Im ersten Teil dieses Buches haben Sie viele wissenschaftlich basierte Informationen zu ADHS erfahren. Sie haben Ihre Symptomatik besser kennengelernt und Impulse mitgenommen, welche von Fachleuten empfohlenen Life Hacks Sie ab sofort regelmäßig in Ihren Alltag integrieren möchten, um Ihre individuelle Symptomatik selbst zu lindern.
Damit sind Sie schon ein ganzes Stück Ihres Weges zu mehr Lebensqualität und Resilienz mit Ihrer ADHS gegangen. Klasse, dass Sie so diszipliniert dranbleiben!
Den zweiten Teil dieses Buches werden Sie damit abschließen, dass Sie Ihren ganz persönlichen Lebenskompass mit ADHS für sich erstellt haben. Sich diesen zu gestalten, geschieht mit einem Selbstcoaching-Prozess, der Ihnen eine klare Struktur vorgibt, mehr Bewusstsein für Ihre Lebensgestaltung mit Ihrer ADHS zu erlangen. Sie verbinden sich dazu wieder mit Ihren wichtigsten Wünschen und Bedürfnissen in Ihrem Leben und nähren diese zukünftig in Ihren verschiedenen Lebensbereichen. So stärken Sie präventiv und nachhaltig Ihre Resilienz. Beim Integrieren Ihres neuen Selbst- und Stressmanagements mit ADHS in Ihren zukünftigen Alltag unterstützen Sie zum einen Ihre ADHS-Life-Hacks, die Sie bereits im ersten Teil des Buches für sich heraus gearbeitet haben, sowie zum anderen im zweiten Teil des Buches Methoden aus dem systemischen Coaching. Ich wünsche Ihnen jetzt viel Freude, inspirierende Erkenntnisse und Impulse bei Ihrem weiteren Selbstcoaching-Prozess und der Gestaltung Ihres ganz persönlichen Lebenskompasses mit ADHS.
2.1 Resilienz – Ihr Schlüssel zum Paradies hinter der Tür im nächsten Zimmer
In unserer immer schneller werdenden globalisierten Welt Schritt zu halten, in den verschiedenen Lebensbereichen ständig online und erreichbar zu sein, und dabei den Zugang zu unseren Bedürfnissen nicht zu verlieren, ist kein täglicher Home Run. Wenn dazu noch unerwartete Lebensereignisse in den verschiedenen Lebensbereichen mit hinein spielen wie zum Beispiel ein Wechsel des Jobs, eine Trennung, private oder berufliche Konflikte oder eine plötzliche Krankheit, dann können auch Menschen ohne ADHS dadurch ins Straucheln kommen und sich eine Zeit lang orientierungslos und hilflos fühlen. Denn nur wenn unsere Bedürfnisse durch die bewusste Gestaltung unserer verschiedenen Lebensbereiche regelmäßig in stimmiger Balance genährt werden, dann fühlen wir uns zufrieden und glücklich. Diese innere Balance ist dann aus dem Gleichgewicht geraten. Wir befinden uns plötzlich in einer Krise. Und diese gehören zum Leben dazu wie das Auf und Ab der Wellen auf dem Meer. Sie kennen sicher auch Menschen, die diese Wellen sicher surfen können. Die diese natürliche Gabe haben, Krisen selbstwirksam zu bewältigen. Sie scheinen ein unsichtbares Schutzschild zu haben und surfen wie Weltklasse-Surfer auch die höchsten Wellen, ohne dass diese schwierigen und belastenden Situationen nachhaltig psychische Spuren bei ihnen hinterlassen. Sie haben einfach eine gute Resilienz. Im übertragenen Sinne haben diese Menschen ein gutes Immunsystem für ihre Seele. Es gibt dazu zwar eine genetische Veranlagung, jedoch entwickelt sich Resilienz auch im Laufe des Lebens. Und die gute Nachricht ist, wir können unsere Resilienz daher auch ganz bewusst trainieren (INeKO Institut, 2020d).
Genau dabei möchte dieses Buch Sie unterstützen, indem Sie die folgenden wichtigen Resilienzfaktoren für sich stärken (Resilienz Akademie, 2023). Diese werden Ihnen nach dem ersten Teil des Buches jetzt sicher schon sehr bekannt vorkommen. Denn all diese Faktoren finden sich auch in den von ADHS-Experten empfohlenen Life Hacks wieder, die Sie bereits kennengelernt haben.
Selbstwirksamkeit
Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Handeln. Treten Sie heraus aus einer vermeidenden Opferhaltung. Gewinnen Sie so den Glauben daran, dass Sie selbst dazu fähig sind, Ihre Herausforderungen proaktiv zum Positiven zu verändern. So agieren Sie höchst selbstwirksam. Dabei möchte Sie dieses Buch unterstützen. Wenn Sie spüren, dass Sie dies aktuell alleine im Selbstcoaching noch nicht schaffen, kann zunächst eine gezielte multimodale Therapie für Sie hilfreich sein, und im Anschluss daran dann weitere persönliche 1:1-Coachings. Auch die Entscheidung für eine Therapie wäre dann jetzt ein ganz wichtiger erster selbstwirksamer Schritt von Ihnen.
Akzeptanz
Sie lernen sich Schritt für Schritt besser kennen, indem Sie Ihre eigenen Stärken und Schwächen beleuchten und besser verstehen und akzeptieren. Schätzen Sie sich selbst wert. Sie haben sich dazu bereits schon einige Notizen zu Ihren Stärken gemacht im ersten Teil des Buches sowie auch Ihre ADHS-Symptome für sich reflektiert und notiert. Der zweite Teil des Buches wird Sie jetzt noch weiter dabei unterstützen.
Bindung
Bauen Sie ein Netz aus stabilen sozialen, Sie nährenden Beziehungen auf und pflegen Sie diese regelmäßig. Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen guttun, Ihre Werte teilen und zu Ihnen passen. Darüber hinaus könnte Ihnen in Bezug auf Ihre ADHS neben Ihrem Selbstcoaching mit diesem Buch auch eine Selbsthilfe-Gruppe Stabilität geben, wie Sie zum Beispiel ADHS Deutschland e. V. online und auch in Präsenz an vielen Orten in Deutschland anbietet (o. J.).
Lösungsorientierung
Gehen Sie realistischen Zielen nach die auf Ihre Bedürfnisse einzahlen und setzen Sie sich wenn nötig dazu realistischeZwischenziele. Bleiben Sie beharrlich dran, diese bis zum Schluss umzusetzen. Ihr Wochen- und Jahresplan (Übung 7) unterstützt Sie bereits dabei sowie auch bald Ihr bedürfnisorientierter Lebenskompass mit ADHS, den Sie sich jetzt im zweiten Teil des Buches gestalten werden.
Gesunder Optimismus
Sich in Dankbarkeit zu üben, hilft, negative Denkmuster zu unterbrechen und den positiven Fokus zu stärken. Sie versetzen sich so selbst in einen besseren Zustand. Ihr Haltungsziel mit Ihrem Bild aus dem Coaching mit dem ZRM® Online Tool (Übung 3) kann Sie ebenfalls täglich unterstützen, optimistisch zu bleiben (Zürcher Ressourcen Modell ZRM®, o. J.a).
Selbstwahrnehmung
Trainieren Sie eine achtsame Haltung und machen Sie sich so Ihre Stressoren in Ihrem Alltag bewusst. Achten Sie darauf, Ihren Stress im Leben generell zu reduzieren. Kreieren Sie sich dazu regelmäßigeInseln der Entspannung in Ihrem Alltag, zum Beispiel mit Achtsamkeitsübungen, dem Erlernen einer Entspannungstechnik, Meditation oder Yoga. Bleiben Sie aktiv, finden Sie eine Sportart, die Sie regelmäßig ausüben. Leben Sie dabei gesund und achten Sie auf ausreichend Schlaf für sich. Sie lernen in Abschn. 2.3 dazu noch verschiedene effektive Methoden des Stressmanagements kennen, die Ihre ADHS-Symptomatik lindern können, wenn Sie diese im Rahmen Ihres Selbstcoachings regelmäßig in Ihren Alltag einbauen.
Selbstreflexion
Reflektieren Sie Ihre Emotionen. Diese sind immer Hinweise auf Ihre Bedürfnisse, die genährt werden wollen. So können Sie Schritt für Schritt achtsam und bewusst Ihre Stressreaktionen erkennen und Ihre Reaktion darauf lösungsorientiert verändern. Die Ampel-Methode (Übung 12) mit Ihrem Mind-Body-Check und dem Pflegen Ihrer Wohlfühlliste unterstützen Sie bereits dabei sowie auch bald Ihr bedürfnisorientierter Lebenskompass mit ADHS, den Sie sich im zweiten Teil des Buches jetzt gestalten werden.
2.2 So stärken Sie Ihre Resilienz mit ADHS mit Ihrem Selbstcoaching-Prozess
Die eigene Resilienz zu stärken, ist für Menschen ohne ADHS in der heutigen Zeit schon sehr wichtig für eine stabile psychische und körperliche Gesundheit. Für Betroffene von ADHS ist dies jedoch noch umso wichtiger, um sich so durch das Lindern ihrer Symptomatik ein Mehr an Lebensqualität und Zufriedenheit zu gestalten.
Dieses Buch begleitet Sie nun noch ein Stück weiter auf Ihrem Weg zur Stärkung Ihrer Resilienz, indem Sie sich nun im zweiten Teil dieses Buches ein Selbst- und Stressmanagement für Ihr Leben entwerfen und verinnerlichen, das voll auf Ihre individuellen wichtigsten Bedürfnisse eingeht. Sie folgen dazu einer ganz klaren Selbstcoaching-Struktur für die Gestaltung Ihrer verschiedenen Lebensbereiche in der Form Ihres individuellen Lebenskompasses.
Dieser schenkt Ihnen das was ADHS-Betroffenen oft fehlt: einen klar strukturierten Rahmen, als Ihr Kompass im Leben, mit dem Sie sich mit innerer Sicherheit immer wieder durch das Auf und Ab der Wellen Ihres Lebens steuern, und der Sie dabei unterstützt, so auch Krisen selbstwirksam zu bewältigen. Wenn Sie ihn regelmäßig anwenden, sorgen Sie so in Ihrem Leben immer wieder aufs Neue für Ihr psychisches und körperliches Wohlbefinden. Und da Sie dieses Buch jetzt in den Händen halten, haben Sie auch mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits den Widerstand oder die Opferrolle verlassen, betroffen von ADHS zu sein. Sie haben dies akzeptiert und möchten jetzt nach der Diagnose und gegebenenfalls einer multimodalen Therapie weiter die Verantwortung für sich und Ihre zukünftige Lebensgestaltung übernehmen. Klasse, dass Sie so proaktiv etwas für sich tun möchten.
Dieses Buch soll jetzt im zweiten Teil Ihr Sparrings-Partner, Ihr Experte für Ihren ganz persönlichen Selbstcoaching-Prozess sein, und Ihnen dazu für Ihre Selbstreflexion einen festen Rahmen und eine Struktur geben. In Ihrem Prozess des Selbstcoachings sind dann jedoch Sie allein der Experte für Ihr Leben und die Lösungsfindung. Denn nur Sie kennen sich und Ihre ADHS mit ihrer Symptomatik wie kein anderer. Ich hoffe, dass das, was Sie für sich mit diesem Buch und Ihrem Selbstcoaching-Prozess erarbeiten, Sie nachhaltig persönlich weiterbringt. Jedoch gibt es dafür keine Garantie. Was ich Ihnen jedoch versichere, ist, dass ich beim Schreiben dieses Buches und beim Aufsetzen des Selbstcoaching-Prozesses mein Bestes gegeben habe. Ich gehe davon aus, dass Sie dies auch tun werden. Und Sie werden sehen, was passiert.
Bevor es jedoch weitergeht mit Ihrem Selbstcoaching, möchte ich Ihnen wie im ersten Teil des Buches angekündigt, im nachfolgenden Abschn. 2.3 zunächst einige wichtige Informationen zur Entstehung und den Folgen von Stress geben. Sie lernen so verschiedene effektive Methoden des Stressmanagements kennen, die Ihre ADHS-Symptomatik lindern können, wenn Sie diese im Rahmen Ihres Selbstcoachings regelmäßig in Ihren Alltag einbauen. Denn ein gesundes verinnerlichtes Stressmanagement ist ein sehr wichtiges Fundament für Ihre zukünftige resiliente Lebensgestaltung mit Ihrer ADHS. Ich wünsche Ihnen nun viele inspirierende Impulse und Erkenntnisse beim Lesen.
2.3 Erfolgreiches Stressmanagement durch regelmäßiges Achtsamkeitstraining und Sport
Stress ist ein breiter Begriff. Aus medizinischer Sicht wirkt vor allem der Sympathikus als Teil unseres unwillkürlichen Nervensystems an der Entstehung von Stresssymptomen mit. Willentlich haben wir auf diesen Bereich unseres Nervensystems keinen Einfluss. Der Sympathikus erhöht über die Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol die Puls- und Atemfrequenz, der Blutdruck steigt und die Muskulatur wird besser durchblutet. Dieser Effekt kommt noch aus der Urzeit, damit wir schnell alle möglichen zusätzlichen Kräfte mobilisieren können, um entweder zu kämpfen oder schnell flüchten zu können, wenn der Säbelzahntiger angreift. Heute sind die Säbelzahntiger im übertragenen Sinne oft stressauslösende Situationen in unserem Leben, die den Körper immer wieder in Alarmbereitschaft setzen.
Es gibt natürlich auch positiven Stress, zum Beispiel wenn Sie lange für einen Halbmarathon trainiert haben, und es geht nun endlich los. Die oben genannten physiologischen Abläufe lassen Sie so überhaupt erst zu einer Topform auflaufen. Lösen jedoch Situationen in unserem Alltag immer wieder aufs Neue Stress in uns aus, kann uns dieser psychisch und auch körperlich krank machen (Hery-Moßmann, 2021). Noch mehr stressen uns diese Situationen, wenn Sie für uns nicht kalkulierbar sind, wir zum Beispiel täglich zwischenmenschliche Konflikte im Privatleben oder am Arbeitsplatz haben und jemand uns dabei durch seine emotional unberechenbare Art immer wieder plötzlichen Stress bereitet (Spitzer, 2018).
Unser inneres System läuft dann permanent auf Hochtouren, um jeden Tag kampfbereit auf alle Eventualitäten des Selbstschutzes vorbereitet zu sein. Dann leiden wir zum Beispiel unter Herzbeschwerden, Lungenerkrankungen oder Rückenschmerzen aufgrund einer dauerhaften Überforderung und Alarmbereitschaft unseres Körpers. Er fährt den Stress und so unser Cortisol- und Adrenalinlevel kaum noch herunter. Hält der Stress in unserem Leben über längere Zeit an, beginnt eine Erschöpfungsspirale, da uns die Gelegenheiten fehlen, uns nachhaltig zu erholen. Wir beginnen schlechter zu schlafen und sind deswegen tagsüber nicht so leistungsfähig und brauchen länger oder mehr Kraft, um Aufgaben über den Tag zu bewältigen. Was hier helfen kann, ist eine gute Resilienz. Mit ihr kommen wir besser durch stressige Phasen im Leben. Und dabei soll Ihnen dieses Buch eine Unterstützung sein.
Es ist auf der einen Seite wichtig, Stress zu vermeiden, indem man zum Beispiel, wie bereits beschrieben, auch einmal 80 % statt perfekten 100 % für sich und andere gelten lässt (DER PROZESSMANAGER, o. J.; Kogon et al., 2016). Zudem ist es wichtig, sich Zeit für sich zu nehmen durch das Erlernen und konsequente Anwenden einer achtsamen Entspannungstechnik oder Meditation, wie diese im Folgenden vorgestellt werden. Können Sie den privaten oder beruflichen Stress jedoch erst einmal auf Dauer nicht reduzieren, dann helfen Sie dem Körper in jedem Falle, Stress abzubauen, also Adrenalin und Cortisol gezielt abzubauen im Körper. Früher geschah dies direkt nach der Stresssituation durch körperliche Aktivität beim Kampf oder der Flucht. Regelmäßiger Sport ist daher absolut Gold wert, um die ausgeschütteten Stresshormone durch körperliche Aktivität zu verarbeiten und abzubauen. Auch dafür erhalten Sie in diesem Kapitel Impulse. Und ist Ihre Erschöpfungsspirale schon weiter fortgeschritten und abends ruft im Grunde immer nur Ihr Sofa nach Ihnen, ist es gerade dann umso wichtiger, sich zu bewegen. Dann kann dies auch zunächst nur ein 20- bis 30-minütiger Spaziergang sein, damit Sie sich nicht überfordern. Dennoch bleiben Sie so nicht passiv und treiben die Erschöpfungsspirale so nicht noch weiter nach unten (Hery-Moßmann, 2021).
RegelmäßigesAchtsamkeitstraining wie Meditation, Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelrelaxation (PMR) oder Autogenes Training (Ratgeber ADHS, o. J.a), Yoga (Weber, 2013) und auch Sport im Allgemeinen sind nicht nur für Menschen ohne ADHS zum Stressabbau und als wichtiger präventiver Bestandteil der Gesundheitsvorsorge geeignet. Auch für ADHS-Betroffene können sie als ergänzender Therapiebaustein im Rahmen einer multimodalen Therapie ebenfalls Gold wert sein (Lux et al., 2020). Sie lindern so Ihre innere und gegebenenfalls äußere hyperaktive Getriebenheit und Unruhe und Ihre ADHS-Symptomatik generell. So gehen Sie gelassener mit sich, Ihrer ADHS und den Anforderungen Ihres Umfeldes um. Gleiches gilt auch für die Maltherapie und Musiktherapie (Huggenberger, o. J.). Dadurch aus dem Kopf voller Gedanken regelmäßig ins Gefühl zu kommen, in sich hineinzuhorchen, innerlich zur Ruhe zu kommen, ganz im Hier und Jetzt zu sein, statt gedanklich wie so oft bei den vielen bunten Jonglier-Bällen an Gedanken, die um unseren Kopf fliegen, all das kann man trainieren durch eine regelmäßige Integration in den eigenen Alltag.
Stressmanagement ist für Betroffene von ADHS jedoch eine besondere Herausforderung. Sie leiden häufig unter einer starken inneren Unruhe und Getriebenheit. Langeweile und Entspannung einfach einmal auszuhalten, fällt ihnen schwer. Oftmals kennen Betroffene diesen Zustand von totalem Loslassen einfach noch nicht. Es kann als Betroffener daher etwas dauern, die richtige Entspannungstechnik für sich zu finden. Deswegen möchte ich Ihnen hier eine breite Palette an Möglichkeiten dazu vorstellen. Probieren Sie doch einfach aus, was sich für Sie davon stimmig anfühlt. Sie brauchen nicht gleich Ihr ganzes Leben dafür umkrempeln. Finden Sie Techniken, die Sie so begeistern, dass Sie sie Schritt für Schritt als kleine Inseln zum Loslassen fest in Ihren Alltag integrieren möchten (Kneubühler, o. J.).
Die folgenden Impulse zum Stressmanagement sind dabei präventiv zu betrachten, ersetzen keine Therapie und können bei gewissen psychischen Erkrankungen auch kontraindiziert sein. Wenn dem so sein sollte, finden Sie dies jeweils ergänzt. Bitte klären Sie dies im Zweifel individuell für sich ärztlich ab.
2.3.1 Achtsamkeit
Achtsamkeit und Achtsamkeitsmeditation zu üben, kann, wie bereits erwähnt, dabei helfen, die ADHS-Symptomatik zu lindern (Ratgeber ADHS, o. J.a). Auch bei Depressionen, Ängsten und Stress ist eine positive Wirkung bereits belegt (Psychologie-Aktuell.com, o. J.). Sie fördert die Resilienz, die individuelle Widerstandskraft gegen gesundheitlichen und psychosozialen Stress. Jeder kann meditieren, egal wie alt Sie sind oder wie Ihr körperlicher Zustand ist. Man benötigt keine besonderen Voraussetzungen. Meditation beruhigt das Nervensystem und hilft dabei, sich selbst wieder wahrzunehmen. Denn oftmals sind gerade ADHS-Betroffene innerlich oder durch äußere Umstände im Alltag so getrieben, dass gar keine Bewusstheit mehr dafür besteht, sich eine kurze Pause zu gönnen, sich einmal kurz zu bewegen oder etwas zu trinken (Stern, o. J.a.). Bei Achtsamkeitsübungen lenkt man seine Aufmerksamkeit wenige Minuten bewusst auf eine Handlung, die ganz im Hier und Jetzt stattfindet, und alles andere um einen herum und aufkommende Gedanken werden dabei ausgeblendet. Man nimmt dabei ganz bewusst eine wertfreie, beobachtende Haltung ein und lernt so mit der Zeit automatisierte Handlungen bewusst zu unterlassen oder anders zu handeln. Eine solche achtsame Haltung zu trainieren, hilft ADHS-Betroffenen auf die Dauer die Aufmerksamkeit zu verbessern, in Stresssituationen gelassener zu bleiben, sich schneller entspannen zu können, die eigenen impulsiven Gefühle besser unter Kontrolle zu haben und so auch emotionale Überreaktionen zu reduzieren. Darüber freut sich auch das Umfeld der Betroffenen. Essenziell ist regelmäßiges Üben, denn eine achtsame Haltung entwickelt sich leider nicht von selbst (Ratgeber ADHS, o. J.a). Denken Sie an Ihr Salatbeet. Es lohnt sich hier regelmäßig dranzubleiben.
