Kapitel 18

Das Geschäft in der Zukunft – Derivate

Aktien und Anleihen gehören in die Kategorie »Kassageschäfte«. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sofort erfüllt werden. Das Geld wird quasi sofort gegen das Wertpapier getauscht. Bei Derivaten sieht das anders aus.

Derivate sind Termingeschäfte, die zwar in der Gegenwart abgeschlossen, jedoch erst in der Zukunft erfüllt werden.

Abbildung 18.1 veranschaulicht das.

Abbildung 18.1: Terminmarkt und Kassamarkt

Am Terminmarkt werden zwei Varianten unterschieden:

image Bedingtes Termingeschäft = Option: Der Verkäufer ist nur dann verpflichtet, das Handelsgut zu liefern, wenn der Käufer das will. Nur wenn der Käufer die Option einlösen will, muss der Verkäufer der Option liefern. Im alltäglichen Leben ist das bei einer Versicherung der Fall.

image Unbedingtes Termingeschäft = Future und Forward: Das ist für beide Handelsparteien verpflichtend. Der Käufer muss das Handelsgut abnehmen, der Verkäufer muss das Handelsgut liefern. Der Future ist standardisiert, der Forward wird individuell ausgestaltet.

Termingeschäfte im alltäglichen Leben

Ein Forward funktioniert ein wenig wie ein Autokauf. Angenommen, Sie haben heute bei Ihrem Autohaus einen neuen Daimler bestellt. Der wird in drei Monaten geliefert. Das Geschäft wird heute, in der Gegenwart, abgeschlossen, erfüllt wird es aber erst in drei Monaten bei Übernahme des Autos. Es ist ein klassisches OTC-Geschäft. OTC steht für Over The Counter, kann man übersetzen mit »über dem Tresen« oder beschreiben mit außerbörslich. Ein nicht standardisiertes Handelsgut – wie Ihr individuell konfigurierter Daimler – kann nicht an einer Börse gehandelt werden. Ein Daimler ist mal rot, mal schwarz, mal mit Dach oder ohne, mit vielen Pferdchen oder wenigen, der Preis ist immer ein ganz anderer.

Dagegen ist ein Kilo Gold ist immer ein Kilo Gold, es ist ein standardisiertes Produkt, also fungibel, und kann problemlos an einer Börse als Future gehandelt werden.

Für Ihren Daimler müssen Sie eine Versicherung abschließen. Die entspricht einer Option. Nur wenn Sie die Versicherung in Anspruch nehmen, muss das Versicherungsunternehmen die vertraglich vereinbarte Leistung liefern. Benötigen Sie keine Versicherungsleistung, verfällt Ihre Option und der Verkäufer, das heißt das Versicherungsunternehmen, kann die Prämie einstreichen. Und zum Jahreswechsel schließen Sie einen neuen Versicherungsvertrag ab, sprich, Sie kaufen wieder eine Option für den Fall aller Fälle.

Ein Auto kaufen und eine Versicherung abschließen können Sie ab dem 18. Lebensjahr. Um Termingeschäfte an einer Terminbörse zu tätigen, benötigen Sie die höchste Risikoklasse.

Termingeschäfte in der Theorie

Termingeschäfte in der Theorie

Derivate sind Finanzinstrumente, deren Preis oder Wert sich von der Entwicklung des Basiswertes ableiten lässt.

Finanzderivate werden an einer Terminbörse gehandelt, es sind keine Wertpapiere, sondern Rechte.

Deshalb haben sie auch keine Wertpapierkennnummer. Zur Identifizierbarkeit bekommen Derivate international anerkannte Symbolkürzel. Auch eine Terminbörse (Derivatebörse) ist staatlich genehmigt und unterliegt der staatlichen Aufsicht, so wie eine Wertpapierbörse.

Termingeschäfte auf was handeln?

Das Gut, das in Termingeschäften gehandelt wird, kann so ziemlich alles sein, was man sich vorstellen kann: Aktienindizes, Einzelaktien, Zinsen, Rohstoffe, Währungen, Inflation, Volatilität, Immobilien, Strom, CO2, Bitcoin und vieles mehr …

Wieso Termingeschäfte handeln?

Warum machen Termingeschäfte Sinn? Platte Antwort: Um Geld zu verdienen – oder auch Geld zu sparen! Genutzt werden Termingeschäfte in der Regel für:

image Spekulation: »Nur« zum Geldverdienen. Sind Sie der Meinung, dass der DAX steigen wird, gehen Sie long mit einem Derivat und verdienen Geld, wenn der DAX dann auch tatsächlich steigt und Sie das Derivat zu einem höheren Preis wieder verkaufen.

image Arbitrage: Damit werden Preisunterschiede für gleiche Waren auf verschiedenen Märkten ausgenutzt. Ist beispielsweise der DAX auf dem Kassamarkt billiger als auf dem Terminmarkt, verkaufen Sie den DAX auf Termin und kaufen zur Absicherung den DAX am Kassamarkt bis zur Fälligkeit des Terminverkaufs. Das ist ziemlich risikolos, aber es gibt an der Börse selten ein free lunch!

image Hedging: Das sind Absicherungsgeschäfte. Die Lufthansa zum Beispiel sichert sich gegen starke Veränderungen der Treibstoffpreise ab. Immerhin macht der Treibstoff 20 Prozent der betrieblichen Aufwendungen aus.

image Klammheimliche Übernahme: Angenommen, Sie sind die Firma Porsche und möchten VW übernehmen. Sie kaufen Optionen und machen am Tag X von Ihrem Optionsrecht Gebrauch und tauschen die Optionen in Aktien – und schwupp haben Sie die nötige Mehrheit an Aktien!

