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8. Paris: Februarrevolution in Frankreich – Initialzündung für Deutschland 1848

Die Motive und Ziele von Demokraten, Nationalen, Liberalen und Sozialisten waren durchaus unterschiedlich, mitunter sogar widersprüchlich. In einem aber war sich die deutsche Oppositionsbewegung einig. Die absolutistischen Monarchien und fürstlichen Herrschaften würden den »neuzeitlichen Krisen nicht mehr Herr« werden! Da wirkten am 24. Februar 1848 die Nachrichten aus Frankreich wie ein Katalysator: Bürgerkönig Louis-Philippe hatte abdanken müssen, die französischen Revolutionäre hatten eine provisorische Regierung gebildet, die zweite Republik ausgerufen und Wahlen zu einer Nationalversammlung ausgeschrieben. Ein Fanal, das bei der deutschen Oppositionsbewegung auf fruchtbaren Boden fiel. In den Tagen danach wurden überall im Land Versammlungen abgehalten, die einen fundamentalen politischen Wandel forderten: Eine Volksbewaffnung sollte dem Heer des Monarchen etwas entgegensetzen, die Presse- und Vereinsfreiheit sollten Zensur beenden und Meinungsfreiheit sichern, Schwurgerichte sollten an die Stelle der Gesinnungsgerichte der Monarchen treten, und ein deutsches Parlament sollte einen Verfassungs- und Nationalstaat ins Leben rufen.1

Den Regierungen in den Ländern des Deutschen Bundes waren die Forderungen nicht neu. Sie hatten sie in den vergangenen Jahren oft genug abgeschmettert. Nun aber waren sie sowohl von der Geschlossenheit der Aktionen als auch von den überall gleichlautenden Forderungen überrascht und bestürzt zugleich. Es dämmerte den meisten Monarchen, dass die Ereignisse in Paris den deutschen Revolutionären den Glauben an den Erfolg ihres Protestes gegeben hatte – und das jagte ihnen einen gehörigen Schrecken ein.2 In den Königs- und Fürstenhäusern breitete sich die Furcht aus, ein zweites Mal nach der Französischen Revolution von 1789 um die eigene Existenz bangen zu müssen. Jetzt stand für sie die europäische Ordnung insgesamt auf dem Spiel. Manche waren sogar nahezu widerstandslos bereit, den revolutionären Forderungen mit sogenannten Märzregierungen nachzukommen, um einer weiteren Radikalisierung des Volkes zu begegnen.

Alphonse de Lamartine verwehrt Sozialrevolutionären das Eindringen ins Hôtel de Ville in Paris, Gemälde von Henri Felix Emmanuel Philippoteaux

Seit der Julirevolution von 1830 war Frankreich nicht zur Ruhe gekommen. Nach dem Sturz des reaktionären Karl X. hatte der Bürgerkönig Louis-Philippe durch eine Parlamentsentscheidung am 7. August 1830 den Thron bestiegen. Zwar konnte er für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen, es gelang ihm aber nicht, die gleichzeitig entstandenen sozialen Probleme zu lindern. Mehr und mehr hatte er sich von seinen liberalen Überzeugungen entfernt und war durch Skandale oder Korruptionsaffären in Verruf geraten. Mit dem französischen Engagement in der beim Wiener Kongress gegründeten Heiligen Allianz, die gegen jede oppositionelle Bewegung in Europa vorging, wurden auch die Maßnahmen gegen die Opposition in Frankreich härter. Als deren Versammlungen verboten und aufgelöst wurden, mussten sich die Regierungskritiker unter dem Deckmantel von Banketten treffen. Es war das Verbot solcher Bankette, das am 21. Februar 1848 den Aufstand in Paris auslöste. Kurze Zeit später folgten europaweite Revolten. In Berlin kletterten rebellierende Bürger auf die Barrikaden und lieferten sich Straßenschlachten mit dem Militär. In Hannover und Württemberg protestierten aufgebrachte Bürger. In Baden stimmte Anfang März 1848 Großherzog Leopold den oppositionellen Forderungen endgültig zu und richtete ein Märzministerium ein. Ende März trat der König von Bayern zurück, kurz darauf riefen die beiden radikal-demokratischen Revolutionäre Friedrich Hecker und Gustav Struve in Konstanz die Republik aus.

In Mannheim tagte am 27. Februar 1848 eine eilig einberufene Volksversammlung und beschloss unter Federführung von Gustav Struve eine Petition, die auf die Revolution in Frankreich ebenso Bezug nahm wie sie Forderungen für Deutschlands Zukunft daraus ableitete: »Eine ungeheure Revolution hat Frankreich umgestaltet. (…) Ein Gedanke durchzuckt Europa. Das alte System wankt und zerfällt in Trümmer. Deutschland darf nicht länger zusehen, wie es mit Füßen getreten wird. Das deutsche Volk hat das Recht zu verlangen: Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes.«3 Dieser revolutionäre Elan blieb nicht nur auf Mannheim beschränkt, wie sich der spätere US-amerikanische Innenminister Carl Schurz in seinen Memoiren erinnerte: »Ich kannte in meiner Umgebung viele Männer, die damals bereit waren, Stellung, Besitz, Aussichten, Leben, alles (zu riskieren) für die Freiheit des Volkes und für die Ehre und Größe des Vaterlandes.«4

Die Februarrevolution in Frankreich hatte europäische Auswirkungen, überall erhoben sich revolutionäre Bewegungen und forderten eine Abkehr vom bisherigen politischen System. Im Februar 1848 hatte die italienische Risorgimento-Bewegung für Neapel-Sizilien eine Verfassung erstritten. Gleichzeitig erließ König Karl Albert in Sardinien-Piemont eine konstitutionelle Verfassung und stellte gemeinsam mit der italienischen Nationalbewegung die österreichische Herrschaft in der benachbarten Lombardei und in Venetien infrage. Nur ein drohender Staatsbankrott Österreichs konnte Außenminister Metternich davon abhalten, in Norditalien militärisch zu intervenieren. Als aber auch die Wiener Ständeversammlung die in Österreich erhobenen Märzforderungen übernahm, kam es auf den Straßen der österreichischen Metropole zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Daraufhin trat am 13. März 1848 Klemens Fürst Metternich, der Architekt der restaurativen Ordnung Europas, zurück und floh nach London.

In Frankreich selbst hatte die Februarrevolution wenig Erfolg. Schon Ende Juni 1848 kam es wegen der Beendigung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu einer erneuten Revolte. Vier Tage dauerte die militärische Niederschlagung dieses Juniaufstands durch die französische Armee. 1500 Soldaten und mehr als 5000 Arbeiter kamen dabei ums Leben, 11 000 Aufständische wurden zu Gefängnisstrafen oder zur Deportation in eine der überseeischen Kolonien verurteilt. Am 4. November 1848 verabschiedete die Nationalversammlung eine neue Verfassung, die sich zwar einerseits zu den Idealen der Französischen Revolution bekannte, andererseits aber konservative Elemente als Grundprinzipien der zweiten Französischen Republik festschrieb. Am 10. Dezember 1848 wurde der aus dem Exil zurückgekehrte Neffe und »Nachahmer«5 von Napoleon Bonaparte, Louis Napoleon, mit großer Mehrheit zum neuen französischen Staatspräsidenten gewählt. Aber die Republik hielt nur drei Jahre, denn am 2. Dezember 1851 putschte er sich als Napoleon III. zum französischen Kaiser. Damit war in Frankreich die Revolution von 1848 endgültig beendet.


1 Hein, Dieter: Die Revolution von 1848/49. München 2019, S. 13.

2 Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt 1985, S. 58.

3 Siemann, Wolfram, a. a. O., S. 61.

4 Zit. nach: Rapport, Mike: 1848 – Revolution in Europa, Ulm 2011, S. 130.

5 Schulze, Hagen: Kleine deutsche Geschichte. München 2001, S. 93.

9. Berlin: Barrikadenkämpfe 1848

Der 21. März 1848 war für viele Menschen in Berlin ein Tag zum Erstaunen. Viele von ihnen hatten ihren König Friedrich Wilhelm IV. und seine Gattin Elisabeth noch nie gesehen. An jenem Tag aber ritt er direkt an ihnen vorbei durch die Straßen der Stadt, trug eine schwarz-rot-goldene Armbinde und ging anschließend mit seiner Frau auf den Balkon des Stadtschlosses, von wo aus sich beide vor den Toten der Barrikadenkämpfe der vergangenen Tage verneigten. Der sichtlich irritierte preußische König verstand die Welt und seine Untertanen nicht mehr. Zigtausend Menschen hatten eine Woche zuvor damit begonnen, die Märzforderungen lautstark nach Berlin zu tragen und dabei gewaltsame Straßenschlachten ausgelöst. Friedrich Wilhelm ging dabei von nahezu 20 000 »Bösewichtern aus der Fremde« aus, die »gräuliche Urheber« des Blutvergießens gewesen seien.1

Seit Anfang März 1848 kursierten die Forderungen der Opposition in Berlin. Friedrich Wilhelm IV. hatte den Befehl erteilt, die Unruhestifter militärisch zum Schweigen zu bringen, was in den Tagen darauf mehrere hundert Todesopfer zur Folge hatte. Am 18. März aber eskalierte die Situation zu einem Bürgerkrieg, nachdem sich in Gegenwart einer riesigen Menschenmenge auf dem Berliner Schlossplatz aus nicht zu erklärenden Gründen zwei Schüsse gelöst hatten. Den anschließenden Tumult, der 270 Tote forderte, beschrieb der Bildhauer Albert Wolff: »Haufen flüchten durch die Königstraße, Bürger kommen, aufgeregt bis zur rasenden Wut, knirschend, bleich, atemlos. Sie rufen ›man hat auf dem Schlossplatz soeben auf uns geschossen‹. Wut- und Rachegeschrei erhebt sich durch die Königstraße; als ob sich die Erde öffnet, braust es durch die Stadt, das Straßenpflaster wird aufgerissen, die Waffenläden werden geplündert, die Häuser sind erstürmt, Beile, Äxte werden herbeigeholt. (…) Zwischen vier und fünf Uhr prasselt die erste Kartätsche von der Kurfürstenbrücke aus die Königstraße hinab; Kanonendonner folgt Schlag auf Schlag; die Barrikaden erschüttert, zerrissene Leichen liegen an den Straßenecken. Zwischen fünf und sechs Uhr kommen Infanterieabteilungen. Man schießt auf sie aus den Fenstern, man schleudert Steine auf sie von den Dächern. Ein furchtbares Gemetzel beginnt …«2

Die Barrikade an der Kronen- und Friedrichstraße in Berlin am 18. März 1848

Während vor den Toren des Stadtschlosses über viele Stunden ein Barrikadenkampf tobt, soll Friedrich Wilhelm IV. einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen sein. Das könnte auch der Grund für eine dramatischen Auseinandersetzung mit seinem Bruder, dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm I., gewesen sein. Wilhelm forderte ihn zu hartem Vorgehen gegen die Aufständischen in der Stadt auf. Als der König das ablehnte, brüllte ihn sein Bruder an: »Bisher habe ich wohl gewusst, dass du ein Schwätzer bist, nicht aber, dass du eine Memme bist.«3 Statt seinem aufgebrachten Bruder zu folgen, entschied sich Friedrich Wilhelm IV., wenn auch schweren Herzens, auf die Revolutionäre zuzugehen. In einem Aufruf An mein Volk kündigte er an, dass Preußen »fortan in Deutschland aufgehen« werde.4 Wilhelm hingegen musste in bürgerlicher Kleidung unter dem Pseudonym »Lehmann« mitten in der Nacht nach London fliehen, wo er auf den ebenfalls vor revolutionären Unruhen geflohenen österreichischen Außenminister Klemens von Metternich traf.5

In Berlin, wo am Brandenburger Tor der »Platz des 18. März« an die Barrikadenkämpfe von 1848 erinnert, sah sich Friedrich Wilhelm IV. genötigt, den Forderungen der Demonstranten nachzukommen. Gegen »halb 2 Uhr«, wie sich ein Augenzeuge erinnerte, trat der König begleitet von Bürgermeister Franz Christian Naunyn auf den Schlossbalkon und sagte »mit lauter Stimme ungefähr: Der König will, dass Pressefreiheit herrscht; dass der Landtag sofort berufen werde; dass eine deutsche Nationalflagge wehe; dass alle Zollschlagbäume fallen, dass Preußen sich an die Spitze der Bewegung stelle.«6

Stürmischer Jubel brach aus, und mit Staunen nahmen die preußischen Untertanen die Einrichtung eines liberalen Ministeriums, die Gewährung der Presse- und Versammlungsfreiheit und das Versprechen einer preußischen Nationalversammlung zur Kenntnis. Damit verbreitete Friedrich Wilhelm IV. den Eindruck, sein Land sei auf dem Weg zu einem liberalen Verfassungsstaat und könne nicht nur Vorbild, sondern geradezu das Ideal eines modernen Verfassungsstaates sein. Und tatsächlich ließ der preußische König seinen Worten Taten folgen. Am 29. März 1848 übernahm der liberale Banker Ludolf Camphausen das Amt des preußischen Ministerpräsidenten, vier Wochen später fanden die Wahlen zur preußischen Nationalversammlung statt, in der Linke und Liberale die Mehrheit stellten. Innerhalb weniger Wochen waren damit alle Forderungen erfüllt, die teilweise schon über viele Jahre erhoben worden waren.