Beispielhafte Achtsamkeitsübung
Um sich im Laufe das Tages immer einmal wieder ins Hier und Jetzt zu holen, inne zu halten und kurz zur Ruhe zu kommen, kann man zum Beispiel mehrfach am Tag etwas ganz bewusst tun, beispielsweise bewusst Kaffee trinken, Spülen oder Zähne putzen. Dazu kann man sich auch Notizzettel mit Erinnerungen an gut sichtbare Stellen kleben.
Beispielhafte Achtsamkeitsmeditation
Oder aber man legt eine Drei-bis-fünf-Minuten-Meditation als Achtsamkeitsübung ein und konzentriert sich in einer entspannten Haltung auf das bewusste Ein- und Ausatmen und lässt dabei einfach aufkommende Gedanken wie Wolken an sich vorbei ziehen. Schweift man ab, kommt man mit seiner Aufmerksamkeit wieder ganz bewusst zum Atem zurück. Die Gedanken werden bei Ihren kleinen Achtsamkeitsauszeiten immer einmal wieder abschweifen. Seien Sie hier geduldig mit sich und kehren Sie dann einfach immer wieder zurück zu Ihrer gewählten Übung und Ihrem Atem. Tägliches dranbleiben lohnt sich, denn diese kleinen Achtsamkeitsauszeiten wirken sich positiv darauf aus, im Alltag und bei der Arbeit fokussierter bei einer Tätigkeit zu bleiben (Ratgeber ADHS, o. J.a).
Fühlen Sie sich mit diesen kurzen Meditationen wohl, bietet es sich an, diese weiter zu üben und regelmäßig zu meditieren. Denn Meditation als Kombination aus Konzentration und Bewusstheit übt die Praktizierenden darin, Aufmerksamkeit gezielt lenken zu lernen und die Eigenwahrnehmung zu sensibilisieren. Besonders ADHS-Betroffene finden sich häufig in einem inneren Wirbelsturm an oft widersprüchlichen Gefühlen, Gedanken und Stimmungen wieder. In der Meditation kann dieser Wirbelsturm an Intensität verlieren und sich auflösen, indem das meditierende Gehirn lernt, ruhiger zu arbeiten, zu priorisieren, und bewusster und reflektierter mit Reizen und Reaktionen darauf umzugehen.
Gerade bei einer Symptomatik von großer innerer oder äußerer Unruhe und Getriebenheit macht es in dieser Meditationsform Sinn, mit täglichen kurzen Einheiten zu beginnen und diese langsam zu steigern. Mit ein wenig Erfahrung steigern sich die Praktizierenden auf etwa 10–20 Minuten oder auch länger.
Beim Meditieren sitzt man dabei nicht zwingend klischeehaft mit geschlossenen Augen minutenlang regungslos auf einem Meditationskissen oder einer Meditationsbank. Finden Sie dazu alternativ einfach in einer ruhigen Umgebung eine für sich entspannende aufrechte Haltung im Sitzen auf einem Stuhl, einfach so, wie es für Sie bequem ist (7mind GmbH, o. J.b). Online gibt es von Yoga-Lehrerin Mady Morrison zum Beispiel auch sehr schöne kostenlose angeleitete Meditationen für innere Ruhe und Zufriedenheit, diese finden Sie im Literaturverzeichnis verlinkt (Morrison, o. J.). Wer noch nie meditiert hat und sich daher mehr Anleitung zum Erlernen von Achtsamkeitsmeditation wünscht, hat auch diverse Möglichkeiten, einen Kurs zu belegen, aktuell ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie auch noch häufig online. Viele Volkshochschulen bieten Kurse in Meditation an und auch Krankenkassen zahlen inzwischen im Rahmen Ihres Angebots an Präventionskursen einen Zuschuss zu Meditationskursen. Erkundigen Sie sich hier idealerweise bei Ihrer Krankenkasse. Vielfach unterstützt werden die achtwöchigen Trainingskurse in MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) die der Medizinprofessor Jon Kabat-Zinn in den 1970er-Jahren als westliche Variante der Achtsamkeitsmeditation entwickelte. Forschungen belegen, dass das Programm die psychische Gesundheit stärkt, die Lebensqualität bei körperlichen Beschwerden verbessert, gestresste Menschen entspannt und bei Ängsten beruhigend wirkt (Psychologie-Aktuell.com, o. J.). Mehr Informationen speziell zu MBSR finden Sie im Literaturverzeichnis (MBSR-MBCT Verband e. V., o. J.). Meditationsseminare werden zum Teil auch als Bildungsurlaub in verschiedenen Bundesländern anerkannt. Erkunden Sie sich hier bitte über die aktuellen Angebote und Voraussetzungen in Ihrem Bundesland auf www.bildungsurlaub.de (Bildungsurlaub.de, o. J.). Eine solche kurze Auszeit in einem geschützten Rahmen kann eine wunderbare erste Einstiegshilfe in die Meditation sein.
Auch Meditations-Apps werden immer beliebter. Die App 7mind zum Beispiel wird aktuell von vielen gesetzlichen Krankenkassen mit ihrem Präventionskurs Achtsamkeitsbasiertes Stressmanagement (ABSM) bezuschusst. Zusätzlich kann man eine gewisse Zeit alle Meditationen in der Bibliothek der 7mind-App nutzen, die von erfahrenen Meditationslehrern angeleitet werden (7mind GmbH, o. J.a).
Manche innerlich oder äußerlich hyperaktive Betroffene von ADHS empfinden jedoch passive Achtsamkeitsmeditation als nur schwer bis gar nicht auszuhaltendes Nichtstun, anstelle so das lästige Gedankenkreisen und heftige Emotionen loslassen zu können (Geiser, 2022). Auch beispielsweise direkt nach dem Aufstehen fühlt sich diese Form nicht für jeden angenehm an. Dann bieten sich zum Beispiel mehr Struktur gebende, angeleitete Entspannungsverfahren an, bei welchen man einer anleitenden Stimme folgen kann wie zum Beispiel beim geführten Autogenen Training oder Yoga Nidra. Wenn auch das noch zu passiv ist und aktive Bewegung als erdender, angenehmer und entspannender empfunden wird, bieten sich aktive Bewegungsmeditationen oder aber aktive Entspannungsverfahren wie PMR, Yoga oder meditatives Tanzen an. Diese Verfahren werden im Folgenden vorgestellt. Die AOK zum Beispiel bietet auch eine informative Seite über weitere Meditationen an, die hier nicht alle vorgestellt werden. Sie finden diese im Literaturverzeichnis auf der Seite der AOK, wenn Sie sich noch ausführlicher informieren möchten (AOK-Bundesverband GbR, 2022).
Bitte beachten Sie jedoch, dass Meditation auch kontraindiziert sein kann, wenn man unter akuten psychischen Störungen leidet. Es können auch Emotionen beim Meditieren auftauchen, die zum Beispiel nach einem traumatischen Ereignis das Trauma wieder auftauchen lassen. Im Zweifel sollte dies vor dem Beginn mit Ihrem behandelten Arzt abgeklärt werden (Die Techniker, 2023a).
2.3.2 Bewegungsmeditationen
Wenn Ihnen die bereits dargestellten Achtsamkeits-Meditationsformen zu passiv sind, kann zum Beispiel auch die Kundalini-Meditation oder freies, intuitives, meditatives Tanzen etwas für Sie sein. Voraussetzung ist hier eine gewisse experimentelle Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem, welche viele ADHS-Betroffene gerne mitbringen.
Die einstündige Kundalini-Meditation ist zum Beispiel eine bekannte aktive Meditationsform. Sie unterstützt den Praktizierenden dabei, starke Emotionen wie Stress, Schwere, Trauer, Wut, Frustration oder Müdigkeit wegzuschütteln. Sie belebt körperlich, lockert die Gelenke und schenkt neue Energie. Die Meditation wird von einer eigens dafür komponierten Musik begleitet und unterteilt sich in vier Phasen: loslassendes Schütteln, freies intuitives Tanzen, horchen nach innen durch Stille im Stehen oder Sitzen und final dann Stille im Liegen. Die Zeitschrift Yoga Aktuell hat die Meditation sehr schön beschrieben sowie auch die Musik zur Meditation dort verlinkt; der Artikel ist im Literaturverzeichnis aufgeführt (Müller, o. J.). Gerade wenn man viel angestaute Energie in sich hat, kann die 30-minütige Bewegung der ersten und zweiten Phase dabei unterstützen, diese zunächst aktiv loszulassen, so Stress abzubauen, und danach in Stille in sich hineinzuhorchen und innerlich zur Ruhe zu kommen.
Wer gerne tanzt und sich dabei auspowert, für den ist vielleicht auch intuitives, meditatives Tanzen wie zum Beispiel 5Rhythmen® oder Movement Medicine eine geeignete Bewegungsmediationspraxis. Die 5Rhythmen® wurden von der Amerikanerin Gabrielle Roth Ende der 1970er-Jahre entwickelt als Verbindung von Tanz mit Meditation mit dem Ziel, den inneren intuitiven Tänzer, der in jedem Körper wohnt, zu befreien, unabhängig vom Körper, Größe, Alter, Einschränkungen und Erfahrungen. 5Rhythmen® sind die fünf Phasen der Meditation: Flowing, Staccato, Chaos, Lyrical, Stillness. Diese wird nur von autorisierten 5Rhythmen®-Lehrern durchgeführt. Die 5Rhythmen® sollen den Körper in Bewegung bringen und den Geist so zur Ruhe. Hier kann man ähnlich wie bei der Kundalini-Meditation zunächst Energie abbauen, Stress loslassen und sich im Laufe des Tanzes intuitiv ins Gefühl kommend mit seinem Körper verbinden, seinen ganz eigenen Tanz finden und zu sich selbst finden. In jedem Rhythmus lernt man verschiedene und manchmal auch gänzlich neue Aspekte von sich selbst kennen, während sich der Tanz entfaltet (Pichler, S., 2013; 5Rhythms, 2023). 5Rhythmen® wird international in vielen größeren Städten angeboten, in Deutschland zum Beispiel in Berlin, Hamburg oder Köln. Viele Lehrer bieten derzeit auch nach der Covid-19-Pandemie noch online Abende an. Die Dauer einer 5Rhythmen®-Tanz-Welle dauert ungefähr 120 min, online auch kürzer. Einige Lehrer bieten auch 5Rhythmen®-Wochenenden oder -Urlaube an. 5Rhythmen® wird aktuell teilweise auch als Bildungsurlaub in verschiedenen Bundesländern anerkannt, erkundigen Sie sich hier bitte über die aktuellen Angebote und Voraussetzungen für Ihr Bundesland auf www.bildungsurlaub.de (Bildungsurlaub.de, o. J.). Movement Medicine ist ebenfalls eine Form der Bewegungsmeditation ähnlich der 5Rhythmen®. Sie wurde von Susannah und Ya´Acov Darling Khan entwickelt, nachdem sie 18 Jahre lang als 5Rhythmen® -Lehrer gearbeitet haben. Sie haben Ihre Erfahrungen jedoch mit weiteren Erkenntnissen und Elementen aus der modernen Neurowissenschaft, der Gestalttherapie und auch anwendbarem Heilwissen indigener Völker weiterentwickelt (School of Movement Medicine, o. J.). Schauen Sie bei Interesse doch einmal im Internet, was in Ihrer Nähe angeboten wird.
Bitte beachten Sie jedoch auch für Bewegungsmeditationen, dass diese kontraindiziert sein können, wenn man unter akuten psychischen Störungen leidet. Im Zweifel sollte dies vor dem Beginn mit Ihrem behandelten Arzt abgeklärt werden (Die Techniker, 2023a).
2.3.3 Tai Chi und Qi Gong
Tai Chi ist eine chinesische Bewegungsmeditation, die aus Bewegungen besteht, die nach dem Rhythmus des Atmens erfolgen. Ihr Ursprung liegt in der Kampfkunst und auch in der Meditation. Qi Gong basiert ebenfalls auf sanften Bewegungs- und Atemübungen. Qi Gong entwickelte sich aus dem früheren Heiltanz aus der traditionellen chinesischen Medizin. Sowohl Tai Chi als auch Qi Gong zielen darauf ab, die entgegengesetzten Kräfte im Körper, Yin und Yang, in Balance zu bringen. Blockaden können so gelöst werden und die Lebensenergie wieder aktiviert und in Fluss gebracht werden (Academy of Sports GmbH, o. J.). Volkshochschulen bieten zum Beispiel Kurse an und auch Krankenkassen übernehmen hier teilweise die Erstattung der Kosten für einen Präventionskurs. Erkundigen Sie sich auch hier idealerweise bei Ihrer Krankenkasse. Auch Bildungsurlaub wird angeboten, der in verschiedenen Bundesländern anerkannt ist, teils auch mit beiden Techniken zusammen. Erkundigen Sie sich hier bitte über die aktuellen Angebote und Voraussetzungen auf www.bildungsurlaub.de (Bildungsurlaub.de, o. J.). Bitte beachten Sie jedoch auch für diese Methoden der Meditation, dass sie kontraindiziert sein können, wenn man unter akuten psychischen Störungen leidet. Im Zweifel sollte dies vor dem Beginn mit Ihrem behandelten Arzt abgeklärt werden (Die Techniker, 2023a).
2.3.4 Yoga
Yoga stellt eine von sechs klassischen Lehren der indischen Philosophie dar. Diese beinhaltet verschiedene geistige und körperliche Übungen. In Westeuropa und Nordamerika wird Yoga überwiegend als körperliche Praxis mit verschiedenen Yoga-Positionen/-Stellungen (Yogasanas, Asanas) angesehen und ist weit entfernt vom ursprünglichen Yoga, welches vornehmlich die hinduistische Spiritualität ausmacht (ADHSpedia® Enzyklopädie, o. J.a).
Es gibt viele verschiedene Arten von Yoga mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf die geistige Konzentration, körperliche Praxis und Stellungen oder Atemübungen. Diese werden im Folgenden kurz erläutert. Je nach Präferenz des Ausübenden wählt man sich die für sich stimmige Yoga-Art aus. Yoga ist artübergreifend gemeinsam, dass es beruhigend und ausgleichend wirkt und die Achtsamkeit fördert (Klinik Friedenweider, o. J.). Yoga fördert als Achtsamkeitstraining die Resilienz, die individuelle Widerstandskraft gegen gesundheitlichen und psychosozialen Stress. Yoga wird daher mittlerweile auch in Kliniken therapeutisch eingesetzt (Simon & Kirady, o. J.). Studien belegen, dass Yoga Stress und Angst verringert, und sich auch bei Depressionen als wirksam erwiesen hat (Klinik Friedenweider, o. J.). Auch für die Linderung von Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Bluthochdruck liegen wissenschaftliche Studien vor. Forschungen belegen auch mögliche positive Auswirkungen von Yoga auf die Linderung der ADHS-Symptome (ADHSpedia® Enzyklopädie, o. J.a).
Yoga kann daher bei ADHS im Rahmen einer multimodalen Therapie als flankierender Baustein eine sehr positive Wirkung haben. Forschungen über eine 20 Wochen andauernde Yoga-Praxis belegen eine statistisch nachweisbare Verbesserung des Gesamtzustandes der Teilnehmer für die Symptome Ruhelosigkeit, Impulsivität sowie Perfektionismus. Beim Yoga kann ähnlich wie bei der Meditation der Wirbelsturm an innerer Unruhe und Gedanken unterbrochen werden. Der ADHS-Betroffene lernt durch Yoga, sich mit den tieferen und ruhigeren Schichten in sich zu verankern, indem zunächst ein klarer Kontakt zum Körper hergestellt wird, an dem es oft im Alltag mangelt und die Wahrnehmung sich nur auf den Verstand und das Denken limitiert. Yoga kann als eine Kombination aus meditativen, entspannenden und wiederum auch körperbetonten – und je nach gewählter Yoga-Art auch anstrengenden Elementen bei denen man sich auspowern kann – eine erfolgreiche Möglichkeit sein, die ADHS-Symptome zu lindern und Betroffene zu Ruhe zu bringen (Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e. V. (BDY, 2013).
Nachfolgend ein Überblick über verschiedene Yoga-Arten, um ein Gefühl zu bekommen, welcher Stil zu Ihnen passen könnte. In der Regel werden auch unterschiedliche Level angeboten von zum Beispiel Basic für Anfänger über Level I für Fortgeschrittene und Level II für erfahrene, sehr fitte Yogis (Gutknecht, o. J.).
Anasura Yoga®
- ein moderner, fließender Yogastil mit der Philosophie durch eine exakte, saubere biomechanische Ausrichtung zu einer optimalen Körperhaltung („optimal blueprint“) zu finden und sich dabei mit dem Herzen zu verbinden.
Ashtanga Vinyasa Yoga
- ein dynamischer, schweißtreibender Yogastil für fitte Menschen, bei dem feste Abfolgen (Serien) von Asanas (Körperhaltungen) praktiziert werden; Power Yoga hat sich aus dem Ashtanga Yoga entwickelt.
Bikram Yoga®
- ein fester Ablauf von körperlich eher anstrengenden 26 Asanas, der in einem 38°C warmen Raum praktiziert wird, um durch das Schwitzen den Körper zu entgiften. Menschen mit niedrigem Blutdruck sollten hier Vorsicht walten lassen.
Hatha Yoga
- der im westlichen Raum bekannteste Yogastil bestehend aus Asanas, Atemübungen (Pranayama), mentale Entspannungstechniken und Meditation, aus dem sich fast alle anderen Varianten entwickelt haben. Hatha Yoga ist in der Regel langsamer und entspannt – somit gut für Anfänger geeignet.
Vinyasa Yoga
- das dynamische Vinyasa Yoga hat sich aus dem Hatha Yoga entwickelt. Die Asanas werden in fließenden Bewegungen abgestimmt auf den Atem nacheinander ausgeführt.
Iyengar Yoga
- ein eher anstrengender, statischer Yoga-Stil bei dem die Asanas jedoch sehr sorgfältig eingenommen und gehalten werden.
Kundalini Yoga
- fließende Abläufe als auch statische Asanas und Mantras sollen die Lebensenergie zum Fließen bringen.
Sivananda Yoga
- beinhaltet Körperübungen, Atemübungen, Entspannung, Ernährung, indische Vedanta-Philosophie und -Meditation. Bei der „Rishikesh-Reihe“ werden zwölf festgelegte Asanas in einer festgelegten Reihenfolge praktiziert.
Viniyoga
- kein Yoga-Stil im eigentlichen Sinne, sondern eine Adaption an die Ziele und Möglichkeiten der einzelnen Praktizierenden. Somit als sehr sanfte Yoga-Art auch ideal für Menschen mit wenig Fitness und physischen Einschränkungen möglich.
Yin Yoga
- die dehnenden Asanas in dieser ruhigen und ausgleichenden Yogapraxis werden über mehrere Minuten ohne große Muskelkraft gehalten für tiefes Loslassen. Ganz fantastisch, um innere Unruhe und muskuläre Anspannung loszulassen und in sich hineinzuspüren und zur Ruhe zu finden (Mobil Betriebskrankenkasse, 2016).
Essenziell ist neben dem Yogastil auch, dass man eine gute Welle mit dem Yogalehrer hat und sich hier wohl und gut aufgehoben fühlt. Dies zeigt sich oft erst nach ein paar Sitzungen. Es ist empfehlenswert, drei bis vier Stunden mitzumachen und dann zu schauen, ob die Yogaform und der Lehrer das Richtige sind.
Yoga benötigt auch immer einige Stunden, damit sich die positiven Effekte voll entfalten können (Trökes, 2018). Viele Yogaschulen und auch Volkshochschulen bieten Kurse in Yoga an und auch Krankenkassen zahlen inzwischen im Rahmen ihres Angebots an Präventionskursen einen Zuschuss zu Yogakursen. Erkundigen Sie sich hier idealerweise bei Ihrer Krankenkasse. Yoga wird aktuell zum Teil auch als Bildungsurlaub in verschiedenen Bundesländern anerkannt; erkundigen Sie sich hier bitte über die aktuellen Angebote und Voraussetzungen in Ihrem Bundesland auf www.bildungsurlaub.de (Bildungsurlaub.de, o. J.). Auf meiner Website www.tapetenwechsel.me finden Sie zudem kostenlose aktuelle Yogavideos verschiedener Yoga-Anbieter die ich persönlich sehr schätze und somit gerne weiterempfehle.
Wenn Sie jedoch noch nie Yoga gemacht haben, sollten Sie bitte in jedem Fall zunächst einen Anfänger-/Basic-Kurs belegen, um die korrekten Positionen (Asanas) zu erlernen und so von Beginn an gelenkschonend und rückenfreundlich zu üben.
Bitte beachten Sie jedoch auch für Yoga, dass es als Meditation in Bewegung kontraindiziert sein kann, wenn man unter akuten körperlichen oder psychischen Störungen leidet. Im Zweifel sollte dies vor dem Beginn mit Ihrem behandelten Arzt abgeklärt werden (Die Techniker, 2023a).
2.3.5 Progressive Muskelentspannung (PMR)
Dieses Entspannungsverfahren nach Edmund Jacobson (1885–1976) ist sowohl am besten wissenschaftlich untersucht als auch am leichtesten zu erlernen. Besonders eignet es sich bei nervösen und innerlich oder motorisch unruhigen Menschen, wie dies auch bei Betroffenen mit ADHS der Fall ist. Jacobson fand 1929 heraus, dass durch Gefühle wie Unruhe und Stress die Spannung in den Muskeln deutlich zunimmt. Im Gegenzug verringert sich empfundener Stress und Angst, wenn die Muskelspannung aktiv reduziert wird, indem eine Muskelgruppe zunächst bewusst angespannt und dann bewusst entspannt wird. Dies stellt die Grundlage der Progressiven Muskelentspannung dar, welche im Liegen oder in einem bequemen Sessel durchgeführt wird. Diese Entspannung überträgt sich von Muskel zu Muskel und aktiviert so einen Entspannungsprozess im ganzen Körper, sodass zum Beispiel auch der Blutdruck und der Puls reduziert werden, das Atmen ruhiger wird und so zu mehr Ruhe und Gelassenheit führt. Die PMR als Achtsamkeitstraining fördert die Resilienz, die individuelle Widerstandskraft gegen gesundheitlichen und psychosozialen Stress (Neurologen und Psychiater im Netz, o. J.).
