßig ultraverarbeitete Lebensmittel konsumierten, erkrankten sehr viel häufiger daran: Ihr Depressionsrisiko stieg um knapp 60 Prozent.
Diese Ergebnisse sind deshalb so brisant, weil unsere psychische Verfasstheit eng mit dem Gewicht korreliert: Depressionen und depressive Verstimmungen bilden einen wichtigen Risikofaktor für Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herzinfarkt.
Haferflocken, Weizenkleie, Lein- und Chiasamen, Quinoa, Hühnchen, Thunfisch, Lachs, Austern, Eier, Leinöl, Walnüsse, Cashewkerne, Erdnüsse, Blattspinat, Bohnen, Mangold, Petersilie, Algen, Paprikaschoten, Linsen, Sojabohnen, Beeren, Sauermilchprodukte, Kurkuma, Kaffee, Bitterschokolade (mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil).
Auch wenn wir es uns nur sehr selten oder gar nicht bewusst machen: Kaum ein Bereich unseres Lebens ist derart religiös aufgeladen wie die Ernährung. Und zwar vor allem mit der katholischen Vorstellung, wonach wir Menschen qua Geburt Sünder sind und Buße tun sollten. Diese Idee gelangt selbst bis an den Esstisch der überzeugtesten Atheisten. Denn auch diese sprechen häufig ganz selbstverständlich davon, mal wieder »gesündigt« zu haben, wenn sie eine Tafel Schokolade einfach aufessen mussten oder einen sonntäglichen »Sündentag« eingelegt haben, an dem alle ernährungsspezifischen Gebote keine Gültigkeit hatten.
Das Üble: Solches Sprechen (und Denken) setzt sich fest – und zwar auf schädliche Weise: Wir fühlen uns dann jedes Mal schuldig, wenn wir etwas vermeintlich Ungesundes essen oder ein Lebensmittel, das auf unserer persönlichen beziehungsweise von außen vorgegebenen Verbotsliste steht (etwa im Rahmen einer Diät). Außerdem spüren wir Scham darüber, mal wieder nicht selbstdiszipliniert genug gewesen zu sein, um so zu essen, wie es unserer Figur guttäte. Entsprechend hat sich auch in der Gesellschaft das Märchen vom Dicken durchsetzen können, der sich »einfach nicht im Griff« hat. Das so Fatale an dieser Schulderzählung: Sie verringert das Selbstwertgefühl Übergewichtiger enorm. Und wer sich schlecht fühlt, neigt dazu, die negativen Emotionen mithilfe von Essen auszugleichen (siehe >). Dieses emotionale Essen verstärkt Übergewichtsprobleme weiter – und damit wiederum die Selbstverurteilungen. Besonders schlimm: Sogar viele Ärzte glauben an die Legende von der mangelnden Selbstdisziplin Übergewichtiger. Damit verstärken sie das Problem – und befördern die allgegenwärtige Stigmatisierung von Adipositas-Patienten.
Dabei ist die Wissenschaft längst weiter. Denn Forscher wissen inzwischen: Immer allen Versuchungen zu widerstehen ist absolut unmöglich – weil schlicht wider unsere menschliche Natur. Selbstdisziplin ist eine Fähigkeit, die unser Gehirn sehr viel Energie kostet. Setzen wir sie allzu oft ein (was wir müssen, wenn wir Diät halten), machen wir uns das Gehirn zum Feind. Es wird dann mit aller Macht – erfolgreich! – versuchen, uns auf den Pfad der alten ungünstigen Verhaltensweisen zurückzuführen: schlicht weil es als Organ evolutionär darauf programmiert ist, den Weg des geringsten Widerstands (und der Gewohnheit) zu gehen.
Aus diesem Grund sollten Sie sich immer wieder vor Augen führen: Übergewicht ist keine Frage von »Schuld« und mangelnder Selbstdisziplin. Im Gegenteil! Nur eine Ernährungsumstellung, die Ihre Gewohnheiten sowie Ihre persönliche Prägung beachtet (siehe >), die sehr langsam vonstattengeht und Ihnen Genuss bereitet, kann dauerhaft gelingen. Denn dann wollen Sie am Ball bleiben – und erfahren so regelmäßig Erfolgserlebnisse: Sie bemerken, dass Sie, Sie ganz persönlich, in der Lage sind, etwas zu verändern. Und allein dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit ist es, das uns in ausreichendem Maße motiviert, um langfristig ein gesundes Essverhalten aufzubauen. Wenn Sie also diese Gedanken anstelle der Schuldidee verinnerlichen, machen Sie sich Ihr Gehirn zum Freund – und werden Ihr Abnehmvorhaben besser gelaunt und erfolgreicher durchziehen!
Verbote funktionieren nicht. Punkt. Aus. Die Gründe sind vielfältig, einer ist psychologischer Natur: Tabus beschneiden unsere Freiheit, sorgen für Druck – und erzeugen auf diese Weise Reaktanz. Mit diesem Begriff bezeichnen Psychologen eine Art Trotzreaktion, mit der wir uns die genommene Freiheit zurückerobern wollen. Hinzu kommt: Der Gedanke an Süßes verschwindet nicht, wenn wir versuchen, ihn zu unterdrücken. Im Gegenteil: Geben wir alles, um genau NICHT an Schokolade zu denken, kommt sie uns umso häufiger in den Sinn. Verbote bringen also nichts außer einem gesteigerten Verlangen nach den tabuisierten Lebensmitteln – und in der Folge zusätzliche Pfunde.
Trotzdem basieren die allermeisten Diäten bis heute auf Verbotslisten. Selbst in der professionellen Ernährungsberatung haben sie über Jahre hinweg die dominierende Rolle gespielt. Zumindest Letzteres hat sich inzwischen geändert: Bei der Lebensmittelauswahl, die Ernährungsberater und Patient gemeinsam vornehmen, liegt der Fokus nicht mehr auf dem, was Übergewichtige essen sollen und was nicht, sondern welche gesunden Lebensmittel sie mögen. Denn nur wenn Menschen spüren, dass eine Ernährungsweise ihnen Genuss bereitet und damit Spaß macht, belohnt das Gehirn die entsprechenden Verhaltensweisen mit einem ordentlichen Ausstoß von Dopamin. Und das wiederum ist der Forschung zufolge eine Voraussetzung dafür, dass wir langfristig auch tatsächlich gesunde Gewohnheiten ausbilden und dauerhaft etablieren können.
Doch aller Wissenschaft zum Trotz – in der Praxis stehe ich vor der immer gleichen Herausforderung: Übergewichtige Patienten sind derart an Verbote und die Vorstellung gewöhnt, dass allein sich zu geißeln den Gewichtsverlust garantiert, dass sie stets nach Lebensmitteltabus oder restriktiven Rezeptvorschriften verlangen. Nur was wehtut, kann wirken – je krasser, desto besser. So lautet die Erzählung, die ähnlich viele Anhänger hat wie die »Dicke sind selbst schuld«-Legende.
Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass auf solchen Verbotsmechanismen auch beinahe alle modernen kulinarischen Ersatzreligionen fußen – vom Veganismus, bei dem nur pflanzliche Lebensmittel erlaubt sind, bis hin zur strengeren Variante der »Frutarier«, die nur das essen, was von der Pflanze gefallen ist, diese also freiwillig hergegeben hat. Solche strikten Einschränkungen des Speiseplans werden meist moralisch aufgeladen – und dann von einigen, die dieser ernährungsspezifischen Glaubensrichtung folgen, mit missionarischem Eifer verbreitet.