So erstaunlich die Wandlung des preußischen Königs war, so groß war auch das Rätselraten über die Motive seines Handelns. Sich an die Spitze der Revolution zu stellen, diente in allererster Linie der Beendigung der Revolte in Berlin, die den Bestand der Hohenzollernherrschaft hätte infrage stellen können. Zudem sah sich der König nicht imstande, langfristig eine Politik gegen die Bürgerbewegung in seinem Land umzusetzen. So ritt er aus Machtkalkül mit der schwarz-rot-goldenen Armbinde durch Berlins Straßen, wie er am 22. März 1848 in einem Brief an seinen Bruder in London offenbarte: »Die Reichsfarben musste ich gestern freiwillig aufstecken, um Alles zu retten. Ist der Wurf gelungen, (…) so lege ich sie wieder ab!«7 Wie ehrlich dieser Satz war, zeigte sich bald, denn schon gegen Ende des Jahres leitete er eine konservative Gegenrevolution in Preußen ein. Sein Kalkül bestand darin, durch ein zeitweiliges Zurückweichen vor der Revolution und der Gewalt der Straße langfristig seine absolutistische Macht nicht nur zurückzuerlangen, sondern zu stabilisieren. In diesem Sinne löste er Anfang Dezember 1848 die preußische Nationalversammlung wieder auf und erließ anschließend eine neue Verfassung, auf die die aufgelöste Nationalversammlung keinen Einfluss mehr hatte. Damit war Preußen zwar zu einer konstitutionellen Monarchie geworden, aber die tatsächliche Macht war beim König verblieben.

Friedrich Wilhelm IV. hatte nie die Absicht gehabt, die Forderungen der Revolution nachhaltig umzusetzen. Das zeigte sich nicht nur, als er im April 1849 brüsk die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene Krone eines deutschen Kaisers ablehnte, sondern auch schon in den Märztagen 1848. Während er am 21. März durch Berlin ritt und von seinen Untertanen bestaunt wurde, brachte einer der Anwesenden einen Hochruf aus: »Es lebe der Kaiser von Deutschland!« Aber Friedrich Wilhelm IV. wehrte ab, indem er sagte, er trage die Farben der Revolution, die nicht »die meinen sind, aber ich will damit nichts usurpieren, ich will keine Krone, keine Herrschaft, ich will Deutschlands Freiheit, Deutschlands Einigkeit, ich will Ordnung, das schwöre ich zu Gott«.8


1 Ribbe, Wolfgang (Hrsg.): Geschichte Berlins, Band 2. München 1987, S. 616.

2 Pollmann, Bernhard: Lesebuch zur Deutschen Geschichte. Texte und Dokumente aus zwei Jahrtausenden. Dortmund 1989, S. 646 f.

3 Oster, Uwe: Preussen. Geschichte eines Königreichs. München, Zürich 2012, S. 281 f.

4 Der Text ist im »documentarchiv« abgedruckt (zuletzt abgerufen am 16.03.2022).

5 Hein, Dieter: Die Revolution von 1848/49. München 2019, S. 15 ff.

6 Berding, Helmut: Die deutsche Revolution von 1848/49. Stuttgart 1989, S. 34.

7 Schwibbe, Michael; u. a.: Zeit Reise – 1200 Jahre Leben in Berlin. Berlin 2008, S. 104.

8 Zit. nach: Oster, Uwe, a. a. O., S. 284.

10. Mannheim: Die Märzforderungen der »Mannheimer Petition« 1848

»Revolution in Paris!«, titelten die immer wieder neu aufgelegten Nachrichtenblätter an jenem 24. Februar 1848, als der »Bürgerkönig« Louis-­Philippe aus dem Amt gejagt und die zweite Französische Republik ausgerufen wurde. Auch in Mannheim, einem Zentrum der badischen Einheitsbewegung, war die Aufregung groß. Eine Bürgerversammlung, die schon lange vor den Nachrichten aus Frankreich geplant war, bekam nun politische Brisanz, denn die Ereignisse in Paris stachelte den Ehrgeiz der Massen an.1 Das Versammlungskomitee verbreitete einen Aufruf und propagierte den »entscheidenden Augenblick, der Tag der Freiheit ist angebrochen! Es gilt jetzt, den Augenblick zu ergreifen. 32 Jahre lang haben wir fruchtlos gehofft. Jetzt gilt es zu fordern und unseren Forderungen Nachdruck zu geben!«2 Derart angestachelt strömten am Nachmittag des 27. Februar 1848 mehr als 2500 Menschen in die Aula des Mannheimer Jesuitengymnasiums, unter ihnen Lokal- und Landespolitiker und führende Oppositionelle wie der »gemäßigte« Johann Adam von Itzstein, der zum Vorsitzenden der Versammlung gewählt wurde. Im Mittelpunkt des Interesses aber stand der leidenschaftliche Redner und Mannheimer Verleger Heinrich Georg Hoff. Unterstützt wurde Hoff von dem in Mannheim tätigen Anwalt Gustav Struve und von Friedrich Hecker, der als einer der führenden Köpfe der Badischen Revolution dem radikalen Flügel der demokratischen Opposition angehörte. Struve und Hecker waren die populären Agitatoren der Demokratie- und Einheitsbewegung in Baden.3 Sie kamen mit einem vorbereiteten Text in die Versammlung nach Mannheim und verlasen ihn unter dem Titel »Petition vieler Bürger und Einwohner der Stadt Mannheim, betreffend die endliche Erfüllung der gerechten Forderungen des Volkes«. Ihre Petition richtete sich an die zweite Kammer des badischen Landtags:

»Eine ungeheure Revolution hat Frankreich umgestaltet. Vielleicht in wenigen Tagen stehen französische Heere an unseren Grenzmarken, während Russland die seinen im Norden zusammenzieht. Ein Gedanke durchzuckt Europa. Das alte System wankt und zerfällt in Trümmer. Aller Orte haben die Völker mit kräftiger Hand die Rechte sich selbst genommen, welche ihre Machthaber ihnen vorenthielten. Deutschland darf nicht länger zusehen, wie es mit Füßen getreten wird. Das deutsche Volk hat das Recht zu verlangen: Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes. Die Zeit ist vorüber, die Mittel zu diesen Zwecken lange zu beraten. Was das Volk will, hat es durch seine gesetzlichen Vertreter, durch die Presse und durch Petitionen deutlich genug ausgesprochen. Aus der großen Zahl an Maßregeln, durch deren Eingreifen allein das deutsche Volk gerettet werden kann, heben wir hervor: 1. Volksbewaffnung mit freier Wahl der Offiziere. 2. Unbedingte Pressefreiheit. 3. Schwurgerichte nach dem Vorbilde Englands. 4. Sofortige Herstellung eines deutschen Parlaments. Diese vier Forderungen sind so dringend, dass mit deren Erfüllung nicht länger gezögert werden darf. Vertreter des Volkes! Wir verlangen von Euch, dass Ihr diese Forderungen zu ungesäumter Erfüllung bringet. Wir stehen für dieselben mit Gut und Blut ein und mit uns, davon sind wir durchdrungen, das ganze deutsche Volk. Mannheim, den 27. Februar 1848.«4

Diese Petition stellte eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Frankfurter Nationalversammlung dar. Gemäßigte, radikale und liberale Politiker einigten sich auf die in Mannheim formulierten vier »Forderungen des Volkes«, die von den Herrscherhäusern zu erfüllen waren. Gleichzeitig verwiesen sie auf die unsichere außenpolitische Lage, die durch die Februarrevolution in Frankreich entstanden war. Zwar wurde die Revolution begrüßt, aber gleichzeitig keimte die Furcht, die neue französische Republik könnte im Zuge einer expansionistischen Außenpolitik die Rückgewinnung des linken Rheinufers wie zu Zeiten Napoleons anstreben. Diese »teilweise fast panische Angst«,5 die durch Äußerungen des französischen Außenministers noch angeheizt worden war, wirkte wie ein Treibsatz für das Streben nach einer nationalen Einheit der Deutschen.

Die Anwesenden waren begeistert und beschlossen, die Petition nach Karlsruhe zum badischen Parlament zu bringen und mit einer »Sturmpetition«, bei der es zu einer Audienz beim Adressaten der Petition kommt, durchzusetzen. Am 1. März 1848 zogen einige Teilnehmer der Versammlung nach Karlsruhe vor den Landtag, um die Petition zu übergeben und den Forderungen der Revolutionäre Nachdruck zu verleihen. Schnell wurde aus der Übergabe eine Massenveranstaltung. Allein aus Mannheim waren mehr als 3500 Menschen angereist. Friedrich Hecker übergab die Petition an den badischen Innenminister Johann Baptist Bekk mit den Worten, es sei »keine Zeit zu Zeremonien«,6 nachdem Bekk die Zustimmung der Ersten Kammer zur Voraussetzung für eine Annahme der Petition gemacht hatte. Zurück in Mannheim kam es zu spontanen Kundgebungen, die Menschen jubelten den Emissären zu, die davon berichteten, dass das badische Parlament die Petition innerhalb von 24 Stunden annehmen werde. Und tatsächlich billigte Großherzog Leopold am 2. März 1848 das in Mannheim beschlossene Reformprogramm.

Die Forderungen der Mannheimer Petition vom 27. Februar 1848 gingen wie ein Lauffeuer durch die übrigen deutschen Länder. Als im März klar wurde, dass das badische Parlament den Forderungen nicht nur zustimmte, sondern sie auch umsetzen wollte, kursierten nun im gesamten Deutschen Bund die »Märzforderungen«. Die in Mannheim verabschiedete Petition stand am Anfang der nun beginnenden Phase der deutschen Revolution, die innerhalb von dreieinhalb Monaten zur konstituierenden Sitzung des ersten frei gewählten deutschen Parlaments führte. Die Forderungen nach Aufhebung der 1819 gefassten Karlsbader Beschlüsse, nach der sofortigen Freilassung der politischen Gefangenen, nach Gewährung des Versammlungsrechts und der Pressefreiheit verbreiteten sich immer weiter. In vielen Ländern des Deutschen Bundes sahen sich die Regenten gezwungen, den Märzforderungen unmittelbar nachzukommen, weil sie ansonsten mit schweren und gewalttätigen Ausschreitungen rechnen mussten. Deshalb entstanden überall Märzministerien, in denen die unvermeidliche Umsetzung der Forderungen durchgeführt wurde.


1 Gaßner, Klaus; Finkele, Diana: Der Aufstand der badischen Demokraten. Geschichten aus der Revolution 1848/49. Ubstadt-Weiher 1998, S. 41.

2 Berding, Helmut: Die deutsche Revolution von 1848/49. Stuttgart 1989, S. 28.

3 Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt a. M. 1985, S. 72.

4 Zitiert nach: Arbeitskreis der Archive im Rhein-Neckar-Dreieck (Hrsg.): Der Rhein-Neckar-Raum und die Revolution von 1848/49. Ubstadt-Weiher 1998, S. 11.

5 Hahn, Hans-Werner; Berding, Helmut: Reformen, Restauration und Revolution. 1806–1848/49. Stuttgart 2010, S. 541.

6 Die Petition findet sich im Marchivum: https://www.marchivum.de/de/blog/stadtgeschichte-79 (zuletzt abgerufen am 19.02.2022).

11. Odenwald: Bauernkrieg und antijüdische Pogrome 1848

Wie in allen großen Revolutionen seit dem späten 18. Jahrhundert – etwa bei der Französischen von 1789, der Chinesischen Revolution von 1911 oder der Russischen von 1917 – stand am Beginn eine »agrarsoziale Revolution«. Das war 1848 nicht anders.1 Die vorausgegangenen Agrarreformen in den Ländern des Deutschen Bundes waren entweder gescheitert oder liegengelassen worden. In Preußen blockierten Adlige die Reformen des Agrarsektors, anderswo hatten Bauern nicht genügend Geld, um die Ablöse für ein Stück Land aufzubringen.2 In Baden und Württemberg waren die Agrarreformen ebenfalls ins Stocken geraten, sodass sich Mitte der 1840er Jahre rund ein Viertel des gesamten Ackerlandes im Eigentum von Standesherren befand. Weitere zehn Prozent gehörten zu Grundherrschaften, bei denen die Grundherren die Verfügungsgewalt über Land und Leute innehatten. Insgesamt stand mit dieser feudalen Ordnung etwa ein Drittel der badischen Bevölkerung unter einem »standesherrlichem Regiment«. Zudem waren Bauern zu Frondiensten, Geldzinsen, Erbpacht- oder Naturalienabgaben gezwungen und hatten den Grundherren das Weide- und Waldnutzungsrecht auf dem von ihnen bewirtschafteten Bauernland einzuräumen.3 Die zögerlich umgesetzten Agrarreformen in den Staaten des Deutschen Bundes waren ein Beispiel für die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Einerseits sollten Bauern Grund und Boden erwerben können, andererseits versperrten ihnen der Widerstand der vormaligen adligen Besitzer und die gewohnheitsrechtliche Ordnung der Produktionsverhältnisse den Weg zum Grundbesitz. Damit war die ursprüngliche Absicht konterkariert und der Grundstein für eine immer radikaler werdende Mobilisierung der Bauern gelegt.

Gegen diese geradezu mittelalterliche Agrarordnung standen im März 1848 die Bauern in Nordbaden und vor allem im Odenwald auf. In Buchen im Odenwald stürmten mehrere hundert Männer die Finanzverwaltung des Fürsten von Leiningen und verbrannten Unterlagen ihrer jahrhundertealten Unterdrückung. Der Funke dieses Gewaltexzesses sprang auf Nachbargemeinden über, wo binnen weniger Tage Revolten gegen Standes- und Grundherrschaften begannen. Dramatisch waren auch die Ereignisse in Wiesbaden, wo sich am 4. März 1848 etwa 30 000 teilweise bewaffnete Bauern versammelten und das Stadtschloss belagerten. Sie verkündeten die »Neun Forderungen der Nassauer«, die unter anderem eine Volksbewaffnung, Pressefreiheit, ein deutsches Parlament, eine Verfassung, Vereinigungsfreiheit, neue Schwurgerichte, Wahlrecht für alle Bürger und Religionsfreiheit umfassten. Als das Gerücht aufkam, der nassauische Herzog Adolph sei nicht in der Stadt, wurden Fahnen zerrissen und gedroht, das Stadtschloss in Brand zu stecken. An seiner Stelle bewilligte ein Staatsminister die vorgebrachten Forderungen und versicherte für den Fall, dass der Herzog gegenteiliger Ansicht wäre, ohne eine Pension sein Amt zu quittieren.