Dazu sollte die PMR regelmäßig, idealerweise jeden Tag, geübt werden, damit sie auch in im Alltag aufkommenden Stresssituationen bei Bedarf genutzt werden kann. Gegenüber dem Autogenen Training ist hier der Vorteil, dass die Übungen bereits nach einer Sitzung mit Anleitung selbstständig oder aber durch CD oder mp3s geübt werden können (ADHSpedia®, o. J.b). Im Literaturverzeichnis verlinkt finden Sie auch einen kostenlosen mp3-Download der Techniker Krankenkasse für PMR (Die Techniker, 2023b). Viele Volkshochschulen bieten auch Kurse in PMR an und auch Krankenkassen zahlen inzwischen im Rahmen ihres Angebots an Präventionskursen einen Zuschuss zu PMR-Kursen. Erkundigen Sie sich hier idealerweise bei Ihrer Krankenkasse. PMR wird aktuell zum Teil auch als Bildungsurlaub in verschiedenen Bundesländern anerkannt, erkunden Sie sich hier bitte über die aktuellen Angebote und Voraussetzungen in Ihrem Bundesland auf www.bildungsurlaub.de (Bildungsurlaub.de, o. J.).
Bitte beachten Sie jedoch auch für dieses Entspannungsverfahren, dass es kontraindiziert sein kann, wenn man unter akuten psychischen Störungen leidet. Im Zweifel sollte dies vor dem Beginn mit Ihrem behandelnden Arzt abgeklärt werden (Die Techniker, 2023a).
2.3.6 Autogenes Training
Autogenes Training ist wie auch Meditation unabhängig vom Alter und der körperlichen Konstitution erlernbar. Diese besondere Form der Selbsthypnose wurde durch den Psychiater Johannes Heinrich Schultz in den 1930er-Jahren entwickelt. Er stellte fest, dass einige Patienten durch diese Technik einen entspannten, tranceähnlichen Zustand erreichen konnten, was er als autogenes Training bezeichnete. Es reduziert Muskelverspannungen, chronischen Schmerzen, Kopfschmerzen und Migräne, Magen- und Darmstörungen und hat positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, bei subjektiv belastendem Stress und schenkt dem Praktizierenden mehr Gelassenheit und innere Ruhe (AOK-Bundesverband GbR, 2022). Es wirkt somit im Rahmen einer multimodalen Therapie bei ADHS flankierend auf die Linderung der ADHS-Symptomatik ein.
Geübt wird entweder im Sitzen oder im Liegen. Durch bestimmte Autosuggestionen (Formeln) wie Ich bin vollkommen ruhig oder Der linke Arm ist ganz warm, beeinflusst man seine Gedanken durch mehrfache Wiederholung. Nach einiger Zeit des Übens stellt sich so ein automatischer Entspannungszustand ein. Man unterscheidet die Unterstufe von der Oberstufe des Autogenen Trainings, die primär körperliche Vorgänge beeinflusst. Die Grundübungen umfassen die Schwereübung, die Wärmeübung, die Herzübung, die Atemübung, die Sonnengeflechtsübung und die Kopfübung. In der Oberstufe entwirft man in seiner Vorstellung Bilder die so ins Bewusstsein gelangen und zur tieferen Selbsterkenntnis reflektiert werden können (Neurologen und Psychiater im Netz, o. J.). Wie auch die PMR sollte Autogenes Training regelmäßig, idealerweise jeden Tag, geübt werden, damit es auch in im Alltag aufkommenden Stresssituationen bei Bedarf genutzt werden kann. Denn Autogenes Training als Achtsamkeitstraining fördert die Resilienz, die individuelle Widerstandskraft gegen gesundheitlichen und psychosozialen Stress.
Autogenes Training kann aufgrund der fehlenden Anleitung für ADHS-Betroffene mit hoher innerlicher oder motorischer Unruhe auch als unangenehm empfunden werden. In diesem Falle bietet sich beispielsweise PMR besser als tägliche Entspannungstechnik an, um die ADHS-Symptomatik zu lindern.
Idealerweise erlernt man die Technik in einem Kurs, damit man sie ohne weitere Anleitung bei sich selbst anwenden kann. Dieser wird zum Beispiel von Volkshochschulen angeboten und auch Krankenkassen übernehmen hier teilweise die Erstattung der Kosten für einen Präventionskurs. Erkundigen Sie sich auch hier idealerweise bei Ihrer Krankenkasse. Autogenes Training wird aktuell zum Teil auch als Bildungsurlaub in verschiedenen Bundesländern anerkannt, teils auch zusammen mit PMR. Erkundigen Sie sich hier bitte über die aktuellen Angebote und Voraussetzungen in Ihrem Bundesland auf www.bildungsurlaub.de (Bildungsurlaub.de, o. J.). Es gibt im Internet auch mp3-Downloads oder kostenlose Links mit schriftlichen oder Video-Anleitungen zum Autogenen Training. Bitte beachten Sie jedoch auch für dieses Entspannungsverfahren, dass es kontraindiziert sein kann, wenn man unter akuten psychischen Störungen leidet. Im Zweifel sollte dies vor dem Beginn mit Ihrem behandelten Arzt abgeklärt werden (Die Techniker, 2021).
2.3.7 Butterfly Hug
Was Sie für sich ausprobieren können, wenn Sie sich auf knallroter Ampel befinden oder innerlich sehr erregt sind, ist der Butterfly Hug, die Schmetterlings-Umarmung, um Ihren Stress herunterzuregulieren auf grün. Diese Technik kombiniert Gesten der Selbstberuhigung mit einer achtsamen und selbstfürsorglichen Haltung. Sie wurde von den beiden Traumatherapeuten Lucina Artigas und Ignacio Jarero entwickelt. Als sie 1997 die Überlebenden des zerstörungsreichen Hurrikans Pauline in Mexiko betreut haben, konnte diese Technik den Überlebenden sehr effektiv helfen, wieder emotionale Stabilität zu erlangen und sie so psychisch zu unterstützen. Heute wird dieses Technik von vielen Therapeuten übernommen und vor allem im Umgang mit Traumata und Angststörungen eingesetzt. Sie kann jedoch auch sehr gut bei akutem Stress durch eine knallrote Ampel eingesetzt werden, um Ihre Emotionen selbstständig schnell und effektiv herunterzuregulieren und wieder ganz im Hier und Jetzt zu sein. So wenden Sie die Schmetterlings-Umarmung an:
Verschränken Sie Ihre Arme über der Brust, Ihre Fingerspitzen sollten so senkrecht wie möglich direkt unterhalb Ihrer Schlüsselbeine aufliegen, eher in Richtung des Halses als in Richtung der Oberarme.
Klopfen Sie mit Ihren Händen leicht auf und ab auf die Stelle unter Ihrem Schlüsselbein. Dieses kann abwechselnd mit der linken oder rechten Hand geschehen oder auch mit beiden Händen gleichzeitig; schauen Sie, wie Sie sich wohler fühlen.
Finden Sie für sich hier ein angenehmes Tempo, schließen Sie auch gerne die Augen und atmen Sie dabei langsam tief in den Bauch ein und ein wenig länger als die Einatmung wieder aus, dies unterstützt Sie beim Loslassen des Stresses und der Anspannung.
Nehmen Sie eine achtsame Haltung ein, das heißt, alles was an Emotionen und Gedanken in Ihnen aufkommen will, darf da sein, beobachten Sie sie und lassen Sie sie vorüberziehen wie Wolken am Himmel ohne ihnen anzuhaften.
Ihr Körper wird Ihnen signalisieren, wenn es Zeit ist, die Technik zu beenden, vertrauen Sie dabei auf Ihr Körper- und Bauchgefühl.
Die Technik der Selbstumarmung wirkt durch die liebevolle Haltung sich selbst gegenüber beruhigend. Dies fördert die Ausschüttung von Oxytocin und wirkt sich stressregulierend auf die Amygdala aus, die unser neuronales Stresszentrum im Gehirn darstellt. Der Butterfly Hug schenkt so ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Durch das achtsame Beobachten wird wie bei der Meditation der präfrontale Cortex aktiviert, der im Gehirn als Steuerungszentrum das Areal ist, das Emotionen verarbeitet, was sich ebenso positiv auf die Amygdala auswirkt (Mauritz, 2021). Sie können die Technik zunächst in grünen und gelben Situationen trainieren, um sie dann in einer akuten roten Phase noch besser für sich abrufen zu können.
2.3.8 Maltherapie
Oftmals sind wir so verkopft, dass wir kaum noch Zugang zu unseren Bedürfnissen haben, und häufig sind wir gar nicht in der Lage, diese mit Worten zu artikulieren. Malen eröffnet eine andere Form der Mitteilung und des Ausdrucks durch das Gestalten mit Farben und Formen. Therapeutisches Malen, das ressourcen- und lösungsorientiert gestaltet ist, kann hier präventiv sehr unterstützend sein. Es geht hier nicht um eine Beurteilung des Bildes durch den Therapeuten, sondern die achtsame Bewusstmachung des kreativen Entstehungsprozesses und des gestalteten Bildes mit Unterstützung der Therapeutin. Man kommt so wieder in Kontakt mit seiner eigenen Kreativität, Selbstverantwortung und seinen Ressourcen und Wahlmöglichkeiten und erlernt, wie diese in den Alltag übertragen werden können. Findet die Maltherapie in einer Gruppe statt, zeigen die Teilnehmer im Entstehungsprozess oder im Miteinander in der Gruppe oft ähnliche Automatismen im Verhalten, wie die Teilnehmer sie aus ihrem Leben kennen (Klinik Sonnenhalde AG, o. J.). Für ADHS-Betroffene ist zudem der kreative Ausdruck ein entlastender und spannungslösender Prozess, der die Konzentration und Ausdauer fördert (Ohlmeyer & Roy, 2021).
2.3.9 Musiktherapie
Auch Musik kann helfen, wenn man von ADHS betroffen ist. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich bei erwachsenen ADHS-Betroffenen und auch der gesunden Kontrollgruppe die Stimmung mit klassischer Mozart-Musik positiv verändern kann (Neuromedizin, 2019). Eine weitere Studie zeigt zudem, dass eigenständiges Musizieren sich lindernd auf die ADHS-Symptomatik Impulskontrolle und Hyperaktivität auswirken kann (ADHSpedia®, o. J.d). Zwei gute Gründe vielleicht, ein Instrument zu erlernen, das begeistert und Spaß bringt und gleichzeitig noch die Symptomatik mildert.
2.3.10 Wingwave® Selbstcoaching mit Musik
Die Wingwave®-Methode ist ein Emotions-Coaching, das in wenigen Sitzungen zum Abbau von Stress führt und so Resilienz fördernd innere Ressourcen aktiviert. Dabei lenkt der Coach mit schnellen Handbewegungen die Augenbewegungen seines Coachees horizontal von einer Seite zur anderen und erzeugt so eine Art REM-Phase (Rapid Eye Movement). Diese erleben wir sonst nur, wenn wir schlafen und träumen. Sie stimulieren laut Gehirnforschung den präfrontalen Cortex im Großhirn so, dass eine bessere Vernetzung stattfindet zwischen den beiden Gehirnhälften und unterschiedlichen Gehirnbereichen (Besser-Siegmund-Institut für praxisbezogene psychologische Programme GmbH, o. J.a). Statt dem Winken kann der Coach auch mit Musik mit bilateralen Tönen oder einer sanften Klopfmethode arbeiten (Besser-Siegmund-Institut für praxisbezogene psychologische Programme GmbH, o. J.d). Die Musik mit den bilateralen Tönen lässt sich auch sehr gut zum Selbstcoaching mit Kopfhörern nutzen. (Besser-Siegmund-Institut für praxisbezogene psychologische Programme GmbH, o. J.c) Wenn Sie sich die kostenlose Wingwave®-App auf Ihr Handy herunterladen, finden Sie dort auch ungefähr acht Minuten dieser Musik für Ihr Selbstcoaching. Diese hat im Hintergrund entspannende Naturklänge und Melodien, die von Rhythmus her immer dem Ruhe-Puls des Herzens entsprechen. Ähnlich wie beim Butterfly Hug, nehmen Sie eine achtsame Haltung ein, das heißt alles was an Emotionen und Gedanken in Ihnen aufkommen will, darf da sein. Beobachten Sie sie und lassen Sie sie vorüberziehen und abfließen. Bereits nach wenigen Minuten sollte sich ein angenehmes Gefühl von Loslassen einstellen. Eine tiefe Ein- und Ausatmung, ein Schluckreflex oder Gähnen signalisieren Ihnen dies. Diese Art von Selbst-Emotions-Coaching können Sie für fast jedes emotional stressende Thema einsetzen, wenn Sie die grüne Ampel-Phase in Richtung gelb oder im schlimmsten Fall rot verlassen (Besser-Siegmund-Institut für praxisbezogene psychologische Programme GmbH, o. J.d).
Sie können diese Form von Selbstcoaching auch gezielt anwenden, wenn Sie etwas bevorstehendes stresst, und nicht nur etwas gerade akutes, zum Beispiel die Wohnung aufräumen oder die Steuererklärung. Nutzen Sie dann in der App die Funktion Magic Words. Denken Sie an Ihr Stressthema und suchen Sie aus der Stresswortliste zwei Wörter heraus, die Ihr Unbehagen gut beschreiben und klicken Sie diese an. Danach gehen Sie zur Liste der Positiv-Wörter und fragen sich, wie Sie sich lieber fühlen möchten und wie Sie lieber reagieren möchten. Wählen Sie hier nun drei Wörter aus, die diesen Ziel-Zustand am besten beschreiben. Setzen Sie dann die Kopfhörer auf, hören die Musik und fühlen sich nochmal in Ihr Stressthema ein. Schauen Sie dann auf den Bildschirm auf die Magic Words. Wenn diese vorüber sind, schließen Sie die Augen, lauschen weiter der Musik und denken nochmals an Ihr Thema. Fühlen Sie in sich hinein, wie die Wirkung der positiven Magic Words nun auf Ihr Thema ausstrahlt und es positiv aufgeladen hat (Besser-Siegmund-Institut für praxisbezogene psychologische Programme GmbH, o. J.b). Auf meiner Website www.tapetenwechsel.me finden Sie darüber hinaus auch mein Angebot zum Thema Wingwave®-Coaching.
2.3.11 Gesunder Schlaf
Ein gutes Stressmanagement umfasst auch einen gesunden Schlaf. Hier kann innere Unruhe quälend sein, wenn Sie einen guten Schlaf erschwert. Zusätzlich zu regelmäßigem Sport und Achtsamkeitstraining kann es hilfreich sein, ein Ritual zum Schlafengehen zu verinnerlichen, und zwar idealerweise immer zur selben Uhrzeit. Dies kann Ihrer biologischen Uhr und so Ihrem Körper und Geist das Signal senden, sich genau jetzt zu entspannen. Man kann sich zum Beispiel eine Tasse Tee gönnen und den Tag reflektieren und sich selbst wertschätzen, bekräftigen, und dankbar dafür sein, was heute gut gelungen ist oder erfüllende Momente waren. Das Schlafzimmer sollte ein absolut medienfreier Bereich sein. Hier sollten Handy, Tablet oder ein Fernseher nichts zu suchen haben. Sie sind echte Schlaf-Störer. Es bietet sich zum Herunterfahren eher an, noch ein paar Seiten eines guten Buches, das Sie fesselt, zu lesen und dabei müde zu werden. Auch Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen eignen sich sehr gut. Ebenso eine Atemübung aus dem Yoga. Sie kann Sie beim Loslassen unterstützen und so auf den Schlaf vorbereiten:
Sie atmen hier einmal tief durch den Mund aus, atmen dann vier Mal durch die Nase und halten nach dem vierten Einatmen die Luft an für sieben Sekunden und atmen dann langgezogen über acht Sekunden lang aus. Dies wiederholen Sie vier Mal. Versuchen Sie es vielleicht einmal.
Wenn Sie dennoch viel über Dinge des Tages nachgrübeln, die Ihnen keine Ruhe lassen, so schließen Sie doch einmal die Augen und stellen Sie sich bitte einfach vor, Ihre Gedanken sind alle leichte fliegende Federn im Himmel. Sie schweben jetzt langsam jede auf eine der Wolken, die am Himmel an Ihnen vorbeiziehen. Atmen Sie dabei bewusst ein und wieder aus und nehmen eine beobachtende Haltung ein. Lassen Sie die Wolken einfach vorbeiziehen und schlummern langsam ein.
Falls Sie darunter leiden, dass Sie mitten in der Nacht immer zur selben Zeit aufwachen, schauen Sie eventuell zu häufig auf die Uhr. Versuchen Sie vielleicht einmal, Ihren Wecker bevor Sie einschlafen einfach umzudrehen und wenn Sie nachts wieder aufwachen, sagen Sie sich, dass noch Zeit ist bis zum Aufstehen und dass Sie jetzt einfach weiterschlafen können (Ratgeber ADHS, o. J.b). Sollte ein gesundes Stressmanagement mittelfristig nicht Ihre Hyperaktivität lindern, wäre eine kombinierte medikamentöse ADHS-Therapie eventuell noch überlegenswert (Neuy-Bartmann, 2019).
2.3.12 Sport
Sport sollte im Rahmen der multimodalen ADHS-Therapie als flankierender Baustein ein fester Bestandteil sein (Dreher, 2019). Auch bei der Verbesserung der Stressresistenz, bei Depressionen oder Ängsten ist der Effekt von Sport, durch Studien schon lange belegt, ähnlich groß wie bei einer medikamentösen oder einer psychotherapeutischen Behandlung (Müller, 2013).
Es wird empfohlen, 3× pro Woche ein Training von mindestens 20–30 min bei mittlerer Intensität durchzuführen. Sport fördert so ebenso wie Achtsamkeitstraining, Yoga, Meditation oder Entspannungstechniken die Resilienz, die individuelle Widerstandskraft gegen gesundheitlichen und psychosozialen Stress. Leistungssportler zeigen in Stresstests zum Beispiel deutlich geringere Cortisolwerte als Nichtsportler (Suter, 2018).
Sport hat bei Betroffenen von ADHS positive Effekte auf Verhalten und Kognition und steigert das Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und die soziale Kompetenz im Falle von Team-Sportarten. Welcher Sport gewählt wird, ist eher sekundär, wichtig ist, dass die gewählte Sportart über lange Zeit Freude macht, damit sie dauerhaft zur Linderung der ADHS-Symptomatik beiträgt. Das können Mannschaftssportarten sein genauso wie Individualsport wie Joggen, Nordic Walking, Wandern, Radfahren oder Kampfsportarten (ADHSpedia®, o. J.c). Besonders Sport in der Natur kann sich positiv auswirken. In Zeiten der Covid-19-Pandemie hat sich vor allem eine Individualsportart wie Laufen, Nordic Walking oder Radfahren in der Natur angeboten, die auch während eines möglichen Lockdowns durchführbar war.
Durch Sport kann die Hyperaktivität von ADHS-Betroffenen, die starke innere oder äußere Unruhe, in Begeisterung an der Bewegung umgewandelt werden. Dies kann eine echte Entlastung für die Betroffenen sein, denn die Stresshormone Cortisol und Adrenalin werden durch den Sport abgebaut. Das durch die innere Unruhe entstandene hohe Erregungsniveau wird so abgebaut und weicht einer physiologischen Balance, was so die Impulsivität bei ADHS-Betroffenen lindern kann.
Sport versorgt das Gehirn zudem stärker mit Blut und Sauerstoff. Viele Läufer sprechen zum Beispiel davon, durch Laufen den Kopf frei zu bekommen, negative Gedanken und Stress loszulassen, was einen positiven Effekt auf die Konzentration haben kann. Regelmäßiges Training regt den Körper zudem zur Produktion der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin an, die gerne Glückshormone genannt werden und stimmungsaufhellend und angstlösend wirken (Feltes, o. J.). Auch auf den Selbstwert hat Sport eine positive Wirkung (Klinik Friedenweider, o. J.). Neben dem Körpergefühl verbessert sich auch wieder das Selbstvertrauen in den eigenen Körper durch eine eigeninitiativ und aktiv gewählte Strategie zur Linderung der ADHS-Symptomatik. Mediziner der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. haben zehn Goldene Regeln für gesundes Sporttreiben zusammengefasst, die dabei unterstützen sollen, das Wohlbefinden beim Sporttreiben zu erhöhen und Risiken zu minimieren. Sie finden den Link im Literaturverzeichnis (Löllgen, o. J.).
Idealerweise stellt man sich einen festen Trainingsplan mitdrei Einheiten von je ca. 20–30 minpro Woche auf und nutzt dazu seine absehbaren freien Zeiten in der Woche.
Gerade für ADHS-Betroffene ist eine feste Struktur hier von Vorteil, um nachhaltig dranzubleiben (Feltes, o. J.).
Auch Yoga oder die oben genannten Bewegungsmeditationen sind je nach ausgeübter Intensität durchaus auch schweißtreibender Sport.
Sport sollte in jedem Falle ein fester Bestandteil im Alltag von ADHS-Betroffenen sein, um die Symptomatik zu lindern und Stress abzubauen. Es lohnt sich!