Langfristig führt so etwas nur zu Frust und schlechter Stimmung. Daher lautet meine einzige strikte Vorgabe an Sie: Tabus sind tabu! Gesunde Ernährung ist zu wichtig, als dass wir dieses Thema religiösen Dogmatikern überlassen sollten. Befreien Sie sich vom Gedanken, dass Lebensmittel per se schlecht sein könnten – und Sie ein Sünder sind, wenn Sie dem Verlangen nach einem fetten Steak, nach Schokolade oder Pommes frites mal nachgeben. Alle Nahrung ist grundsätzlich in Ordnung – auch hier gilt das schlichte Diktum von Paracelsus: »Die Dosis macht das Gift!«
Alle Erklärungen zu den bislang vorgestellten Möglichkeiten, das Gehirn zum Schlankkraftwerk zu machen, haben bereits deutlich gezeigt: Die Psychologie spielt in der Ernährungsmedizin seit einigen Jahren eine immer größere Rolle. Experten beider Disziplinen arbeiten mittlerweile häufig zusammen: eine Entwicklung, die ich entschieden begrüße – auch in meiner Praxis beschäftige ich einen Verhaltenstherapeuten. Da Essen, wie in Kapitel 2 dargestellt, weit mehr bedeutet als Nahrungsaufnahme, ist es für eine gute ernährungsmedizinische Beratung unerlässlich, den gesamten Menschen in den Blick zu nehmen, mit all seinen Gefühlen und Ritualen. Als besonders hilfreich im Hinblick auf den Versuch, gesündere Verhaltensweisen zu etablieren, haben sich in der Praxis vor allem die Erkenntnisse der sogenannten Positiven Psychologie erwiesen.
Unter Positiver Psychologie verstehen Experten die »Wissenschaft optimaler menschlicher Leistungsfähigkeit«. Leistungsfähig zu sein bedeutet dabei allerdings nicht, optimal zu funktionieren, sondern das eigene Potenzial ausschöpfen zu können – im Hinblick auf die Biologie genauso wie auf persönliche und gesellschaftliche Beziehungen. Der Positiven Psychologie geht es nicht darum, Menschen dazu anzuregen, ausschließlich positiv zu denken und Negatives auszublenden, sondern darum, das Verständnis positiver Emotionen zu vertiefen. Und so zu erkennen, dass Wohlbefinden durch eine innere Haltung entsteht, durch eine persönliche Einstellung zum Leben. Das Ziel der Positiven Psychologie: die Lebensqualität von Menschen verbessern und Krankheiten vorbeugen, die drohen, wenn Menschen ihr Leben als wert- und sinnlos wahrnehmen. Dabei helfen sollen: positive Erlebnisse, die Ausübung positiver Eigenschaften und Charakterstärken sowie die Eingebundenheit in positive Gemeinschaften wie Familie und Kollegium. All dies bewirkt den Experten zufolge eine gesteigerte Zufriedenheit sowie Glücksempfinden, Optimismus und Hoffnung.
Eine Einsicht dieser Fachrichtung, die ich für besonders wichtig halte: Positive Emotionen wie Freude und Dankbarkeit sind sehr viel diffuser als negative – und bleiben öfter unbemerkt. Dabei erweitern gerade sie unser Denken, führen zu mehr Flexibilität und kreativeren Lösungen. Welchen günstigen Einfluss positive Emotionen konkret auf den Versuch haben, gesunde Verhaltensweisen zu entwickeln, konnte die Forschung bereits für den Bereich der Bewegung zeigen. Der Mechanismus dahinter ist simpel: Wer positive Gefühle verspürt, während er ein gesundes Verhalten zeigt, motiviert sich damit unbewusst, dieses Verhalten zu wiederholen.
Außerdem sorgen die positiven Emotionen dafür, dass Menschen vermehrt biologische, kognitive, psychologische und soziale Ressourcen aufbauen – und das wiederum verstärkt die Wirkung der erlebten positiven Gefühle während des günstigen Verhaltens.
Bezogen auf die Ernährung bedeutet dies: Was sich angenehm anfühlt, das halten wir auch langfristig durch. Wenn wir es also schaffen, bewusster wahrzunehmen, wie wohl uns eine artgerechte Ernährung und Elemente wie gemeinsame Mahlzeiten tun, fällt es uns sehr viel leichter, diese Verhaltensweisen zu gesunden Gewohnheiten zu machen.
Ein entscheidendes Mittel ist dabei, über ein gesteigertes Genusserleben zu positiven Gefühlen zu finden. Dabei helfen neun Strategien:
Positive Erfahrungen und Genussmomente mit anderen teilen, etwa davon erzählen.
Genussvolle Erlebnisse mental »fotografieren« und somit innerlich abspeichern.
Nach einem gesunden Verhalten bewusst stolz auf sich sein und sich beglückwünschen.
Den Fokus auf nur einen einzigen Reiz lenken, andere ausblenden – und damit achtsamer genießen.
Das aktuelle Erlebnis mit anderen, negativeren Situationen und Gefühlen vergleichen.
Sich bewusst in einen schönen Moment hineingeben, also darin verweilen und sich nicht von etwas anderem ablenken lassen.
Freude oder Genuss bewusst ausdrücken, etwa durch Lachen oder Äußerungen wie »Ist das lecker!«.
Sich bewusst machen, dass ein schöner Moment flüchtig ist – um ihn auf diese Weise noch mehr zu genießen.
Dankbar sein.
Welche Wirkmacht es hat, wenn Menschen die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie in Sachen Ernährung anwenden, hat beispielsweise eine randomisiert-kontrollierte Studie von Forschern aus Hongkong gezeigt. Dort machten Psychologen einige Familien zunächst mit typischen Übungen der Positiven Psychologie vertraut. Diese sollten die Teilnehmer der Interventionsgruppe anschließend während der Mahlzeiten anwenden. Sie sollten also beispielsweise freudige Momente bewusst wahrnehmen, die Freude über eine gesunde Mahlzeit anderen mitteilen, Dankbarkeit den Familienmitgliedern gegenüber ausdrücken und die gemeinsame Zeit am Tisch bewusst wertschätzen. Das Ergebnis nach drei Monaten: Bei den Studienteilnehmern waren nicht nur die physiologische und mentale Lebensqualität sowie die subjektive Wahrnehmung von Glück gestiegen, sondern zugleich auch die Motivation, sich gesund zu ernähren!
All das zeigt: Unsere Psyche ist unser hilfreichster Unterstützer bei einem Abnehmvorhaben – wenn wir sie nur lassen. Mein persönlicher Favorit aus allen Maßnahmen: das Dankbarkeitstagebuch. Wenn Sie jeden Abend auf einem Zettel oder in einem Journal drei Dinge notieren, für die Sie an diesem Tag dankbar sind, werden Sie positiver gestimmt ins Bett gehen – und aufwachen. Ich garantiere: Sie frühstücken dann sehr viel wahrscheinlicher (und genussvoller) einen Quark mit Beeren anstatt wie sonst ein Salamibrot.
Das Organsystem unserer Muskeln bietet ebenfalls ein riesiges Potenzial in Sachen Abnehmwirkung. Denn da Muskeln sehr viel Energie verbrauchen – deutlich mehr als etwa Fettgewebe –, haben trainierte Menschen einen höheren Kalorienverbrauch als untrainierte. Und zwar günstigerweise selbst im Ruhezustand: Jedes Gramm zusätzliche Muskelmasse steigert unseren Grundumsatz (siehe >).
Wie hoch der Extra-Verbrauch ausfällt, schwankt individuell zwar stark – beispielsweise je nach Geschlecht und Größe. Grob schätzen lässt er sich trotzdem: Ein durchtrainierter Mann verbrennt pro Woche circa 800 Kalorien mehr als ein untrainierter, eine sportliche Frau immer noch etwa 700 mehr als eine unsportliche Geschlechtsgenossin. Zugegeben, das klingt nicht nach sehr viel – und tatsächlich wurde der Einfluss von Sport auf die Figur auch lange überschätzt. Unterschätzen sollte ihn jedoch auch niemand: Denn Menschen, die sich an regelmäßiges Training gewöhnen, nehmen nicht nur leichter ab, es gelingt ihnen anschließend auch sehr viel besser als unsportlichen Menschen, nicht in die Jo-Jo-Falle zu tappen – und damit das neue, gesunde Gewicht zu halten.