Dazu kam es aber nicht, weil der Herzog am Abend in Wiesbaden erschien, zu Fuß durch die erstaunte Menge schritt und anschließend vom Schlossbalkon verkündete: »Nassauer! Die Forderungen, die Ihr an mich gestellt habt, deren Gewährung euch mein Minister versprochen und meine Mutter und mein Bruder mit ihrem Namen verbürgt haben, genehmige ich.«4 Kurz darauf wurde ein Märzministerium mit dem Liberalen August Hergenhahn an der Spitze eingerichtet und eine Reihe der Forderungen der Bauern auch in die Tat umgesetzt. In den folgenden Wochen wurde die von den hessischen Bauern als besonders ungerecht empfundene Gemeindeverfassung abgeschafft, einige Förster aus dem Amt gedrängt und eine neue Jagdordnung verkündet. Außerdem erhielten die Bauern das Recht, die Steuer- und Pachtzahlungen einzustellen. Die badischen Bauern hatten einen unerwarteten Sieg errungen und eine grundlegende Änderung der Herrschaftsverhältnisse bewirkt. Dieser Sieg war allerdings teuer erkauft, denn die Last der Entschädigung ruhte auf ihren Schultern.

Während die Bauern gegen ihre Landesherren wüteten, richtete sich der Zorn anderer auf eine nicht nur in Baden verachtete und weitgehend ausgeschlossene Minderheit. Die hinzugewonnenen Bürgerrechte sollten zwar die Emanzipation der Menschen bewirken, sie sollten aber auf keinen Fall für die jüdische Minderheit gelten. Denn eine volle Gleichberechtigung der Juden würde beispielsweise auch deren Recht auf Brennholz aus den umliegenden Wäldern nach sich ziehen, was ihnen bis dahin verwehrt war. Der Status der allenfalls geduldeten Juden sollte durch die neuen Rechte für die deutsche Gesellschaft nicht in gleichem Maße angehoben werden. Dem widersprach am 2. März 1848 ein Parlamentarier im badischen Parlament und feuerte damit unbewusst die antijüdischen Ressentiments an: Die »Zugehörigkeit eines Staatsbürgers zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (darf) keinerlei Beschränkungen seiner politischen Rechte bewirken«,5 sagte er und lieferte vielen Menschen in ländlichen Gebieten einen Vorwand, zu antijüdischen Pogromen aufzurufen.

Öffentliche Gewalt und Pogrome eines aufgestachelten Mobs der Straße ließen nicht nur Juden um ihr Leben fürchten, sondern waren eine »Kehrseite der politischen Emanzipation«6 durch die Deutsche Revolution von 1848. Im badischen Odenwald wurden nach dem 3. März 1848 als direkte Folge und Begleiterscheinung der Ereignisse vor dem Wiesbadener Stadtschloss einzelne Personen oder ganze Gruppen angegriffen. Es kam zu wochenlangen Plünderungen jüdischer Häuser und Geschäfte. In Mannheim löste ein Regierungsbeschluss zur Gleichstellung der Juden Krawalle aus, in Baisingen prügelten bewaffnete Bauern mit dem Ruf »Geld oder Tod!« auf Juden ein, vertrieben sie aus ihren Häusern und zwangen mehr als 200 Menschen auf diese Weise zur Flucht. Etwa ein Fünftel aller jüdischen Gemeinden vor allem im Odenwald, dem Kraichgau und dem Taubergrund waren von derartigen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung betroffen.7

Die an Leib und Leben bedrohten Juden versuchten die Lage dadurch zu entschärfen, dass sie gegenüber Bürgermeistern oder Ortsvorsitzenden versicherten, von den neuen Bürgerrechten keinen Gebrauch zu machen. Andere waren in größere Städte geflohen, wo sie sich mehr Sicherheit erhofften. In einigen Gemeinden wurden Wachen aufgestellt, um die jüdischen Einwohner zu schützen. Damit galten die erstrittenen neuen Bürgerrechte nur auf dem Papier für alle Bürger. Tatsächlich wurden sie den Juden vorenthalten. In der Freiburger Zeitung konnte man das am 6. März 1848 nachlesen: »In Bühl ist die Erbitterung gegen die Juden sehr groß. Drohungen wurden heute daselbst allenthalben hörbar. Wie wir hören, hat das hiesige Amt energische Maßregeln ergriffen, dass die Juden in Baden nicht mehr übernachten dürfen.«8 Die »Ämter« kamen also lieber den Forderungen der »erbitterten« Bürger nach, als für die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung zu sorgen.


1 Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. 1815–1845/49. München 1987, S. 704

2 Hahn, Hans-Werner; Berding, Helmut: Reformen, Restauration und Revolution. 1806–1848/49. Stuttgart 2010, S. 206 f.

3 Wehler, Hans-Ulrich: a. a. O., S. 667.

4 Schmidt-von Rhein, Georg: Die Wiesbadener Revolution: http://www.specknet.de/parlamentarisierung/text.html (zuletzt abgerufen am 29.04.2022).

5 Gaßner, Klaus; Finkele, Diana: Der Aufstand der badischen Demokraten. Geschichten aus der Revolution 1848/49. Ubstadt-Weiher 1998, S. 75.

6 Zit. nach: Unterrichtsmaterialien zur jüdischen Emanzipation in Baden: »Gewalt gegen Juden während der Revolution 1848 in Baden«, hrsg. von der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, S. 3.

7 Dietrich, Stefan J.: Antijüdische Ausschreitungen 1848 in Nordbaden, in: Badische Heimat 1/1998, S. 71 ff.

8 Beilage der Freiburger Zeitung Nr. 69 vom 9. März 1848: https://fz.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=showpic&ausgabe=01&day=09gx&year=1848&month=03&project=3&anzahl=2 (zuletzt abgerufen am 22.02.2022).

12. Cincinnati: Der erste deutsche Turnverein in den USA 1848

Friedrich Hecker war einer der radikalsten Demokraten unter den deutschen Revolutionären. In der mit seinem Namen eng verbundenen Badischen Revolution, die am 13. April 1848 mit dem sogenannten Heckerzug1 begann und auf den Sturz der Monarchie abzielte, spielte er eine führende Rolle. Aber sein Engagement war mit dem hohen Risiko verbunden, zur Zielscheibe polizeilicher Maßnahmen zu werden. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands am 27. April 1848 drohte ihm strafrechtliche Verfolgung, was Hecker zur Flucht erst in die Schweiz und dann in die USA bewegte. Dort ließ er sich in Belleville im US-Bundestaat Illinois nieder und gründete im benachbarten Cincinnati, Ohio den ersten Turnverein in den Vereinigten Staaten von Amerika.2

Hecker gehörte zur Gruppe der Forty-Eighters in den USA, also jenen deutschen Revolutionären, die nach Amerika emigrierten und dort sesshaft wurden. Heckers Turnverein hatte seine erste Bleibe an der Ecke Vine Street und East Daniels Street in Cincinnati und später ein prominentes Mitglied: Der in Cincinnati geborene 27. Präsident der USA, William Howard Taft, war jahrelang regelmäßiger Trainingsteilnehmer in Heckers Turnverein. Zunächst aber fristete die deutsch-amerikanische Turnerbewegung ein bescheidenes Dasein. Zwar waren einige deutsche Turnbegeisterte während der napoleonischen Besatzung Europa in die USA ausgewandert, aber es mangelte an Lehrern, die die Vorstellungen von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn in die Tat umsetzen konnten. Der hatte in Deutschland eine wahre Euphorie ausgelöst, indem er Jugendliche durch Leibesübungen für den Kampf gegen die französischen Besatzer fit machte.

Mit der Auswanderungswelle während und nach der Deutschen Revolution erfuhr die amerikanische Turnbewegung einen Aufschwung. Der »American Turnbund«3 bekam in den Jahren zwischen 1848 und 1850 großen Zulauf und Tausende neuer Mitglieder. Bald gab es in vielen amerikanischen Großstädten Turnvereine, die deutsche Emigranten ins Leben gerufen hatten. In Boston, Philadelphia und Cleveland folgten bis 1850 die nächsten Turnvereine, die eine Gruppe von deutschen Emigranten gründeten. Zu ihnen gehörten Fritz Dexheimer aus Niederhausen in Rheinland-Pfalz, die Brüder George, Jacob, Henry und Wilhelm Lehr aus Darmstadt oder Karl Cobelli aus Coburg.4 In Cleveland rodeten sie zunächst ein kleines Waldstück, das damals noch außerhalb der Stadt lag, um daraus einen Turnplatz im Freien zu machen. 1851 errichteten sie ein kleines Gebäude auf dem Gelände und hatten damit die erste Turnhalle der Stadt erbaut.

Die Turnvereine dienten aber nicht nur der körperlichen Ertüchtigung ihrer Mitglieder. Sie wurden schnell zu Treffpunkten der Deutschen in den USA. Hier wurden Kontakte untereinander geknüpft, deutsche Lebensweisen und Traditionen gepflegt und ein Forum geboten, in dem man den Schmerz über den Verlust der Heimat mit anderen teilen konnte. Die Turnvereine erleichterten den deutschen Neuankömmlingen in den USA die Integration in eine andere Gesellschaft. Sie dienten teilweise auch als Rückzugsort, an dem man in der eigenen Sprache über die politischen Entwicklungen in Deutschland reden konnte. Aber als der Konflikt zwischen den Nord- und Südstaaten um den Bestand des gemeinsamen amerikanischen Bundesstaates immer bedrohlicher wurde und 1861 in einen blutigen Bürgerkrieg mündete, geriet die Entwicklung der von Friedrich Hecker und anderen deutschen Emigranten gegründeten Turnvereine ins Stocken.

Es ging zwischen den aus der Union ausgetretenen Südstaaten – den »Konföderierten« – und den in der Union verbliebenen Nordstaaten – den »Unionsstaaten« – vor allem um die ökonomische Spaltung zwischen Nord und Süd. Die weitgehend landwirtschaftlich mit großen Plantagen strukturierten Südstaaten hatten einen hohen Bedarf an Arbeitskräften, den sie größtenteils mit Sklaven deckten. Die Nordstaaten hingegen hatten mehr Industriestandorte und waren an gut ausgebildeten Fachkräften interessiert, die durch Sklaverei nicht zu gewinnen waren. Die Nordstaaten wollten die Sklaverei abschaffen und riefen damit den Widerstand der Südstaaten hervor, die einen derartigen Eingriff in ihre eigenen Verfassungen nicht akzeptierten. Sie stritten der Zentralgewalt in Washington das Recht ab, bundesweit den Einsatz von Sklaven verbieten zu können, und verließen deshalb den gemeinsamen amerikanischen Bundesstaat. In dem nun folgenden amerikanischen Sezessionskrieg engagierten sich viele der etwa 1,3 Millionen deutsche Emigranten. Die Forty Eighters,5 die inzwischen eine nicht mehr zu übersehende Gruppe in der amerikanischen Gesellschaft darstellten, waren dabei in aller Munde. Überall im Land waren »German Towns« entstanden, wo deutsche Zeitungen ebenso angeboten wurden wie deutsche Lebensmittel und kulturelle Veranstaltungen.

Vor allem bei den Unionsstaaten gab es regelrechte Forty-Eighters-Kompanien. Die deutschen Soldaten genossen hohes Ansehen bei Freund und Feind, was den Südstaatengeneral Robert E. Lee zu dem Satz veranlasst haben soll: »Entfernt die Deutschen aus der Unionsarmee und wir machen mit den Yankees kurzen Prozess.«6 Ihr besonderes Engagement lag bei einigen Deutschen daran, dass sie im Freiheitswillen der Amerikaner eigene Ziele während der Deutschen Revolution wiedererkannten. Andere traten in den Dienst der Armee, weil sie regelmäßig Sold bekamen und ihre wirtschaftlichen Nöte überwinden konnten. Der Krieg endete 1865 mit einem Sieg der Nordstaaten mit Präsident Abraham Lincoln, der Neuorganisation der USA und dem Verbot der Sklaverei.

War der Betrieb in den Turnvereinen während des Bürgerkriegs zum Erliegen gekommen, erlebten die Vereine anschließend einen wahren Boom. In Cleveland wuchs der Turnverein derart, dass 1872 ein neues Grundstück gekauft und eine neue Halle gebaut werden musste. Rund zehn Jahre später war auch dieser Bau zu klein, sodass erneut gebaut werden musste: 3919 Lorain Ave. ist noch heute die Adresse des 1848 von emigrierten deutschen Revolutionären gegründeten Turnvereins von Cleveland. Auch der von Friedrich Hecker 1848 in Cincinnati gegründete Turnverein existiert noch. Der Verein musste mehrmals umziehen, aber das alte Gebäude, in dem Hecker selbst und später der 27. Präsident der USA William Howard Taft geturnt haben, existiert noch: Short Vine St. zwischen University Ave. und Daniels St.


1 Werner, Eva Maria: Kleine Geschichte der deutschen Revolution von 1848/49. Wien 2009, S. 116 ff.

2 Freitag, Sabine: Friedrich Hecker. Der Traum von der Republik, in: Steinmeier, Frank-Walter (Hrsg.): Wegbereiter der Demokratie. 30 mutige Frauen und Männer 1789–1918. München 2021, S. 195.

3 Metzner, Henry: A Brief History of the American Turnerbund. Pittsburgh 1924, auch im »Internet Archive« verfügbar: https://archive.org/details/briefhistoryofam00metz/mode/2up (zuletzt abgerufen 10.03.2022).