Ist man als ADHS-Betroffener jedoch von seiner Symptomatik her extrem antriebslos, kann ein Personal Coach, zum Beispiel als Lauftrainer, oft die einzig funktionierende Lösung sein, die Vorsätze für den Sport auch umzusetzen (Feltes, o. J.).
Darüber hinaus kann es für Betroffene hilfreich sein, generell mehr Bewegung im Alltag einzubauen, zum Beispiel die Treppe statt den Aufzug zu nehmen, mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zum Einkaufen zu fahren, oder in der Natur spazieren zu gehen in der Mittagspause.
2.3.13 Identifikation Ihrer für Sie persönlich stimmigen Entspannungstechniken und Sportaktivitäten
Sie haben jetzt eine ganze Reihe von Entspannungstechniken kennengelernt, um Stress in Ihrem Leben zu reduzieren und mehr Achtsamkeit in Ihr Leben zu integrieren. Jon Kabat-Zinn bezeichnet den Zustand, in dem wir einfach so gar nicht achtsam sind, sondern unser Denken und unsere Handlungen völlig automatisch erfolgen und uns in Dauerstress versetzen, den Autopilot. Achtsamkeit hingegen trainiert, den Autopiloten zu reflektieren und sich so bewusst dafür zu entscheiden, den Autopilot auszuschalten und im Hier und Jetzt zu sein. So trainiert man mit Achtsamkeit eine neue Haltung seiner eigenen Wahrnehmung und lernt so seine Stress-Alarmsignale besser zu spüren (Kabat-Zinn, 2006). Achtsamkeit zu lernen, ist zu vergleichen mit Radfahren lernen. Manchmal geht es erst schlechter, dann manchmal schon besser. Am Anfang ist es noch recht wackelig, vielleicht braucht man sogar zunächst Stützräder. Doch haben wir nach wiederholtem Üben den Bewegungsablauf gelernt, und auch das Gleichgewicht zu halten. So fahren wir im Grunde wie von selbst und vielleicht sogar bald freihändig.
Übung 16 – Stellen Sie sich bitte die folgenden Fragen zum Abschluss dieses Stressmanagement-Abschnittes
Wie häufig sind Sie selbst im Autopilot?
Wer steuert dann Ihren Autopiloten? Ihre ADHS-Symptomatik oder Stress und Erwartungen, die auf Sie einprasseln?
Wenn Sie weniger in Ihrem Autopilot-Modus wären, wovon wäre dann mehr da in Ihrem Leben?
Welche Erkenntnisse haben Sie aus den Impulsen zum Stressmanagement für sich ziehen können?
Welche achtsameEntspannungstechnik möchten Sie erlernen und täglich anwenden, um das Steuer Ihres Fahrrads wieder öfter selbst in die Hand zu nehmen, und so eine achtsame Lebenshaltung zu entwickeln? Notieren Sie sich diese Entspannungstechnik bitte als Prio-B-Aufgabe in Ihre OneNote-To-do-Liste.
Welchen Sport möchten Sie mit drei Einheiten von je ca. 20–30 min in Ihren Alltag integrieren, um Ihren Level an Stresshormonen in Ihrem Körper abzubauen und Ihre ADHS-Symptomatik zu lindern? Notieren Sie sich diese Sportart bitte als Prio-B-Aufgabe in Ihre OneNote-To-do-Liste.
Sport und Achtsamkeit sind ein ganz wesentliches Fundament für mehr Lebensqualität mit Ihrer ADHS. Und zwar im Rahmen eines für Sie stimmigen Selbst- und Stressmanagements, das Ihre Resilienz stärkt: Ihrem Schlüssel für die Tür zum Paradies im nächsten Zimmer. Und nun geht es weiter mit Ihrer Standortbestimmung für die Gestaltung Ihres zukünftigen Lebenskompass mit ADHS. Viel Spaß dabei!
2.4 Standortbestimmung Ihres aktuellen Lebens mit ADHS
Sie haben jetzt basierend auf aktuellster Forschung bereits einiges an Informationen, Impulsen und Life Hacks zur Linderung Ihrer ADHS-Symptomatik erhalten. Sie haben mitgenommen, wie wichtig dabei vor allem ein gut verinnerlichtes Stressmanagement in Ihrem Alltag durch eine neue Routine aus drei Mal Sport in der Woche und täglichen achtsamen Entspannungstechniken sein kann, um Sie mehr aus Ihrem Autopiloten in Ihre innere Balance zu bringen, und so Ihre Resilienz zu stärken. Diese bisherigen Informationen sollten Ihnen alle schon einmal als Impulse und Wahlmöglichkeiten dienen, die Sie später für die Gestaltung Ihres individuellen Lebenskompasses mit ADHS nutzen können.
Die Top-drei-Life-Hacks, die achtsamen Entspannungstechniken und die Sportart(en), die Sie zunächst regelmäßig in Ihren Alltag integrieren möchten, um Ihre Symptomatik bestmöglich zu lindern, haben Sie bereits für sich identifiziert. Richtig klasse! Bleiben Sie weiter dran. Es lohnt sich.
2.4.1 Die Bedeutung Ihrer Bedürfnisse und Rollen in Ihrem Leben
Und ja, natürlich gibt es diese aktuellsten wissenschaftliche Erkenntnisse, was Sie idealerweise als ADHS-Betroffener für Ihre Lebensgestaltung und Ihr persönliches Selbst- und Stressmanagement beherzigen sollten. Diese sind auch sehr wichtig. Doch am Ende des Tages haben Sie neben diesen Erkenntnissen wie alle anderen Menschen auch eine sehr individuelle Sicht auf die Welt um Sie herum. Sie haben somit auch sehr individuelle Bedürfnisse in Ihrem Leben, die für eine nachhaltig gesunde, resiliente Gestaltung Ihres individuellen Lebens zentral sind. Hier gibt es kein Schema F an Bedürfnissen, das man jedem Menschen empfehlen könnte. Wie der Kölner sagt: Jede Jeck is anders! Sie sind mit Ihren individuellen Bedürfnissen und Stärken so viel mehr als nur Ihre ADHS mit ihrer (noch) teils ungebändigten Symptomatik. Deswegen werden Sie sich jetzt zunächst ausführlich auf Ihre Bedürfnis-Detektivarbeit begeben.
In diesem Sinne lade ich Sie ein, in diesem Kapitel Ihrer Standortbestimmung, in den folgenden Übungen zunächst einmal heraus zu finden, wie Ihre ganz individuellen Bedürfnisse im Leben ausschauen. Denn gerade ADHS-Betroffene finden häufig nur schwer Zugang zu ihren eigenen Bedürfnissen. Dabei sind diese so wichtig für unser Glück und unsere Zufriedenheit. Leben Sie Ihre Bedürfnisse so leben Sie kongruent. Das heißt Sie sind einfach ganz authentisch wahrhaft Sie selber und verhalten sich auch so (Hinkelmann, 2016a, 2016c).
Auf dem Weg zu Ihrem bedürfnisorientierten Lebenskompass, der Ihnen mehr Lebensqualität mit Ihrer ADHS schenken kann, dürfen Sie in Ihrem Selbstcoaching Prozess jedoch auch noch einige Stolperfallen identifizieren und diese in diesem Kapitel aus dem Weg räumen.
Denn Sie nehmen in jedem Ihrer Lebensbereiche Rollen ein. Neben den Rollen die Ihren eigenen Bedürfnissen voll entsprechen nehmen Sie auch Rollen ein und erfüllen Erwartungen, die die Bedürfnisse Ihres Umfeldes widerspiegeln. Leider decken sich diese Bedürfnisse oftmals nicht mit Ihren eigenen Bedürfnissen.
Die Schnittmenge ist häufig gering, sodass Ihre eigenen Bedürfnisse daher in diesen Rollen oft frustriert werden. Sie fühlen sich dann irgendwann unglücklich, wenn dies dauerhaft so bleibt. Sie leben dann inkongruent. Dann sind Sie unterbewusst zu sehr bei den Bedürfnissen Ihres Umfeldes und erfüllen diese und stellen sie zu häufig vor Ihre eigenen. Warum wir das machen ist bedingt durch Prägungen im Laufe unseres Lebens (Roediger, 2010). Wir alle haben Grundbedürfnisse nach Bindung, Kontrolle/Selbstbestimmung, Selbstwert sowie nach Lust und Unlust (Grawe, 2000). Wurden diese früh frustriert mit unserem authentischen bedürfnisorientierten Verhalten, so haben wir unser Verhalten intuitiv an die Erwartungen unseres Umfeldes angepasst. So haben wir versucht, dennoch unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen, auch wenn wir dann nicht mehr authentisch gehandelt haben. So haben wir im Laufe unseres Lebens Verhaltensmuster entwickelt und Rollen eingenommen, die im Grunde nicht kongruent und authentisch wir selber sind und die nicht unsere eigenen Bedürfnisse widerspiegeln.
Wir erfüllen so häufig die Erwartungen anderer in Rollen die nicht unsere Bedürfnisse nähren. Und das macht uns auf die Dauer unglücklich (Roediger, 2010).
Deswegen widmen Sie sich in diesem Kapitel, in Ihrer Standortbestimmung, nicht nur dem Entdecken Ihrer Bedürfnisse, die bisher in Ihrem Leben vielleicht viel zu kurz gekommen sind. Sie werden noch weitere Detektivarbeit anwenden, und eine Bestandsaufnahme Ihres aktuellen Lebens und Ihrer Lebensbereiche vornehmen. So entlarven Sie eben auch diese Rollen und Erwartungen Ihres Umfeldes an Sie, die einfach so gar nicht Ihren Bedürfnissen entsprechen. Sie finden so für sich idealerweise ebenfalls heraus, welche Rollen in Ihren Lebensbereichen bisher zu wenig oder zu viel Raum einnehmen oder vielleicht auch noch gar keinen.
Diese Detektivarbeit ist schon für Nichtbetroffene von ADHS herausfordernd. Bei Betroffenen von ADHS kommt noch der Umstand hinzu, dass sie im Laufe Ihres Lebens auf Grund der für ihr Umfeld streckenweise stressenden Symptomatik von Aufmerksamkeitsdefizit,Impulsivität und Hyperaktivität nicht nur einen Kofferraum voll, sondern gefühlt vielleicht sogar einen ganzen Transporter voll von negativen Erfahrungen gemacht haben können. Währenddessen haben nicht von ADHS betroffene gesundeMenschen vielleicht nur einen Fahrradkorb voll an diesen Erfahrungen gesammelt. Oftmals haben die Betroffenen ein in ihren eigenen Augen völlig normales, jedoch in den Augen der anderen leider unangemessenes Verhalten an den Tag gelegt. Sie haben daraufhin negatives und vielleicht sogar für sie gefühlt emotional tief verletzendes Feedback bekommen. Dies kann dazu geführt haben, dass sie deswegen ein extrem schwaches Selbstwertgefühl entwickelt haben und sich bis heute sehr oft nicht richtig und unsicher fühlen im Umgang mit anderen Menschen. Die Natur war hier leider im Neurotransmitterhaushalt im Gehirn von ADHS-Betroffenen nicht so spendabel. Denn ausgerechnet die manchmal im Umgang mit anderen selbst oft sehr grenzüberschreitenden ADHSler nehmen negatives Feedback oder Kritik an ihrem eigenen Verhalten oftmals sehr emotional und als tief im Inneren verletzend und so verunsichernd auf. Kritik kann sie so in ihrer inneren Sicherheit und ihrem Selbstwert und Selbstbewusstsein gehörig ins Wanken bringen (Neuy-Bartmann, 2019).
Hier ist es deswegen in diesem Abschnitt empfehlenswert für Sie zu differenzieren, was ein Verhaltensmuster von Ihnen ist, das im Autopilot abläuft, und ein ADHS-Symptom darstellt, das Sie in den Griff bekommen möchten. Und was sind hingegen darüber hinaus Erwartungen und Rollen, die Sie einfach nicht mehr erfüllen möchten, weil Sie nicht auf Ihre Bedürfnisse eingehen und überhaupt nichts mit Ihrer ADHS-Symptomatik zu tun haben.
Die Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie und ADHS-Expertin Dr. Astrid Neuy-Lobkowicz verwendet für Betroffene von AHDS die Metapher von Wildpferden versus normalen Pferden, die ich sehr unterhaltsam und treffend finde (Neuy-Bartmann, 2019). Bleibt man bei diesem Bild, sind ADHS-Betroffene auf der Pferdekoppel die eigensinnigen, wilden und energiegeladenen Wildpferde, die sich einfach so gar nicht für eine Ausbildung zum Dressurreiten eignen und das auch gar nicht wollen. Sie finden das einfach langweilig. Sie haben ganz andere Bedürfnisse als die anderen Pferde. Sie wollen raus aus der Koppel, frei sein und sich kreativ ausleben. Sie haben ganz andere Stärken und Ziele als die anderen Pferde und finden es vielleicht auch völlig beknackt, was diese mit ihren Reitern Langweiliges anstellen in den Reitstunden. Sie wollen lieber irgendwo auf der Koppel um die Wette galoppieren mit wehender Mähne und am liebsten auch dazu aus der Koppel ausbrechen. Doch nun leben jedoch alle Pferde eben zusammen auf der gleichen Koppel. Und dann ist da auch noch dieser Elektrozaun darum herum. Und für ein friedliches gemeinsames Miteinander auf der Koppel macht es somit auch für diese Wildpferde Sinn, sich ein wenig nachzuerziehen, um harmonisch mit den normalen Pferden auf der Weide zu leben, und dennoch dabei authentisch ihre ganz persönlichen Stärken bedürfnisorientiert zu entfalten. So können sie das Leben auf der Koppel mit ihren kreativen ADHS-Facetten wunderbar bereichern. Wenn also einmal wieder ein Wettrennen der Wildpferde stattfinden würde und die anderen Pferde völlig irritiert und verängstigt weglaufen, und dabei sogar gegen den Elektrozaun stoßen und einen Stromschlag bekommen, so wäre deren Kritik durchaus gerechtfertigt, von den Wildpferden vorab zumindest einmal eine Ankündigung des Wettrennens zu bekommen oder besser noch eine zeitliche Absprache. Wenn hingegen die anderen Pferde permanent darauf bestehen würden, dass sie die Wildpferde in der Herde nur noch integrieren, wenn diese genau den gleichen langweiligen Zampano mitmachen an Dressurreiten und so weiter und die Wildpferde aus ihrem Grundbedürfnis nach Bindung heraus, zur Herde auf der Koppel dazu gehören zu wollen, sich vollends verbiegen und das mitmachen, jedoch kreuzunglücklich damit sind, dann ist das eine Rolle, die definitiv nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse und Werte einzahlt, sondern nur die Erwartungen der anderen erfüllt.
Seien Sie also bei der anstehenden Detektivarbeit wachsam, ob Sie eine ADHS-Symptomatik in den Griff bekommen möchten, die Ihrem Umfeld verständlicherweise nicht gut tut, oder ob dies vielleicht Erwartungen Ihres Umfeldes sein könnten, die Sie unbewusst erfüllen möchten, die Sie jedoch auf Dauer unglücklich machen. Es hängt sehr individuell von jedem einzelnen Menschen und seinen persönlichen Lebenserfahrungen und Verarbeitungsprozessen ab, welche automatisierten Muster man durch seine Prägungen tief in sich verinnerlicht hat. Diese schlummern dort nun unbewusst und steuern uns jedoch leider oftmals im Hier und Jetzt. Wie im Abschn.2.3. Stressmanagement erwähnt, ist es auch hier der Autopilot, der dann übernimmt und unser Verhalten steuert (Kabat-Zinn, 2006).
Ähnlich wie ein Feuerwehrmann, der nachts im Schlaf hochschreckt, wenn die Alarmglocke läutet, er sich wie automatisiert seine Feuerwehrmontur anzieht, sich auf den Feuerwehrwagen zu seinen Kollegen schwingt, an der Brandstelle den Schlauch ausrollt und die Bedrohung unverzüglich löscht, so aktivieren sich im Autopilot unsere unbewussten Muster und löschen so unaufhörlich manchmal auch das geringste Glimmen eines sicheren Lagerfeuers mit einem maximalen Wasserstrahl. Stattdessen könnte man in einem solchen Moment auch einfach einmal das ALI-Prinzip (siehe Übung 13) und die Ampel-Methode anwenden (siehe Übung 12), kurz achtsam durchatmen, innehalten und sich fragen: Ist es jetzt wirklich angebracht, mit vollem Druck das nette kleine Lagerfeuer wegzuschäumen, oder war es einfach Fehlalarm und es macht Sinn, sich zu entscheiden, vielleicht doch einfach nur im Bett zu bleiben und eben nicht im Autopilot das Standardprogramm abzuspulen. Das kostet letztlich dann den Feuerwehrmann weniger Energie und schont auch die Nerven des Umfeldes. Denn manchmal ist es eben nicht nur ein unbemanntes Lagerfeuer, das man mit voller Wucht ohne für andere ersichtlichen Grund löschen will, sondern einfach nur eine nette kleine bemannte Grillparty.
Besonders die Erziehung der ersten Bezugspersonen im Leben (vor allem die Eltern) kann zur Entwicklung dieser automatisierten Muster führen. Herausfordernd dabei ist, dass diese im Hier und Jetzt überwiegend für uns unbewusst aktiviert werden und auch ablaufen im Autopilot. Dies geschieht dann, wenn wir uns in einer Situation befinden, die der ursprünglichen Situation ähnelt, in der das Muster entstanden ist (Roediger, 2010).
Um bei unserem Feuerwehrbeispiel zu bleiben: vielleicht hat der Feuerwehrmann als Kind mal ein bisschen zu aktiv Feuerwerkskörper zu Silvester gezündelt und dabei durch einen Irrläufer eine komplette Mülltonne abgefackelt. Das Resultat waren massive Schimpfe und natürlich negatives Feedback von Sorge, Wut und wie dusselig kann man denn sein. Dies hat dann das Grundbedürfnis des heutigen Feuerwehrmann an Selbstwert frustriert. Wann immer er daher jetzt nun irgendwo Feuer auch nur ahnt, läuft automatisch ein Ich-muss-das-sofort-löschen-sonst-gibt-es-echt-Ärger-Schema ab, um seinen Selbstwert zu schützen, und der Autopilot nimmt seinen Lauf. Das heißt, es läuft durch diese unbewusste Erinnerung zum Selbstschutz bei ihm somit eine völlige gedankliche Fehlinterpretation der aktuellen Situation ab. Und diese Gedanken lösen dann seine Emotionen und Körperempfindungen aus wie damals und lösen als Verhaltensreaktion zum Beispiel Kampf (wie in seiner aktuellen Situation), Flucht, Erstarrung oder einschmeichelndes Verhalten aus (Voss, 2020).
Es kann dabei nur leider sein, dass diese negativen Selbstüberzeugungen im Jetzt wirklich so gar nichts mit der aktuellen Realität gemein haben. Und so spürt man durch seine schlummernden oder aktivierten Muster das eigene Befinden, die individuellen Talente, Potenziale und Bedürfnisse gar nicht mehr und kann sie nicht ausleben.
Unser Feuerwehrmann wäre beruflich zum Beispiel vielleicht ein viel glücklicherer und zufriedenerer Physiotherapeut geworden, weil diese Tätigkeit viel mehr auf seine Bedürfnisse eingeht. Man lebt so im Grunde häufig die Erwartungen anderer Menschen an sich. Man übernimmt so Rollen die sie uns zuschreiben, die man für sich unbewusst verinnerlicht hat, und spürt und lebt eben nicht seine eigenen Bedürfnisse, Stärken und Talente. Und das auf Dauer macht uns dann unglücklich. Man kann sich dadurch sogar so fühlen, einfach so gar nicht für sich voranzukommen im Leben. Unser Feuerwehrmann ist dann vielleicht zum Beispiel permanent nur dabei, wieder vermeintliche Brände zu löschen, die überhaupt keine Gefahr darstellen, anstelle überhaupt das Bedürfnis zu verspüren, seinen Beruf zu wechseln und eine Umschulung als Physiotherapeut vorzunehmen, weil ihn das Leben als Feuerwehrmann überhaupt nicht mehr erfüllt (Kitz & Tusch, 2010).
Man spürt dann im ungünstigsten Fall einfach seine eigenen Bedürfnisse gar nicht mehr. Sie liegen dann in uns verschüttet wie Salatsamen im Kellerregal, die darauf warten, dass sie wieder eingepflanzt, gegossen und gepflegt werden, wachsen und gedeihen und sich so zu wunderbaren Salaten entwickeln. So versauern sie im Kellerregal und es passiert einfach rein gar nichts. Genauso wie mit unseren Bedürfnissen. Weil wir mehr damit beschäftigt sind, uns um die Bedürfnisse der anderen Menschen zu kümmern als um unsere eigenen.
Oftmals glauben wir jedoch auch sogar unsere Bedürfnisse bereits zu leben und unser Leben auch danach zu gestalten. Jedoch sind es dann eben auch hier häufig einfach gar nicht unsere ureigenen Bedürfnisse, die unser Leben gestalten, sondern auch wieder die von uns im Laufe unseres Lebens von anderen übernommen Erwartungen und erwünschten Rollen an uns. Wir glauben dann, es sind unsere. Sie sind es jedoch gar nicht.