Unser Körper verfügt insgesamt über gut 650 Muskeln. Die sogenannte »glatte Muskulatur« unterstützt unsere Organe bei der Arbeit, sorgt also beispielsweise dafür, dass der Darm kontrahieren kann. Diesen Typ Muskel können wir nicht steuern. Anders ist es bei den sogenannten »quergestreiften Muskeln« (oder »Skelettmuskeln«): Diese lassen sich von uns bewusst an- und entspannen. Sie bestehen aus drei verschiedenen Arten von Muskelfasern, die für unterschiedliche Bewegungen zuständig sind. Besonders interessant ist jener Typ, den wir bei hohen Belastungen benötigen und der sich etwa mit Gerätetraining stärken lässt: Diese Muskelfasern verbrennen in Ruhe deutlich mehr Energie als jene, die wir für Ausdauersport und schnelle Bewegungen benötigen.
»2 + 2 = fit« – diese Formel fürs sportliche Wochenprogramm gilt für alle, die ihre Muskulatur zum Schlankkraftwerk machen wollen. Das heißt: Zwei Ausdauereinheiten à 45 Minuten plus zwei Krafteinheiten à 30 Minuten pro Woche sollte sich jeder von uns als Pensum vornehmen – mindestens. Wer jeweils nur einmal pro Woche Ausdauer und Kraft trainiert, kann maximal seinen muskulären Status halten, nicht aber neue Muskeln aufbauen.
Gut geeignet als Ausdauertraining: Joggen (für nur leicht übergewichtige Menschen und solche ohne Gelenkbeschwerden), Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, Spinning, Boxen.
Gut geeignet als Krafttraining: Gerätetraining, Functional Training (Übungen mit dem Eigengewicht wie Liegestütze und Kniebeugen), Crossfit, Pole-Dance, Turnen, Ringen, Judo.
Am wichtigsten für die Auswahl der Sportart ist jedoch: Das beste Training ist jenes, welches Ihnen wirklich Spaß bringt! Wenn Sie sich also nur deshalb aus der obigen Liste eine Sportart aussuchen, weil ich diese als besonders wirkungsvoll empfehle, Sie aber viel lieber Tischtennis spielen, dann wird das Training für Sie nie zur gesunden Gewohnheit werden – einfach weil unser Gehirn, wie bereits gesehen, keine Handlung mit einem Dopaminausstoß belohnt, zu der wir uns zwingen müssen. Die Folge: Sie würden sich nach dem Sport nie so gut fühlen, wie es bei Ihrer Lieblingsdisziplin der Fall wäre.
Daher gilt: Die Hauptsache ist, Sie kommen überhaupt in Bewegung. Einzig das Krafttraining sollten Sie als verpflichtend betrachten. Für den Anfang würde bei untrainierten Menschen bereits eine halbe Stunde alle drei Tage genügen, um neue Muskeln aufzubauen. Besonders aufwandsbefreit und ähnlich effektiv wie Gerätetraining: Übungen mit dem eigenen Körpergewicht.
Überdies wichtig: Versuchen Sie – ganz im Sinne der Positiven Psychologie – Sport regelmäßig zusammen mit anderen zu treiben. Denn Bewegung in der Gemeinschaft bringt mehr Spaß und stabilisiert zudem gesunde Gewohnheiten. Wenn Sie es dann noch schaffen, im Freien, insbesondere im Wald, zu trainieren, erhöhen Sie die stressabbauende Wirkung von Sport zusätzlich. Dieser Effekt beruht auf einem Erbe aus der Urzeit: Für unsere Ahnen bedeutete Wald Sicherheit und Nahrung – im Gegensatz zur Steppe, die sich mit unseren heutigen Betonwüsten vergleichen lässt. Die größere Entspannung hilft dabei nicht nur der Seele, sondern auch der Figur: Denn je geringer unser Stresslevel, desto besser nehmen wir ab!
Viele Trendsportarten wie Pilates und Yoga sind zwar äußerst günstig für den Körper, weil sie die Beweglichkeit schulen und auch in geringem Umfang helfen, Muskeln aufzubauen. Echtes Krafttraining ersetzen sie jedoch nicht. Wer abnehmen und ein neues Gewicht halten will, sollte die Yoga-Einheit daher eher als Entspannungs- denn als Krafteinheit betrachten – und keinesfalls dafür die Arbeit an den Geräten ausfallen lassen.
Übergewichtige Hypertonie-Patienten sollten besonders langsam einsteigen – und auf intensives Krafttraining erst einmal verzichten. Ideal geeignet für Betroffene sind Schwimmen, Nordic Walking und Radfahren. Bei einem Blutdruck von mehr als 160/95 mmHg sollten Sie sich zunächst auch das Ausdauertraining sparen, versuchen, die Werte medikamentös einzustellen – und über die Ernährung abzunehmen. Denn jedes verlorene Kilo senkt den Blutdruck zusätzlich, sodass bald auch Sie mit dem Sport beginnen und noch effektiver Gewicht verlieren können!
Je mehr ein Mensch wiegt, desto schwerer fällt ihm buchstäblich jeder Schritt. Daher sollten Sie – insbesondere, wenn Sie auf einem hohen Gewichtsniveau mit dem Abnehmen beginnen –, die Sporteinheiten langsam einschleichen. Unser Körper braucht drei bis vier Wochen, um sich an die neuen Belastungen zu gewöhnen, vom Herz-Kreislauf-System bis hin zu den Sehnen. Hinzu kommt: Die Muskeln versuchen zunächst, vorhandene Fasern besser zu nutzen, anstatt neue aufzubauen. Sollten Sie anfangs also bereits nach zwei oder drei Minuten richtig aus der Puste sein, ist das ein komplett normaler Vorgang – und kein Zeichen dafür, dass »Sport einfach nichts ist« für Sie, wie ich es in der Praxis immer wieder von Patienten höre.
Nach dieser schwierigen Anfangsphase bemerken untrainierte Menschen zum Ausgleich die schnellsten Fortschritte. Denn ab etwa Woche vier setzt die sogenannte Hypertrophie ein: Die Muskeln stoßen durch die wiederholten Sporteinheiten an ihre Grenzen, da der Trainingsreiz größer ist als das, was sie zu leisten vermögen – in Reaktion darauf bildet der Körper neue Sarkomere, die die kleinsten Funktionseinheiten der Muskeln darstellen. Zugleich wird die Zellteilung angeregt. Beides vergrößert den Durchmesser der Muskelfasern – die Muskelmasse nimmt zu.
Sie sind bereits ordentlich in Bewegung gekommen? Dann ist jetzt der Moment, das Schlankkraftwerk der Muskulatur noch ein wenig mehr anzuheizen. Mit diesen drei Strategien gelingt es leicht:
Vormittags sind wir am leistungsbereitesten – und stemmen etwa beim Hanteltraining das ein oder andere Kilo mehr als zu später Stunde. Ausdauersport am Morgen und auf nüchternen Magen trainiert zudem den Fettstoffwechsel ideal: Denn über Nacht hat der Körper die Kohlenhydratspeicher geleert und nutzt verstärkt Fettreserven, um die nötige Energie für die Bewegung zu gewinnen. Zusätzlich erzielen Sie auf diese Weise noch einen tollen Anti-Aging-Effekt! Denn wenn wir über mindestens zwölf Stunden hinweg fasten und ausreichend Sport treiben, regt dies gleich doppelt die körpereigene Produktion von Spermidin an. Diese Substanz steuert den Selbstreinigungsmechanismus des Körpers, die sogenannte »Autophagie« – und mildert Alterungsprozesse ab. Lassen Sie sich also ruhig ein paar Minuten Zeit, ehe Sie nach dem Sport frühstücken.
Mythos, leider. Zwar stimmt es, dass Menschen, die langfristig Gewicht verlieren wollen, ihren Ernährungs- und Lebensstil in eher kleinen Schritten umstellen sollten, um langfristig durchzuhalten. Allerdings: In Sachen Bewegung dürfen die Veränderungen nicht zu gering sein, um einen Effekt zu zeigen.
