Mittag- und Abendessen
Auf Pranzo (Mittagessen, ab 13 Uhr) und Cena (Abendessen, ab 19 bzw. 20 Uhr) wird in Italien großer Wert gelegt - und Venedig bildet da keine Ausnahme. Es handelt sich jeweils um reichhaltige Mahlzeiten mit mehreren Gängen, wobei das Abendessen im Vergleich etwas üppiger ausfällt. Im Lokal beginnt eine komplette Mahlzeit mit der Vorspeise (Antipasto), die oftmals in großer Auswahl auf Vitrinentischen im Lokal steht. Danach geht es weiter mit dem Primo Piatto (erster Gang), entweder einem Nudelgericht (Pasta), einem Reisgericht (Risotto) oder einer Suppe (Minestra). Der anschließende Secondo Piatto (zweiter Gang), Fisch (Pesce) oder Fleisch (Carne), wird durch eine extra zu bestellende Beilage (Contorno) ergänzt. Käse (Formaggio) schließt bekanntlich den Magen. Der Nachtisch, Obst (Frutta) oder eine Süßspeise (Dolce), setzt den Schlusspunkt. Danach helfen nur noch Caffè und Grappa!
Wem das alles zu viel ist, der sollte gezielt kombinieren, denn individuelle Abweichungen werden selbstverständlich toleriert. Der Gast kann z. B. auf die Vorspeise verzichten, oder den ersten Gang überspringen und/oder die Nachspeise streichen. Wer es jedoch mit der Reduzierung übertreibt, vielleicht sogar auf das Hauptgericht verzichten will, der bekommt das in einigen Lokalen zumindest andeutungsweise zu spüren.
Bàcari, Ombre und Cicheti - eine venezianische Leidenschaft
Die Venezianer sind ein weinseliges Völkchen
Schon vormittags herrscht in den Bàcari, den venezianischen Weinschenken, reger Betrieb. Vor allem die volkstümlichen Bàcari am Rialtomarkt sind regelrechte Institutionen, in denen sich die Einheimischen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu einem Gläschen Wein (Ombra bzw. Ombretta) treffen. Andar per ombra („in den Schatten gehen“) nennen die Venezianer ihren Gang an die Weintheke, wo eine wirklich beachtliche Auswahl an regionalen und anderen italienischen Weinen zu finden ist. Die Wendung stammt aus der Zeit, als die fliegenden Weinhändler ihren offenen Wein im wandernden Schatten des Glockenturms von San Marco verkauften, um ihn möglichst kühl zu halten. Zum Wein, der bereits ab 1,50 € in 0,1-l-Gläsern ausgeschenkt wird, isst man beliebig viele Appetithäppchen, sogenannte Cicheti, die es in allen nur erdenklichen Variationen gibt: auf der Basis von Fisch, Meeresfrüchten, Wurst, Käse, Fleisch, Eiern und Gemüse. Normalerweise handelt es sich um mehrschichtige Häppchen, die, stets frisch und mit einem Zahnstocher aufgespießt, in Glasvitrinen bereitgehalten werden. Einen einfachen Cicheto gibt es ab 1 €, während ein opulent mit Fisch belegter durchaus ein Vielfaches kosten kann. Aber nur zum Essen und Trinken gehen die Venezianer nicht in den Bàcaro; ganz abgesehen von Ombre und Cicheti ist die Weinschenke ein Ort der Geselligkeit. Hier wird über alles Mögliche palavert und diskutiert, jeder unterhält sich mit jedem, und soziale Unterschiede scheinen dabei keine Rolle zu spielen. Touristen, die ein authentisches Stück venezianischer Lebensfreude im Zeichen des Bacchus kennenlernen wollen, sollten unbedingt einmal einkehren: „Andar per ombra!“ Unsere Bàcaro-Empfehlungen finden Sie unter den Gastro-Tipps am Ende der jeweiligen Stadtteilkapitel.
Il conto, per favore
Mit diesen Worten bittet man nach dem Essen um die Rechnung. Der Grundpreis für eine ausgiebige Mahlzeit ohne Getränke wird dabei in Venedig kaum unter 30 € liegen. Je nach Speiselokal und Qualität geht es natürlich auch teurer. Hinzu kommt eine Pauschale (1,50-5 €/Pers.) für Brot und Gedeck (Pane e Coperto) sowie 10-12 % Bedienung (Servizio); beides wird auf der Rechnung i. d. R. extra aufgeführt, sofern es nicht schon im Grundpreis enthalten ist (Coperto e Servizio compreso). Trinkgeld (Mancia) gibt nur ein zufriedener Gast. Die Rechnung (Ricevuta) muss unbedingt mitgenommen und eine Weile aufbewahrt werden, um sie bei eventuellen Kontrollen der Finanzpolizei vorzeigen zu können.