Schlummern diese Muster an Erwartungen und Rollen so unbewusst und so tief verankert in uns, kann man auch dazu tendieren, Abwehrmechanismen einzusetzen. Man redet sich die aktuellen Lebensumstände zum Beispiel immer wieder schön und nimmt Situationen oder das Miteinander mit anderen Menschen verzerrt wahr, nur um für sich den schönen Schein eines vermeintlich doch für sich so stimmigen Lebens aufrecht zu erhalten. Denn in dem scheint doch scheinbar alles in Ordnung zu sein, denn es zahlt auf unsere vermeintlichen Bedürfnisse ein. Doch leider sind es gar nicht unsere Bedürfnisse, sondern die des Umfeldes. Und so binden diese unbewussten Abwehrmechanismen zum Aufrechterhalten des schönen Scheins leider sehr viel unserer Energie. Und diese steht uns dann leider für andere uns energiegebende Aktivitäten im Leben nicht mehr zur Verfügung, die unsere wirklich ureigenen Bedürfnisse nähren.
Um nochmal auf unseren Feuerwehrmann zurückzukommen, rast der Gute vielleicht non-stop zu irgendwelchen vermeintlichen Bränden und vergisst dabei gänzlich seine Bedürfnisse nach Schlaf, Erholung, Ruhe, erfüllenden Freizeitaktivitäten allein oder mit Freunden und Familie. Vielleicht fährt er nie in den Urlaub, oder selbst dort will er im All-Inclusive-Club vielleicht den brennenden Sambuca des Junggesellenabschieds am Nachbartisch oder das nette kleine Lagerfeuer am Strand am Abend ohne Grund mit dem Feuerlöscher erledigen. Einfach weil er nicht abschalten kann von seinem Lösch-Muster, das unentwegt im Autopilot sein Handeln bestimmt. Um noch mehr Sicherheit im Außen zu bekommen, bringt er vielleicht sogar im Hotel selbst mitgebrachte Feuermelder überall an, die selbst dann unsinniger Weise auf dem Balkon anspringen, wenn das nette Paar auf dem Balkon unter ihm einfach nur die fünfte Zigarette nacheinander raucht. Geschieht dies automatisiert viel zu häufig in unserem Leben, blockiert dies unsere eigene Entwicklung, bedürfnisorientiert zu leben. Man entwickelt so kein gesundes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen im Laufe seines Lebens (Roediger, 2010).
Es kann sein, dass man so unbewusst auch immer wieder förmlich magnetisch in Situationen schlittert, die diesen inneren Bedürfniskonflikt mit sich selbst und anderen Menschen provozieren. Man muss sich dann entscheiden, man selbst zu sein und sich nach seinen eigenen Bedürfnissen und Werten zu verhalten, oder wieder eine Rolle zu spielen und die Erwartungen und Bedürfnisse der anderen und nicht die eigenen zu nähren, wohinter man in dem Moment jedoch gar nicht steht. Unbewusst macht man es im Autopilot dann oft dennoch. Man ist so in seinem Leben dann zu oft einfach nicht authentisch man selbst.
Unser Feuerwehrmann könnte zum Beispiel unbewusst immer wieder Urlaube dort buchen, wo eine erhöhte Brandgefahr besteht, zum Beispiel in Griechenland im Hochsommer, umzingelt von Waldbrandgefahr oder bereits aktiven Waldbränden. Sein Autopilot ist dann unterbewusst wie gelernt auch im Urlaub dauerhaft wachsam und es kostet ihn so viel Energie, statt einfach den Impuls zu spüren und ihm nachzugeben, einen Sporturlaub in Österreich zu buchen, wo definitiv keine Waldbrandgefahr besteht und sein Lösch-Muster einfach gar keinen Grund hätte anzuspringen. Stattdessen würde sein Bedürfnis nach gesunder Ernährung und Bewegung genährt, das er vor lauter Feuerlösch-Muster gar nicht wahrnimmt.
Sind verinnerlichte Erwartungen anderer Menschen oder (angenommene) erwartete Rollen an uns so sehr dominant in unserem Leben und verdecken so den intuitiven Zugang zu unseren ureigenen Bedürfnissen, kann man ein zu geringes oder übermäßiges Selbstwertgefühl entwickeln. Dies resultiert zum Beispiel aus dem in den Augen des Umfeldes immer wieder unangemessenen Verhalten von uns.
Man kann dadurch im Laufe der Zeit sogar eine Depression, Ängste, oder andere psychische Störungen entwickeln. So wird unser Feuerwehrmann vielleicht irgendwann so ausgebrannt und ausgepowert sein von seinem permanenten Lösch-Muster, dass sich Ängste daraus entwickeln und vielleicht sogar Zwänge oder eine Depression (Roediger, 2010).
Manchmal nehmen wir jedoch auch ganz bewusst selbst wahr, dass etwas nicht ganz rund läuft in uns, und wir spüren so, dass wir uns in Richtung einer Depressionen, Ängste oder einer Suchtproblematik bewegen. Wenn Sie den Eindruck haben, dies könnte auf Sie zutreffen, klären Sie doch, wie zu Beginn erläutert, bitte kurz für sich ab, ob hier zunächst eine Psychotherapie für Sie Sinn machen könnte. Lassen Sie sich dann professionell und vertrauensvoll von einem erfahrenen Therapeuten helfen. Denn dieses Buch ist als reine gesundheitliche Prävention gedacht und ersetzt keine Therapie. Und mit der Entscheidung für eine Therapie tätigen Sie bereits einen ersten ganz wichtigen Schritt in Richtung eigener Selbstfürsorge und Selbstwirksamkeit für sich und Ihr resilienteres Leben mit Ihrer ADHS.
Es gibt natürlich auch immer wieder Lebensbereiche und Situationen im Alltag, in denen man sich nicht kongruent bedürfnisorientiert verhält, ganz einfach weil es in dem Kontext oder Moment erforderlich ist, eine bestimmte Rolle einzunehmen und ein erwünschtes Verhalten zu erfüllen, das andere von uns erwarten und sehen möchten, zum Beispiel im Beruf, als ehrenamtlicher Fußballtrainer oder ähnliches. Das gehört zum Leben natürlich auch dazu. Dies achtsam zu erkennen und ein solch inkongruentes Verhalten somit ganz bewusst zu wählen, weil es der Kontext nötig macht, auch dabei soll Sie Ihr kommendes Selbstcoaching unterstützen und Ihnen Impulse geben (Roediger, 2010).
Natürlich heißt eine bedürfnisorientierte Lebensgestaltung mit ADHS wie oben bereits angesprochen nicht, sich jetzt so zu verhalten, als wäre man völlig alleine auf der Welt. Man sollte dann nicht seiner ADHS-Symptomatik komplett die Zügel überlassen und sich ab jetzt bedürfnisorientiert völlig ungehemmt seinen Aufmerksamkeitsdefiziten, seiner Impulsivität und gegebenenfalls seiner Hyperaktivität hingeben, ohne Rücksicht auf Verluste und Grenzüberschreitungen, die Sie eventuell so Ihrem privaten und beruflichem Umfeld zufügen würden. Also zum Beispiel das nette Pärchen auf dem Balkon unter Ihnen mit dem Feuerlöscher einzuschäumen, weil Sie die Glimmstängel löschen wollen. Oder aber mit Ihren Wildpferd-Freunden spontan Wettrennen auf der Koppel zu veranstalten und alle anderen Pferde dabei nicht nur zu stressen, sondern im schlimmsten Fall auch noch umzurennen oder gegen den Elektrozaun zu schubsen. Ein ganz wichtiger Punkt, der ein gesundes Selbst- und Stressmanagement für Betroffene von ADHS daher von Nichtbetroffenen unterscheidet, ist nach der eigenen Diagnose erst einmal ein Bewusstsein dafür zu entwickeln und zu reflektieren: ist mein aktueller subjektiver Leidensdruck und mein Verhaltensimpuls, den ich habe, gerade meiner ADHS-Symptomatik geschuldet, die die Feuerwehr-Alarmglocke auf maximale Lautstärke bringt und meinen Autopiloten anschmeißen will? Oder aber hat mein aktueller Leidensdruck vielleicht berechtigterweise auch einfach etwas damit zu tun, dass ich als Mensch – ADHS hüh oder hott – leider völlig an meinen Bedürfnissen vorbei lebe. Und habe ich gerade deswegen vielleicht sogar im Laufe der Zeit ein noch dünneres Fell entwickelt, das meine ADHS-Symptomatik somit noch ausgeprägter anspringen lässt?
Auch dabei möchte Sie dieses Buch unterstützen: sich zum einen zu fragen, was sind Ihre individuellen Rollen, Talente und Stärken, die Sie vielleicht bis dato einfach nicht authentisch nach Ihren Bedürfnissen ausgelebt haben und die sich nun in Ihrem neuen Lebensentwurf entfalten möchten und vielleicht einfach gerade deswegen Ihre Alarmglocke an Leidensdruck in Ihnen läuten. Und Sie stellen zum anderen im Gegenzug fest, was ist hingegen Ihre ADHS-Symptomatik, die Sie und Ihr Umfeld belastet und die Sie daher zukünftig managen und reduzieren möchten.
Sie haben sich dazu bereits detailliert im ersten Teils dieses Buches mit Ihrer ADHS-Symptomatik und möglichen Life Hacks auseinandergesetzt, mit denen Sie diese lindern möchten. Vielleicht erkennen Sie auch erstmalig jetzt, beim Lesen dieses Buches, dass viele Probleme und Konflikte, die im Laufe Ihres Lebens aufgetreten sind oder immer wieder oder ganz aktuell auftreten, einfach Ihrer bis dato noch zu wenig in Schach gehaltenen ADHS-Symptomatik und eben nicht Ihrer Persönlichkeit geschuldet sind.
Doch nach all der Theorie geht es jetzt weiter mit Ihrem Selbstcoaching-Prozess. Nehmen Sie Ihre Detektivarbeit auf. Kristallisieren Sie jetzt Ihre wichtigsten Bedürfnisse für sich heraus, auf Basis derer Sie Ihr Leben mit Ihrem neuen Lebenskompass gestalten möchten. Finden Sie heraus, welche Erwartungen und Rollen Sie in Ihren Lebensbereichen weniger oder gar nicht mehr erfüllen möchten, weil Sie nicht Ihren Bedürfnissen entsprechen. Schaffen Sie so wertvollen Raum für die Entfaltung Ihrer eigenen Bedürfnisse und so vielleicht neuer Aktivitäten und Rollen, in die Sie hineinwachsen möchten. Vielleicht nehmen auch Lebensbereiche bisher zu viel oder zu wenig Platz in Ihrem Leben ein, und dies möchten Sie neu für sich aufteilen. Lernen Sie so Ihr Leben mit ADHS selbstwirksam zu gestalten in Ihren verschiedenen Lebensbereichen. Denn dies werden Sie im nachfolgenden Abschn. 2.5angehen. Dann kreieren Sie sich final Ihren neuen bedürfnisorientierten Lebenskompass.
Doch nun zunächst viel Spaß bei Ihrer Standortbestimmung. Nehmen Sie jetzt bitte wieder Ihr Notizbuch zur Hand und idealerweise auch schon folgende Utensilien, damit Sie diese im weiteren Selbstcoaching-Prozess direkt zur Hand haben, wenn Sie sie benötigen:
3 × Tonpapier A3 oder 3 × Flipchart-Blätter.
Haftnotizzettel in verschiedenen Farben und Größen.
Stifte in verschiedenen Farben und Stärken.
Wenn Sie lieber digital arbeiten, können Sie sich gerne alternativ das auf meiner Website www.tapetenwechsel.me nach Anmeldung verlinkte online Miro Whiteboard duplizieren und für Ihren Selbstcoaching-Prozess nutzen.
Übung 17 – Erwartungshaltung an Ihr Selbstcoaching in diesem Buch
Ich möchte Sie zunächst einmal fragen, was Sie sich von Ihrem Selbstcoaching wünschen. Wenn Sie dieses für sich erfolgreich beendet haben und Sie haben das Gefühl, das Selbstcoaching in diesem Buch hat sich für Sie gelohnt, quasi eine volle 10 von 10 möglichen Zufriedenheitspunkten (INeKO Institut, 2020a):
Was ist dann durch Ihr Selbstcoaching passiert?
Was ist dann anders?
Bitte notieren Sie sich dies.
Horchen Sie dann noch einmal in sich hinein und notieren Sie sich bitte, was Ihnen dazu noch in den Sinn kommt.
Was ist dann noch anders?
Bitte schreiben Sie sich dies ebenfalls auf.
Fragen Sie sich dann in jedem Falle bitte nochmals, was darüber hinaus noch anders wäre und notieren Sie auch dies für sich.
Fertig? Prima. Weiter geht’s!
Übung 18 – Ihr erfolgreiches Selbst- und Stressmanagement in Ihrem Leben mit ADHS
Sie halten dieses Buch sicherlich in den Händen, wenn Sie sich ein erfolgreiches Stress- und Selbstmanagement mit Ihrer ADHS in Ihrem Leben wünschen. Denn darum geht es fokussiert in diesem Buch. Bitte beschäftigen Sie sich daher doch jetzt mit folgender Frage:
Auf einer Skala von 0–10, wobei 0 für absolute Unzufriedenheit steht und die 10 für völlige Zufriedenheit, wie zufrieden auf dieser Skala sind Sie Stand heute mit Ihrem erfolgreichen Selbst- und Stressmanagement mit Ihrer ADHS in Ihrem Leben?
Bitte notieren Sie sich dies jetzt in Ihr Notizbuch.
Einmal angenommen, Sie hätten auf der Skala eine 10 für völlige Zufriedenheit für Ihr erfolgreiches Stress- und Selbstmanagement erreicht:
Wie würde Ihr Leben dann aussehen?
Was wäre konkret anders als heute?
Wenn dieses Thema völlig gelöst wäre und kaum noch Raum in Ihrem Leben einnimmt, was wäre dann stattdessen da?
Wovon gäbe es dann mehr in Ihrem Leben?
Wenn dieses Thema gelöst wäre, was wäre dann passiert? Hat es sich einfach in Luft aufgelöst oder ist mit einem lauten Knall explodiert?
Woran erkennen Sie, dass Sie ein erfolgreiches Stress- und Selbstmanagement für sich etabliert haben?
Woran erkennen Sie es noch?
Woran erkennen Sie es darüber hinaus noch?
Reflektieren Sie bitte ruhig eine Weile über diese Fragen und notieren Sie sich dann bitte Ihre Erkenntnisse in Ihr Notizbuch (INeKO Institut, 2020a). Danach geht es weiter mit Übung 19.
Übung 19 – Was muss passieren, damit es noch schlimmer wird? Was ist Ihr Horror-Szenario?
Sie haben für sich bereits auf einer Skala von 1–10 bewertet, wobei 10 für ein optimales Selbst- und Stressmanagement mit Ihrer ADHS steht, wo Sie aktuell gefühlt stehen mit Ihrem Leben mit ADHS.
Falls Sie keine 0 angegeben haben:
Was müsste passieren, was müsste in Ihrem Leben noch schlimmer werden, damit eine 0 dort stünde?
Was müsste passieren, damit Sie wirklich absolut unglücklich würden?
Was müsste geschehen, damit Sie es auf gar keinen Fall hinbekommen, sich ein für Sie zufriedenstellendes Selbst- und Stressmanagement für Ihr Leben anzueignen und Ihre ADHS-Symptomatik so in die Schranken zu weisen?
Was müsste passieren, damit Sie Ihre ADHS-Superpower-Rakete jetzt nicht aktivieren und zünden, indem Sie zukünftig Ihr Leben nach Ihren Bedürfnissen gestalten?
Was müssten Sie ganz konkret selbst tun, damit dieses Horror-Szenario eintritt?
Nehmen Sie sich auch hier bitte wieder ein paar Minuten Zeit und spüren Sie in sich hinein (INeKO Institut, 2020a; Kitz & Tusch, 2010). Bitte notieren Sie sich Ihre Erkenntnisse dann wieder in Ihr Notizbuch. Fragen Sie sich danach dann bitte:
Wie fühlt sich das an? Könnten Sie damit leben?
Wenn Sie diese Frage mit JA beantworten können, wenn dieses absolute Horror-Szenario für Sie erträglich wäre, dann haben Sie aktuell vielleicht gar keinen Leidensdruck in Ihrem Leben mit Ihrer ADHS. Dann kann es für Sie vielleicht Sinn machen, alles genau so zu belassen, wie es aktuell ist. Dann kann es Sinn machen, das Buch jetzt aus der Hand zu legen und nicht weiter an sich und Ihrem Leben mit Ihrer ADHS zu arbeiten (INeKO Institut, 2020a; Kitz & Tusch, 2010). Wenn das jedoch nicht der Fall ist, und Sie dieses Horror-Szenario auf gar keinen Fall erleben möchten, dann geht es jetzt weiter mit Ihrem Selbstcoaching-Prozess. Auf geht es.
2.4.2 Aktivieren Sie jetzt den Zugang zu Ihren Bedürfnissen
Zunächst machen Sie in den nachfolgenden Selbstcoaching Übungen wie angekündigt eine sehr ausführliche Detektivarbeit: Das Ziel ist, dass Sie so (wieder) Zugang zu Ihren ureigensten unterbewusst schlummernden Bedürfnissen bekommen. Denn gerade für Betroffene von ADHS kann es herausfordernd sein, intuitiv die eigenen Bedürfnisse zu spüren und ihr Leben nach diesen auszurichten (Hinkelmann, 2016a, c).
Sie finden mit Ihrer jetzt startenden Detektivarbeit so für sich heraus, welche letztlich Ihre Top-6-Bedürfnisse darstellen, die ab sofort die zentrale Rolle spielen werden für Ihre Lebensgestaltung mit Ihrer ADHS.
Genauso wie Sie wahrscheinlich selten ohne Salz und Pfeffer kochen, werden diese Top-6-Bedürfnisse die wesentlichen Gewürze in der Gestaltung Ihres Lebens sein. Denn Ihr Leben soll Ihnen auch noch ein paar Jahrzehnte lang jeden Tag aufs Neue gut gewürzt hervorragend schmecken. Bitte nehmen Sie sich dazu jetzt ganz in Ruhe und ausreichend Zeit für sich. Haben Sie bitte Ihr Notizbuch und einen Stift parat und finden Sie einen Platz, an dem Sie ungestört sind, sich wohl fühlen und loslassen können, um sich auf die folgenden Übungen einzulassen.
Übung 20 – Fiktive neue Welt
Vielleicht mögen Sie sich dazu auf einen bequemen Stuhl setzen oder hinlegen und für einen kurzen Moment die Augen schließen, eine Hand auf Ihr Herz, die andere auf den Bauch legen und einige Male tief ein und ausatmen. Spüren Sie den Kontakt Ihres Körpers zum Boden oder der Auflage, die Sie trägt, beziehungsweise Ihren Stuhl, und wie der Atem Ihren Brust- und Bauchraum füllt. Atmen Sie ganz bewusst ein und wieder aus. Vielleicht hilft Ihnen die Vorstellung, mit jedem Ausatmen ein wenig mehr loszulassen und jetzt kreativen Raum zu schaffen: Bitte stellen Sie sich einfach vor Ihrem inneren Auge fiktiv vor, Sie machen einen kleinen Ausflug in eine fiktive neue Welt. Sie befinden sich irgendwo an einen traumhaften Ort Ihrer Wahl. Sie haben keine Ahnung, wie Sie dort hingekommen sind, fühlen sich jedoch pudelwohl. Die Welt um Sie herum ist auch immer noch die gleiche, doch auf wundersame Weise kennen Sie niemanden mehr. Ihr bisheriges soziales Netzwerk aus Freunden, Partner, Familie, Arbeitskollegen, alle Menschen, die in Ihrem bisherigen Leben Erwartungen an Sie hatten, sind einfach hier nicht existent. Sie können Ihr Leben quasi jetzt ganz neu anfangen, egal wie. Fühlen Sie sich bitte in diese Situation hinein.
Wie haben Sie Ihr Leben gestaltet?
Was sehen Sie, hören Sie, schmecken Sie?
Wo wohnen Sie und wie schaut Ihr Zuhause aus?
Mit wem leben Sie oder vielleicht alleine?
Haben Sie eine Partnerschaft?
Wie sieht diese aus und wie fühlt sie sich an?
Oder leben Sie alleine oder mit Freunden oder in einer ganz anderen Lebensform?
Wie fühlt sich Ihr Leben für Sie jetzt an?
Wie schaut Ihr Freundeskreis aus?
Wie werden Sie von Ihnen und Ihrem Partner behandelt?
Was ist Ihr Beruf?
Wie fühlen Sie sich gesundheitlich?
Wie geht es Ihnen mit Ihrer ADHS?
Wie geht es Ihnen in Ihrem fiktiven Leben 2.0?
Wie kümmern Sie sich gut um sich?
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Was gibt Ihnen Sinn in Ihrem Leben?
Wie steht es um Ihre Finanzen?
Was ist Ihnen wichtig in Ihrem neuen Leben?
Lassen Sie Ihren Gedanken und Gefühlen jetzt einfach freien Lauf und beobachten Sie, welche vielleicht farbigen Bilder oder vielleicht sogar ein Film mit Ton vor Ihrem inneren Auge entstehen. Tauchen Sie hier ein und lassen Sie sich treiben. Wenn Sie für sich dann das Gefühl haben, alles detailliert genug für sich erfahren zu haben, bereiten Sie sich bitte langsam darauf vor, wieder in dem Raum anzukommen, in dem Sie sich befinden. Atmen Sie dann bitte dreimal tief ein und aus, spüren Sie, wo Ihr Körper Ihre Liegefläche beziehungsweise Ihre Sitzgelegenheit berührt, öffnen Sie langsam die Augen und kommen wieder ganz im Hier und Jetzt an (INeKO Institut, 2020a; INeKO Institut, 2020d).