Die These, wonach sich beim Abnehmen schon winzige neue Gewohnheiten (»täglich auf der Arbeit einmal die Treppe statt den Lift nehmen«) auf lange Sicht zu einem großen Effekt summieren, basiert auf der sogenannten 3500-Kalorien-Regel. Sie besagt: Wer eine solche Menge Energie einspart oder zusätzlich verbrennt, verliert rund ein halbes Kilo Gewicht.
Würde diese Gleichung stimmen, müssten Menschen, die mithilfe eines Spaziergangs jeden Tag 100 Kalorien mehr verbrennen, in fünf Jahren spektakuläre 26 Kilo abnehmen. Tatsächlich aber beträgt der Gewichtsverlust gerade einmal 4,5 Kilo.
Die Erklärung: Zum einen stammt die 3500-Kalorien-Regel aus einer – alten – Studie, bei der männliche Probanden in Kurzzeit-Versuchen nur 800 Kalorien zu sich nehmen durften. Unter diesen Bedingungen hat Bewegung eine deutlich drastischere Wirkung als im normalen Alltag. Hinzu kommt: Unser Grundumsatz sinkt, wenn wir abnehmen, und dadurch verlangsamt sich der Gewichtsverlust.
Das heißt nun jedoch nicht, dass Abnehmwillige weiter den Aufzug nehmen sollten. Im Gegenteil: Nur wer sein alltägliches Aktivitätslevel deutlich erhöht, kann effektiv Gewicht verlieren – und es langfristig auch niedrig halten. Doch dafür braucht es neben den Treppen eben auch den Bummel zum Supermarkt, die Fahrradtour ins Büro und das abendliche Krafttraining.
Nehmen Sie mindestens zwei Stunden vor dem Sport nichts mehr zu sich – und spätestens eine Stunde nach dem Training eine ausgewogene Mahlzeit. Diese sollte möglichst wenig Kohlenhydrate enthalten, dafür ausreichend Eiweiß – etwa 30 bis 40 Gramm. Haben Sie sehr hart trainiert oder sind ein passionierter Ausdauersportler, darf der Kohlenhydratanteil etwas größer ausfallen. Der Grund für das enge Zeitfenster: In der ersten Stunde nach einer Sporteinheit baut der Körper Muskeln am effektivsten auf.
Wer stets das Thema »Energiebilanz« im Kopf hat, kann mithilfe von Sport besonders effektiv abnehmen. Ein Beispiel: Sie wissen, dass Sie abends bei Freunden eingeladen sind und dort eine große Portion Pasta essen werden. Wenn Sie Ihr Training kurz vor das Treffen legen und die Einheit intensiv gestalten, sorgen Sie nicht nur für einen angemessenen Kalorienpuffer – und verhindern so, dass die mutmaßlich üppige Mahlzeit auf die Hüften schlägt. Sie leeren zudem aktiv die Kohlenhydratspeicher Ihres Körpers: Dieser muss die Zuckerstoffe aus der Pasta dann nutzen, um die Reserven aufzufüllen – und kann sie nicht in Speicherfett umwandeln.
Beim Joggen immer wieder mal sprinten, beim Radeln regelmäßig einen Berg nehmen und beim Schwimmen eine Bahn im Schnelltempo kraulen: Wer grundsätzlich gesund ist, sollte während des Ausdauertrainings den Puls ab und an ordentlich hochjagen. Dadurch erhöht sich der Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent, zudem trainieren die hochintensiven Sporteinlagen jene Muskelfasern, die für schnelle Bewegungen zuständig sind. Besonders wichtig ist dies für ältere Menschen – denn bei ihnen nimmt die Fähigkeit zu schnellen Bewegungen sowie die Stand- und Gangstabilität ab. Genau diese Fähigkeit ist jedoch wichtig, um Stürze zu vermeiden.
Wer diese beiden Organe zu Schlankkraftwerken machen will, muss lediglich verstehen, wie genau wir ihnen schaden, wenn wir uns falsch ernähren – falsch im Sinne von unpassend für unsere moderne Überflussgesellschaft. Anschließend an ein paar Stellschrauben zu drehen sorgt dafür, dass Leber und Bauchspeicheldrüse wieder so arbeiten können, wie sie es sollen. Und das genügt bereits, damit uns beide Organe beim Abnehmen unterstützen.
Übergewichtige Menschen nehmen in den allermeisten Fällen nicht (oder nicht nur) zu viele Fette zu sich, sondern vor allem eine zu große Menge an leeren Kohlenhydraten (siehe >) – sie essen also deutlich mehr Pasta, Brot und Süßigkeiten, als der Körper verträgt.
Denn: Wenn wir die schnell verfügbare Energie, die uns Zuckerstoffe bereitstellen, nicht direkt verbrennen, wandelt die Leber einen Großteil von ihnen in Fett um. Und das wiederum landet zunächst vor allem in der Leber selbst und den Speicherzellen am Bauch. Gleichzeitig erhöhen sich die Blutfettwerte. Unserem Körper schadet also nicht das Olivenöl im Salat, sondern das Brot, das es dazu gibt – und die anderen klassischen Beilagen.
Die übelste Konsequenz der Kohlenhydratschwemme: Langfristig lagert sich das daraus gebildete Speicherfett nicht nur in der Bauchhöhle an – sondern auch in den Organen. Und zwar allen. Zunächst verfettet die Leber, weshalb etwa 85 Prozent aller stark Übergewichtigen und Diabetiker an einer nichtalkoholischen Fettleber leiden. Diese kann im Extremfall auf die doppelte Größe anwachsen und funktioniert dann kaum noch. Besonders empfindlich reagiert außerdem die Bauchspeicheldrüse: Schon zwei Prozent zusätzliche Fetteinlagerung schwächen die hormonproduzierenden Betazellen! Anschließend verfetten nach und nach alle weiteren Organe – und büßen dadurch ebenfalls an Leistungsfähigkeit ein.
Wie stark Leber und Bauchspeicheldrüse miteinander verbunden sind und wie sehr dieses Gespann unter einer zu hohen Kohlenhydratzufuhr leidet, hat insbesondere der Diabetologe Roy Taylor erforscht. Seine bahnbrechende »Twin-Cycle-Theorie« (auch: »Doppel-« oder »Zwillings-Zyklus« genannt) hat das Denken in der Ernährungsmedizin stark verändert. Die Theorie beschreibt den Teufelskreis unheilvoller Wechselwirkungen, die auftreten, sobald die Leber zu verfetten beginnt. Sie schüttet dann beispielsweise ein schädliches Protein aus, Fetuin-A, das zu einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse führt: Dadurch kann das Organ schlechter arbeiten. Zugleich aber muss es aufgrund des hohen Blutzuckerspiegels infolge der großen Kohlenhydratmenge immer mehr Insulin produzieren. Weil auf diese Weise dauerhaft viel von diesem Hormon im Blut schwimmt, kommt es zu einer Insulinresistenz: Der Körper reagiert weniger sensibel auf den Botenstoff und schleust Kohlenhydrate nicht mehr so effektiv in die Zellen. Damit steigt der Blutzucker weiter, der Fettstoffwechsel sowie die Blutfettwerte verschlechtern sich immer stärker. Durch diesen Teufelskreis verfettet die Leber zunehmend und die Auswirkungen auf die Bauchspeicheldrüse sind bald so groß, dass diese chronisch überlastet ist – und die Betazellen des Organs nur noch sehr wenig oder gar kein Insulin mehr herstellen können. Dies verschärft sämtliche Probleme weiter und zieht andere Organe in Mitleidenschaft.
In aller üblen Kürze: Eine Fettleber bedeutet Sand im Getriebe! Statt Kohlenhydrate effektiv zu verbrennen und auch Fett zur Energiegewinnung heranzuziehen, lagert der Körper durch die Funktionseinbußen von Leber und Bauchspeicheldrüse immer mehr davon ein. Die Betroffenen werden stetig dicker, viele beklagen durch das vergrößerte Organ einen Oberbauchdruck – und bekommen beinahe zwangsläufig Diabetes.