4 Die komplette Liste der Gründer des Turnvereins in Cleveland findet sich bei »Clevelandmemory.net« hier: http://www.clevelandmemory.net/german/articles/turnverein.html (zuletzt abgerufen am 10.03.2022).

5 Zur Rolle der 48er in den USA: Brancaforte, Charlotte (Hrsg.): The German Forty-Eighters in the United States. New York 1989 und: Hochbruck, Wolfgang; u. a. (Hrsg.): Achtundvierziger / Forty-Eighters. Die deutschen Revolutionen 1848/49, die Vereinigten Staaten und der amerikanische Bürgerkrieg. Münster 2000.

6 Zitiert nach: Lüpke-Schwarz, Marc von: Deutsche im Amerikanischen Bürgerkrieg. Deutsche Welle Geschichte, 07/2013.

13. München: Die Abdankung König Ludwigs I. von Bayern – 1848

Ludwig kam am 25. August 1786 als Sohn von König Maximilian I. Joseph und Prinzessin Auguste Wilhelmine Maria von Hessen-Darmstadt zur Welt. Am 1. Januar 1806 wurde Bayern im Zuge des mit dem französischen Kaiser Napoleon geschlossenen Vertrags von Brünn Königreich und Ludwig Kronprinz. Kurz darauf engagierte sich der Kronprinz in der bayerischen Innenpolitik und organisierte den Widerstand gegen Maximilian von Montgelas, der als Außenminister mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet war. Montgelas ließ sich von den Ideen der Aufklärung inspirieren, führte eine strikte Säkularisierung in Bayern durch, sorgte für eine Reform der Verwaltung und für die Gleichstellung der christlichen Konfessionen. Ludwig versuchte Montgelas zu behindern. Nach seiner Auffassung führte die »antifeudalistische Adelspolitik (dazu), aus Aristokraten mit tradiertem Eigenrecht Adelskonzessionäre von Staates Gnaden«1 zu machen. Diese Beschneidung der Rechte des Adels wollte Ludwig verhindern und torpedierte hinter den Kulissen die Politik von Montgelas, was 1817 zu dessen Entlassung führte.

Neben dieser innenpolitischen Auseinandersetzung verfolgte Kronprinz Ludwig die Ereignisse in Griechenland mit großer Aufmerksamkeit. Zwischen 1821 und 1829 kämpften dort die von Frankreich, Großbritannien und Russland unterstützten griechischen Revolutionäre gegen die Herrschaft des Osmanischen Reichs. Ludwig gewährte den Aufständischen einen millionenschweren Kredit und sorgte am Ende dafür, dass sein Sohn Otto von Wittelsbach 1832 erster griechischer König wurde. Nach dem Tod seines Vaters Maximilian bestieg Ludwig am 13. Oktober 1825 den bayerischen Thron und übte in den ersten Jahren seiner Regentschaft eine gemäßigte Politik aus. Als es allerdings im Juli 1830 in Paris zur Revolution kam und König Karl X. entmachtet wurde, schwenkte Ludwig I. um und betrieb fortan eine restriktive Restaurationspolitik, wie sie auch in anderen Staaten des Deutschen Bundes üblich war. Im März 1844 kam es zum ersten Mal in seiner Regierungszeit zu Protesten. Sie richteten sich bei der Münchener Bierrevolution gegen die von Ludwig I. angeordnete Bierpreisanhebung, die aber nach den massiven Protesten wieder zurückgenommen werden musste.2 Das war ein erster Vorgeschmack auf unruhige Zeiten, die auch vor dem Königreich Bayern nicht Halt machten, zumal der zur Autokratie neigende Ludwig I. einiges dazu beitrug.

1837 entließ Ludwig I. Staatsminister Ludwig zu Oettingen-Wallerstein und ersetze ihn durch Karl von Abel, der auf königliche Weisung einen antiliberalen und streng konservativen politischen Kurs einschlug. Von den Ständen und dem bayerischen Landtag erwarteten der König und sein Staatsminister »bereitwillige Kooperation bei rückhaltloser Respektierung der vollen Rechte von Krone und Regierung«. Dies zielte vor allem auf das Budgetrecht des Parlaments. Es war die schärfste Waffe der Parlamentarier gegenüber dem bayerischen König. Staatsminister von Abel versuchte durch Veränderungen der Wahlkreise und Einschränkungen für liberale Beamte die »Kraft der Opposition zu schwächen und das Parlament zu marginalisieren«.3

Aber nicht nur der Versuch, die parlamentarischen Rechte zugunsten der Krone zu schwächen, sorgten bei der bayerischen Bevölkerung für Unmut. Ludwig I. hatte sich in eine öffentlich gewordene Affäre mit Lola Montez begeben, die seinem Ansehen und dem Ansehen der bayerischen Krone schweren Schaden zufügte. Lola Montez war eine 1821 geborene irische Tänzerin, die wegen eines Engagements an der Münchener Hofbühne Anfang Oktober 1846 bei Ludwig I. vorstellig wurde, nachdem Intendant August von Frays ihrem Wunsch nach einer Anstellung nicht entsprochen hatte. Lola Montez bekam die Rolle durch die Intervention des Königs, der wenige Tage später eine Affäre mit der 35 Jahre jüngeren Tänzerin begann. Ludwig I. überhäufte sie mit Geldgeschenken, bedachte sie testamentarisch und kaufte ihr ein Palais in bester Münchener Lage. Die bayerische Öffentlichkeit missbilligte die brisante Affäre. Als Ludwig I. Lola Montez ungeachtet des massiven Protestes auch noch den Grafentitel verlieh, trat die Regierung im Februar 1847 zurück. Auch der nachfolgenden Regierung unter dem erneut mit den Regierungsgeschäften beauftragten Ludwig zu Oettingen-Wallerstein gelang es nicht, den König aus der Schusslinie der öffentlichen Kritik zu nehmen. Denn die Ereignisse um die irische Tänzerin überschlugen sich. Sie frönte einem aufwändigen Lebensstil, verursachte eine Reihe von Skandalen und musste nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung Anfang Februar 1848 in die Schweiz fliehen.4

Zwar sorgte Ludwig I. dafür, dass Lola Montez die bayerische Staatsangehörigkeit entzogen wurde, aber in der Öffentlichkeit und auch bei konservativen und königstreuen Kreisen hatte er mit der Affäre Montez den Bogen überspannt. Als Anfang März 1848 die Forderungen der deutschen Einheitsbewegung publik wurden, stürmten aufgebrachte Bürger das Zeughaus, bewaffneten sich und zogen zur königlichen Residenz. Neben dem Liebesabenteuer Ludwigs I. waren vor allem drastische Preissteigerungen bei Lebensmitteln und die revolutionäre Stimmung im Lande der Anlass für die Ausschreitungen. Ludwig I. war nicht mehr Herr der Lage und überließ es weitgehend seinem Bruder Karl, die Menge zu besänftigen. Einige Minister sympathisierten mit den Forderungen der Münchener Bürger und diktierten dem König am 6. März 1848 die sogenannte Märzproklamation.5 Darin musste Ludwig I. Zugeständnisse machen, die er wenige Tage zuvor noch vehement abgelehnt hatte: eine neue bayerische Verfassung, die Ministerverantwortlichkeit ebenso garantierte wie die Pressefreiheit, eine neue Wahlordnung, die Einführung von Öffentlichkeit in der Rechtsprechung und die Verbesserung der Lage der jüdischen Staatsbürger. Zudem sollte das Heer auf die Verfassung vereidigt und das Polizeigesetz reformiert werden.

Lola Montez verlässt Europa, zeitgenössische Karikatur

Gleich darauf ließ der König den Worten Taten folgen und richtete ein Märzministerium ein, in dem die Reformen umgesetzt werden sollten. Aber Bayern kam nicht zur Ruhe, denn am 16. März 1848 kehrte Lola Montez für einige Tage aus ihrem Exil in der Schweiz nach München zurück. Ludwig I. erließ schweren Herzens einen Fahndungsaufruf, erkannte aber, dass er die politische Lage in seinem Land nicht mehr im Griff hatte. Nachdem sich auch Teile der königlichen Familie gegen ihn gestellt hatten, erklärte er am 20. März 1848 seinen Rücktritt und übergab seinem Sohn Maximilian II. die Regierungsgeschäfte. Ludwig I. war der einzige Herrscher in den deutschen Klein- und Mittelstaaten, der in den Revolutionsjahren 1848/49 sein Amt verlor. In den anderen Staaten standen Bürgerwehren bereit, um Schlösser oder Regierungsgebäude gegen Unruhestifter zu verteidigen. Und anders als der französische König Louis-Philippe, der im Februar 1848 aus dem Amt gejagt worden war, wurde Ludwig I. von Bayern nicht Opfer der Revolution, sondern seiner persönlichen Verfehlungen. In allen anderen Monarchien reagierten die Machthaber schnell, akzeptierten die Forderungen der Opposition und erließen entsprechende politische Maßnahmen.6


1 Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. 1815–1845/49. München 1989, S. 561.

2 Ein zeitgenössischer Zeitungsbericht vom 13. Mai 1848 der Wiener Zeitschrift: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wzz&datum=18480513&seite=4&zoom=33&query=%22loewenbr%C3%A4u%22&provider=ABO&ref=anno-search (zuletzt abgerufen am 26.02.2022).

3 Hahn, Hans-Werner; Berding, Helmut: Reformen, Restauration und Revolution. 1806–1848/49. Stuttgart 2010, S. 523 f.

4 Biografische Details über Lola Montez finden sich hier: Panzer, Marita: Lola Montez. Ein Leben als Bühne. Regensburg 2014.

5 Der Proklamationstext ist beim Haus der Bayerischen Geschichte veröffentlicht: https://www.hdbg.eu/koenigreich/index.php/objekte/index/herrscher_id/3/id/825 (zuletzt abgerufen am 26.02.2022).

6 Hahn, Hans-Werner; Berding, Helmut: a. a. O., S. 543.

14. Frankfurt: Das Paulskirchenparlament – 1848

Der 1. Mai 1848 war der Tag, den alle Revolutionäre herbeigesehnt hatten: Egal ob glühender Anhänger der Monarchie mit teilweise mittelalterlichen Herrschaftsvorstellungen oder überzeugter Republikaner, der am liebsten eine deutsche »Französische Revolution« ausrufen wollte, alle wollten eine Verfassungsgebende Nationalversammlung, und die wurde an diesem historischen Tag gewählt. Vorbereitet worden war die Wahl vom Frankfurter Vorparlament, dem 500 Männer angehörten, die sich zuvor in den unterschiedlichsten nationalen Zirkeln einen Namen gemacht hatten. Sie legten den Wahltermin fest und verabschiedeten eine Wahlordnung, die zum ersten Mal in der deutschen Geschichte allen männlichen, volljährigen und selbstständigen Staatsangehörigen1 das Recht zusprach, eine Nationalversammlung mit dem Auftrag zu wählen, einem zu gründenden deutschen Einheitsstaat eine Verfassung zu geben.

Auch wenn landesspezifische Ausführungsbestimmungen den einen oder anderen Wahlberechtigten von der Stimmabgabe ausschloss, waren überall im Land die Menschen unterwegs, um die Nationalversammlung zu wählen. Tagungsort sollte Frankfurt sein, wo jahrhundertelang das deutsche Zentrum des Heiligen Römischen Reichs gewesen war. In Frankfurt waren früher Kaiserwahlen und Krönungszeremonien durchgeführt worden, und schließlich war die Mainmetropole auch der Sitz des Bundestags des 1815 beim Wiener Kongress gegründeten Deutschen Bundes. Frankfurt schien also der geeignete Ort, um das alte Deutsche Reich durch einen neuen deutschen Einheitsstaat abzulösen. Frankfurt als freie und von alten Mächten unabhängige Stadt sollte das Machtzentrum des neuen Staats werden.2

Der Einzug des Vorparlaments in die Frankfurter Paulskirche am 21. März 1848

Das Ergebnis der Wahl war denkbar knapp. Als am Abend des 1. Mai die Stimmen ausgezählt waren, entfielen auf die Linken etwas mehr als 32 Prozent, die Rechten erreichten 36,4 Prozent und die Fraktionslosen landeten bei knapp 31 Prozent. Damit war das Parlament gedrittelt und die Suche nach Mehrheiten auch deshalb erschwert, weil es keine Parteien gab, sondern lediglich Gruppen mit gemeinsamen Interessen und vielfältigen Überschneidungen. Stabile Koalitionen scheiterten an politischen Gegensätzen und sehr unterschiedlichen parlamentarischen Erfahrungen der Abgeordneten. Die einen waren vorher in den Parlamenten eines Staates des Deutschen Bundes gewesen, andere hatten auf der kommunalen Ebene gearbeitet, und die meisten hatten sich als Oppositionelle und Revolutionäre gegen das »alte« System engagiert. Das aus 808 Abgeordneten bestehende Parlament war männlich und akademisch hoch gebildet. Es gab keine Arbeiter oder Handwerker unter ihnen, ein hoher Bildungsgrad war so etwas wie eine Zugangsvoraussetzung für das Parlament. Den Hauptanteil stellten Juristen, was auch dem Umstand geschuldet war, dass die Erarbeitung einer Verfassung, für die es weder eine Vorlage noch einen Staat mit einem klar definierten Volk gab, juristischen Sachverstand dringend benötigte. Groß war auch der Anteil der Beamten, die aus ihrem Berufsalltag Erfahrungen im Umgang mit staatlichen Behörden und deren Verwaltungsgebaren nach Frankfurt mitbrachten.3 Die Abgeordneten teilten sich mit Sitzungsbeginn am 18. Mai 1848 in fünf nach ihren jeweiligen Tagungsorten benannte Gruppierungen auf. Es herrschte kein Fraktionszwang, und die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen waren fließend, was zu zahlreichen Übertritten in den dreizehneinhalb Monaten der Existenz der Nationalversammlung führen sollte.