Bitte notieren Sie direkt danach, was Sie erlebt haben. Vielleicht haben Sie ein für Sie gefühlt realistisches Leben 2.0 erlebt, vielleicht jedoch auch ein völlig fiktives, in Ihrer heutigen gedanklichen Bewertung unrealistisches Bild. Dies ist jedoch völlig egal für diese Übung.
Denn im zweiten Schritt geht es jetzt darum, sich ganz in Ruhe die Bedürfnisse zu notieren, die Sie aus dem vor Ihrem inneren Auge Erlebten für sich ableiten können. Dies will heißen, Sie werden – angenommen, das Bild hätte sich Ihnen gezeigt – mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Leben keinen Surfshop auf Hawaii mehr aufmachen oder Wanderführer im Himalaya werden. Aber wer weiß, vielleicht doch? Dieses Bild gäbe Ihnen jedoch in jedem Falle wichtige Hinweise auf Ihre aktuellen Bedürfnisse im Lebenwie Ruhe, Liebe, Selbstverwirklichung und Freiheit. Sie können dazu auch gerne die folgende beispielhafte Auflistung an Bedürfnissen als Unterstützung zur Hand nehmen (INeKO Institut, 2020b):
Abwechslung
Ausgeglichenheit
Autonomie
Bewegung
Dankbarkeit
Eigener Raum
Engagement
Entspannung
Freiheit
Freude
Friede
Fröhlichkeit
Geborgenheit
Gesundheit
Identität
Intimität
Klarheit
Kompetenz
Kontakt
Kraft
Leistung
Liebe
Motivation
Mut
Nahrung
Nähe
Neugier
Ordnung
Orientierung
Respekt
Ruhe
Schlaf
Selbstachtung
Selbstsicherheit
Selbstverwirklichung
Sicherheit
Sinn
Stärke
Vergnügung
Verständnis
Vertrauen
Wärme
Würde
Wertschätzung
Zugehörigkeit
Zuversicht
Bitte notieren Sie sich die für Sie stimmigen Bedürfnisse in Ihrem Notizbuch. Viel Spaß dabei!
Sie sind fertig? Haben Sie Ihre Erkenntnisse für sich notiert? Klasse! Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten detektivischen Übung auf dem Weg zu einem noch besseren Zugang zu Ihren Bedürfnissen. Sollten Sie nicht so ein brennendes begeisterndes Interesse an Ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung haben, dass Sie seit Beginn des Durcharbeitens dieses Buches automatisch in den Hyperfokus abgetunnelt sind, kostet Sie dies vielleicht alles sehr viel Energie. In jedem Falle richtig klasse, dass Sie dranbleiben und selbstfürsorglich etwas für sich tun.
Bitte legen Sie doch jetzt Ihre Aufzeichnungen zu dieser Übung zunächst zur Seite. Sie kommen später wieder darauf zurück und arbeiten dann weiter daran.
Bevor es mit der nächsten Übung weitergeht, möchte ich Ihnen zunächst das Konzept der Selbstwirksamkeit näherbringen. Denn für Ihre Selbstwirksamkeit spielt genau dieser gesunde Zugang zu Ihren Bedürfnissen, den Sie derzeit bereits aktivieren, eine ganz zentrale Rolle.
2.4.3 Selbstwirksamkeit als Schlüssel für Ihre ADHS-Superpower
Der Psychologe Albert Bandura hat das Prinzip der Selbstwirksamkeitserwartung entwickelt (AOK-Bundesverband GbR, 2021). Dies bedeutet Folgendes: Kleine Kinder lernen zum Beispiel Fahrradfahren, indem sie sich auch einmal auf die Nase legen und dennoch wieder aufstehen und es neu probieren, bis sie es können. Sie erleben sich so als sehr selbstwirksam. Denn sie entdecken intuitiv und neugierig die Welt und lernen dabei immer wieder Neues für sich, das sie begeistert, und das sie so lange versuchen, bis es für sie idealerweise dann auch letztlich erfolgreich funktioniert. So machen sie für sich eine Menge an erfolgreichen Selbstwirksamkeitserfahrungen im Leben, die ihnen immer mehr Selbstvertrauen schenken. Menschen, die selbstwirksam leben, sind überzeugt davon, schwierige oder herausfordernde Situationen gut ohne fremde Hilfe aus eigener Kraft bewältigen zu können, so wie ein Kind das Fahrradfahren lernt und andere neue Dinge.
Identifizieren wir uns nicht oder zu wenig mit dem, was wir gerade tun oder wie wir leben, kann uns dies unzufrieden machen. Fehlen uns regelmäßige Selbstwirksamkeitserfahrungen, die von unseren eigenen Bedürfnissen motiviert sind, werden wir auf Dauer unglücklich.
Als Erwachsener haben wir jedoch, wie bereits angesprochen, oftmals unsere wichtigsten Bedürfnisse vergessen, vor lauter Stress und privaten und beruflichen Rollen und Erwartungen, die andere an uns haben, oder die wir uns selbst auferlegt haben. Wir haben zudem auch oftmals die intuitiven Strategien verlernt, unsere Bedürfnisse wieder selbst zu spüren und sie uns bewusst zu machen und danach zu leben. Zeitgleich ist man vielleicht sogar sehr gut darin, die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen und diese auch freigiebig zu erfüllen. Und oft tun wir dies vielleicht sogar so sehr, dass unsere eigenen Bedürfnisse dabei dann gänzlich auf der Strecke bleiben. Es kann so passieren, dass wir im Beruf oder Privatleben dann schier grenzenlos die (von uns angenommen) Erwartungen anderer zufriedenstellen.
Dann kann es sein, dass wir kaum noch diese kleinen und großen Selbstwirksamkeitserfahrungen erleben, die uns schon als Kind dieses besondere Gefühl von Glück und Zufriedenheit schenkten, und wir uns stattdessen selbst immer mehr vergessen. Vielleicht reden wir uns dann auch ein, wir sollten doch einfach zufrieden und glücklich sein in diesen von außen oder auch uns selbst unbewusst auferlegten Erwartungen, Rollen und Lebensstrukturen. Doch fehlen uns regelmäßige Selbstwirksamkeitserfahrungen, werden wir unzufrieden und unglücklich. Wir können dann sogar gänzlich den Kontakt zu uns verlieren und unsere Bedürfnisse gar nicht mehr erspüren. Denken Sie an die Salatsamen im Keller. Wir können uns dann auch unsere aktuelle Lebensgestaltung noch so schön reden, der subjektive Leidensdruck kann sich früher oder später dennoch zeigen, wenn er es nicht schon getan hat. Dies kann dann dazu führen, dass wir eben nicht mehr intuitiv unseren inneren Kompass leben und stärken möchten, indem wir wieder mehr nach unseren Bedürfnissen leben, sondern stattdessen verunsichert im Außen nach noch mehr Regeln suchen und nach Erwartungen Ausschau halten, an denen wir uns orientieren können. Diese geben uns vermeintlich äußere Sicherheit, zahlen jedoch häufig nicht auf unsere individuellen Bedürfnisse ein und stärken somit unsere Selbstwirksamkeit nicht. Ein Kreislauf kann dann beginnen, in dem wir uns letztlich noch mehr von uns selbst entfernen (Kitz & Tusch M, 2010).
Um eben genau dies vorausschauend und präventiv zu vermeiden, kann es hilfreich sein, sich die aktuell tatsächlichen äußeren Erwartungen an uns anzuschauen. Gleiches gilt für die im Laufe des Lebens unbewusst von anderen übernommen Erwartungen an uns sowie die uns stressenden Rollen.
Wenn man sich all diese bewusst macht und diesen weniger Raum gibt oder sie sogar ganz los lässt, so entsteht wieder Raum, um einen Zugang zu den eigenen Bedürfnissen zu finden und diese und die Rollen im Leben zu stärken, denen wir aktuell vielleicht zu wenig oder noch gar keine Beachtung schenken. So kann ein neues Fundament für eine resiliente kongruente Lebensgestaltung mit einem gesunden Selbst- und Stressmanagement gelegt werden. Denn diese basiert dann auf unseren wirklich eigenen Werten und Bedürfnissen.
Die Krux an dieser Stelle für jemanden, der von ADHS betroffen ist, ist, dass für diesen natürlich mehr als für Menschen ohne ADHS sichere Strukturen sehr wichtig sind, um die Symptomatik erfolgreich zu minimieren. Auch dabei kann dieses Buch Sie unterstützen, indem Sie sich ein gut strukturiertes Selbst- und Stressmanagement für sich für Ihre Lebensführung und Ihren Alltag aufsetzen. Jedoch kann es Sinn machen, zunächst Ihre bisher etablierten Strukturen zum Im-Zaum-halten Ihrer Symptomatik auch einmal ganz bewusst zu reflektieren. Denn nehmen Ihre Strukturen eine solche fast zwanghafte Bedeutung in Ihrem Leben ein – im Fachjargon nennt man das Überkompensation – können diese den Zugang zu vielen Ihrer individuellen Bedürfnisse ebenfalls wieder gänzlich verdecken, sodass nur Ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Struktur befriedigt wird. Im schlimmsten Fall haben Sie dann vielleicht das Gefühl, so zu leben wie ein dressierter Pudel, so wie man ohne ADHS eben einfach sein sollte und nur noch funktioniert, wie die normale (Was ist normal?) Gesellschaft es gerne hätte, um somit so gesund und normal wie möglich auf Ihr Umfeld zu wirken. Vielleicht sind Sie damit dann jedoch einfach gar nicht zufrieden und glücklich. Denn auch dann sind Sie (noch) weit entfernt davon, kongruent zu leben nach Ihren Bedürfnissen, und sich ein Leben zu gestalten, in dem Sie Sie selbst bleiben können, und Ihre ganz besonderen individuellen Talente, Stärken und Potenziale fördern und leben können:
Sich ein kongruentes Leben zu gestalten, in dem Sie gleichzeitig Ihre ADHS Symptomatik so minimieren im Umgang mit sich und Ihrem privaten und beruflichen Umfeld, wie Sie sich das wünschen, und dennoch Ihre Bedürfnisse in den verschiedenen Lebensbereichen nähren, ohne dass Sie das Gefühl haben sich inkongruent gesellschaftskompatibel zu verstellen. Auf diesem Weg möchte dieses Buch Sie begleiten und Ihnen Impulse dazu geben. Denn Sie sind mit oder gerade wegen Ihrer ADHS super wie sie sind. Die Welt ist gerade deswegen so schön, weil Sie als ADHS-Wildpferd, das sich jetzt für sich stimmig etwas nach erziehen möchte, auf der Koppel mit den Dressurpferden mit dabei sind und diese Gemeinschaft mit Ihren besonderen Stärken und Talenten bereichern.
Denn in Ihnen schlummern vielleicht Talente und Stärken, die sie aktuell möglicherweise noch gar nicht kennen. Und vielleicht haben Sie auch gerade wegen Ihrer ADHS ganz spezielle Stärken, die Sie noch gar nicht auf dem Schirm haben und ausleben. Denn ADHS-Betroffene sind häufig auch besonders sensibel und reizoffen, ehrlich, hilfsbereit, einfühlsam, neugierig, sie haben eine rasche Auffassungsgabe sowie eine detaillierte und holistische Wahrnehmung auf Dinge und Themen. Sie sind phantasievoll, flexibel, kreativ, originell und begeisterungsfähig mit einem hohen Maß an Energie, und sie sind oft mutig, mitreißend und unkonventionell (Stern, o. J.; Ratgeber ADHS, o. J.c). Dies ist nur ein kleiner bunter Blumenstrauß an Beispielen für die ganz spezielle ADHS-Superpower, die in Ihnen schlummern könnte und die Sie jetzt für sich aktivieren können.
Übung 21 – 90. Geburtstag
Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, Sie feiern Ihren 90. Geburtstag und blicken auf Ihr Leben mit Ihrer ADHS zurück ab heute (INeKO Institut, 2020a):
Ist mit 90 immer noch alles so, wie es jetzt ist?
Ist es vielleicht sogar schlimmer geworden?
Oder sind Sie zufrieden und glücklich und schauen darauf zurück, was Sie sich trotz oder gerade dank Ihrer ADHS für ein buntes, erfüllendes Leben gestaltet haben?
Nehmen Sie sich bitte in Ruhe Zeit für diese Übung.
Und richtig, nicht trotz Ihrer ADHS: dank Ihrer ADHS. Denn es gehört zu Ihnen. Es ist quasi Ihre Sonderausstattung der Natur, DAS Special-Ausstattungspaket an Superpower-Features für Ihr Leben, das andere einfach nicht haben. Und das macht Sie so ganz besonders.
2.4.4 Zünden Sie jetzt Ihre ADHS-Superpower
Daher lade ich Sie mit diesem Buch ein, doch einfach jetzt Ihre ADHS-Superpower-Rakete in Ihre Abschussrampe zu schieben, damit Sie nach Ihrem fulminanten Abschuss und Ihrer langjährigen Flugkurve in Ihrem ganz persönlichen ADHS-Orbit einen fantastischen 90. Geburtstag haben werden und rückblickend zufrieden sagen können: Heidewitzka, meine Rakete, die hat aber ja mal sowas von gezündet damals! Ok vielleicht ein bisschen spät bemerkt, dass ich die Rakete überhaupt im Keller liegen habe, und: egal! Ich habe meine ADHS-Superpower damals mal so richtig aktiviert für mein Leben: mit liebevoller Selbstwirksamkeit und einer gesunden Selbstfürsorge für mich. Mit einem Leben, gestaltet nach meinen eigenen besonderen Bedürfnissen, das mir so viele glückliche Momente und genau die Selbstwirksamkeit geschenkt hat, in meiner ganz persönlichen Galaxie des Lebens neben aufregenden neuen Sternsystemen, Lebensformen und Planeten auch diese nervigen schwarzen Weltschmerz-Löcher zu durchfliegen. Von denen wusste ich zwar zunächst manchmal gar nicht, wie komme ich hier denn jetzt wieder heraus, wie lange dauert denn dieses dämliche schwarze Loch bitte diesmal? Eine Rakete, die mich letztendlich jedoch mit tiefer innerer Sicherheit und einem guten inneren Lebenskompass mit meinem ADHS aus jedem noch so schwarzen Loch wieder herausgeschossen hat. Dabei wurde sie vielleicht etwas verbeult durch verglühende Brocken und Sternenstaub, die an ihr abgeprallt sind. Eine Rakete, die ich immer wieder achtsam gelernt habe zu Pflegen und in Schuss zu halten und ihr Pausen zum Auftanken zu gönnen, wenn sie einmal wieder leicht defekt war oder der Tank leer war vom zu überschwänglichen In-Lichtgeschwindigkeit-Fliegen beim erfolgreichen Galaxie-Hopping. Lieben Sie Ihre Rakete! Und wenn Sie möchten, zünden Sie jetzt Ihre Rakete. Dazu geht es jetzt weiter mit Übung 22 zur Aktivierung Ihrer Selbstwirksamkeit. Viel Spaß damit!
Übung 22 – Eine Woche freie Zeit
Ich lade Sie ein, jetzt Ihre eigenen Erwartungen an sich oder die anderer Menschen, die Sie (vermeintlich) immer wieder erfüllen müssen sowie Ihre stressigen Rollen im Leben zu identifizieren. Die Detektivarbeit geht weiter. Super, dass Sie weiter für sich dran bleiben! Bitte nehmen Sie sich jetzt wieder ein paar Minuten in Ruhe Zeit. Legen Sie sich Ihr Notizbuch gern schon einmal griffbereit. Nehmen Sie auch gerne wieder die Position der letzten Übung ein und wiederholen Sie auch sehr gerne die Atemübung, wenn Ihnen diese gut getan hat. Schließen Sie, wenn Sie möchten, bitte erneut die Augen. Stellen Sie sich jetzt bitte vor, Sie hätten eine Woche freie Zeit geschenkt bekommen, natürlich voll bezahlt. Sie können sich diese Woche exakt so gestalten, wie Sie das gerne hätten.
Wie gestalten Sie diese Woche, wenn Sie völlig frei wären von Erwartungen anderer und Bewertungen und Feedback, das Sie dazu erwarten? Machen Sie sich bitte völlig frei von diesen Konsequenzen. Stellen Sie sich vor, die gibt es nicht. Sie machen einfach nur das, was Sie glücklich macht.
Was erfüllt Sie in dieser Zeit?
Wie fühlt es sich an?
Wo sind Sie?
Ist jemand bei Ihnen?
Was sehen Sie, hören Sie, schmecken Sie, fühlen Sie?
Fühlen Sie sich gelöst und glücklich?
Wie machen Sie das?
Was genau macht Sie glücklicher, als Sie heute sind?
Wovon ist jetzt mehr da als heute?
Wovon ist weniger da?
Was fühlt sich besser an als heute?
Wie haben Sie das gemacht?
Wie sehr auf einer Skala von 1–10, wobei die 10 für absolut gelöst und glücklich steht, sind Sie jetzt bei diesen Vorstellungen schon auf einer 10?
Wenn Sie noch nicht auf einer 10 sind, wie müsste diese Woche noch gestaltet sein und ablaufen, damit Sie von Herzen sagen können, das war eine absolute 10 von 10 Glückspunkten für diese Woche.
Tauchen Sie bitte ein in Ihre intuitiven Bilder und Gedanken dazu. Vielleicht läuft auch ein bunter Film vor Ihrem inneren Auge ab. Beobachten Sie alles, und wenn Sie das Gefühl haben, alles ist stimmig und Sie haben genug in Ihrem idealen Tag gebadet, atmen Sie tief durch und kommen wieder an in Ihrem Raum, wo Sie sich befinden (INeKO Institut, 2020a, d). Fertig? Klasse. Sie haben Ihre Rakete gerade schon einmal ein wenig mehr erfolgreich in die Abschussrampe geschoben. Schreiben Sie jetzt doch bitte in Ihrem Notizbuch stichpunktartig auf was Sie erlebt haben.
In einem zweiten Schritt notieren Sie sich jetzt bitte, welche Ihnen in Ihrem aktuellen Leben bekannten und Sie gefühlt einschränkenden
inneren und äußeren Konflikte,
Rollen und
Erwartungen an Sie
Sie in dieser idealen Woche nicht mehr gespürt haben und losgelassen haben. Nehmen Sie sich dafür bitte ebenfalls in Ruhe Zeit.
Im letzten Schritt dieser Übung schreiben Sie bitte auf, welche Bedürfnisse Sie gerade dadurch in Ihrer perfekten Woche für sich nähren konnten, dass Sie diese Konflikte, Rollen und Erwartungen losgelassen haben.
Sie machen sich so weitere Bedürfnisse bewusst, die für Sie in Ihrem Leben wichtig sind. Denn auch hinter jedem Konflikt in Ihrem Inneren oder auch in der Interaktion mit anderen Menschen liegt im Grunde immer ein unerfülltes Bedürfnis von Ihnen. Wenn Sie sich zu einem Thema innerlich hin- und hergerissen fühlen, ein Anteil in Ihnen „x“ möchte, ein Anteil in Ihnen „y“, kann das ein Alarmsignal sein für unerfüllte Bedürfnisse die Ihnen noch nicht bewusst sind. Ich lade Sie in diesem Falle zu folgender Übung ein.
Übung 23 – Innere Anteile
Wenn Sie möchten, spüren Sie doch einmal nach und schenken sowohl dem einen als auch dem anderen Teil in Ihnen Aufmerksamkeit und erspüren nacheinander, was das Bedürfnis hinter den verschiedenen Positionen oder Handlungsimpulsen ist. Vielleicht sind Ihnen diese Bedürfnisse noch nicht bewusst und diese Übung gibt Ihnen dazu einen Zugang. Es können auch mehr als zwei Persönlichkeitsanteile in Ihnen sein, die den inneren Konflikt erzeugen, und wie Engelchen und Teufelchen auf Ihren Schulter hocken und sich streiten (Schulz von Thun, o. J.). Vielleicht ist es eine ganze Bande in Ihnen von kleinen Engelchen und Teufelchen, die sich streiten und jeder möchte einmal gehört werden, was jeweils sein individuelles Bedürfnis ist, für das er eintritt. Spüren Sie dazu doch noch einmal in Ruhe in sich hinein und notieren Sie sich Ihre Erkenntnisse.
Sie sind fertig mit der Übung? Prima. Werfen Sie jetzt doch bitte nochmals einen Blick auf die Anteile in Ihnen und nehmen Sie bitte einmal bewusst wahr, welche Anteile in Ihnen hier ADHS-spezifisch sind und vielleicht zwar ein ausgeprägtes Bedürfnis haben, das sie Ihnen mitteilen, Sie so jedoch als Trojanisches Pferd klammheimlich wieder managen möchten und so nicht Sie Ihre ADHS:
Übung 24 – Trojanische Pferde
Springen Sie hier im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf jedes Pferd das vorbeireitet, sondern spüren Sie in Ruhe in sich hinein, ob es vielleicht ein Trojanisches Pferd Ihrer ADHS-Symptomatik sein könnte. Gerade wenn Sie einen Konflikt mit einer anderen Person haben, dann kann es passieren, dass diese vielleicht ein Symptom zeigt, das Sie (noch) nicht für sich erkannt haben, und dieses stattdessen versuchen, bei der anderen Person förmlich zu bekämpfen (Hinkelmann, 2016a, c). Das Bedürfnis Ihres Anteils wäre dann eine völlig überzogene Stressreaktion in Form von Kampf oder auch Flucht, die Sie auf die rote Ampel bringt – koste es was es wolle. Sollte so etwas auftreten und Sie etwas an jemand anderem massiv kritisieren und Sie dabei innerlich explodieren oder einfach nur flüchten wollen, prüfen Sie hier doch nochmal kritisch für sich, was passiert, wenn Sie diesen Vorwurf umdrehen und aus dem „Du“ ein „Ich“ machen. Zum Beispiel machen Sie dann aus „Du vergisst ständig Verabredungen mit mir.“ ein „Ich vergesse ständig Verabredungen mit mir.“ Versuchen Sie es einmal. Vielleicht bekommen Sie dann ein kleines Aha-Erlebnis, dass Sie mit Ihrer Überreaktion das an Ihrem Gegenüber bekämpfen, was vielleicht eine ADHS-Symptomatik ist, die Sie bei sich noch nicht wahr haben möchten: Selbst Verabredungen mit sich zu vergessen und so sein eigenes Bedürfnis nach Verbindlichkeit bei sich selbst nicht zu nähren (Byron Katie International, 2012). Dies kann Ihnen vielleicht Impulse geben, ein besseres Gespür dafür zu bekommen, eine ADHS-Symptomatik bei sich zu erkennen, die Sie noch nicht auf dem Schirm haben.