Darüber hinaus sind die Folgen auch psychisch spürbar: Da ihr Stoffwechsel nicht so funktioniert, wie er soll, fühlen sich Fettleber-Patienten chronisch müde, energie- sowie antriebslos und können sich nur schwer konzentrieren. Die Leber ist eben eine Art Industriegebiet unseres Körpers: Das meiste, was wir brauchen, wird dort hergestellt und recycelt. Wenn die Leberzellen im Fett ersticken und langsam zugrunde gehen, bleiben die Regale im Supermarkt irgendwann leer. Das erklärt die Schwäche und Müdigkeit.
Alles zusammengenommen führt dazu, dass Fettleber-Patienten sich im Alltag weniger bewegen und kaum noch zum Sport aufraffen können – was für zusätzliches Übergewicht sorgt und damit alles weiter verschlimmert.
Das Gute: Wer nicht zu lange damit wartet und der Leber das überflüssige Fett wieder entzieht, kann damit den Teufelskreis durchbrechen, seinen Stoffwechsel zurück in die Spur bringen – und dafür sorgen, dass sich die Bauchspeicheldrüse erholt. Während es keine Medikamente gibt, um die Leber zu entfetten, zeigen Studien deutlich die Wirkmächtigkeit einer angepassten Ernährung. Die folgenden Strategien können übrigens auch Diabetikern helfen, abzunehmen und sämtliche entgleisten Blutwerte zu normalisieren. Und das dauerhaft – natürlich nur unter der Bedingung, dass das Gewicht unten bleibt und Betroffene den fatalen Twin-Cycle nicht wieder anwerfen, indem sie erneut regelmäßig zu viele Kohlenhydrate, etwa aus Pasta, Brot und Co., aufnehmen.
Tragen Menschen zu viele Kilos mit sich herum, wirkt Fruktose noch belastender auf die Leber als bei Normalgewichtigen ohnehin schon. Denn im Gegensatz zu Glukose wird Fruchtzucker ohne Insulinbeteiligung direkt in der Leber verstoffwechselt – und dabei zum Großteil in Fettsäuren umgewandelt. Hinzu kommt: Nach dem Konsum von Fruktose setzt keine Sättigung ein, da diese die Signalwege von Satthormonen wie Leptin stört. Beides erhöht das Risiko, noch übergewichtiger zu werden und eine Fettleber zu entwickeln. Besteht diese Problematik bereits, wird sie durch zu viel Fruktose verschlimmert.
Das heißt: Je weniger Fruktose, desto besser! Besonders viel Fruchtzucker enthalten folgende Lebensmittel – diese sollten Sie bei Problemen mit Übergewicht so weit wie irgend möglich meiden:
Fertigprodukte (besonders Backwaren, Müslis, Diätprodukte mit dem Etikett »light« oder »für Diabetiker«); Gummibärchen
Limonaden, Säfte, »Wellness«-Getränke
sehr zuckerreiche Obstsorten wie Trauben, Bananen, Süßkirschen und Mangos
Wichtig: Bei verarbeiteten Produkten die Zutatenliste genau studieren! Denn konzentrierter Fruchtzucker versteckt sich auch hinter Substanzen mit anderem Namen. Dazu gehören etwa Maissirup (»Corn Syrup« oder »HFCS« genannt) und Agavendicksaft. Haushaltszucker (»Saccharose«) besteht zu 50 Prozent aus Fruktose, ebenso wie »Isoglukose«. Und Honig enthält immerhin noch bis zu 40 Prozent Fruchtzucker.
Eine pflanzenbasierte Ernährung aus möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln mit einem hohen Proteinanteil (etwa 30 Prozent der Tagesenergiemenge, idealerweise vor allem aus pflanzlichen Quellen), vielen guten Fetten und wenig Kohlenhydraten (um die 100 Gramm am Tag) – das hilft der Leber am meisten. Zudem sättigt eine solche Low-Carb-Ernährungsweise durch das viele Eiweiß und die reduzierte Kohlenhydratzufuhr sehr gut, weshalb Übergewichtige damit leichter abnehmen. Der Gewichtsverlust hilft der Leber dann zusätzlich: Mit jedem Kilo weniger sinkt der Insulinspiegel im Blut, dadurch steigt die Fettstoffwechselrate und es kommt zur vermehrten Auslagerung von Fett, das am Bauch und in den Organen sitzt. In der Folge nimmt die Leistung von Leber und Bauchspeicheldrüse langsam wieder zu – der Twin-Cycle wird durchbrochen.
Ähnlich günstig wie eine angepasste Ernährung sind die Wirkungen einer zeitlich begrenzten Nahrungskarenz. Wer ab und an höchstens 600 bis 850 Kalorien pro Tag zu sich nimmt (je nach Körpergröße und Geschlecht – große Männer dürfen etwas mehr essen), regt damit die Energiegewinnung aus Fett an und schenkt zudem der Bauchspeicheldrüse eine Auszeit. Der Insulinspiegel im Blut normalisiert sich – und das wiederum bildet eine gute Grundlage, um den langsamen Fettabbau in der Leber zu befördern. Ideal wären ein bis zwei Fastentage pro Woche, doch auch Mikrofasten bringt bereits etwas: Hierbei gilt es, zwischen den Mahlzeiten konsequent mindestens vier Stunden lang nichts zu essen.
Positive Nebeneffekte: Durch das Fasten reduziert sich der Anteil der ungünstigen Fette im Blut, zudem sinkt bei Hypertonie-Patienten der Blutdruck teils deutlich. Und natürlich verlieren Fastende auch Gewicht, sofern sie an den anderen Tagen ganz normal essen – idealerweise artgerecht – und so das erzielte Energiedefizit aufrechterhalten.
Wichtig zu wissen: Schon eine kurze Schlemmerphase, etwa über die Weihnachtsfeiertage, lässt den Leberfettgehalt messbar ansteigen – sogar bei Normalgewichtigen. Daher braucht das Organ zum Ausgleich regelmäßig magere Zeiten, um sich von dem Überschuss zu erholen.
Wer es schafft, diese drei Strategien dauerhaft zu verfolgen, wird den Erfolg körperlich wie psychisch spüren. Denn nicht nur das Organ-Duo Leber und Bauchspeicheldrüse, unser gesamter Körper ist dann wieder leistungsfähiger: Wir fühlen uns frischer, konzentrierter, antriebsgesteigert! Diese neue Vitalität motiviert dazu – das sehe ich in der Praxis immer wieder –, sich öfter und intensiver zu bewegen, was wiederum eine Gewichtsabnahme zusätzlich befördert und Leber wie Bauchspeicheldrüse weiter entlastet. Sie sehen: Diese beiden Organe gehören zu den effektivsten Schlankkraftwerken unseres Körpers – wenn wir sie behandeln, wie sie es verdienen.
Satt oder nicht satt – diese Frage ist zentral, wenn es ums Abnehmen geht. Bei der Antwort spielt unser Magen-Darm-Trakt die Hauptrolle. Denn hinter dem so angenehmen Sattgefühl stecken komplexe Mechanismen, die sich in beiden Organen abspielen. Etwa dieser: Ist unser Magen leer, produziert er jede Menge vom Hungerhormon Ghrelin, das uns zum Essen anregt. Sobald sich der Magen dagegen mit Nahrung füllt, nehmen bestimmte Rezeptoren in der Magenwand dies wahr und signalisieren dann dem Gehirn: »Es reicht, danke!«
Ein weiterer Prozess, der für ein Sattgefühl sorgt, läuft im Darm ab: Die Schleimhaut im Dünndarm produziert Hormone wie Cholecystokinin, Peptid YY und GLP-1, die beispielsweise die Magenentleerung verlangsamen und das Gefühl der Sättigung verstärken. Insbesondere bei Übergewichtigen sind diese Prozesse gestört. Hier aktiv gegenzusteuern ist wichtig. Denn unser Körper gewöhnt sich schnell an große Portionen – dies erschwert das Abnehmen.
