Giorgione (1477/78-1510)
Der großartige Giovanni Bellini hatte in Giorgione einen Schüler, der ihn mehr als überholte. Lange nach Giovanni geboren, starb Giorgione jedoch mehrere Jahre vor seinem alten Meister. Eine Richtung innerhalb der Giorgione-Forschung nimmt an, dass auch der begnadete Leonardo da Vinci, der im Jahr 1500 in Venedig weilte, einen starken Einfluss auf die Malerei Giorgiones ausgeübt hat. Es gibt nicht allzu viele gesicherte Werke von ihm, und in Venedig selbst nur ganz wenige, darunter jedoch sein berühmtestes „Das Gewitter“ (s. u.).
Giorgiones Schaffenszeit war kurz, aber fruchtbar, und seine Botschaft war revolutionär. Mit ihm vollzog sich im ersten Jahrzehnt des 16. Jh. ein grundlegender Wandel in der Malerei Venedigs, der die weitere Entwicklung der Kunst in ganz Europa entscheidend beeinflussen sollte, und zwar sowohl im Hinblick auf die Maltechnik als auch auf den Bildinhalt. In der Ölmalerei brachte Giorgione die Darstellung erstmals direkt auf die Leinwand, ohne zuvor eine Skizze (Disegno) anzufertigen. Darüber hinaus steigerte er die harmonische Farbgebung und Leuchtkraft durch die unmittelbare Verbindung von Licht und Farbe auf eine vor ihm nicht erreichte Art. In fundamentaler Weise innovativ waren auch Giorgiones Bildinhalte und die Kompositionen, wobei die Landschaft eine ganz wesentliche Rolle spielt.
„Das Gewitter“ in der Galleria dell’Accademia (→ S. 199) verkörpert in Form und Inhalt die neue Malerei Giorgiones am brillantesten. Der zentrale Bildgegenstand ist nicht eindeutig, aber durch die Komposition wird die Landschaft zum Mittelpunkt des Bildes erklärt. Indem die Figuren an beide Seiten gerückt werden, steht die Natur im Mittelpunkt. Der von Blitzen zerrissene Himmel, der Bach, die Ruinen, die ferne Ortschaft, die Personen und Gegenstände verlieren ihre spezifische Bedeutung - alles wird Teil einer großen Einheit, die sich in unablässiger Veränderung und ewigem Wandel befindet.