Eine durchaus passable Alternative zum teuren Mittag- bzw. Abendessen à la carte bietet das Menu turistico bzw. Menu a prezzo fisso, das in vielen Restaurants angeboten wird. Es besteht zumeist aus drei Gängen. Zu viel an Qualität darf man nicht erwarten, aber wer sparen muss, verschafft sich so zumindest eine reelle Mahlzeit zu einem moderaten Pauschalpreis (um 20 €), in dem i. d. R. auch tatsächlich alles inbegriffen ist.
Die venezianischen Restaurantpreise gehören mit zu den höchsten in ganz Italien, aber das bedeutet keineswegs, dass man in Venedig nicht gut und preislich angemessen essen kann. Diejenigen Speiselokale, in denen das Preis-Leistungs-Verhältnis weitgehend stimmt, liegen natürlich nicht im unmittelbaren Einzugsbereich des Markusplatzes, wo man diesbezüglich eher unangenehme Überraschungen erlebt, sondern zumeist in den weniger touristischen Ecken der einzelnen Sestieri. In den jeweiligen Stadtteilkapiteln dieses Buches finden Sie unsere Empfehlungen unter der Rubrik „Essen und Trinken“. Die dort aufgelisteten und beschriebenen Ristoranti, Trattorie, Osterie, Pizzerie und Bàcari sind neben dem Preis-Qualitäts-Aspekt auch nach atmosphärischen Kriterien (Gemütlichkeit, Freundlichkeit etc.) ausgewählt worden. Und nicht zuletzt danach, ob sie von den Einheimischen bevorzugt werden, was wohl das sicherste Indiz für den guten Standard eines Lokals ist. Unsere Preisangaben sind durchschnittliche Grundpreise und beziehen sich auf ein Drei-Gänge-Essen à la carte ohne Getränke. Der Einfachheit halber heißt es dann bei den jeweiligen Restaurantbeschreibungen: Menü 20-30 €, 30-40 €, 40-50 € oder über 50 €.
Venezianische Spezialitäten
Aus der Backstube (Forno) oder der Konditorei (Pasticceria)
Fritole → Karnevalskrapfen mit Rosinen und Pinienkernen, gibt’s nicht nur zur Faschingszeit.
Baicoli → eine Art süßer, sehr dünner Zwieback.
Sfoglie → Blätterteigschnitten bzw. -taschen, zumeist mit Creme gefüllt.
Strudel → Die venezianische Variante des Wiener Pendants, mit Pinienkernen statt Mandeln.
Antipasti
Sarde in saor → Gebratene Sardinen in Öl und Weinessig mit Zwiebeln, Rosinen und Pinienkernen eingelegt. Schmeckt ein wenig wie unser Brathering.
Antipasto di mare → Vorspeisenteller mit Fisch und Meeresfrüchten, mariniert, gekocht und/oder roh (crudo).
Peoci salati → Miesmuscheln mit Knoblauch und Petersilie.
Carpaccio → Hauchdünne, mit Öl und Zitrone beträufelte rohe Rindfleischscheiben, mit Rucola und Parmesan serviert. Eine venezianische Kreation (→ „Harry’s Bar,“ S. 144), benannt nach dem Maler Carpaccio. Gibt es auch auf Fischbasis. Granseola → Meereskrebs (Meeresspinne genannt), mundgerecht im Panzer serviert.
Canoce bz w. Cicale di mare → Scampiähnliche Schalentiere (Heuschreckenkrebse genannt), zart und delikat.
Schie → Kleine Krabben, schmecken wie unsere Nordseekrabben, mit Maisbrei serviert.
Castraure → kleine Artischockenherzen in Öl mit Knoblauch.
Primi
Bigoli in salsa → dicke Vollkornspaghetti mit pikanter Sardellensoße.
Pasticcio → Fischlasagne.
Linguine alla granseola → dünne Bandnudeln mit dem Fleisch der Meeresspinne (Meereskrebs), eine echte Delikatesse.
Risotto nero bzw. alle seppie → Reisgericht mit Tintenfisch samt Tinte, daher die schwarze Farbe.
Spaghetti/Risotto caparossoli → Spaghetti bzw. Reis mit Venusmuscheln (vongole veraci).