Bestehen Lebensmittel etwa zur Hälfte aus Kohlenhydraten und zu einem Drittel aus Fett, setzt unser Körper alle normalen Sättigungsprozesse außer Kraft – in der Folge können wir futtern ohne Unterlass. Diese Fett-Zucker-Gier ist ein Programm, das uns die Evolution eingeprägt hat: Dank ihm konnten unsere Ahnen immer dann ordentlich zulangen, wenn sie, was selten geschah, einmal einen solchen Nährstoffmix zur Verfügung hatten. Heute jedoch begegnen uns entsprechende Produkte an jeder Ecke: Die Industrie weiß um unsere Fett-Zucker-Gier und entwickelt immer neue Artikel, die dieses Programm ansprechen und uns damit zum haltlosen Essen und Kaufen anregen. Daher gilt: Wer abnehmen will, sollte Chips, Vollmilchschokolade, Kekse, Pommes mit Majo und Ähnliches tunlichst gar nicht erst kaufen. Denn nur eine Handvoll Chips zu essen oder nur eine Rippe Vollmilchschokolade – das wird uns aufgrund unseres evolutionsbiologischen Erbes schlicht nie gelingen!
Ein großes Problem: Sättigungsprozesse brauchen Zeit. Da viele von uns jedoch eilig schlingen, gewähren wir dem Körper diese wichtigen Minuten häufig nicht. Wir essen zu schnell zu viel – und überdehnen damit unseren Magen. Passiert das immer wieder, zeigen die Mechanorezeptoren Sättigung irgendwann nur noch dann an, wenn wir eigentlich schon zu viel haben. Oft kommt es dazu bereits in der frühen Kindheit, wenn Eltern ihre Kinder nötigen, den Teller leer zu essen – anstatt sie auf die natürlichen Sättigungssignale des Körpers reagieren zu lassen.
Darüber hinaus haben die allermeisten Menschen mit zu vielen Kilos auf den Rippen einen gestörten Zuckerstoffwechsel: In dem Fall produziert der Dünndarm beispielsweise deutlich weniger GLP-1, weshalb Betroffene sehr viel schwieriger satt werden als gesunde Menschen.
Aus alldem ergibt sich: Wer es schafft, die Sattmechanismen wieder zu normalisieren und die entsprechenden Signale bewusst wahrzunehmen, macht sich den Magen-Darm-Trakt zum echten Unterstützer in Sachen Gewichtsverlust. Glücklicherweise gibt es dafür gleiche mehrere Ansatzmöglichkeiten:
Wie bereits in Kapitel 2 gesehen, essen wir häufig nicht deshalb, weil wir hungrig sind, sondern weil wir Appetit haben – etwa wenn uns der Chef geärgert hat und wir uns mit Keksen oder Schokolade trösten. Diesen hedonistischen Hunger vom echten trennen zu können bildet die Grundvoraussetzung für ein gesundes Sattempfinden.
Echter Hunger bedeutet, ein tatsächliches »Bedürfnis nach Essen« zu empfinden – und lässt sich leicht an Magenknurren festmachen, das länger als fünf Minuten anhält. Appetit dagegen lässt sich übersetzen mit »Lust auf Essen«, die durch etwas anderes ausgelöst wird als durch Energiemangel – durch den Gedanken an ein Eis etwa, den Duft aus einer Imbissbude oder eben durch ein Gefühl, das wir mithilfe von Nahrung dämpfen oder verstärken wollen.
Egal ob Wein oder Bier: Jeder Tropfen Alkohol macht es schwieriger, satt zu werden – denn er setzt appetitanregende Botenstoffe frei. Zudem sorgt Alkohol für einen Blutzuckeranstieg und kann damit Heißhungerattacken auslösen. Hinzu kommt, dass der Magen beim Genuss von alkoholischen Getränken mehr Säure produziert: Den Überschuss versucht unser Körper auszubalancieren, indem er uns zum Essen anregt – um so der Säure etwas zu geben, das sie verarbeiten kann.
Um ein Essen vorzuverdauen und erste Sattgefühle auszulösen, benötigt unser Körper, wie schon erwähnt, mindestens 20 Minuten. Daher sollten Sie sich mindestens eine knappe halbe Stunde für eine Mahlzeit reservieren. Falls Sie die nicht haben, hilft ein Trick: Nehmen Sie 20 Minuten vor der Mahlzeit eine gesunde Kleinigkeit zu sich, etwa ein, zwei Stück Rohkost – und trinken Sie dazu ein Glas Wasser. Das füllt den Magen vor und hilft Ihnen, sich auch nach einer anschließend eher hektisch eingenommenen Mahlzeiten angemessen satt zu fühlen.
Versuchen Sie, bei jedem Essen Lebensmittel mit verschiedenen Konsistenzen unterzubringen – das sättigt besonders gut. Flüssiges etwa füllt den Magen gut und aktiviert damit die Mechanorezeptoren. Allerdings ist eine Suppe so schnell vorverdaut, dass sie nicht lang genug im Magen verbleibt, um ausdauernd zu sättigen. Rohkost dagegen muss die Verdauung aufwendig aufspalten und verarbeiten – sie hat daher eine längere Verweildauer in den Organen. Wenn Sie also flüssige, weiche und eher harte Nahrung kombinieren, profitieren Sie von allen Vorteilen, die unterschiedliche Konsistenzen im Hinblick auf das Sattempfinden haben.
Das Gleiche gilt für die nährstofftechnische Zusammensetzung Ihrer Mahlzeiten. Hier sollten Sie insbesondere auf gesunde Eiweiße setzen: Steckt davon viel im Nahrungsbrei, regt das die Produktion unterschiedlicher Satthormone im Dünndarm an. Außerdem zeigte eine Studie mit 80 übergewichtigen und adipösen Probanden: Bei jenen Teilnehmern, die über acht Wochen hinweg ihre Nahrungsenergie zu 30 statt nur zu 15 Prozent aus Proteinen zogen, beherbergte der Darm am Untersuchungsende mehr Bakterien der günstigen Gattungen Akkermansia und Bifidobacteria – und weniger der ungünstigen Prevotella-Gattung. Auch hatte sich die Vielfalt der Darmflora generell erhöht.
Gesunde Fette helfen Magen und Darm ebenfalls: Polyphenole im Olivenöl etwa scheinen dafür zu sorgen, dass uns dieses besonders gut sättigt. Zudem verzögert Fett insgesamt die Magenentleerung.
Ein ideales Mittagessen könnte also so aussehen: vorweg eine kleine Suppe oder einen Salat mit einem Schuss Oliven- oder Leinöl, danach Schmorgemüse mit einem Stück Lachs. Und zum Nachtisch empfehle ich einen halben Apfel einer säuerlichen Sorte – oder 50 Gramm Beeren.
Es ist gemein – aber wissenschaftlich inzwischen gut belegt: Nehmen übergewichtige Menschen erfolgreich ab, schaltet ihr Körper in den Energiesparmodus. Er optimiert die Stoffwechselprozesse dann derart, dass er 15 Prozent weniger Energie für sie aufwenden muss. Zudem schüttet der Organismus mehr vom Hungerhormon Ghrelin aus – und umgekehrt weniger Botenstoffe, die für Sättigung sorgen.
Eine Erklärung für dieses Phänomen: Über Jahrhunderttausende hinweg wies ein rascher Gewichtsverlust auf eine im Zweifelsfall lebensbedrohliche Mangelsituation hin. Um das alte Gewicht wiederherzustellen, nutzte der Körper die Hunger-Botenstoffe, um unsere Ahnen zur Nahrungssuche anzuregen. Lange Zeit bildete dieser Mechanismus also einen echten Überlebensvorteil. Heute jedoch führt er mitunter umstandslos in die Jo-Jo-Falle!
Wie lange dieser Effekt anhält, darüber ist sich die Wissenschaft noch nicht einig. Manche Forscher sagen: mindestens anderthalb Jahre.