Die liberale Mitte dominierte. Die »rechten Liberalen« tagten in der vornehmen Frankfurter Casino-Gesellschaft und stellten mit 122 Abgeordneten die größte Fraktion. Bekanntester Politiker der Casino-Fraktion war der hessische Verwaltungsbeamte und ehemalige Landtagsabgeordnete Heinrich von Gagern. Seine Fraktion plädierte für eine konstitutionelle Monarchie, wie sie in den Jahren zuvor in Belgien oder Griechenland, aber auch bei den französischen Nachbarn installiert worden war. Die »linken Liberalen« versammelten sich im Württemberger Hof. Sie fühlten sich dem revolutionären Willen des deutschen Volkes verpflichtet und votierten dementsprechend für eine freiheitlich-demokratische Verfassung mit einem allgemeinen Wahlrecht. Die »gemäßigten Linken« trafen sich im Deutschen Hof. Sie suchten nach einem parlamentarischen Ausgleich und einer Verständigung mit den Fraktionen der politischen Mitte. Ihr prominentester Vertreter war der Kölner Abgeordnete Robert Blum. Die vierte Fraktion tagte im Restaurant Donnersberg und zählte zu den »radikalen Linken«, die sich von den im Deutschen Hof tagenden gemäßigten Linken abgespalten hatten. Die Donnersberg-Fraktion tendierte neben der parlamentarischen Arbeit auch zu gewaltsamen außerparlamentarischen Aktionen. Die fünfte Gruppierung war die »politische Rechte«, die sich im Café Milani, einem Kaffeehaus in der Frankfurter Innenstadt, traf. Die Fraktion Milani wollte den Erhalt der absolutistischen Staatenwelt der europäischen Monarchien aus der Zeit vor der Französischen Revolution von 1789. Eine Änderung des politischen Status quo in Deutschland und Europa war für die Abgeordneten der Café-Milani-Fraktion nicht vorstellbar.4

Auch wenn die Unterschiede in den politischen Auffassungen oft grundlegend unterschiedlich waren, einte die meisten Abgeordneten die Vorstellung eines deutschen Gesamtstaates, der in den Räumen der Frankfurter Paulskirche erdacht werden und in eine politische Form gegossen werden sollte. Schnell merkten sie, dass es zur Herstellung einer staatlichen Einheit an nahezu allem fehlte. Es gab keine Hauptstadt, keine nationalen Institutionen, keine nationale Kunst und keinen nationalen Vorläufer, auf den man sich bei der vor ihnen liegenden Aufgabe hätte stützen können. Seit rund tausend Jahren hatten die Deutschen in hunderten von Kleinstaaten gelebt und keinerlei nationale Identitäten entwickelt. Das waren andere Voraussetzungen als in Frankreich oder Griechenland, wo es nationale Identitäten schon seit langem gab. Also musste alles neu geschaffen werden – eine wahre Herkulesaufgabe, die noch dadurch erschwert wurde, dass viele der Abgeordneten Professoren und Akademiker waren. Ihre Neigung, den Dingen mit akribischer Genauigkeit auf den Grund zu gehen, verhinderte nicht nur pragmatische Entscheidungen, sondern lähmte zudem ihre Handlungsfähigkeit.

Während in der Frankfurter Paulskirche das »Professorenparlament« wochenlang über die Bürgerrechte, die Meinungs- und Pressefreiheit stritt, änderte sich außerhalb der Mauern der Paulskirche das politische Klima. Was die Abgeordneten innen forderten, konnte gleichzeitig außen von restaurativen Elementen mit Füßen getreten werden. Das änderte zwar nichts am Engagement der Abgeordneten und ihrer Vorstellung, dass es auf keinen Fall ein Zurück zu den vorrevolutionären Zuständen geben durfte. Die Realität aber deutete schon früh an, dass genau das passieren würde.


1 Huber, Ernst Rudolf: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Band 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850. Stuttgart 2000, S. 336.

2 Hein, Dieter: Die Revolution von 1848/49. München 2019, S 41 f.

3 Zur sozialen und politischen Zusammensetzung der deutschen Nationalversammlung: Best, Heinrich; Weege, Wilhelm: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Düsseldorf 1996.

4 Hein, Dieter: a. a. O., S. 46 ff.

15. Prag: Der Pfingstaufstand – 1848

Das 1198 entstandene Königreich Böhmen war bis 1804 Teil des Heiligen Römischen Reichs. Als dieses Reich durch die Politik des französischen Kaisers Napoleon nach der Unterzeichnung der Gründungsakte des Rheinbunds 1806 unterging, wurde Böhmen österreichisches Kronland. Damit gehörte es genau wie Mähren und Österreichisch-Schlesien zur Habsburgermonarchie und wurde 1815 Teil des beim Wiener Kongress ins Leben gerufenen Deutschen Bundes. In den böhmischen Kronländern lebten in der Mitte des 19. Jahrhunderts rund zweieinhalb Millionen Deutsche, die mit diesem geopolitischen Status quo einverstanden waren. Aber vier Millionen Tschechen opponierten gegen den Deutschen Bund. Sie wollten im Zuge der europäischen Revolutionen ihre Länder unter einem böhmischen König zusammenführen, einen gemeinsamen Landtag ins Leben rufen und aus dem Deutschen Bund ausscheiden. Diese unterschiedlichen Interessen zwischen der deutschen und der tschechischen Bevölkerung in Österreich wurden nach der Februarrevolution in Paris deutlich sichtbar.

Unmittelbar nachdem Ende Februar 1848 die Nachrichten vom Umsturz in Frankreich Prag erreicht hatten, kamen sozialrevolutionäre Gruppen zusammen, bildeten am 11. März 1848 einen Ausschuss, formulierten einen Forderungskatalog und präsentierten ihn der Regierung in Wien. Vor allem ging es um eine Entlastung der Bauern ohne Entschädigung der Großgrundbesitzer und eine bessere Entlohnung der Arbeiter. Die Antwort aus Wien war jedoch derart ausweichend, dass eine zweite Petition nicht mehr an den österreichischen Kaiser, sondern an den nicht existenten »böhmischen König« gerichtet wurde. Darauf reagierte die Regierung in Wien, weil sie einerseits sorgenvoll auf die Märzereignisse in den übrigen Staaten des Deutschen Bundes blickte und sich andererseits durchaus über die Sprengkraft der tschechischen Forderungen innerhalb des österreichischen Vielvölkerstaats im Klaren war. Mit dem Zugeständnis, Wahlen zum böhmischen Landtag durchführen zu lassen, löste sie einen nationalen Freudentaumel in Prag aus. Noch wichtiger war ein Schreiben Kaiser Ferdinands I. an den neuen österreichischen Innenminister Franz von Pillersdorf, der nach der überstürzten Flucht des Außenministers Klemens von Metternich erst kurz zuvor ins Amt gekommen war. Der Kaiser ließ darin am 8. April 1848 wissen, dass für »die böhmische Nationalität durch vollkommene Gleichstellung der böhmischen Sprache mit der deutschen in allen Zweigen der Staats-Verwaltung und des öffentlichen Unterrichtes als Grundsatz zu gelten hat«.

Einer der Wortführer der tschechischen Aufständischen war der österreichisch-böhmische Historiker František Palacký,1 der diese Feststellung und die weiteren Zusicherungen des Kaisers für eine böhmische Autonomie in Anlehnung an die »confoederatio bohemica«2 vom 31. Juli 1619 als »Böhmische Charta«3 feierte. 1619 hätte die böhmische Verfassung eine protestantische Konföderation bilden sollen, 1848 sollte die Charta die Grundlage eines neuen böhmischen Staates sein. Die tschechische Bevölkerung feierte die Charta. Aber die Freude wurde durch den Umstand getrübt, dass das Frankfurter Vorparlament, das für die Aufteilung der Wahlkreise zuständig war, auch in Böhmen und Mähren Wahlkreise für die Wahl zur deutschen Nationalversammlung festlegte. František Palacký lehnte das ab und erklärte, dass die tschechische Mehrheitsbevölkerung nicht mehr zum Deutschen Bund gehören wolle. Vielmehr strebten Länder der Wenzelskrone einen Status innerhalb der habsburgischen Monarchie an, wie ihn die Ungarn bereits innehatten.

Nachdem auch in Böhmen schon ein Nationalausschuss zur Vorbereitung von Wahlen gebildet worden war, überschlugen sich die Ereignisse. Die Wiener Regierung war zwar nicht bereit, die böhmischen Länder aus dem Deutschen Bund zu entlassen, ließ aber am 17. Mai 1848 durch den aus Sicherheitsgründen nach Innsbruck ausgewichenen kaiserlichen Hofstaat mitteilen, dass ein böhmischer Landtag gewählt werden könne. Diese Ankündigung konnte allerdings das revolutionäre Treiben in Prag nicht mehr stoppen, zumal am 2. Juni 1848 der dritte Slawenkongress stattfand, an dem nicht nur František Palacký, sondern auch der russische Anarchist Michail Bakunin teilnahm. Die Forderungen des Slawenkongresses hatten es in sich: Österreich sollte in eine Föderation gleichberechtigter Völker umgewandelt werden. Aber auch das ging den Prager Aufständischen nicht weit genug. Die Situation radikalisierte sich weiter mit der Folge, dass der oberste Statthalter der Regierung in Prag, Leopold Graf von Thun, eine provisorische böhmische Regierung bildete. Daraufhin drohte der Prager Militärkommandant Alfred zu Windisch-Graetz mit militärischem Eingreifen. Um zu zeigen, dass er es ernst meinte, ließ er seine Truppen mit auf das Zentrum Prags zielenden Geschützrohren am Ufer der Moldau aufmarschieren. Prager Studenten waren entsetzt und forderten seine umgehende Absetzung.

Nach einer öffentlichen Messe auf dem Prager Wenzelsplatz am 12. Juni 1848 verschärfte sich die Situation binnen weniger Stunden: Ein großer Demonstrationszug zog zum Wohnhaus von Windisch-Graetz, es wurden Barrikaden errichtet, Schüsse fielen, Statthalter Leopold Graf von Thun wurde zeitweilig festgenommen. Als dessen Ehefrau von einer verirrten Kugel getroffen wurde, ließ Windisch-Graetz Kanonen auffahren und drohte mit der Belagerung Prags. Aber die Kampfbereitschaft der meist jungen Prager war ungebrochen. Hinter den Barrikaden warteten etwa 3000 Aufständische mit schussbereiten Waffen, ihnen standen aber mehr als 10 000 Soldaten gegenüber. Windisch-Graetz ließ die Barrikaden mit Artillerie zerschießen und anschließend stürmen. Am 13. Juni ebbten die Kämpfe ab, die Aufständischen zogen sich in das Universitätsviertel zurück, das Militär baute seine Stellungen auf dem Hradschin auf und beschoss in den nächsten beiden Tagen immer wieder die Stadt. Der Aufstand brach am 17. Juni 1848 zusammen, 400 Tote waren zu beklagen, und das Wort von einer »nationaltschechischen Bartholomäusnacht«4 machte in Prag die Runde. Der Anführer der Aufständischen, František Palacký, vermutete ausländische Agenten hinter dem Pfingstaufstand.5

Der Pfingstaufstand hatte weit über Prag und Böhmen hinaus Signalwirkung. Die deutschen Revolutionäre träumten 1848 von einem Nationalstaat in den Grenzen des Deutschen Bundes. Damit gingen sie von einer Integration Böhmens und Mährens in diesen neuen Staat aus – eine Idee, die nur von der deutschen Minderheit unterstützt wurde. Die tschechische Bevölkerung wollte nämlich ebenfalls einen Nationalstaat – aber einen böhmischen. Sie lehnte es ab, weiterhin einem deutschen Staat anzugehören, wie sie es seit 1526 als Teil der Habsburgermonarchie erdulden musste. Der Pfingstaufstand war der Versuch, sich unabhängig zu machen. Seine Niederschlagung war der erste Sieg der Konterrevolution in Mitteleuropa. In der Neuen Rheinischen Zeitung schrieb Friedrich Engels am 18. Juni 1848: »Die österreichische Soldateska hat die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenbleibens von Böhmen und Deutschland im tschechischen Blut erstickt.«6


1 Biografische Daten über František Palacký finden sich im Österreichischen Bibliographischen Lexikon 1815–1850, Bd. 7, Wien 1978, S. 294 ff.

2 Der Text der confoederatio bohemica findet sich bei der tschechischen Gesellschaft für Kirchenrecht (zuletzt abgerufen am 01.03.2022).

4 Zit. nach: Prinz, Eberhard, in: ZEIT-Punkte 1/1998, S. 66.

5 Der Standard: 1848 – Pfingstaufstand in Prag, Ausgabe vom 5.10.2001: https://www.derstandard.at/consent/tcf/story/728693/1848-pfingstaufstand-in-prag (zuletzt abgerufen am 02.03.2022).

6 Engels, Friedrich: Der Prager Aufstand, in: Neue Rheinische Zeitung vom 18. Juni 1848, nachzulesen bei »MLWerke«: http://mlwerke.de/me/me05/me05_080.htm (zuletzt abgerufen am 02.03.2022).

