10Raspberry Pi
Der Raspberry Pi zählt seit mehreren Jahren zu den beliebtesten Minicomputern in der Maker- und Elektronik-Bastel-Szene. Seine Grundfläche ist etwas größer als eine Kreditkarte; in ein Gehäuse verpackt, hat der Computer das Volumen von zwei Smartphones. Das eigentliche Grundgerät kostet je nach Händler rund 40 EUR. Zusätzlich brauchen Sie in der Regel ein Netzteil, ein Gehäuse, eine SD-Speicherkarte und eventuell ein paar Kabel. Die Gesamtinvestition liegt also deutlich unter 100 EUR.
Dafür erhalten Sie einen vollwertigen, Linux-basierten Computer mit einer ARM-CPU, den Sie zur Steuerung elektrischer Geräte, für Versuchsaufbauten, als Mini-Server z.B. für den VPN-Zugang zu Ihrem Netzwerk zu Hause oder als kleines Multimedia-Center in der Art des Apple TV oder des Google Chromecast einsetzen können. Dieses Kapitel beschreibt, worauf Sie bei der Inbetriebnahme des Raspberry Pi achten müssen, gibt Konfigurationstipps und umreißt einige Anwendungsfälle.
Zur Inbetriebnahme des Raspberry Pi benötigen Sie einen »richtigen« Computer. Mit ihm beschreiben Sie die SD-Karte mit einer Linux-Distribution für den Raspberry Pi. Grundsätzlich können Sie das auch mit einem Windows- oder Apple-Computer tun, aber in diesem Buch nehme ich natürlich an, dass Sie unter Linux arbeiten.
Hinweis
Es gibt viele Möglichkeiten, den Raspberry Pi zu nutzen: als Mini-PC, als Medien-Center, als Steuerungs- und Bastel-Plattform, als Server etc. Insofern ist die Einordnung dieses Kapitels in das Buch schwierig.
Generell arbeiten Sie mit dem Raspberry Pi oft deutlich systemnäher, als dies auf einem Notebook oder PC mit einer typischen Distribution der Fall ist. Linux-Einsteiger werden feststellen, dass dieses Kapitel teilweise Know-how voraussetzt, das ich erst in späteren Kapiteln vermittle. Insofern müsste dieses Kapitel eigentlich am Ende des Buchs stehen. Das erschien mir aber nicht wünschenswert.
10.1Grundlagen
Hardware
Der Minicomputer Raspberry Pi besteht aus einer einzigen Platine in der Größe einer Kreditkarte (siehe Abbildung 10.1). Im Herbst 2015 trug das populärste der diversen Raspberry-Pi-Modelle die Bezeichnung »Raspberry Pi 2, Modell B«. Dieses Modell zeichnet sich durch die folgenden Eckdaten aus:
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ein Broadcom BCM2836 System-on-a-Chip (SoC), das aus vier CPU-Cores in ARMv7-Architektur mit 900 MHz sowie einem Broadcom Video-Core IV mit H.264 Encoder/Decoder besteht
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1 GByte RAM
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einen Micro-USB-Anschluss zur Stromversorgung
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vier USB-2-Anschlüsse für Tastatur, Maus und andere USB-Geräte
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einen HDMI-Ausgang für Bild und Ton, Auflösung bis zu 1920×1200 Pixel
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einen kombinierten Audio/Video-Ausgang für einen vierpoligen 3,5-mm-Klinkenstecker
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eine Micro-SD-Karten-Slot (SDHC/SDXC)
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einen Ethernet-Anschluss (10/100 MBit)
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eine GPIO-Steckerleiste mit 40 Pins für allgemeine Input/Output-Zwecke
(General Purpose Input/Output inklusive UART, I2C-Bus, SPI-Bus, I2S-Audio)
Abbildung 10.1Der Raspberry Pi 2 (Modell B)
Der Raspberry Pi weist damit ähnliche Eckdaten auf wie ein Mittelklasse-Smartphone. Natürlich fehlen die Telefonfunktionen und das Display, dafür bekommen Sie aber Netzwerk-, Monitor- sowie allgemeine I/O-Anschlüsse.
Vielleicht fragen Sie sich, warum der Raspberry Pi keinen Gigabit-Ethernet-Anschluss hat. Das liegt daran, dass der Ethernet-Adapter intern als USB-2-Device realisiert ist. USB 2 ist aber zu langsam, um die Datenmengen eines Gigabit-Netzwerks zu verarbeiten.