Andere meinen: ein Leben lang. Sicher ist, dass Sie sich nach einer Gewichtsabnahme dieses evolutionäre Erbe so oft wie möglich bewusst machen sollten, um sich zu wappnen! Denn wer weiß, dass er als schlanke Version seiner selbst hungriger sein wird als zuvor, kann gegensteuern. Und etwa volumenreiche Lebensmittel mit einer geringen Energiedichte wählen, die den Magen gut füllen und so für gesunde Sättigung sorgen.
Dass das Fettgewebe in der Bauchmitte ein eigenes Organ bildet, wissen bislang nur sehr wenige Menschen. Doch die Experten sind sich darüber inzwischen weitgehend einig. Denn: Bauchfett produziert unzählige Botenstoffe – und beeinflusst damit Prozesse im ganzen Körper. Beispielsweise befeuern einige dieser Hormone chronische Entzündungsreaktionen. Diese wiederum fördern die Entstehung von Krankheiten wie Diabetes, rheumatoider Arthritis und Bluthochdruck. Außerdem beschleunigen sie die Alterung unseres Gefäßsystems und erhöhen damit das Risiko für eine Arterienverkalkung und in der Folge Herzinfarkt. Auch bei der Entwicklung von Krebs spielen chronische Entzündungen wahrscheinlich eine Rolle.
Fett ist dabei allerdings nicht gleich Fett: Wissenschaftler unterscheiden weißes, braunes und beiges Fettgewebe. Während das weiße die Energie vor allem speichert, wandelt braunes und beiges Fett überschüssige Nährstoffe in Wärme um. Das Problem: Bei Adipositas-Patienten wächst zum weitaus überwiegenden Teil das weiße Fettgewebe.
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass einer der im Bauchfett gebildeten Botenstoffe das Satthormon Leptin ist. Dieses wird von Adipozyten hergestellt, speziellen Zellen, die das Fett speichern. Da Menschen mit ausgeprägtem Bauchfett sehr viele Adipozyten aufweisen, ist bei ihnen die Leptin-Konzentration im Blut stets vergleichsweise hoch. Im Laufe der Zeit entwickelt sich dadurch eine Resistenz gegen den Botenstoff: Das Gehirn reagiert nicht mehr angemessen stark auf das Hormon – und die normalerweise gefunkten Sättigungssignale bleiben teilweise aus. Dies erklärt, warum Übergewichtig sich oft selbst dann noch hungrig fühlen, wenn sie eigentlich genug gegessen haben – während schlanke Menschen nach einer normalen Portion tatsächlich satt sind.
Bauchfett ist das einzige Organ, bei dem es gut wäre, wenn wir es nicht hätten. Aus diesem Grund sollten Übergewichtige alles versuchen, um es zu reduzieren. Dabei helfen eine angepasste Ernährung (siehe ab >) und zwei weitere Strategien:
Bewegung macht nicht nur unsere Muskulatur – als Gegenspieler des Bauchfettes – zu einem echten Schlankkraftwerk, es verbessert außerdem das bei Übergewichtigen aus dem Takt geratene Zusammenspiel der Hunger- und Satthormone Ghrelin und Leptin. Bereits eine halbe Stunde schnelles Spazierengehen pro Tag hilft laut einer Studie, eine Leptin-Resistenz und weitere Störungen im Regelkreis zu beheben. Zudem ist während des Sports die Produktion des Hungerhormons Ghrelin gebremst. Dies ist ein Grund, weshalb Sie relativ rasch im Anschluss an Trainingseinheiten eine Mahlzeit essen sollten. Denn das Hungergefühl ist dann zwar vorhanden, aber noch vergleichsweise gering ausgeprägt – wir fühlen uns schneller satt.
Forscher haben entdeckt, dass ein bestimmtes Protein – Asc-1 – die Bildung von gesundem braunen Fett unterdrückt. Es findet sich unter anderem in reifen Fettzellen. Ließe sich dieser Prozess aktiv bremsen, könnte das den Körper dazu bringen, mehr günstiges Fettgewebe zu produzieren – und damit einige schädliche Folgen der Adipositas auf den Stoffwechsel zu vermeiden. Ganz ähnlich kann offenbar auch das Darmhormon Sekretin braunes Fettgewebe aktivieren. Zudem löst der Stoff – bei Mäusen im Tierversuch – Sättigungsgefühle aus. Damit könnte dieser Botenstoff in Zukunft eine weitere Therapieoption für Adipositas-Patienten darstellen.
Bis es aber so weit ist, müssen Übergewichtige andere Strategien nutzen, um bestehendes günstiges Fettgewebe zu aktivieren, zu vermehren und auf diese Weise mehr überschüssige Energie zu verbrennen und Pfunde abzubauen. Besonders hilfreich dabei: Kälte! Wenn wir frieren, ruft das unser beiges Fettgewebe auf den Plan, das dann als eine Art körpereigene Heizung fungiert. Kalte Duschen sind daher ideal als Stoffwechsel-Quickie, Temperaturen unter 19 Grad im Wohn- und Schlafzimmer eignen sich für die Langstrecke. So zeigte eine Studie: Wer über mehrere Wochen hinweg pro Tag mehr als zwei Stunden einer solch kühlen Umgebung ausgesetzt war, wies einen erhöhten Energieverbrauch auf. Auch mithilfe der Ernährung lässt sich beiges Fett aktivieren – etwa über Capsaicinoide, die gesunden Scharfmacher des Chili.
Wie viele Kalorien ein ausgeprägtes und aktives beiges Fettgewebe zusätzlich verbrennen kann, ist noch unklar: Die Studienergebnisse schwanken zwischen mageren 30 und üppigen 500. Sicher ist jedoch: Gesund wäre es auf jeden Fall, die Empfehlungen zu mehr beigem Fettgewebe im Alltag umzusetzen. Denn sie erhöhen nicht nur den Energieverbrauch, sondern regulieren zudem den Blutzucker.
Diese fünf Organe haben keinen direkten Einfluss auf Prozesse, die für ein Zuviel auf den Rippen verantwortlich sind – weshalb wir sie auch nicht zu Schlankkraftwerken machen können. Warum ich an dieser Stelle trotzdem kurz auf sie eingehen möchte? Weil Übergewicht und falsche Ernährung natürlich negative Konsequenzen auch für diese wichtigen Organe haben! Herz, Lunge, Niere, Gallenblase und Haut sind also vor allem eines – Opfer. In der Mehrzahl leiden sie still, sodass wir erst auf sie schauen, wenn die Beschwerden deutlich sind – und die Situation bereits schlimm ist.
Wer sich also anschaut, welche Auswirkungen Übergewicht auf diese Organe hat, kann sich damit das Abnehmen indirekt sehr wohl erleichtern. Denn der intensive Blick auf sie lässt uns ein weiteres Mal verstehen, welchen enormen Dienst die Organe leisten: Sie ächzen unter den Folgen des Übergewichts und arbeiten trotzdem weiter, so gut es eben geht – ohne je selbst etwas gegen die Ursache der Qual ausrichten zu können. Wir dagegen können aktiv werden und den Opfer-Organen helfen! Diese Erkenntnis, das erlebe ich immer wieder, lässt viele Adipositas-Patienten neue Motivation finden, um ihre Ernährung wirklich umzustellen.
Lange galt die Annahme: Ein klein wenig zu viel auf den Rippen ist gut für das Herz. Inzwischen ist die Studie, die hinter diesem sogenannten »Adipositas-Paradoxon« steckt, jedoch von vielen anderen Untersuchungen widerlegt worden. Beispielsweise untersuchten Wissenschaftler der Universität Glasgow Daten von knapp 300 000 Menschen europäischer Herkunft – über mehrere Jahre hinweg. Dabei zeigte sich: Das Risiko für einen Herzinfarkt stieg sowohl bei Probanden mit einem zu niedrigen BMI (weniger als 18,5) als auch bei jenen mit einem zu hohen Wert (ab 25). Das geringste Risiko wiesen Menschen mit einem BMI zwischen 22 und 23 auf. In Sachen Bauchumfang war ein Bereich zwischen 74 und 83 Zentimetern am günstigsten. Bei Frauen erhöhte sich pro 12,6 zusätzliche Zentimeter das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen um zehn Prozent, bei Männern pro zusätzliche 11,4 Zentimeter um 16 Prozent. Jedes Pfund zu viel schadet dem Herzen also!
