Essen und Trinken
Keine andere Stadt als Venedig war es, die erstmals aromatischen Geschmack in die europäische Küche brachte, diese alte Metropole des Gewürzhandels mit den exotischsten Märkten des Mittelalters, auf denen der Pfeffer mit Gold aufgewogen wurde!
Auch die erste Gabel, die man in Europa zu Gesicht bekam, war jene, mit der die byzantinische Gemahlin des Dogen Domenico Selvo im 11. Jh. zu speisen pflegte. Zucker, so heißt es in der Handelschronik, brachten venezianische Schiffe zum ersten Mal 996 aus der Levante mit. Kaffee hingegen, der anfänglich als Medizin Verwendung fand, war ein Importschlager des 17. und 18. Jh. Und das erste Kochbuch druckten die Venezianer bereits Ende des 15. Jh.
Abgesehen von den wenigen Filialen nationaler und internationaler Fast-Food-Ketten ist die venezianische Gastronomie überraschend bodenständig und der regionalen Tradition verhaftet geblieben. Dennoch fällt auf, dass im-mer mehr alteingesessene Familienbetriebe ihr Restaurant an ausländische Neu-Venezianer verkaufen, was in den meisten Fällen nicht gerade zur Bewahrung der Venezianità, der viel gerühmten venezianischen Tradition in der Küche und im Service, beiträgt.
Ganz den Gegebenheiten einer Wasserstadt entsprechend, ist die authentische venezianische Küche, die Cucina veneziana, in erster Linie eine Meeresküche (Cucina di mare). Nirgendwo anders in Italien werden solche Mengen an Fisch und Meeresfrüchten verzehrt wie in der Lagunenstadt. Und wer sich vormittags auf den Rialtomarkt begibt, wird von der Größe und Vielfalt des dortigen Fischmarkts beeindruckt sein. Die frischeWare, die dort zentnerweise umgesetzt wird, kommt zwar längst nicht mehr ausschließlich aus heimischen Gewässern, aber in den abgedeichten Teichen der Lagune (Valli) hat die Fischzucht nach wie vor Konjunktur.
Liebhaber einer vielfältigen Meeresküche kommen also voll auf ihre Kosten und werden die köstlichen lokalen Spezialitäten (→ Kasten S. 89) goutieren. Aber teuer sind sie geworden, die begehrten Delikatessen aus dem Meer, und verständlicherweise sind diese nicht zu jeder Jahreszeit zu haben. Und da die Ausnahme bekanntlich die Regel bestätigt, ist das venezianischste aller Gerichte kein Fisch-, sondern ein Fleischgericht: Fegato alla veneziana, Kalbsleber auf venezianische Art.
Überall dort, wo viel Wasser ist, so heißt es in Venetien, wächst Gemüse besonders gut. Da sind v. a. die schmackhaften Artischocken, Auberginen, Kürbisse, Erbsen, Tomaten und Salate von den Gemüseinseln der Laguna veneta zu nennen, die das Antipasto-, Primo- und Contorno-Angebot auf den Speisekarten im wahrsten Sinne des Wortes wieder bodenständig machen und erheblich bereichern, zur Freude aller Vegetarier und Fischverächter.