Um Derivate handeln zu können, genügt das klassische Wertpapierkonto nicht. Dafür benötigen Sie über einen Future-Broker Zugang zu den Terminbörsen. Das geht auch nicht bei jedem Broker, da müssen Sie zum Beispiel über http://www.brokertest.de einen für Ihre Bedürfnisse geeigneten finden und ein Konto eröffnen.

Der ganz große Unterschied zum Handel am Kassamarkt ist die Sache mit der Margin. Wenn Sie Aktien kaufen, bezahlen Sie den kompletten Preis. Bei Derivaten hinterlegen Sie »nur« eine Sicherheitsleistung, die Margin. Um Ihnen ein reales Beispiel zu geben, greife ich dem Kapitel über Futures etwas vorweg:

Margin – handeln statt investieren

Margin – handeln statt investieren

Die Eurex® verlangt derzeit (März 2018) für den Handel mit einem FDAX-Kontrakt eine Sicherheitsleistung von 22.475 Euro. Der FDAX selbst steht bei 12.400 Punkten. Jeder Punkt im FDAX ist 25 Euro wert, macht 12.400 Punkte × 25 Euro = 310.000 Euro Kontraktwert. Um einen FDAX-Kontrakt handeln zu können, müssen Sie also »nur« 7,25 Prozent vom Kontraktwert als Sicherheitsleistung hinterlegen. Würden Sie hingegen einmal den kompletten DAX mit einem ETF (was das ist, erkläre ich Ihnen in Kapitel 22) kaufen, müssten Sie am Kassamarkt in der Tat 310.000 Euro lockermachen.

Am 28.10.2015 hat die Eurex den Mini-DAX-Future eingeführt. Dieser hat einen Kontraktwert von 5 Euro, ist also 1/5 des »großen« FDAX. Die Margin betragt aktuell (März 2018) 4.400 Euro. Mit dem Mini-FDAX können zum Beispiel Risikoabsicherungen präziser umgesetzt werden. Aber auch der private Trader profitiert vom Mini-FDAX. Ein Kontraktwert von 5 Euro je Punkt entspricht 5 CFDs (was das ist erkläre ich in Kapitel 24) auf den DAX. Das ist eine überschaubare Positionsgröße.

Die EUREX schreibt dazu: Mini-DAX®-Futures sind speziell für erfahrene Privatanleger und kleinere ­Wertpapier-Portfolios geeignet.

Der große Unterschied zwischen Mini-FDAX und CFD liegt aber im Handelsplatz: der Mini-FDAX wird an einer regulierten und überwachten Börse gehandelt. Ein CFD wird direkt mit dem Broker gehandelt und damit außerbörslich.

Traden auf Margin ist grundsätzlich nichts Verwerfliches oder Schlechtes. Auch sind Termingeschäfte per se nicht risikoreicher als Kassageschäfte. Denn egal ob Sie am Kassamarkt oder am Terminmarkt traden, das Marktrisiko kann Sie gleichermaßen treffen.

Jede Position, egal ob »langweilige« Aktie oder »spekulativer« Future, müssen Sie entsprechend Ihrer persönlichen Risikoneigung und Kontogröße absichern! Das Zauberwort heißt hier Risk- und Moneymanagement (siehe Teil IV).

Ob long, ob short – das Geld ist fort …

Das ist einer der schlauen Sprüche an der Börse. Soll für Sie heißen: Klassischerweise können Sie Aktien oder Anleihen »nur« kaufen, das heißt long gehen, und damit auf steigende Preise setzen. Bei Derivaten können Sie sowohl Long- als auch Short-Positionen eingehen:

image Long-Position: Sie kaufen den Basiswert und partizipieren an dessen Anstieg. Wie beim Beispiel mit der Daimler-Aktie: Sie kaufen die Aktie bei sagen wir 70 Euro und verkaufen Sie wieder bei 85 Euro. Macht einen Gewinn von 15 Euro.

image Short-Position = Leerverkauf = Short Selling: Sie verkaufen den Basiswert und partizipieren an dessen Preisverfall. Sie verkaufen also etwas, was Sie gar nicht besitzen. Sie verkaufen die Daimler-Aktie bei 70 Euro und diese fällt. Tage oder Wochen später kaufen Sie die Aktie zurück für 60 Euro. Das nennt sich dann cover short. Macht einen Gewinn von 10 Euro.

Rein grundsätzlich können auch Sie als Privatanleger Aktien shorten – also verkaufen –, ohne sie zu besitzen, und mit dem Preisverfall Gewinne mitnehmen. Es gibt allerdings nur wenige Broker, die das anbieten. Das ist für den Broker schon etwas aufwendig. Ihr Broker muss sich die Aktie leihen, um Sie dem Käufer Ihrer Short-Position zu liefern. Große Versicherungen oder Investmentfonds verleihen durchaus Aktien aus ihren eigenen Beständen (nicht die der Kundendepots!) gegen eine Leihgebühr und können so einen Zusatzertrag generieren.

Beim Leerverkauf eine Aktie müssen Sie mal wieder auf den Termin der Hauptversammlung achten: Der Entleiher – das ist Ihr Broker – wird nämlich juristischer und wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere. Damit bekommt er auch die Dividende, die am (Bankarbeits-)Tag nach der Hauptversammlung fällig wird. Der Verleiher würde dann in die Röhre schauen. Also fordert er seine verliehenen Wertpapiere vor der Hauptversammlung zurück. Und Sie müssen Ihre leerverkauften Aktien eindecken – egal zu welchem Preis!