Venedigs Architektur und seine Architekten
Das venezianische Stadtbild ist ein einzigartiges architektonisches Gesamtkunstwerk. Alle bedeutenden Stile haben daran mitgewirkt. Byzantinisch geprägte Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus sind hier zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen. Wie von einer schützenden Patina überzogen, hat sich Venedigs Stadtbild seit über zwei Jahrhunderten kaum mehr verändert - als sei es unantastbar geworden.
Zuckerbäckerarchitektur auf dem Markusplatz
Die Errichtung einer Wasserstadt erfordert selbstverständlich ganz andere Anstrengungen als der Städtebau an Land, das liegt in der Natur der Sache. Wasser bietet kein geeignetes Fundament für den Bau von Häusern und Straßen. Doch in der Not ist der Mensch erfinderisch, und die Lagunenbewohner waren in der Not, nämlich auf der Flucht, als sie die Rialto-Inseln besiedelten. Zahllose Baumstämme rammten sie in den schlammigen Lagunenboden und schufen sich festen Boden unter den Füßen, auf dem sie zunächst einfache Holzhäuser errichteten. Auch der erste Amtssitz des Dogen war bis zur Jahrtausendwende noch ein reiner Holzbau. Hunderte von Holzbrücken verbanden Hunderte von hölzernen Plattformen miteinander, und dazwischen verzweigte sich ein Netz von schmalen Wasserstraßen. Als die Venezianer ab dem 12. Jh. damit begannen, ihre Häuser aus Ziegeln und später sogar aus massivem Stein zu bauen, verbesserten sie ihre Fundamentierungstechniken (→ „Venedigs müder Untergrund“, S. 53). Es grenzt an ein Wunder, dass die alten Holzfundamente die massiven Prachtbauten der Wasserstadt bis heute tragen.
Im Gegensatz zu den anderen bedeutenden italienischen Städten des Mittelalters hatten die Venezianer nicht die Sorge, ihre Stadt durch eine wehrhafte Architektur schützen zu müssen, da das Wasser genügend Schutz vor Angriffen bot. Außerdem verhinderte die Verfassung der Stadtrepublik, die alle Adelsfamilien gleichermaßen in die Regierungsverantwortung zog, dass politisch motivierte Feindschaften zwischen den einflussreichen Familien Venedigs entstanden. Es bestand also keine Notwendigkeit, die einzelnen Palazzi aufwändig zu befestigen, wie es z. B. in Florenz der Fall war, wo die rivalisierenden Familien sich in ihren Wohnbauten abschotteten. Der venezianische Stadtadel konnte all sein Geld in die Prachtentfaltung stecken - mit der Einschränkung, dass die „Grundstücke“ relativ klein waren und die Holzfundamente anfangs eine leichte Bauweise erforderten. Da es bereits Mitte des 12. Jh. über 500 reiche Kaufmannsfamilien gab, entstand schon früh ein weitläufiges Ensemble prachtvoller Palazzi in den ältesten Stadtteilen entlang dem Canal Grande.