Generell ist das USB-System eine der größten Schwachstellen des Raspberry Pi: Alle vier USB-Anschlüsse und der Ethernet-Anschluss teilen sich nämlich einen USB-Kanal. Insofern ist der Raspberry Pi keine ideale Plattform für Eigenbau-NAS-Geräte oder Server, weil die Anbindung zur Außenwelt zu langsam ist – ganz egal, ob es sich um externe Datenträger oder um das Netzwerk handelt.
Die Vorgängerversion 1 hatte weniger RAM und einen langsameren SoC mit nur einem CPU-Core. Neben dem Modell B gab es für den Raspberry Pi 1 auch ein Modell A mit weniger RAM und nur einem USB-Anschluss sowie das sogenannte »Compute Module«: Dabei handelt es sich um eine noch kleiner ausgeführte Variante des Raspberry Pi, die nur für den industriellen Einsatz gedacht ist.
Beim Raspberry Pi 2 war bis Herbst 2015 nur das Modell B lieferbar. Es ist aber zu erwarten, dass es auch für die zweite Pi-Generation bald ein abgespecktes Modell A sowie ein Compute Module geben wird.
Bevor Sie den Raspberry Pi erwerben, sollten Sie sich darüber klar werden, was Sie sonst noch alles brauchen:
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ein Netzteil
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eventuell ein Gehäuse
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eventuell einen USB-WLAN- oder USB-Bluetooth-Stecker
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eventuell einen Infrarot-Empfänger (direkter Anschluss an GPIO-Pins)
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eine Micro-SD-Speicherkarte (8 GByte sind empfehlenswert, für manche Anwendungen reicht aber auch weniger Speicherplatz)
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Tastatur, Maus, Kabel sowie einen Monitor oder Fernseher
Über ein HDMI-Kabel können Sie den Raspberry Pi an jeden gängigen Fernseher sowie an viele Computer-Monitore anschließen, sofern diese über einen HDMI-Eingang verfügen. Über ein HDMI-zu-DVI-Kabel können Sie auch einen Monitor mit DVI-Eingang anschließen. Schwieriger ist die Verwendung eines VGA-Monitors: Zwar gibt es HDMI-zu-VGA-Konverter, die kosten aber beinahe so viel wie ein ganzer Raspberry Pi.
Das Netzteil ist entscheidend für die Stabilität
Achten Sie beim Kauf des Netzteils darauf, dass dieses ausreichend leistungsstark ist. Typische Handy-Netzteile haben zwar den richtigen Stecker, liefern aber zu wenig Leistung. Das Netzteil muss zumindest 5 Watt Leistung liefern können, damit der Raspberry Pi im Dauerbetrieb stabil läuft. Sie können über den Raspberry Pi auch USB-Geräte mit Strom versorgen – dann erhöht sich aber die Leistungsaufnahme für das Netzgerät auf bis zu 10 Watt.
Falls Sie den Raspberry Pi in ein Gehäuse verpacken, sollten Sie darauf achten, dass es Belüftungsschlitze hat. Der Raspberry Pi läuft mangels Lüfter und anderer bewegter Teile vollkommen lautlos, produziert aber durchaus Abwärme. In einem Gehäuse ohne Luftzirkulation riskieren Sie ein vorzeitiges Ableben Ihres neuen Gadgets!
Der Raspberry Pi enthält keine integrierte Uhr. Die Uhrzeit muss deswegen nach jedem Start neu gestellt werden, idealerweise über eine Netzwerkverbindung mit NTP.
Der Raspberry Pi ist zwar momentan der erfolgreichste, aber keineswegs der einzige Linux-taugliche Minicomputer. Schon seit vielen Jahren gibt es diverse Embedded-Linux-Systeme, die aber deutlich teurer und primär für den industriellen Einsatz gedacht sind. Eine Menge Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der schon erwähnten Website http://elinux.org.
Daneben gibt es mittlerweile eine Menge Geräte, die sich wie der Raspberry Pi speziell an computer- und elektronikbegeisterte Bastler richten. Dazu zählen unter anderem der Banana Pi sowie diverse BeagleBoard- und Odroid-Geräte. Bei der Auswahl eines Geräts sollten Sie freilich nicht nur auf den Preis und die technischen Daten achten. Das momentan wichtigste Argument für den Raspberry Pi sind die riesige Community und die unzähligen im Web verfügbaren Hardware-Treiber, Erweiterungen und Anleitungen.