16. Malmö: Der preußisch-dänische Waffenstillstand – 1848

Der Auftrag, den die Nationalversammlung den beiden Königreichen Hannover und Preußen erteilte, war eindeutig: Sie sollten dem dänischen König Frederik VII. durch eine militärische Intervention den Plan austreiben, das mehrheitlich von Deutschen bewohnte Herzogtum Schleswig zu annektieren und in den dänischen Staatsverband zu integrieren. Dieser Annexionsplan löste bei vielen Schleswig-Holsteinern die Befürchtung aus, dass die beiden seit dem Vertrag von Ripen 1460 »auf ewig ungeteilten« Herzogtümer zusammen aus dem Deutschen Bund herausgelöst werden könnten. Eine Vorstellung, die auf heftigen Widerstand der Nationalbewegung in den beiden Herzogtümern traf, die die Schaffung eines selbständigen, aber von Dänemark unabhängigen Bundesstaat Schleswig-Holstein wünschten. Dieser sollte Teil des neuen Deutschen Reichs werden, das man in der Frankfurter Nationalversammlung aus der Taufe heben wollte.

Kaum war dieser Plan am 18. März 1848 dem dänischen König Frederik VII. übermittelt worden, reagierte zwei Tage später die Kopenhagener Bevölkerung. Rund 20 000 Bürger versammelten sich vor dem königlichen Schloss und forderten, die beiden Herzogtümer zusammenzufassen und eine gemeinsame Regierung einzusetzen, in der möglichst viele eiderdänische Minister vertreten sind. Die nationalliberalen Eiderdänen setzten sich seit langem für die vollständige Integration des Herzogtums Schleswig in das Königreich Dänemark ein und forderten die Eider nördlich von Flensburg als deutsch-dänischen Grenzfluss. Dieser Vorgang blieb im holsteinischen Kiel nicht unbemerkt, es machte das Gerücht die Runde, Frederik VII. befinde sich in der Gewalt von Aufständischen. Angestachelt von den revolutionären Ereignissen in Berlin und Wien bildeten am 23. März 1848 nationalbewegte Prominente in Kiel ihrerseits nun eine gemeinsame provisorische Regierung. In den Straßen Kiels liefen Zivilisten und Soldaten mit schwarz-rot-goldenen Kokarden der deutschen Einheitsbewegung, eine Bürgerwehr besetzte das Waffendepot im Exerzierhaus am Schloss, gab Gewehre aus und ließ Turner und Studenten vor dem Rathaus am Markt Aufstellung nehmen. Behörden und Militär leisteten keinen Widerstand. Die Aufständischen versammelten sich in einem Sitzungszimmer des Rathauses und diskutierten über die Einsetzung einer provisorischen Regierung, die anstelle des angeblich arrestierten dänischen Königs die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte.1 Die Regierungsbildung in Kiel löste aber nicht die erhoffte Integration beider Herzogtümer in den Deutschen Bund, sondern einen militärischen Konflikt aus.

Die Truppen der provisorischen Regierung waren dem dänischen Militär hoffnungslos unterlegen. Am 9. April 1848 wurden schleswig-holsteinische Verbände in der Nähe von Rendsburg geschlagen. Das war für den Deutschen Bund das Signal, Preußen und Hannover zu ermächtigen, im Auftrag des Bundes an der Seite der provisorischen Regierung Schleswig-Holsteins gegen Dänemark militärisch vorzugehen. Unter dem Kommando des preußischen Feldmarschalls Friedrich von Wrangel marschierten Mitte April 1848 Truppen nach Rendsburg, das für einige Wochen Sitz der provisorischen Regierung von Schleswig-Holstein wurde. Sieben Wochen kämpften dänische und deutsche Truppen mit wechselseitigen Erfolgen gegeneinander. Ende April fanden einige Schlachten auf dänischem Boden statt, im Mai marschierten preußische Truppen in Dänemark ein. Aber einen endgültigen Sieg konnten die Truppen Preußens und Hannovers nicht erringen. Als englische Kriegsschiffe im Sommer 1848 ihre Stärke in der Nordsee demonstrierten, russische Truppen an der preußischen Ostgrenze aufmarschierten und schließlich auch der französische Gesandte auf einen Abzug des Militärs insistierte, traten die preußischen Truppen den Rückzug an.

Am 26. August 1848 wurde in Malmö ein Waffenstillstand unterzeichnet, der neben dem vollständigen Rückzug aller Truppen und der Freilassung der Kriegsgefangenen auch die Bildung einer gemeinsamen Regierung für Schleswig-Holstein vorsah. Diese paritätisch besetzte Regierung war politisch bedeutungslos und amtierte bis zum 27. März 1849. Gleichzeitig wuchsen mit dem Ende der militärischen Auseinandersetzung die Konflikte in der Frankfurter Nationalversammlung.

Ablehnung des Vertrags von Malmö in der Nationalversammlung. Unter den Trauernden auch der Präsident der Nationalversammlung, Heinrich von Gagern (im Talar), zeitgenössische Karikatur

Am 5. September 1848 lehnte noch eine Mehrheit der Abgeordneten die Annahme des Vertrags von Malmö ab, zwei Wochen später kam dann aber doch die Ratifizierung zustande. Damit offenbarte sich für die Abgeordneten der Paulskirche ein grundlegendes Dilemma: Sie hielten weder die militärische noch die politische Macht in Händen, um ihre Ziele durchzusetzen. Sie waren abhängig vom Engagement der Großmacht Preußen, die in Schleswig-Holstein lustlos agiert hatte, anstatt die nationalen Belange sowohl der deutschen Nationalversammlung als auch der schleswig-holsteinischen Nationalbewegung gegenüber den dänischen Interessen durchzusetzen.

Und damit nicht genug. Die Abgeordneten sahen sich wegen der Zustimmung zum Waffenstillstand von Malmö heftiger Kritik von Teilen der Bevölkerung ausgesetzt. Am Abend des 16. September 1848 kam es vor den Türen der Frankfurter Paulskirche zu einem regelrechten Volksaufstand. Die Demonstranten waren enttäuscht von den schleppenden politischen Veränderungen, bei vielen mischte sich lokaler Protest, nationale Begeisterung oder die Angst vor dem Sieg reaktionärer Kräfte dazu. Karikaturisten sahen hier schon die Beerdigung des »Siebenmonatskindes« der deutschen Einheit.2 Unter den mehr als 15 000 Teilnehmern des Aufruhrs waren auch Abgeordnete der linken Fraktionen. Der Aufforderung der Menge, ihr Mandat niederzulegen und mit ihnen auf den Barrikaden zu kämpfen, verweigerten sie sich zwar, durch ihre Teilnahme zeigten sie aber, wie tief gespalten die Nationalversammlung in der Frage des Umgangs mit der Schleswig-Holstein-Frage war. Am nächsten Tag verabschiedeten die Demonstranten, die sich nun »Volksversammlung« nannten, eine Proklamation, in der gefordert wurde, dass »die Majorität von 258, welche in der Nationalversammlung am 16. des Monats den schmählichen Waffenstillstand angenommen hat, von dieser Volksvertretung hiermit für Verräter des deutschen Volkes, der Freiheit und der Ehre erklärt«3 wird.

Als diese Proklamation in der Nationalversammlung verlesen wurde, löste das Assoziationen mit den Tribunalen der Jakobiner während der Terrorherrschaft der Französischen Revolution 1793/94 aus. Der Reichsinnenminister forderte umgehend Bundestruppen an. Aber deren Anwesenheit schürte nur noch mehr Emotionen bei den ohnehin schon aufgebrachten Bürgern. Einige versuchten, in die Paulskirche einzudringen, woraufhin der Platz vor dem Parlament mit Gewalt geräumt wurde. Am 18. September 1848 wurden die beiden Abgeordneten Felix von Lichnowsky und Hans von Auerswald von Aufständischen angegriffen und durch Pistolenschüsse getötet. Am nächsten Tag hielt der sichtlich erregte Heinrich von Gagern eine Rede vor der Nationalversammlung: »Wenn man sich bemüht hätte, Verständigung zu suchen, statt die Leidenschaften aufzuregen und walten zu lassen, statt im Parteigeist sich abzuschließen, wir würden die Ereignisse nicht erlebt haben, wie wir sie haben erleben müssen!«4 In den folgenden Tagen und Wochen kam es in Ungarn zu Unruhen, und auch in Italien brodelte es, die Revolte in Wien wurde niedergeschlagen und der Aufstand in Berlin militärisch unterdrückt. Auch die Nationalversammlung reagierte und verabschiedete am 10. Oktober 1848 ein Reichsgesetz »zum Schutz der Verfassungsgebenden Nationalversammlung und der Beamten der provisorischen Zentralverwaltung« – ein Verfassungsschutzgesetz.5


1 Der genaue Ablauf der Ereignisse findet sich hier: Adriansen, Inge; Christensen, Jens Ole: Der erste Schleswigsche Krieg 1848–1851. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen, hrsg. vom Museum Sønder Jytland, ohne Jahr (zuletzt abgerufen am 07.03.2022)l

2 Dokumentiert in der digitalen Bibliothek (zuletzt abgerufen am 29.04.2022)l

3 Zit. nach: Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt a. M. 1985, S. 162l

4 Pollmann, Bernhard: Lesebuch zur Deutschen Geschichte. Texte und Dokumente aus zwei Jahrtausenden. Dortmund 1989, S. 656l

5 Huber, Ernst Rudolf: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Band 2. Stuttgart 2000, S. 699l

17. Dresden: Der Maiaufstand – 1849

Ursache des Aufstands in Dresden war die Entscheidung von Friedrich August II. und der sächsischen Regierung, die am 28. März 1849 von der Frankfurter Nationalversammlung verabschiedete Reichsverfassung1 nicht anzuerkennen. Dabei kam dem sächsischen König entgegen, dass das Parlament in dieser Frage uneinig war und die Fraktionen sich teilweise gegenseitig blockierten. Gleichzeitig aber barg die Entscheidung gegen die Reichsverfassung auch ein hohes Risiko für Friedrich August II., denn große Teile der Bevölkerung waren für die neue Verfassung. Sie wollten grundlegende Reformen, wie sie es schon im Jahr zuvor dem König und der sächsischen Regierung klargemacht hatten. Damals, am 7. März 1848, fügten die Dresdner Bürger ihren Forderungen nach »Freiheit der Presse, des religiösen Bekenntnisses und des Versammlungs- und Vereinsrechtes; nach einer Verminderung des stehenden Heeres und dem Verbot von willkürlicher Verhaftung, Haussuchung und Untersuchungshaft« hinzu, dass sie von den »Ratgebern der Krone (den) aufrichtigen Willen erwarten, jenen dringenden Forderungen der Neuzeit zu entsprechen, oder durch freiwilligen Rücktritt von ihrem Amte das gesetzliche Zustandekommen zeitgemäßer Reformen (zu) ermöglichen«.2

Ein Jahr später hatte die Frankfurter Nationalversammlung die Dresdner Märzforderungen zwar in die Reichsverfassung aufgenommen. Aber ohne die Zustimmung des sächsischen Königs und seiner Berater blieb die Verfassung nichts als ein Stück bedrucktes Papier. Anfang April 1849 hatte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone, die ihm von einer Delegation der Nationalversammlung angetragen worden war, als »Krone aus der Gosse« brüsk zurückgewiesen. Damit war für die meisten Revolutionäre die Hoffnung auf ein positives Ende dahin, während die restaurativen Monarchien und Fürstenhäuser nun zum endgültigen Schlag gegen die Revolution ausholten. In dieser brenzligen Situation, die jederzeit wie auch in anderen Staaten des Deutschen Bundes den Beginn von Unruhen markieren konnte, hatte Friedrich August II. nur 2000 Soldaten in Dresden zur Verfügung. Der Rest war als Teil der Armee der Bundesstaaten im Schleswig-Holsteinischen Krieg gegen das Königreich Dänemark eingesetzt. Am 22. April 1849 kulminierte der Unmut über die Haltung der sächsischen Regierung in einer Volksversammlung, woraufhin das Parlament die Reichsverfassung zwar annahm, sie aber ohne den König nicht in Kraft setzen konnte. Als Friedrich August II. ganz im Gegenteil beide Kammern des Parlaments auflösen und nach preußischen Truppen rufen ließ, wurde aus Unmut Empörung.3

Am 3. Mai 1849 explodierte die Lage in Dresden, nachdem eine Parade der Kommunalgarde verboten worden war und gleichzeitig das Gerücht kursierte, der König habe preußische Truppen angefordert. Aufgebrachte Bürger stürmten daraufhin das Zeughaus und entwendeten die dort gelagerten Waffen. Bewaffnete Angehörige der Turnerbewegung drangen in das Gebäude des Landtags ein und zwangen in den frühen Morgenstunden des 4. Mai 1849 das königliche Ehepaar und sämtliche Minister zur Flucht in die nahegelegene Festung Königstein.4 Das Königreich Sachsen war für einige Stunden ohne Regierung, bis die Aufständischen einen Offizier zum Kommandanten der Bürgerwehren ernannten und ihm die provisorische Regierungsgewalt übertrugen. Kurz darauf stießen der Komponist Richard Wagner und der russische Anarchist und Revolutionär Michail Bakunin zu den Aufständischen. Beide wurden führende Figuren des Dresdner Maiaufstands. Aber die Revolutionäre hielten nur für einen kurzen Augenblick die Macht in Händen, denn am 7. Mai 1849 erreichten preußische Truppen mit Oberst Friedrich von Waldersee an der Spitze die Stadt. Sie hatten den Befehl, den Aufstand militärisch niederzuschlagen.

Etwa 3000 Revolutionäre sahen sich 5000 gut ausgebildeten und schwer bewaffneten sächsischen und preußischen Soldaten gegenüber. Zwar erwiesen sich die Barrikaden als schwer einnehmbar und sehr widerstandsfähig, aber einer derartigen Übermacht waren sie nicht gewachsen. In den frühen Morgenstunden des 9. Mai 1849 musste die provisorische Regierung Dresden fluchtartig verlassen, um nicht den Soldaten in die Hände zu fallen. Mit ihnen verließ mehr als die Hälfte der Aufständischen die Stadt. Am Abend dieses Tages war der Dresdner Maiaufstand nach drei blutigen Kampftagen niedergeschlagen. Die Anführer des Aufstands, die Anwälte Samuel Erdmann Tzschirner und Otto Heubner sowie Bürgermeister Karl Gotthelf Todt, die kurz zuvor der provisorischen Regierung angehört hatten, entkamen genauso wie der damalige Hofkapellmeister Richard Wagner, dessen Freund Michail Bakunin und der Baumeister Gottfried Semper.