Warum, ist rasch erklärt: Zum einen muss das Organ bis zu 50 Prozent mehr Arbeit leisten, um die größere Körpermasse mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Zum anderen weisen Übergewichtige häufig erhöhte Blutfette auf und leiden an Folgeerkrankungen wie Diabetes. All das fördert eine Verkalkung der Blutgefäße (Arteriosklerose) – und steigert damit das Risiko für die koronare Herzkrankheit, die Grundproblematik hinter dem Herzinfarkt.
Zudem tragen die größere Körpermasse, im Herzen eingelagertes Fett und ein eventueller Bluthochdruck dazu bei, dass der Herzmuskel an Funktionsfähigkeit einbüßt – wodurch wir schneller und früher eine Herzschwäche entwickeln.
Wer zu viel Bauchfett mit sich herumträgt, hat eine übermäßig große Zahl an ungünstigen Peptidhormonen im Blut, wie zum Beispiel Adiponectin. Diese können zu chronischen Entzündungen und oxidativem Zellstress führen, außerdem den Fettstoffwechsel negativ beeinflussen und den Insulinspiegel erhöhen.
Alles zusammen schädigt auf Dauer die Nierenkörperchen (Glomeruli), die kleinsten Filtereinheiten der Nieren – wodurch die Organfunktion nachlässt. Hinzu kommt noch: Der bei Übergewichtigen häufig erhöhte Blutdruck belastet die feinen Blutgefäße der Nieren. Da diese Organe besonders still leiden, machen sich Schäden meist erst sehr spät bemerkbar und fallen mitunter nur durch Zufall auf. Oft sind die Probleme dann schon derart umfassend, dass eine künstliche Blutwäsche (»Dialyse«) notwendig ist, die die Reinigungsfunktion der Nieren übernimmt und außerdem das Blut filtert.
Adipöse Menschen kommen schneller außer Atem – aus gleich mehreren Gründen. Zum einen beanspruchen die großen Fettdepots auf dem Brustkorb und im Bauchraum viel Platz im Körper, verkleinern so das Lungenvolumen und erschweren damit die Atmung. Zugleich tragen Übergewichtige mehr Gewebe mit sich herum, das durchblutet werden muss – und haben deshalb einen erhöhten Sauerstoffbedarf. Ihre Lunge muss daher deutlich schwerer schuften als die normalgewichtiger Menschen. Und schließlich: Die deutlich erhöhte Neigung zu chronischen Entzündungsprozessen sorgt dafür, dass sich die Leistungsfähigkeit des Lungengewebes und der Bronchien verringert.
Dies erklärt, warum Menschen mit einem BMI von mehr als 30 beispielsweise ein um bis zu 100 Prozent erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer Covid-19-Erkrankung haben – und sehr viel häufiger eine künstliche Beatmung brauchen (und auch eher an der Krankheit sterben). Eine weitere Ursache ist der gefürchtete sogenannte »Zytokinsturm«, der Übergewichtige öfter trifft: Damit bezeichnen Experten die Invasion von Entzündungsstoffen in das Lungengewebe. Das sowieso schon überaktivierte Abwehrsystem Adipositas-Betroffener gerät dann außer Rand und Band und bekämpft nicht mehr nur die gesundheitsgefährdenden Viren, sondern auch die gesunden Zellen des Organs selbst. Dieser Kollateralschaden endet häufig tödlich.
Die Gallenblase dickt die von der Leber produzierte Gallenflüssigkeit ein und speichert sie – damit genügend des Verdauungshelfers bereitsteht, wenn im Darm Fett verarbeitet werden muss. Besonders belastend für die Gallenblase ist daher eine sehr fettreiche Ernährung, bei der dieser Nährstoff hauptsächlich aus ungünstigen Quellen wie Wurst, Fleisch und Fertigprodukten stammt. Da Übergewichtige solche Produkte vergleichsweise oft konsumieren, haben sie ein erhöhtes Risiko für Gallensteine. Zudem steigert häufiges Ab- und Zunehmen die Wahrscheinlichkeit, an Gallenblasen- und Gallenwegskrebs zu erkranken. Diese Tumoren sind zwar selten, da sie aber oft erst spät entdeckt werden, ist die Heilungschance meist schlecht.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Organen sind die negativen Konsequenzen von Übergewicht auf die Haut nicht zu übersehen: Drei von vier Adipositas-Patienten leiden an entsprechenden Beschwerden. Insbesondere entzündliche Krankheiten wie Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) sowie Rosazea sind typisch. Hinter den Hautschädigungen stecken vor allem erhöhte Entzündungswerte sowie Störungen im Stoffwechsel und Hormonhaushalt, etwa ein erhöhter Insulinspiegel. Das so Problematische und buchstäblich Unschöne: Weil bei Adipositas-Patienten häufig all das zusammenkommt, verlaufen diese Hauterkrankungen bei ihnen oftmals sehr viel schwerer als bei Menschen mit Normalgewicht.
Jedes Pfund weniger auf den Rippen kann die beschriebenen Negativ-Effekte deutlich mindern. Schon bei fünf Prozent Gewichtsverlust verbessert sich die Stoffwechsellage von Adipositas-Patienten stark: Der Blutdruck sinkt, was den Herzmuskel entlastet. Der Anteil schlechter Blutfette reduziert sich und bremst so die Arterienverkalkung. Durch das abnehmende Bauchfett lassen chronische Entzündungen und Zellstress nach: Dies hilft nicht nur den Nierenkörperchen, sondern schwächt auch Hautirritationen ab. Außerdem hat das Zwerchfell dann mehr Raum, wodurch sich die Bauchatmung vertieft. In der Folge sind die Lungenflügel besser durchlüftet – und die Sauerstoffsättigung des Blutes erhöht sich.
Wer auf das Konzept der artgerechten Ernährung (siehe >) setzt, unterstützt die Organe doppelt. Denn dieses garantiert – bei verringerter Energiezufuhr – einen gleichmäßigen Gewichtsverlust und entlastet zudem den ganzen Körper. Beispielsweise sorgen die empfohlenen snackfreien Zeiten zwischen den Mahlzeiten dafür, dass sich die Gallenblase erholen kann. Außerdem werden die Organe so mit allem versorgt, was sie für ihre Arbeit brauchen: Dadurch verbessert sich das körperliche wie seelische Wohlbefinden merklich!
Nun, da Sie die bisherigen Kapitel zu Ende gelesen haben, ist es Zeit für einen Glückwunsch! Denn jetzt sind Sie gewappnet, um sich mit der Frage zu befassen, die beinahe alle Übergewichtigen umtreibt (ebenso wie jene Menschen, die schlank bleiben wollen): »Was genau bringen die Dutzenden Diäten und Ernährungskonzepte wirklich, die aktuell durch die Welt geistern?«
Dass die meisten davon mehr versprechen, als sie halten können, und mitunter sogar schaden, weiß zwar ein Großteil der Menschen. Doch die Heilsversprechen der Diät-Gurus sind derart umfassend formuliert und damit so verlockend, dass wir sie allem besseren Wissen zum Trotz nur zu gern glauben.
»Glauben« ist dabei das entscheidende Wort: Vielen Menschen fehlt das nötige Detailverständnis, um bis ins Letzte zu verstehen, wie genau die einzelnen Diäten wirken. Dies verhindert, dass sie die unterschiedlichen Konzepte eigenständig bewerten können, um sie anschließend – in den meisten Fällen – souverän zu verwerfen.
Mit dieser Unsicherheit räume ich im nächsten Kapitel auf. Ich garantiere: Nach der Lektüre der folgenden Seiten werden Sie in Zukunft selbst entscheiden können, welche neuen Diät-Konzepte – die so zuverlässig auftauchen werden wie Schietwetter-Phasen in Hamburg – zumindest ansatzweise Erfolg versprechen und welche reine Scharlatanerie sind.