Sie haben auch diese Übung beendet? Klasse. Wenn Sie mit Ihren Aufzeichnungen fertig sind, legen Sie diese bitte erst einmal wieder zur Seite. Sie kommen auch hier später auf sie zurück. Weiter geht es mit den nächsten kreativen Übungen, um Ihre unbewussten Bedürfnisse zu aktivieren. Viel Spaß dabei!
Übung 25 – Was wollten Sie gerne als Kind werden?
Bitte nehmen Sie sich in Ruhe Zeit für dieses Übung. Fragen Sie sich bitte einmal, welchen Berufswunsch Sie als Kind hatten. Das kann alles sein, was Sie damals begeistert hat. Fällt es Ihnen wieder ein? Prima. Los geht’s (INeKO Institut, 2020c).
Warum genau wollten Sie diesen Beruf wählen?
Was hat Sie daran so begeistert?
Was macht diesen Beruf für Sie aus?
Stellen Sie sich bitte einen Tag in diesem Beruf vor und notieren Sie sich doch bitte die Elemente, die Sie besonders begeistern.
Im zweiten Schritt schauen Sie sich diese Notizen bitte wieder vor dem Hintergrund an, welche Bedürfnisse Sie daraus für sich ableiten können.
Vielleicht kommen Sie so auf weitere Bedürfnisse, die Sie bewusst so noch nicht für sich auf dem Schirm hatten. Bitte notieren Sie diese wieder in Ihrem Notizbuch für sich, wir kommen später auf sie zurück.
Weiter geht es mit einer kreativen Übung zur Selbstreflexion, was Sie in Ihrer Persönlichkeit ausmacht. Dieses Mal begeben Sie sich in eine Perspektive von außen aus der Sichtweise Ihrer besten Freunde. Viel Freude dabei!
Übung 26 – Fragen über Fragen an Ihre besten Freunde – was macht Ihre Persönlichkeit aus?
Stellen Sie sich doch bitte ganz in Ruhe die folgenden Fragen und antworten Sie ganz spontan und ehrlich zu sich selbst:
Angenommen, Sie würden Ihre besten Freunde fragen, was Ihre Stärken und besonderen Talente sind, was würden sie antworten?
Was hingegen würden sie vielleicht auch an Ihnen kritisieren?
Wie offen für neue Erfahrungen würden diese Menschen Sie beschreiben?
Für wie kreativ, neugierig, kulturell und künstlerisch interessiert halten sie Sie?
Was würden sie zu Ihrer Gewissenhaftigkeit sagen?
Halten sie Sie für einen absoluten Perfektionisten oder sind 80 % auch genug?
Für wie zielstrebig, organisiert, zuverlässig und sorgfältig halten sie Sie?
Schätzen Ihre Freunde Sie eher als energiegeladen, kontaktfreudig und gesellig ein, oder mehr als zurückgezogenen Eigenbrötler?
Halten sie Sie für selbstsicher oder eher ein wenig unsicher und auch oft an sich selbst zweifelnd?
Für wie verträglich halten Sie Ihre Freunde im Umgang mit anderen Menschen?
Welche ADHS-Symptome sehen diese bei Ihnen?
Welche davon schätzen sie?
Welche davon stressen sie?
Schätzen Sie sie eher als kooperativen, rücksichtsvollen, wertschätzenden Menschen ein oder vielleicht auch manchmal als unkooperativ, stur und vielleicht sogar abwertend und verletzend?
Wie würden Ihre Freunde Ihre emotionale Stabilität beschreiben?
Halten sie Sie für den emotionalen Fels in der Brandung, der ein dickes Fell hat bei Kritik oder in Konfliktsituationen, oder erleben Ihre Freunde sie vielleicht in solchen Situationen als impulsiv, mit einem dünnen emotionalen Fell, und vielleicht auch teils als ängstlich, nervös und gereizt?
Lassen Sie diese Fragen doch bitte einmal in Ruhe auf sich wirken und notieren Sie sich dazu für Sie wichtige Erkenntnisse als Stichpunkte in Ihr Notizbuch (INeKO Institut, 2020c; GEO.de, o. J.). Sie geben Ihnen wieder wichtige Hinweise auf Ihre Bedürfnisse. Bitte notieren Sie sich diese Bedürfnisse zum Abschluss der Übung dann wieder in Ihr Notizbuch.
Wenn Sie diese Übung abgeschlossen haben, lade ich Sie nun zu einer kleinen kreativen Visionsreise in Ihr ideales Leben in 10 Jahren ein. Lassen Sie Ihrer Intuition hier bitte einfach freien Lauf. Viel Spaß dabei.
Übung 27 – Wie sieht in 10 Jahren Ihre ideale Zukunft aus – Visionsreise
Bitte nehmen Sie sich auch jetzt wieder ganz in Ruhe Zeit für sich. Legen Sie sich doch schon einmal Ihr Notizbuch und einen Stift parat und finden Sie wieder einen Ort, an dem Sie ungestört sind und sich zurückziehen können. Setzen Sie sich gerne bequem hin oder legen Sie sich hin. Vielleicht mögen Sie noch die ein oder andere Position verändern, bis sich diese wirklich bequem für Sie anfühlt. Wenn Sie so weit sind, schließen Sie bitte Ihre Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Spüren Sie dabei den Kontakt Ihres Körpers zum Boden, beziehungsweise Ihrer Sitzgelegenheit und atmen Sie bewusst ein und wieder aus. Mit jedem einatmen werden Sie innerlich ruhiger und mit jedem ausatmen fühlen Sie sich gelöster. Wiederholen Sie dies gerne einige Male, so wie es sich für Sie gut anfühlt. Stellen Sie sich jetzt bitte vor, es sind 10 Jahre von heute vergangen und Ihr Leben ist exakt so wie Sie sich das wünschen.
Wie sieht Ihr Leben für Sie aus?
Was sehen Sie, hören Sie, schmecken Sie?
Wo wohnen Sie und wie schaut Ihr Zuhause aus?
Mit wem leben Sie oder leben Sie alleine?
Haben Sie eine Partnerschaft?
Wie sieht diese aus und wie fühlt sie sich an?
Wie schaut Ihr Freundeskreis aus?
Wie werden Sie von Ihnen und Ihrem Partner behandelt?
Was ist Ihr Beruf?
Wie fühlen Sie sich gesundheitlich, wie geht es Ihnen?
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Was gibt Ihnen Sinn in Ihrem Leben?
Wie steht es um Ihre Finanzen?
Was ist Ihnen wichtig im Leben?
Wovon ist jetzt mehr da als heute?
Wovon ist weniger da als heute?
Wie gehen Sie mit Ihrer ADHS um?
Lassen Sie Ihren Gedanken und Gefühlen einfach freien Lauf und lassen Sie sich von Ihrer Intuition leiten. Malen Sie sich alles in den schillerndsten Farben aus. Wenn Sie für sich das Gefühl haben, das Bild oder der Film Ihres idealen Lebens fühlt sich für Sie stimmig an und zeigt sich bunt und so detailliert, wie es sich für Sie aktuell gut anfühlt, dann bitte notieren Sie sich im ersten Schritt wieder, was Sie erlebt haben (INeKO Institut, 2020a, d; Kitz & Tusch, 2010). Im zweiten Schritt notieren Sie dann bitte wieder Ihre Bedürfnisse, die Sie daraus für sich ableiten können. Sie können auch gerne wieder die Bedürfnisliste aus Übung 20 zur Hilfe nehmen (INeKO Institut, 2020b).
Fertig? Klasse! Sie haben jetzt im Laufe der letzten Übungen wirklich schon eine ganz beachtliche Reihe an Bedürfnissen ans Licht gebracht, die Ihnen von Herzen wichtig sind in Ihrem Leben. Wir knüpfen später an diese an. Denn Ihre Bedürfnisse werden den zentralen Punkt in Ihrer zukünftigen Lebensgestaltung einnehmen. Richtig klasse, dass Sie so selbstwirksam dran bleiben für sich.
In der folgenden Übung wird es jetzt zunächst wieder etwas kreativ. Denn was Sie jetzt erst einmal für sich anfertigen werden, ist eine kreativ visualisierte StandortbestimmungIhres aktuellen Lebens mit ADHS, und zwar mit seinen verschiedenen Lebensbereichen und Ihren Rollen, die Sie in diesen Bereichen einnehmen. Viel Spaß dabei!
Übung 28 – Standortbestimmung Ihres aktuellen Lebens mit ADHS
Sie haben im Laufe Ihres Selbstcoaching-Prozesses in Ihrem Notizbuch schon einiges an Bedürfnissen gesammelt sowie auch bereits einige Rollen und Erwartungen an Sie, die Sie gerne loslassen würden. Daran knüpft jetzt Ihre Standortbestimmung Ihres aktuellen Lebens mit seinen verschiedenen Lebensbereichen an. Sie nutzen dazu jetzt die Form eines sogenannten Lebensrades, siehe Abb. 2.1 als Beispiel (Whitworth et al., 2007).
Abb. 2.1
Fiktive Beispielabbildung für ein Lebensrad. (Eigene Darstellung 2023)
Ihr Leben ist in diesem jetzt eingeteilt in der Form eines Rades mit acht Speichen und Lebensbereichen (Meyer, 2015). In der Mitte des Rads beginnt jeweils die Skala für einen Bereich bei 0 und endet außen an der Speiche des Rades bei 10. Eine Bewertung eines Lebensbereichs mit einer 0 würde bedeuten, dass dieser Lebensbereich aktuell auf einer Skala von 0–10 gar nicht nach Ihrer Zufriedenheit verläuft. Eine 10 hingegen bedeutet, dass Sie hier voll zufrieden sind. Die acht Lebensbereiche des Lebenskompass sind die folgenden:
1.
Familie und Freundschaft von 1–10
Hier fallen die Beziehungen und Rollen zu Ihrer Ursprungsfamilie darunter, jedoch auch die zu Ihrer gegebenenfalls aktuellen Familie sowie auch die zu Ihren Freunden.
2.
Liebe und Partnerschaft von 1–10
Dieser Bereich bezieht sich auf die Beziehung(en) und Rollen in Ihrem Liebesleben, egal ob Sie Single sind oder in einer Partnerschaft oder eine anderweitige Beziehungsform leben.
3.
Selbst- und Stressmanagement von 1–10
Hier bewerten Sie wie gut Sie für sich aktuell bereits die Rolle Ihres eigenen Coaches einnehmen, und für sich selbstfürsorglich ein gutes Selbst- und Stressmanagement anwenden und Ihr Leben konsequent danach gestalten.
4.
Beruf(ung) von 1–10
Unter diesen Punkt fällt Ihr aktueller Beruf, den Sie ausüben und die verschiedenen Rollen, die Sie hier innehaben.
5.
Gesundheit und Wohlbefinden von 1–10
Dieser Bereich spiegelt wider, wie gesund und wohl Sie sich fühlen und was sie konkret dafür tun.
6.
Freizeit (Sinnhaftigkeit) von 1–10
Wie zufrieden Sie mit der (sinnvollen) Gestaltung Ihrer Freizeit sind, findet sich in diesem Bereich wieder. Hier finden sich Ihre Rollen, die sich aus Ihrer Freizeitgestaltung ergeben oder auch aus einem Ehrenamt.
7.
Wohnung/Zuhause von 1–10
Wie wohl Sie sich in Ihrem aktuellen Zuhause fühlen, zeigt Ihnen dieser Bereich. Auch Ihre Rollen in diesem Kontext finden sich hier wieder.
8.
Geld und Finanzen von 1–10
Den Umgang mit Geld und das Managen Ihrer Finanzen bewerten Sie hier für sich und auch Ihre Rollen in diesem Bereich.
Nehmen Sie sich doch bitte jetzt eines der Flipcharts oder ein Din-A3-Tonpapier zur Hand und legen es auf der Erde oder einem größeren Tisch aus. Legen Sie sich bitte auch die verschiedenen farbigen Haftnotizzettel und Stifte parat. Bitte zeichnen Sie Ihr Lebensrad jetzt entsprechend der Abb. 2.1 nach, sodass es das volle Papier ausfüllt. Betiteln Sie jetzt außerhalb des Rades die verschiedenen Lebensbereiche mit deren Bezeichnungen und notieren hier eine 10 für die maximale mögliche Punktzahl am äußeren Rand. In die Mitte schreiben Sie bitte eine 0 für die minimale Punktzahl.
Schauen Sie sich jetzt im ersten Schritt bitte jeden dieser Bereiche in Ruhe an und markieren Sie zunächst ganz intuitiv auf der Skala von 1–10, wo Sie sich gerade gefühlt befinden in diesem Lebensbereich von 1–10. Wo sehen Sie sich? Wo stehen Sie in diesem Lebensbereich?
Setzen Sie dort dann bitte ein Kreuz und schreiben Sie Ihre Zahl von 1–10 dazu.
Vielleicht gehen einige Bereiche in Richtung 10. Vielleicht gibt es jedoch auch Bereiche, in denen Sie nur wenige Punkte vergeben können. Nehmen Sie das zunächst ganz ohne Wertung vor. Genau dieses Leben haben Sie sich in jedem Falle bis zum Status heute selbst kreiert und gestaltet.
Um jetzt noch flächenmäßig optisch zu verdeutlichen, welche Lebensbereiche aktuell mehr oder weniger Raum einnehmen, ziehen Sie bitte mit einem Stift jeweils einen Querstrich auf der Höhe Ihrer Bewertung und schraffieren den inneren Bereich bis zu Ihrer Bewertung aus, siehe Abb. 2.2 als Beispiel.
Abb. 2.2
Fiktive Beispielabbildung für ein Lebensrad. (Eigene Darstellung 2023)
So bekommen Sie, wenn Sie von oben auf Ihr Lebensrad schauen, einen Überblick aus der Vogelperspektive, mit welchen Lebensbereichen Sie sich derzeit bereits schon wohl fühlen und mit welchen noch nicht. Letztere haben somit noch Luft nach oben bis zur vollen Punktzahl von 10.
Haben Sie dies für sich beendet? Prima. Dann geht es jetzt mit der Übung weiter. Denn in jedem dieser Lebensbereiche nehmen Sie unterschiedliche Rollen ein, zum Beispiel Mutter, Kollege, Freundin, Chefin, Yogaschülerin, Handballspieler, Fußballfan oder ehrenamtliche Kinderschwimmtrainerin. Sie haben jedoch auch noch inoffizielle Rollen inne, zum Beispiel die eigene Putzfrau zu sein zu Hause, der Koch der Familie, bei der Arbeit die Kümmerin oder der Feuerlöscher des Teams. Sie haben sich bereits schon ein wenig mit genau den Rollen auseinandergesetzt, die Sie ganz spontan in Ihrer Übung 22 (Eine Woche freie Zeit) losgeworden sind für mehr Wohlbefinden.
Bitte schreiben Sie jetzt für jeden Lebensbereich genau diese losgewordenen Rollen jeweils auf einen Haftnotizzettel und markieren Sie dort, ob Sie diese nur minimieren oder gänzlich ablegen möchten.
Wenn letzteres der Fall ist, dann streichen Sie jetzt bitte die Rollenbezeichnung auf dem Haftnotizzettel durch.
Danach schärfen Sie bitte Ihr Bewusstsein für Ihre Rollen noch weiter.
Notieren Sie dazu jetzt bitte alle offiziellen und inoffiziellen Rollen auf Haftnotizzettel, die Sie darüber hinaus noch in den verschiedenen Lebensbereichen innehaben und kleben diese dazu.
Gehen Sie dazu bitte jeden Lebensbereich nacheinander durch.
Lassen Sie sich bitte ausreichend Zeit, bis Sie all Ihre Rollen in den verschiedenen Bereichen ergänzt haben.
Auch Ihre bisherigen Notizen aus Ihren Übungen können Ihnen jetzt noch Impulse geben.
Schauen Sie sich bitte final Ihre Standortbestimmung nun einmal ganz in Ruhe von oben an:
Was fällt Ihnen spontan auf bei der Betrachtung?
Wie sehen Ihre Lebensbereiche aus?
Wie zufrieden sind Sie mit dieser Lebensgestaltung?
Sind die Bereiche im Gleichgewicht oder Ungleichgewicht?
Wer sind Sie in den jeweiligen Lebensbereichen?
Welche offiziellen und inoffiziellen Rollen haben Sie dort inne?
Welcher Lebensbereich erfordert aktuell von Ihnen die meiste Aufmerksamkeit?
Passen die Lebensbereiche so zueinander oder nimmt einer oder mehrere zu viel Raum ein und andere zu wenig?
Beeinflussen sich die Bereiche gegenseitig?
Welche Rollen erleben Sie als herausfordernd?
Was sehen Sie für sich noch für Lernfelder?
Gibt es eine Rolle oder mehrere Rollen, in die Sie sich mehr hinein entwickeln möchten?
Welche Rolle raubt Ihnen Energie oder erzeugt Leidensdruck?
Gibt es Rollen, die Sie reduzieren oder loslassen möchten?
Welche Rollen geben Ihnen Energie?
Gibt es vielleicht auch eine Rolle, in die Sie zukünftig gerne hineinwachsen möchten, die aktuell noch gar nicht existiert?
Notieren Sie sich Ihre Erkenntnisse doch bitte direkt auf den schon klebenden Haftnotizzetteln der Rollen oder auf weiteren Haftnotizzetteln direkt neben den Lebensbereichen außerhalb des Rades (Schmid, 1990/2002, o. J.).
Danach gehen Sie bitte noch einen Schritt weiter. Sie leuchten sozusagen Ihren inneren Keller aus, um auch wirklich alle relevanten Salatsamen an Bedürfnissen dort sichtbar zu machen und sie ans Licht zu holen. Also Spot on. Schauen Sie sich dazu bitte jetzt nochmals in Ruhe alle Rollen in Ihren verschiedenen Lebensbereichen an. Spüren Sie bitte in sich hinein, welche Bedürfnisse bei jeder Rolle genährt werden und auch genauso welche Bedürfnisse frustriert werden. Vor allem, wenn Sie sich Ihre Rollen anschauen, die Ihnen Stress und Konflikte verursachen:
Was sind hier vielleicht auch Erwartungen, die Sie an sich selbst haben, die diesen Stress auslösen?
Was sind Erwartungen anderer, die Sie in Ihrer Wahrnehmung meinen erfüllen zu müssen in diesen Rollen?
Welche Ihrer Bedürfnisse werden dadurch frustriert und vernachlässigt?
Notieren Sie sich jetzt bitte all diese Bedürfnisse, auch die unerfüllten frustrierten, in Ihr Notizbuch.
Denn besonders diese unerfüllten Bedürfnisse könnten der Grund sein, warum Sie sich in einzelnen Lebensbereichen unzufrieden und vielleicht sogar unglücklich fühlen und es deswegen nicht hoch oder nicht mit einer 10 bewertet haben. Nutzen Sie zur Inspiration auch hier gerne wieder die beispielhafte Bedürfnisliste aus Übung 20, und nehmen Sie sich dazu bitte ganz in Ruhe Zeit (INeKO Institut, 2020b).
Sie sind fertig? Klasse! Wirklich super, dass Sie so beharrlich dranbleiben. Denn wir gehen jetzt mit Ihrer Standortbestimmung noch einen Schritt weiter in die Detektivarbeit. Wir bleiben im schon gut ausgeleuchteten Keller Ihrer Bedürfnisse. Sie machen sich jetzt jedoch dort noch Flutlicht an in allen Lebensbereichen, um sich Ihre Bedürfnisse noch mehr bewusst zu machen und auch die letzten Salatsamen in Ihren Kellerregalen des Unterbewusstseins ans Licht zu bringen. Denn manchmal kann es sein, dass Bedürfnisse ganz tief in uns schlummern und erst noch an die Oberfläche geholt werden möchten. Sie fördern genau dies jetzt weiter mit einer kleinen kreativen Aufstellungsübung. Es wird jetzt ein wenig aktiv. Viel Spaß dabei!
Übung 29 – Aufstellungsübung
Wenn Sie sich Ihre Standortbestimmung Ihres Lebens jetzt noch einmal anschauen mit all Ihren Rollen, dann schauen Sie doch bitte noch einmal wirklich fokussiert auf die Rollen, die gerade so gar nicht rund laufen oder die Sie vielleicht sogar am liebsten ablegen möchten:
Legen Sie dazu bitte Ihr Tonpapier oder Flipchart auf die Erde.
Jetzt stellen Sie sich bitte auf einen Haftnotizzettel mit einer solchen Rolle und fühlen sich einmal wirklich physisch in die Rolle hinein.
Stellen Sie sich vor, Sie haben sie gerade jetzt inne und sind umgeben von allen relevanten Personen in diesem Kontext mit all Ihren Erwartungen an Sie.