Sie hatten als überzeugte Republikaner für die neue Reichsverfassung und die darin festgeschriebenen Grundrechte genauso gekämpft wie Stephan Born, der Gründer der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung. Sie alle mussten fliehen, einige wurden später verhaftet. Gegen den als »Drahtzieher« des Aufstands bezeichneten Otto Heubner wurde ein Todesurteil gefällt, Ende Mai 1859 begnadigte ihn Prinz Georg von Sachsen. Michail Bakunin wurde kurz nach seiner Flucht in Chemnitz festgenommen. Seine Todesstrafe wurde später in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt, bevor er 1851 an Russland ausgeliefert wurde. Zehn Jahre später gelang ihm die Flucht aus einem russischen Straflager.

Dresden war eine zentrale Stadt der Revolution. Neben Intellektuellen gehörten viele Handwerker, Arbeiter und Angehörige der Unterschicht zu den Revolutionären. Sie stellten die größte Gruppe von den 1849 insgesamt 727 zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilten Dresdner Aufständischen.5 Als der Barrikadenkampf bereits vorbei und der Dresdner Maiaufstand niedergeschlagen war, erschienen am 10. Mai 1849 elf preußische Infanterie-Bataillone und zwei Reiterregimenter. Zwei Wochen später folgten weitere militärische Einheiten des preußischen Waffenbruders. Durch diese Machtdemonstration wollten die restaurativen Kräfte innerhalb des Deutschen Bundes klarstellen, dass sie nicht nur den Aufstand in Dresden, sondern auch die gleichzeitig stattfindende Badische Revolution niederschlagen werden. Dazu wurden die preußischen Truppen nach Erfurt verlegt, von wo aus sie in der Neckarregion agieren sollten.


1 Der Text der Paulskirchenverfassung: http://www.verfassungen.de/de06-66/verfassung48-i.htm (zuletzt abgerufen am 09.03.2022)l

2 Obermann, Karl (Hrsg.): Flugblätter der Revolution 1848/49. München 1972, S. 49 f., zit. nach: Wollstein, Günter: Märzrevolution und Liberalisierung, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/9875/maerzrevolution-und-liberalisierung/?p=all (zuletzt abgerufen am 09.03.2022)l

3 Siemann, Wolfram: Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt a. M. 1985, S. 229 ff.

4 Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. 1815–1845/49. München 1989, S. 754l

5 Hein, Dieter: Die Revolution von 1848/49. München 2015, S. 128l

18. London: Karl Marx und die Exilanten – 1849

Großbritannien war im 19. Jahrhundert führende Welt- und Handelsmacht und stolz auf seine freiheitlichen, demokratischen Traditionen. Als Land, das auf weltweite Kooperation und einwanderungswillige Fachkräfte angewiesen war, hatte sich das British Empire für eine großzügige Asylgesetzgebung entschieden, die weder den Aufenthalt noch die dauerhafte Einwanderung einschränkte. Deshalb war London zu einer der bevorzugten Städte geworden, in der viele Flüchtlinge aus Europa Zuflucht suchten. Großbritannien gewährte ihnen Schutz, überließ sie aber ansonsten ihrem Schicksal. Wer Arbeit fand, dem ging es gut. Ansonsten waren die Flüchtlinge auf Unterstützung von anderen angewiesen. Dafür gab es eine freie Presse und keine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Für die Oppositionellen, die wegen der Deutschen Revolution ihre Heimat verlassen mussten, war das nicht nur ein attraktives Angebot, sondern auch ein Gegenentwurf zu den restaurativen Strömungen, die sich auf dem Kontinent den Revolutionären entgegenstellten.

Die britische Insel wurde neben den USA immer mehr zum bevorzugten Auswanderungsziel. Der prominenteste Deutsche in London war Karl Marx,1 der am 24. August 1849 sein Exil in Paris verlassen und in die englische Metropole fliehen musste. Einen Tag zuvor hatten in Venedig die Truppen des österreichischen Feldmarschalls Radetzky die Repubblica di San Marco und damit die letzte Bastion des Aufstands gegen die alte Welt der Restauration besiegt.

Zudem ging ein internationaler Friedenskongress in Paris zu Ende, bei dem der französische Dramatiker Victor Hugo seine Idee der »Vereinigten Staaten von Europa« vorgestellt hatte. Marx hatte schon einige Tage einen Ausweisungsbefehl in der Tasche, der bei Zuwiderhandlung eine Deportation zu den Morbihan-Sümpfen in der Bretagne hätte nach sich ziehen können. Also machte er sich notgedrungen auf den Weg in Richtung England. Nicht ahnend, dass er dort sein Leben auch beenden würde, setzte er ohne seine Familie über den Ärmelkanal in eine ungewisse und zunächst kärgliche Zukunft. Dabei erwartete er, wie die meisten anderen Exilanten, ein Wiederaufflammen der Revolutionen in Europa und hoffte darauf, bald wieder zurückkehren zu können.

Karl Marx war nicht der einzige Emigrant in London. Rund 1000 Deutsche teilten sein Schicksal, aber Marx hielt sich meist fern von ihnen, soll sie sogar als »Emigrantenschweine« tituliert und beleidigt haben. Wilhelm Liebknecht berichtete, die Deutschen seien »laut wie zehn Engländer«, stritten sich bis aufs Blut und »schimpften unmäßig«.2 Die Deutschen trafen sich oft im Red Lion Pub, wo sich die Zentrale des britischen Ablegers der Communist League befand. Ende 1847 hatte hier in der Great Windmill Street der Bund der Kommunisten getagt und sowohl Friedrich Engels als auch Karl Marx damit beauftragt, ein Manifest für diese Organisation zu verfassen: Das Kommunistische Manifest. Marx war oft Gast im Red Lion Pub, diskutierte leidenschaftlich über politische Themen. Selbst arm wie eine Kirchenmaus ließ er es sich nicht nehmen, anschließend mit den anderen ein Glas zu trinken und Schach zu spielen.3

London war das »wichtigste Zentrum der Vorgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung«4 und entwickelte sich nach dem Ende der Deutschen Revolution und dem Sieg der restaurativen Kräfte in Europa immer mehr zu einem Schmelztiegel europäischer Exilanten. Bis 1852 waren rund 7000 Flüchtlinge aus Frankreich, Ungarn, Polen, Deutschland und Italien in London angekommen. Sie vertraten radikale, sozialistische, nationalistische oder republikanische Ideen und scharten sich um berühmte Revolutionäre wie den italienischen Freiheitskämpfer und Gründer des Geheimbunds Junges Europa Giuseppe Mazzini. Mazzini kämpfte für ein demokratisches Europa anstelle der absolutistisch regierenden Könige und Fürsten. Zu ihm stieß der französische Sozialist Louis Blanc, der die politische Vorherrschaft der Arbeiterklasse propagierte und das »Recht auf Arbeit« als Menschenrecht einforderte. Aus Ungarn gesellte sich Lajos Kossuth dazu. Der Rechtsanwalt stand 1848 während des ungarischen Aufstands gegen das Kaiserreich Österreich an der Spitze der Revolution, musste aber nach der Niederschlagung fliehen.

Ende 1849 kam die Familie von Karl Marx ebenfalls nach London. Ehefrau Jenny, die drei Kinder und er zogen nach Soho, wo sich viele Immigranten aus Europa trafen: »Ehemalige Volksvertreter« aus Frankreich, deutsche »wissenschaftliche Verschwörer«, »dunkelhäutige Italiener« oder Ungarn mit »glänzenden Bärten und kleinen bestickten Mützen«, so fasste ein Artikel der vom englischen Schriftsteller Charles Dickens herausgegebenen Wochenzeitung Household Words Anfang der 1850er Jahre die soziale Zusammensetzung der Immigranten in Soho zusammen. Das Viertel war der bunte Mittelpunkt einer Exilantengesellschaft, die nach und nach eine multinationale Bevölkerung mitten in London bildete. Es gab internationale Zeitungen, besondere Restaurants und Geschäfte mit den Spezialitäten des jeweiligen Landes. Gleichzeitig war Soho verarmt und heruntergekommen, überfüllt und wurde 1854 von der Cholera heimgesucht, die über eine offene Wasserstelle Soho erreichte. Zwar blieb Karl Marx von der Krankheit verschont, er war aber Teil der prekären Gesellschaft, hatte keine regelmäßigen Einkünfte, und das gemeinsam mit Friedrich Engels verfasste Kommunistische Manifest war in den Anfangsjahren kaum verkäuflich. Immer wieder musste er sich Geld leihen, und wenn das nicht ging, blieb nichts anderes übrig als der Gang zum Pfandleiher.

Wegen schlechter Ernährung war die Familie Marx oft krank, Husten, Erkältungen und Rheuma waren die ständigen Begleiter in den schlecht geheizten und nicht isolierten Räumen ihrer Wohnung. Aber schlimmer war die Tatsache, dass drei ihrer sechs Kinder zwischen 1850 und 1855 starben. Ende der 1850er Jahre verbesserte sich die Lage, weil Karl Marx Europa-Korrespondent der damals größten Zeitung der Welt, der New York Daily Tribune, wurde und nun ein regelmäßiges Einkommen bezog. Mit der Hilfe von Friedrich Engels, der sein Englisch verbesserte, schrieb Marx bis 1862 knapp 500 Artikel. Die Familie zog in ein besseres Londoner Viertel und konnte sich nach einer Erbschaft sogar ein eigenes Haus leisten. Aber die Spuren der langen Jahre in Armut und Krankheit waren nicht zu übersehen. Jenny litt viele Jahre, bevor sie 1881 vermutlich an Leberkrebs starb. Zwei Jahre später starb auch Karl Marx an den Folgen seiner über viele Jahre ertragenen Bronchitis. Das Ehepaar Marx wurde in der Stadt begraben, die sie wie alle Migranten bei ihrer Ankunft nur als Durchgangsstadium bis zu ihrer Rückkehr in die Heimat gesehen haben. Seit 1954 sind ihre sterblichen Überreste an einen prominenten Platz auf einem von der Kommunistischen Partei Großbritanniens bezahlten Friedhof überführt worden. Ihr Grab auf dem Highgate Cemetery ragt durch eine in Stein gehauene Büste mit dem Portrait von Karl Marx heraus. Darunter steht der Satz, der ihn – und Friedrich Engels – weltberühmt gemacht hat: »Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!«

Das Grab von Karl Marx in London


1 Über die Exilzeit von Marx in London: Neffe, Jürgen: Marx. Der Unvollendete. Gütersloh 2017, S. 261 ff.

2 Friedenthal, Richard: Karl Marx. Sein Leben und seine Zeit. München 1981, S. 378l

3 Über die Lebensgewohnheiten und die Schwierigkeiten des Exils: https://www.migrationmuseum.org/karl-marxs-london/ (zuletzt abgerufen am : 30.04.2022)l

4 Kuhn, Axel: Die deutsche Arbeiterbewegung. Stuttgart 2004, S. 37.

19. Rastatt: Das Ende der Badischen Revolution – 1849

Die Deutsche Revolution begann nicht nur in Baden mit dem so genannten Heckeraufstand am 13. April 1848, sie endete auch in Baden, als am 23. Juli 1849 die letzten Revolutionssoldaten in der Festung Rastatt von preußischen Truppen festgenommen wurden. Zwischen Frühjahr 1848 und Sommer 1849 stand der Südwesten Deutschlands im Zentrum der Revolution. Das lag vor allem daran, dass viele radikaldemokratische und sozialistische Revolutionäre aus Baden kamen. Neben Friedrich Hecker und Gustav Struve waren der Theologe Gottfried Kinkel, der Lyriker Georg Herwegh und der zu dieser Zeit noch unbekannte Wilhelm Liebknecht, der spätere Mitbegründer der SPD, sowie der Mitverfasser des Kommunistischen Manifests Friedrich Engels an den badischen Barrikadenkämpfen 1849 beteiligt.

Das entscheidende Datum für den Beginn der Badischen Revolution war der 3. April 1849, als der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene Krone eines deutschen Kaisers ablehnte. Für viele Revolutionäre war das ein Alarmsignal: Die Revolution drohte zu scheitern. Unmittelbar nach der Entscheidung des preußischen Königs verbrüderten sich Soldaten eines badischen Infanterieregiments mit den Revolutionären, die daraufhin am 12. Mai 1849 eine Volksversammlung in Offenburg einberiefen. Einer der Teilnehmer schrieb: »Die Revolution lag förmlich in der Luft. In den Gemütern zuckte jene fiebrige Spannung, jenes Gefühl, wie es nur an Tagen bedeutender Ereignisse hervortritt.«1 Die Forderungen, die von der Volksversammlung an die deutschen Fürsten- und Königshäuser gestellt wurden, entsprachen den hohen Erwartungen, mit denen die Teilnehmer nach Offenburg gekommen waren: Wahlen zu einer verfassungsgebenden badischen Landesversammlung, Freilassung der politischen Gefangenen und die vollständige Anerkennung und Umsetzung der Reichsverfassung des Paulskirchenparlaments.