Brodetto bzw. Zuppa di pesce → Fischsuppe.
Brodetto di anguille → Aalsuppe.
Gnocchi d i zucca → Kürbisgnocchi.
Risi e bisi → Reisgericht mit jungen Erbsen, Schinken, Sellerie und Zwiebeln.
Risotto a l radicchio → Reisgericht mit Radicchio, eine beliebte Spezialität aus Treviso.
Secondi
Baccalà mantecato → Stockfischmus, mit einer gebratenen Scheibe Polenta serviert.
Fritto misto → kleine frittierte Fische und Meeresfrüchte.
Anguilla all a griglia → gegrillter Aal.
Coda d i rospo ai ferri → gegrillter Seeteufelschwanz.
Seppie nere co n Polenta → Tintenfisch samt Tinte, mit Maisbrei serviert.
Sogliola all a casseruola → gedünstete Seezungenfilets.
Moleche → Kleine Meereskrebse mit Kräutern in Öl gebraten bzw. in Teig frittiert. Werden im Herbst und Frühjahr zur Zeit des Panzerwechsels in der Lagune gefangen.
Fegato all a veneziana → Kalbsleber mit Zwiebeln in Weißwein, wird mit Maisbrei serviert.
Contorni
Polenta → Maisbrei (z. T. auch gestockt, in Scheiben geschnitten und gegrillt).
Radicchio → Radicchio, in Öl und Pfeffer gebraten.
Dolci
Tiramisù → Mascarpone-Creme mit likörgetränkten Biskuits und Kakao. Diese venezianische Spezialität ist die bekannteste italienische Süßspeise.
Buranelli → trockene Plätzchen, eine Spezialität der Insel Burano.
Wein und andere Getränke
Zum guten Essen gehört selbstverständlich der einheimische Wein. Und der kommt in Venedig aus dem Hinterland der Region Venetien, einem ausgesprochenen Weinbaugebiet. Nach Apulien und Sizilien ist Venetien der drittgrößte Produzent Italiens und in der Erzeugung von Qualitätsweinen (DOC) liegt die Region sogar an der Spitze. Weiß- und Rotweine sind in Venetien gleichermaßen stark vertreten, aber aufgrund der ausgeprägten Fischküche sind in Venedig v. a. die Weißweine beliebt. Auf den offenen Wein (Vino della casa), der in den Speiselokalen ausgeschenkt wird, kann man sich weitgehend verlassen, da er i. d. R. mit Sachverstand ausgewählt wurde. Die beste Möglichkeit, sich in Venedig durch die immense Vielfalt der regionalen Weine und Rebsorten zu probieren, bieten die traditionellen Weinschenken, die Bàcari (→ Kasten S. 87). Auf einen spritzigen, weißen Schaumwein, den längst auch zu Hause beliebten Prosecco, der aus der gleichnamigen Traube gekeltert wird, sei besonders hingewiesen. Rustikal-gemütliche Osteria
Ein typisch venezianischer Aperitif ist der sogenannte Spritz oder Sprizz. Er wurde zur Zeit der österreichischen Besatzung aus Weißwein, Campari und Sodawasser kreiert und ist auch nach dem Habsburger-Intermezzo ein beliebtes Mixgetränk geblieben, wahlweise mit Campari oder Aperol. Eine weitere venezianische Kreation heißt Bellini. Dieser Cocktail wird aus Prosecco und Pfirsichmark gerührt, sein Erfinder ist der Mitbegründer von Harry’s legendärer Bar, Namensgeber hingegen die Künstlerfamilie Bellini. Außerdem kommen Liebhaber des Grappa in Venedig nicht zu kurz, denn der hochprozentige Tresterschnaps wird ebenso wie der Wein in allerbester Qualität aus Venetien bezogen.
Caffè (Espresso): Der Caffè italiano ist ein Lebensgefühl! Es gibt ihn in der Standardversion, schlicht und einfach als Caffè espresso (klein und schwarz), als Caffè doppio (doppelt), als Caffè ristretto (besonders stark), als Caffè lungo bzw. alto (mit etwas mehr Wasser), als Caffè macchiato (mit einem Schuss Milchschaum), als Caffè decaffeinato bzw. hag (koffeinfrei), als Caffè corretto (mit einem Schuss Schnaps) und natürlich als Cappuccino (mit Milchschaum). - Mittlerweile wundern sich die italienischen Baristi, warum die deutschen Urlauber verstärkt Latte macchiato bestellen, wo es sich dabei in Italien doch um ein Kindergetränk handelt!