Zum Raspberry Pi existieren mittlerweile unzählige Websites. Anbei einige Links zu den wichtigsten Seiten, auf denen Sie über dieses Kapitel hinausgehende Informationen finden:
http://www.raspberrypi.org
http://elinux.org/RPi_Hub
Natürlich will ich Ihnen hier nicht verschweigen, dass ich zusammen mit Christoph Scherbeck und Charly Kühnast ein 1000-seitiges Buch speziell für den Raspberry Pi verfasst habe. Infos und einen Blog zum Buch finden Sie hier:
Software
Der Raspberry Pi enthält anfangs (fast) gar keine Software. Wenn Sie den Minirechner mit der Stromversorgung und einem Monitor verbinden, erhalten Sie nicht einmal ein Bild! Es gibt kein BIOS, EFI oder eine vergleichbare eingebaute Software, die verrät, ob der Raspberry Pi prinzipiell funktioniert.
Um den Raspberry Pi ausprobieren zu können, müssen Sie zuerst ein Betriebssystem auf eine SD-Karte schreiben. Wie Sie dabei im Detail vorgehen müssen, wird etwas weiter unten beschrieben.
Geeignete Betriebssysteme für den Raspberry Pi müssen vor allem zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen für die ARM-CPU-Architektur kompiliert sein, und sie müssen in zwei getrennten Partitionen auf die SD-Karte geschrieben werden. Die erste Partition im FAT-Format enthält den Boot-Code, die Konfigurationsdatei config.txt und den Kernel; die zweite Partition enthält das eigentliche Betriebssystem.
Raspbian ist nicht nur die von den Raspberry-Pi-Entwicklern empfohlene Linux-Distribution, sondern auch die bei Weitem die populärste. Raspbian basiert seit Oktober 2015 auf Debian 8 und enthält ein komplettes Desktop-System (LXDE). Wenn es keine guten Gründe für eine andere Distribution gibt, sollten Sie für Ihre ersten Experimente unbedingt mit Raspbian arbeiten.
Neben Raspbian gibt es eine ganze Palette weiterer Linux-Distributionen, die für den Raspberry Pi adaptiert wurden. Dazu zählen unter anderem Arch Linux, Pidora (eine Fedora-Variante) und Ubuntu MATE.
Außerdem gibt es speziell für den Multimedia-Einsatz optimierte Distributionen. Dazu zählen OpenELEC, OSMC, RasPlex, Volumio und XBian.
Obwohl in diesem Buch Linux im Vordergrund steht, sei nicht verheimlicht, dass auf dem Raspberry Pi auch andere Betriebssysteme laufen. In die Schlagzeilen gebracht hat es insbesondere Windows 10 IoT, wobei das Kürzel IoT für »Internet of Things« steht. Es handelt sich also nicht um eine Desktop-Version von Windows, sondern mehr um eine Windows-basierte Laufzeitumgebung, in der auf dem Raspberry Pi mit Visual Studio entwickelte Programme ausgeführt werden können.
Raspberry Pi versus Notebook/PC
Im Prinzip ist ein Raspberry Pi in Kombination mit einer geeigneten Linux-Distribution ein vollwertiger Computer mit grafischer Benutzeroberfläche, Webbrowser etc. Kann der Raspberry Pi also Ihren Desktop-PC ersetzen?
Er kann, aber Sie müssen bereit sein, beim Arbeitskomfort Abstriche zu machen. Die CPU des Raspberry Pi 2 kann nicht mit aktuellen CPUs von Intel oder AMD mithalten, der Zugriff auf SD-Karten oder USB-Sticks ist vergleichsweise langsam, und das eine Gigabyte RAM ist für den intensiven Desktop-Einsatz zu wenig. Von der Geschwindigkeit abgesehen, machen auch so triviale Dinge wie die fehlende eingebaute Uhr oder der nicht existente Ein/Aus-Schalter den Desktop-Betrieb des Raspberry Pi unpraktisch.
Seine Stärken spielt der Raspberry Pi eher als Steuerungsrechner oder Media-Center aus, wo er nur eine spezifische Aufgabe erledigt.