Die Regierung des Großherzogs Leopold von Baden lehnte die Forderungen jedoch ab. Als vonseiten der Militärführung Drohungen ausgestoßen wurden, von »den Bajonetten« Gebrauch zu machen, eskalierte die Situation. Am nächsten Morgen erschienen mehr als 40 000 teilweise bewaffnete Menschen in Offenburg. Der Ton wurde rauer. Die Umsetzung der tags zuvor aufgestellten Forderungen, so hieß es, müsse notfalls mit Waffengewalt durchgesetzt werden. Angesichts dieser Verschärfung floh Leopold mit seiner Regierung in der Nacht des 13. Mai 1849 nach Koblenz. Der Dichter Viktor von Scheffel notiert, dass in der herzoglichen Residenzstadt Karlsruhe »bald die Revolution mit klingendem Spiel Einzug halten werde«.2 Nun nahm der Maiaufstand in Baden Fahrt auf.3 Einen Tag später wurde die Regierung durch ein revolutionäres Exekutivkomitee unter der Führung des liberalen Lorenz von Brentano abgelöst. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Am 19. Mai 1849 veröffentlichte der Badische Landesausschuss ein Flugblatt, in dem vor »einem Umsturz« der reaktionären Kräfte gewarnt wird: »Das Volk Badens hat sich erhoben, die Soldaten sind aufgestanden, um Deutschlands Freiheit, Einheit und Größe zu erkämpfen! Unser gemeinsamer Schlachtruf wird sein: Tod den verbündeten Tyrannen.«4

Diesen revolutionären Worten folgten unmittelbar darauf Taten. Ende Mai wurde eine Volkswehr gebildet, Anfang Juni 1849 fand die Wahl zur Badischen Verfassungsgebenden Versammlung statt. Sie trat am 10. Juni erstmals zusammen, musste sich aber in der Folgezeit mehr mit der Versorgung der Soldaten und Finanzproblemen als mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beschäftigen. Im Juni 1849 übernahm der polnische Revolutionär Ludwik Mierosławski die Führung der Revolutionsarmee. Seine Berufung machte den europäischen Zusammenhang der Revolutionen deutlich: Mierosławski war schon 1830 am Novemberaufstand in Polen gegen Russland beteiligt gewesen und anschließend Mitglied des Zentralkomitees polnischer Emigranten in Frankreich geworden. In Posen war Mierosławski 1846 wegen der Beteiligung am dortigen Aufstand gegen Preußen verhaftet und ein Jahr später im spektakulären »Polenprozess«, der in Berlin gegen 254 Angeklagte geführt wurde, zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde aber nicht vollstreckt, vielmehr erlangte er auf Druck deutscher Revolutionäre im März 1848 seine Freiheit wieder.

Aber so problemlos, wie sich die Revolutionsordnung in Baden anscheinend einführen ließ, so trügerisch war die Situation, in der sich die Revolutionäre befanden. Sie waren umzingelt von Feinden der Revolution, die nur auf eine günstige Gelegenheit warteten, um in Baden einzufallen und Großherzog Leopold wieder als rechtmäßigen Herrscher einzusetzen. Hatte es anfangs noch kleinere militärische Erfolge des Revolutionsheeres gegeben, drängte Ende Juni 1849 eine Reichsarmee, die aus hessischen, nassauischen und preußischen Truppen zusammengestellt worden war, mit erdrückender Übermacht ins Land. In den folgenden Wochen mussten sich die Truppen der Badischen Revolution mehr und mehr zurückziehen.5 Gleichzeitig gewannen die restaurativen Kräfte im Deutschen Bund wieder die Oberhand. Mitte Mai 1849 wurden die preußischen und österreichischen Abgeordneten aus der Frankfurter Nationalversammlung abberufen. Als andere Staaten diesem Beispiel folgten und ebenfalls ihre Abgeordneten zurückzogen, wich das Parlament nach Stuttgart aus. Dort tagte nun das sogenannte Rumpfparlament bis zum 18. Juni 1849. An diesem Tag wurde das Parlament unblutig aufgelöst, und die Abgeordneten, die nicht aus Württemberg stammten, wurden des Landes verwiesen.

Die Reste des badischen Revolutionsheeres hatten sich inzwischen in die Festung Rastatt zurückgezogen. Aber auch hier fanden sie weder Ruhe noch die Möglichkeit, das eigene Heer für weitere Kämpfe aufzufüllen. Am 2. Juli 1849 verkündete der preußische General Karl von der Groeben, dass Rastatt umschlossen und er bereit sei, »den Angriff zu beginnen«. Aber die Belagerung zog sich über drei Wochen hin und endete erst, nachdem zwei Emissäre der Revolutionstruppen sich ein Bild über die Lage in Baden hatten machen können und mit der Hiobsbotschaft »Es ist alles aus!«6 nach Rastatt zurückkamen. Die Revolutionäre gaben auf, einige konnten fliehen, andere sahen sich der Rache der Sieger ausgesetzt. Damit war die Revolution de facto beendet. Bis Ende Oktober 1849 sprachen die Standgerichte der preußischen Armee 27 Todesurteile, von denen neunzehn vollstreckt wurden, und viele meist langjährige Haftstrafen aus. Die Familien der wegen Hochverrats Verurteilten waren nach der Revolution finanziell ruiniert, da sie persönlich für die Kosten des Militäreinsatzes in Rastatt und des Gerichtsverfahrens haften mussten. 80 000 Menschen haben in den folgenden Jahren Baden den Rücken gekehrt und wanderten aus – viele von ihnen in die USA, wo sie als Forty-Eighters bezeichnet und anerkannt wurden. Ihre Heimat Baden blieb bis 1851 durch die Preußische Armee besetzt.


1 Gaßner, Klaus; Finkele Diana: Der Aufstand der badischen Demokraten. Geschichte aus der Revolution 1848/49. Ubstadt-Weiher 1999, S.104.

2 Ebd., S. 105.

3 Hein, Dieter: Die Revolution von 1848/49. München 2019. S. 129.

4 Berding, Helmut: Die deutsche Revolution von 1848/49, Weinsberg 1989, S. 87 f.

5 Müller, Frank Lorenz: Die Revolution von 1848/49. Darmstadt 2012, S. 139.

6 Gaßner, Klaus; Finkele Diana, a. a. O., S. 123.

20. Olmütz: Das Ende der Revolution – 1850

Mit der Kapitulation der nach Rastatt geflohenen Revolutionssoldaten war die Deutsche Revolution am 23. Juli 1849 de facto beendet. Die Revolution war an der militärischen Macht Österreichs und Preußens ebenso gescheitert wie an den zentralen Fragen nach dem Ausmaß des neuen deutschen Reichs, seiner Gesellschaftsordnung oder seiner Verfassung. Dennoch konnte die Revolution von 1848/49 auch grundlegende Veränderungen in der deutschen Geschichte auslösen: das Ende der Adelsprivilegien, eine neue Agrarordnung, die den Feudalismus ablöste. Und vor allem die Deklaration der Menschenrechte. Auf der anderen Seite aber blieb die alte, restaurative Ordnung mit machtvollen Monarchen an der Spitze erhalten, und auch die politische Teilhabe an der staatlichen Macht wurde wieder zurückgenommen.

Ungelöst blieb das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Großmächten Preußen und Österreich. Beide konkurrierten weiterhin um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Während Preußen in den nord- und mitteldeutschen Staaten Unterstützung fand, waren die süddeutschen Staaten eher auf der Seite Österreichs. Preußen wollte mit einer Reform den Deutschen Bund so verändern, dass die eigene Machtposition gestärkt wurde. Österreich hingegen versuchte mit einer Wiederbelebung des durch die beiden Revolutionsjahre arg ramponierten Deutschen Bundes, seinen Einfluss auf das politische Geschehen in Deutschland nicht zu verlieren. Als in der Nationalversammlung darüber debattiert wurde, ob Österreich überhaupt einem zukünftigen deutschen Einheitsstaat angehören sollte, kam das Veto aus Wien prompt und kompromisslos. Der österreichische Kaiser Franz-Joseph I. setzte weiter unbeirrt auf eine »großösterreichische Lösung«, durch die alle Staaten des Deutschen Bundes in einem österreichischen Kaiserreich vereinigt werden sollten. Das hätte ein Riesenreich von der Nord- und Ostsee bis zum Osmanischen Reich und zwischen Frankreich und Polen bzw. Russland bedeutet. Preußen wäre darin als ein Teil von vielen untergegangen. Das harte Veto aus Berlin blieb nicht aus.

Als alle Versuche der Frankfurter Nationalversammlung, einen deutschen Einheitsstaat zu gründen, gescheitert waren, machte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. den Vorschlag einer »Erfurter Union«. Er liebäugelte durchaus mit einem deutschen Einheitsstaat unter preußischer Führung,1 lehnte aber die Paulskirchenverfassung, die er als »Hundehalsband der Revolution« verunglimpfte, kategorisch ab, weil sie von den verhassten Liberalen und Demokraten geschrieben worden war. Im Verfassungsentwurf der Erfurter Union wurden die Grundrechte der Frankfurter Reichsverfassung in verkürzter Form zwar übernommen, aber gleichzeitig auch die Autonomie der Einzelstaaten gestärkt und den Fürsten ein absolutes Veto eingeräumt, wodurch sie ohne parlamentarische Kontrolle alle Gesetzesvorhaben endgültig hätten stoppen können. Das war eine Verfassung nach den Vorstellungen des preußischen Königs. Der Einfluss der deutschen Fürsten war ebenso gesichert wie der preußische Führungsanspruch. Aber die Pläne einer Erfurter Union scheiterten, weil nur gut die Hälfte der 26 Mitglieder diesen Verfassungsentwurf ohne Vorbehalte annehmen wollte. Gleichzeitig konnte Österreich in der zweiten Hälfte des Jahres 1850 mehr und mehr Staaten für die Idee gewinnen, den alten Deutschen Bund unter österreichischer Führung wiederauferstehen zu lassen, wodurch der Habsburger Monarchie der machtpolitische Einfluss auf die Entscheidungen in Deutschland gesichert worden wäre.

Parallel zu diesen Entwicklungen spitzte sich die Lage wegen der Konflikte in Holstein und Kurhessen dramatisch zu. Schon im Juli 1846 hatte der dänische König Christian VIII. bekanntgeben lassen, die Erbfolge ändern zu wollen. Das hätte – so die Befürchtung der deutschen Nationalbewegung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein – zur vollständigen Eingliederung Schleswigs in das dänische Königreich führen können. Als nach Christians VIII. Tod sein Sohn Frederik VII. Anfang 1848 den Auftrag erteilte, eine neue dänische Verfassung auszuarbeiten, schienen sich diese Befürchtungen zu bewahrheiten. Die Frankfurter Nationalversammlung beauftragte daraufhin preußische Truppen, gegen Dänemark vorzugehen und beide Herzogtümer, die nach dem Vertrag von Ripen2 seit 1460 ungeteilt bleiben sollten, in den Deutschen Bund zu integrieren. Dieses Vorhaben scheiterte nicht zuletzt am Druck Großbritanniens, Russlands und Frankreichs. Nach einem dänisch-preußischen Waffenstillstand von Malmö Ende August 1848 folgte am 2. Juli 1850 ein Friedensvertrag, der ein von der preußischen Armee besetztes Südschleswig vorsah, während der Norden Schleswigs durch ein schwedisches Heer kontrolliert werden sollte.

Der zweite Konflikt fand in Kurhessen statt. Dort kam es 1848 zu einer Verfassungskrise, in deren Verlauf die kurhessische Regierung fliehen und den Deutschen Bundestag auffordern musste, eine »Bundesintervention« zur Wiederherstellung der Ordnung durchzuführen. Am 1. November 1850 marschierten deshalb bayerisch-österreichische Truppen in Kurhessen ein. Diese Bundesintervention hatte für Preußen enorme Bedeutung, denn durch Kurhessen verliefen mehrere wichtige Verbindungsstraßen zwischen den geografisch getrennten Landesteilen Ost- und Westpreußen. Mit der kurhessischen Regierung hatte Preußen einen Vertrag über »Durchmarschrechte« geschlossen, um eine Verbindung zwischen beiden Landesteilen zu gewährleisten. Als die österreichischen Generäle den Rückzug der zur Sicherung der Verbindungsstraßen abgestellten preußischen Truppen forderten, verfügte der preußische König die Mobilmachung. Aber zum Krieg mit Österreich kam es nicht, weil Friedrich Wilhelm IV. davor zurückschreckte. Stattdessen begannen Verhandlungen über eine Beilegung des Konfliktes, die in der Olmützer Punktation mündeten.

Am 29. November 1850 unterzeichneten Preußen, Österreich und Russland diesen Staatsvertrag, in dem Preußen auf seinen Führungsanspruch in Deutschland verzichtete. Gleichzeitig wurde der Deutsche Bund des Jahres 1815 unter Führung Österreichs wiederhergestellt und die Deutsche Revolution damit nun auch de jure beendet. In Preußen wurde die Olmützer Punktation vielfach als Schmach aufgefasst, weil Friedrich Wilhelm IV. zur Vermeidung eines Krieges vor Österreich zurückgewichen war. Preußen musste in den kommenden Jahren mit einem Ansehensverlust leben. Zudem war das Verhältnis zu Österreich nachhaltig belastet. 1854 fasste der Zeitgenosse und Historiker Johann Gustav Droysen die drei politischen Niederlagen Preußens in einem Brief an seinen Kollegen Wilhelm Arndt prägnant zusammen: »Das spezifisch preußische Gefühl ist seit Olmütz, Hessen, Holstein gebrochen.«3


1 Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band 2: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. Stuttgart 1988, S. 886.

2 Zum Vertrag von Ripen vom 4. April 1460: Auge, Oliver; Büsing, Burkhard (Hrsg.): Der Vertrag von Ripen 1460 und die Anfänge der politischen Partizipation in Schleswig-Holstein, im Reich und in Nordeuropa. Ostfildern 2012.

3 Zit. nach: Lenger, Friedrich: Industrielle Revolution und Nationalstaat. Stuttgart 2003, S. 262.