Schließen Sie, wenn Sie möchten, dazu die Augen und spüren Sie einmal ganz intuitiv, wie Sie sich hier fühlen.
Welche Körperhaltung nehmen Sie ein?
Was spüren Sie wo in Ihrem Körper?
Wie fühlt sich das an?
Hat das Gefühl eine Bewegung, eine Farbe, eine Form?
Haben Sie selbst einen Bewegungsimpuls, den Sie verspüren?
Wie würden Sie sich hier in dieser Rolle viel lieber fühlen?
Welche Erwartungen haben andere an Sie in dieser Rolle?
Wie fühlen Sie sich mit diesen Erwartungen?
Was haben Sie selbst für Erwartungen an sich in dieser Rolle?
Wie fühlen Sie sich damit?
Damit Sie sich hier wirklich wohl fühlen mit klaren 10 von 10 Punkten, was müsste dazu in dieser Rolle konkret anders sein?
Wovon wäre mehr da, wenn Sie sich hier weniger unwohl fühlen?
Abschließend fragen Sie sich bitte wieder, welche Bedürfnisse Sie daraus für sich ableiten können.
Vielleicht sind Sie hier auch zwiegespalten in einer Rolle und ein Teil in Ihnen hat ein anderes Bedürfnis als ein anderer Teil von Ihnen. Erinnern Sie sich dann bitte an die streitenden (B)Engelchen-Anteile in Ihnen mit ihren verschiedenen Bedürfnissen aus Übung 23. Diese geben Ihnen vielleicht noch einmal wichtige Informationen für unerfüllte Bedürfnisse, die in Ihnen schlummern und jetzt Aufmerksamkeit bekommen möchten. Spüren Sie, wenn das so ist, bitte jetzt hier noch einmal in Ruhe in sich hinein. Wenn Sie fertig sind, schütteln Sie sich bitte einmal kurz aus mit Ihrem ganzen Körper und notieren Sie sich bitte Ihre Erkenntnisse ergänzend zu den Bedürfnissen, die Sie schon in Ihrem Notizbuch festgehalten hatten. Weiter geht es dann mit der nächsten Rolle. Verfahren Sie so bitte weiter bis Sie sich auf alle Rollen gestellt und sich in sie hinein gefühlt haben. Vielleicht schenkt Ihnen diese Übung noch einmal einen tieferen intuitiveren Zugang zu Ihren aktuell noch unerfüllten frustrierten Bedürfnissen (INeKO Institut, 2020a).
Sie haben die Übung komplett beendet? Klasse. Somit haben Sie jetzt in Ihrer Standortbestimmung bereits erfolgreich Ihre aktuelle Lebenssituation mit Ihrer ADHS beleuchtet und wunderbare Bedürfnis-Detektivarbeit für sich geleistet. Richtig gut. Darauf können Sie jetzt aufbauen. Denn nun geht es im Abschnitt Neuausrichtung für Sie darum, auf dieser Basis Ihren individuellen Lebenskompass mit ADHS für sich neu und selbstwirksam auszurichten. Nehmen Sie sich dazu bitte jetzt ein weiteres Din-A3-Tonpapieroder Flipchart zur Hand, und los geht es.
2.5 Neuausrichtung mit Ihrem bedürfnisorientierten Lebenskompass mit ADHS
Los geht es jetzt mit Ihrer Neuausrichtung. Sie gestalten sich jetzt Ihren ganz persönlichen Lebenskompass mit ADHS. Wie ein Kompass Ihnen auch in der Natur Orientierung schenkt, wenn Sie einmal wieder vom Weg abgekommen sind oder sich vielleicht sogar völlig verfranzt haben, so gibt Ihnen Ihr Lebenskompass im Alltag eine ganz klare Orientierung. Er zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Resilienz durch Ihr ganz individuelles bedürfnisorientiertes Stress- und Selbstmanagement selbst für sich stärken können. Und zwar durch eine Lebensgestaltung, die stimmig auf Ihren wichtigsten Bedürfnissen basiert. Denn diese finden sich zukünftig in Ihren verschiedenen Lebensbereichen wieder, sodass Sie sie dort regelmäßig in Ihrem Alltag nähren werden. Damit das nachhaltig gelingen kann, werden Sie gleich nochmals ein feines Augenmerk darauf legen, Ihre offiziellen und inoffiziellen Rollen in Ihren verschiedenen Lebensbereichen genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie werden für jede Rolle nochmals kritisch prüfen, ob diese mit Ihren Bedürfnissen in Einklang ist, oder ob Sie die Rolle nur inne haben, um die Erwartungen Ihres Umfeldes zu erfüllen, welche vielleicht jedoch gar nicht Ihre Bedürfnisse nähren.
Sie entscheiden danach dann final, welche Rollen Sie in Ihrem Leben loslassen möchten oder reduzieren, weil Sie Ihnen so nicht guttun. Und Sie entscheiden, welche Rollen Ihre Bedürfnisse nähren und Sie diese deswegen stärken möchten, oder welche Rollen Sie ganz neu in Ihr Leben integrieren und hineinwachsen möchten. In diesem Zuge werden Sie zudem Ihren einzelnen Lebensbereichen und auch Ihren Rollen genauso viel Raum einräumen, wie es sich für Sie stimmig und im Einklang mit Ihren Bedürfnissen anfühlt. Wenn Sie Ihr Leben zukünftig so gestalten, und Sie zudem regelmäßig inne halten, und auf Ihren Kompass schauen, um zu checken, ob Sie noch auf Kurs sind, stärken Sie so Schritt für Schritt Ihre Selbstwirksamkeit und Resilienz. Sie werden auf diese Weise die Wellen im Auf und Ab Ihres Lebens mit ADHS so immer besser surfen lernen.
2.5.1 Platzierung Ihrer wichtigsten Bedürfnisse im Zentrum Ihres Lebenskompass
Es werden dazu zunächst noch zwei Übungen folgen, um final Ihre Top-6-Bedürfnisse für sich herauszukristallisieren. Darauf aufbauend nehmen Sie dann im Detail nochmals Ihre verschiedenen inoffiziellen und offiziellen Rollen unter die Lupe und justieren sie final stimmig für Sie aus. Anschließend werden Sie dann wieder kreativ und erstellen sich final Ihren neuen Lebenskompass mit ADHS. Im Abschn. 2.6 des Buches, Ihrem Selbstmanagement, wird Sie dann Ihr Selbstcoaching weiter dabei unterstützen, dran zu bleiben, und Ihren Kompass regelmäßig im Alltag zur Hand zu nehmen und Ihren Kurs zu überprüfen. In diesem Sinne, weiter geht es!
Übung 30 – Die Eiszeit tritt ein
Sie sind kurz davor, Ihre Top-6-Bedürfnisse herauskristallisiert zu haben. Stellen Sie sich dazu jetzt bitte final vor, eine neue Eiszeit bricht ganz plötzlich aus und dies exakt in zwei Wochen. Die komplette Welt wird von heute beginnen sich zu vereisen und löscht so sämtliches Leben auf der Erde aus.
Was tun Sie innerhalb der kommenden zwei Wochen?
Wie verbringen Sie Ihre letzten beiden Wochen in Ihrem Leben?
Nehmen Sie sich für diese Frage bitte wieder in Ruhe Zeit, und spüren Sie in sich hinein (INeKO Institut, 2020a, d; Kitz & Tusch, 2010). Sie sind ja mittlerweile schon ein Bedürfnisexperte für sich. Bitte leiten Sie abschließend dann daraus wieder für sich ab, welche Bedürfnisse für Sie wirklich wichtig sind und notieren Sie diese bitte. Denn diese scheinen Ihnen in Ihren letzten zwei Wochen auf der Erde ganz besonders am Herzen zu liegen.
Wenn Sie diese Übung beendet haben, priorisieren Sie nun final Ihre notierten Bedürfnisse und kristallisieren so Ihre Top-6-Bedürfnisse für sich heraus, die zukünftig im Zentrum Ihrer Lebensgestaltung stehen werden.
Denn wenn Sie Ihre wichtigsten Bedürfnisse wie Ihre Salatsamen aus dem Keller wieder bewusst ans Licht holen und sie in Ihren verschiedenen Lebensbereichen ab jetzt regelmäßig und ausreichend nähren, kann dies einer Ihrer Schlüssel zu einer stärkeren Resilienz und mehr Lebensqualität mit ADHS sein.
Auch in einem zukünftigen inneren oder äußeren Konflikt können Ihnen Ihre wichtigsten Bedürfnisse so ein Schlüssel werden. Sie können Ihnen hilfreiche Impulse geben, Entscheidungen zu treffen, die sich für Sie kongruent anfühlen, also im Einklang mit Ihren Bedürfnissen. Wenn Sie Ihre wichtigsten Bedürfnisse kennen, kann dies zudem auch wertvoll sein, um anderen Menschen um Sie herum besser zu erklären, was Ihnen guttut und warum und was nicht. Dies kann auch ein Schlüsselmoment für Ihr Umfeld sein, da es beginnen kann, in Ihre Welt einzutauchen und aus Ihrer Brille mit Ihrer ADHS zu verstehen. Es kann nachvollziehen, warum Sie zum Beispiel vielleicht gewisse Verhaltensweisen und Situationen mehr bevorzugen und warum Sie andere vielleicht meiden möchten oder sogar müssen, da sie Ihnen Energie rauben und gegebenenfalls Ihre ADHS-Symptomatik verstärken und sie dies krank machen kann. Ein solch klares Nein zu etwas zu verdeutlichen als klares Ja für Sie selbst kann bei Ihrem Gegenüber zu mehr Verständnis führen und ebnet den Weg, einen gemeinsamen Konsens zu finden.
Leiden Sie zum Beispiel aufgrund Ihrer ADHS-Symptomatik an einem schwachen Reizfilter und so an Reizüberflutung, haben Sie aufgrund dessen vielleicht das Bedürfnis, den ersten gemeinsamen Urlaub mit Ihrem neuen Partner oder einer neuen Freundin wie immer lieber in einer reizarmen Umgebung mit viel Natur zu verbringen, statt mitten in der Stadt. Alles andere würde Sie sonst extrem unter Stress setzen, statt erholsam zu sein. Dies weiß Ihr Gegenüber jedoch vielleicht noch nicht. Dieses Bedürfnis nachvollziehen zu können, kann für Ihr Gegenüber in der Diskussion um die Wahl des Urlaubsortes ein Schlüsselmoment sein. Er hat so die Gelegenheit aus Ihrer Brille heraus zu verstehen, dass dies ein klares Ja für Sie selbst und Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden ist, statt nur stoisch Vorschläge von ihm zu City-Trips abzulehnen, ohne dies näher zu erklären und auf Urlaub in der Natur zu beharren.
Übung 31 – Ihre Top-6-Bedürfnisse
Schauen Sie sich doch nun bitte final Ihre notierten Bedürfnisse aller Übungen in Ihrem Notizbuch an. Sie haben sich im ersten Teil des Buches auch bereits Ihre persönliche Wohlfühlliste erstellt und aktualisieren diese idealerweise bereits täglich für sich (siehe Übung 12). Nutzen Sie bitte jetzt auch diese noch ergänzend, um Ihre wichtigsten Bedürfnisse daraus abzuleiten. Prüfen Sie bitte danach dann für jedes Bedürfnis, das Sie im Rahmen Ihres bisherigen Selbstcoachings für sich aufgeschrieben haben, was Ihr Bauchgefühl sagt:
Welche sind Ihre Top-6-Bedürfnisse, die sich herauskristallisieren?
Die Häufigkeit der Nennungen, wie oft Sie diese über alle Übungen hinweg in Ihrem Notizbuch notiert haben, kann ein Hinweis darauf sein, dass ein Bedürfnis für Sie sehr wichtig ist.
Erstellen Sie so vielleicht eine Rangliste und leiten Sie so Ihre Top 6 am häufigst genannten Bedürfnisse für sich ab.
Sollten Sie sich noch unsicher sein und sich nicht entscheiden können, lade ich Sie nochmals zu einer kurzen Übung ein: Schreiben Sie bitte intuitiv, ohne groß nachzudenken, auf einer Skala von 0–10 (10 steht dafür, dass das Bedürfnis Ihnen absolut wichtig ist, 0 bedeutet, es ist nicht wichtig) für jedes Bedürfnis, die für Sie stimmige Zahl daneben und bringen Sie sie so in eine absteigende Reihenfolge.
Sollten am Ende mehr als sechs Bedürfnisse überbleiben mit ähnlich hohen Zahlen, dann wiederholen Sie die Übung einfach nochmal mit diesen auf einem neuen Zettel bis final ungefähr sechs übrig bleiben (INeKO, 2020a). Es können auch zwei oder drei mehr sein.
Geschafft? Herzlichen Glückwunsch! Die Detektivarbeit für Ihre Top-6-Bedürfnisse ist somit hiermit final beendet. Klasse! Sie haben Ihre Salatsamen erfolgreich aus Ihrem Keller geholt und können Sie jetzt einpflanzen, damit diese ab sofort die zentrale Rolle spielen bei Ihrer Lebensgestaltung. Doch dazu benötigen wir natürlich noch frische Erde und ein gut angelegtes Salatbeet. Schauen Sie sich dazu nun im nächsten Schritt in den verschiedenen Lebensbereichen Ihrer aktuellen Standortbestimmung bitte noch einmal ganz in Ruhe Ihre Rollen und Ihre externen und internen eigenen Erwartungen an sich an.
2.5.2 Die bewusste Wahl kongruenter Rollen für Ihre neue Lebensgestaltung
Bezüglich Ihrer internen eigenen Erwartungen, erinnern Sie sich bitte nochmals an das Konzept der durch Prägungen und Erfahrungen unbewusst erworbenen Muster im Leben (Roediger, 2010). Wenn Sie sich jetzt fokussiert darauf Ihre Rollen in Ihrer Standortbestimmung nochmals anschauen in den verschiedenen Lebensbereichen, welche sind wirklich von Ihnen intrinsisch, also bedürfnisorientiert motiviert gewählt, und welche extrinsisch, das heißt durch negative Erfahrungen im Laufe Ihres Lebens?
Stellen Sie sich vor, Sie hätten Ihr Leben und Ihre Rollen darin bis dato nur selbstwirksam nach intrinsisch motivierten Bedürfnissen gestaltet. Das wäre, verglichen mit einem Schuhkauf, heute also ein richtig bequemes Paar Schuhe in genau der richtigen Größe für Sie, das perfekt an Ihnen sitzt und für Sie super bequem ist, und gefühlt für Sie und andere auch einfach umwerfend ausschaut. Hätten Sie hingegen auch sehr viele extrinsisch motivierte Bedürfnisse Ihr Leben gestalten lassen, die im Grunde die von Ihnen internalisierten Bedürfnisse anderer Menschen darstellen, hätte dies vielleicht zur Folge, dass die Schuhe Ihnen gar nicht richtig passen und Sie nach kurzer Zeit des Tragens immer wieder Schmerzen bekommen. Vielleicht sind sie einfach viel zu groß oder zu klein, vielleicht zu kurz oder zu lang. Die Schuhe wären dann einfach nicht bequem für Sie. Sie würden Ihnen nach längerem Tragen vielleicht Blasen an den Füßen oder Rückenschmerzen verursachen. Sie wären einfach nicht kongruent auf Ihre Bedürfnisse ausgerichtet. Genauso wie Ihr bisher gestaltetes Leben ebenso nicht kongruent wäre. Vielleicht sähen Sie damit sogar noch todschick aus und Sie bekämen von anderen regelmäßig Feedback, wie umwerfend Sie darin aussehen. Und vielleicht deswegen haben Sie das Paar auch trotz körperlicher Beschwerden bis heute viel zu lange getragen. Doch es wäre einfach nicht ihr Paar Schuhe, das für Sie allein geschustert ist und Sie glücklich macht.
Wie würde es sich für Sie anfühlen, dieses für Sie durch inkongruente Rollen und inkongruente intrinsische und extrinsische Erwartungen an Sie einfach so gar nicht mehr passendes Paar Schuhe einfach auszuziehen und sich stattdessen bequeme neue Wohlfühl-Schuhe zu schustern, die wie angegossen sitzen, für Sie gefühlt wunderbar aussehen und Sie langfristig glücklich machen?
Einen Schritt in diese Richtung werden Sie jetzt gehen. Und zwar mit Ihrem neu gestalteten Lebenskompass mit Ihrer ADHS. Denn diesen werden Sie auf Ihren wichtigsten Top-6-Bedürfnissen aufbauen, die in die Gestaltung Ihrer Lebensbereiche kongruent mit einfließen und so dort regelmäßig genährt werden. Los geht es! Viel Spaß dabei.
Übung 32 – Rollenklärung
Zunächst legen Sie bitte Ihr weiteres Tonpapier oder Flipchart neben Ihre Standortbestimmung, Ihr Ist-Bild Ihres Lebens. Bitte notieren Sie in der Mitte auf einem Haftnotizzettel Ihre Top-6-Bedürfnisse. Ihre Lebensbereiche werden Sie jetzt nicht mehr dort herum in der Form eines Rades angeordnet gestalten. Sie sollten diesen nun den Bereich der verfügbaren Fläche geben, den Sie sich wünschen und der sich am Ende stimmig für Sie anfühlt. Das komplette Blatt steht hier für 100 % Ihrer Lebensgestaltung. Sie können die Lebensbereiche auf dem Blatt jetzt ganz frei für sich anordnen, so wie es sich für Sie passend anfühlt, siehe Abb. 2.3 als fiktives Beispiel. Legen Sie die Grenzen der Lebensbereiche jetzt jedoch bitte noch nicht final fest. Diese werden im Gestaltungsprozess entstehen und sich dann final ergeben, wenn sich Ihr Lebenskompass für Sie stimmig anfühlt.
Abb. 2.3
Fiktive Beispielabbildung für einen Lebenskompass mit ADHS. (Eigene Darstellung 2023)
Schauen Sie sich jetzt bitte nochmals Ihre verschiedenen Rollen in Ihren Lebensbereichen auf dem Ist-Bild, Ihrer Standortbestimmung an. Sehen Sie sich ebenso bitte auch die Erwartungen von anderen Menschen sowie auch Ihre eigenen Erwartungen an sich an. Horchen Sie bitte mit der Hand auf dem Herzen und einem Blick auf Ihre Top-6-Bedürfnisse in der Mitte Ihres neuen Lebenskompasses nochmal final in sich hinein (Schmid, 1990/2002, o. J.):
Nähren diese Rollen und die Erfüllung der Erwartungen wirklich Ihre Bedürfnisse?
Welche Erwartungen möchten Sie nicht mehr oder weniger erfüllen?
Welche Rollen möchten Sie reduzieren oder vielleicht auch komplett loslassen in Ihrem Leben?
Nehmen Sie sich bitte wieder ausreichend Zeit und gehen Sie jeden Lebensbereich dazu in Ruhe durch.
Achten Sie bitte auch auf Ihre inneren Erwartungen an sich, Ihre im Laufe Ihres Lebens innerlich übernommen Muster Ihres Umfeldes.
Übung 33 – Innere Antreiber
Diese im Laufe der Zeit unbewusst übernommenen Muster unserer inneren Erwartungen an uns können sich auch als innere Kritiker in uns gefestigt haben. Sie zeigen sich besonders dann, wenn wir unter Stress stehen als unsere inneren Antreiber wie zum Beispiel perfekt sein zu müssen, stark zu sein, es allen recht zu machen, sich anzustrengen oder schnell zu sein. Das Konzept dieser inneren Antreiber kommt ursprünglich aus der Transaktionsanalyse. Wenn wir gestresst sind, kann dies dann dazu führen, dass wir noch perfekter, noch stärker, es den anderen noch mehr recht machender, noch angestrengter oder noch schneller sein möchten (Studentenwerk Oldenburg, o. J.; INeKO Institut, 2020b).
Kommt Ihnen das bekannt vor?
Welche der oben genannten Antreiber in Ihren verschiedenen Rollen können Sie zusätzlich zu Ihren bisherigen Erkenntnissen zu Ihren Mustern für sich erkennen?
Ich lade Sie ein, sich die folgenden Fragen zu beantworten, um nochmals weitere Erkenntnisse für sich zu gewinnen:
In welchen Situationen spüren Sie diese Antreiber besonders?
Welcher ist besonders dominant?
Wie spüren Sie es körperlich, wenn Sie sich in einem Ihrer Antreiber befinden?
Ist es verbal oder körpersprachlich spürbar, dass Sie sich in einem Antreiber befinden?
Wie sieht die Interaktion mit anderen aus, wenn Sie sich in Ihrem Antreibern befinden?
Was würde Ihnen guttun, wenn Ihre Antreiber wieder aktiv werden, um in Ihrer Balance zu bleiben?
Wovon wäre in Ihrem Leben mehr da, wenn Sie diese inneren Antreiber reduzieren oder gar loslassen würden?
Was wäre dann noch mehr da?
Was wäre dann darüber hinaus noch mehr da?
Und was noch?
Für die Antreiber, die Sie auf ein für Sie stimmiges Maß reduzieren möchten, lade ich Sie jetzt zu folgender kleinen Übung ein. Lassen Sie sich bitte in Ruhe Zeit dazu. Wählen Sie sich bitte den entsprechenden inneren Antreiber aus, den Sie reduzieren möchten. Nehmen wir als Beispiel den Perfektionismus:
Schließen Sie bitte die Augen, atmen Sie tief durch, spüren Sie in sich hinein und sagen Sie sich: Ich „muss“ immer perfekt sein.
Horchen Sie in sich hinein, wie sich das anfühlt.
Was passiert in Ihrem Köper?
Wo genau spüren Sie dies?
Bitte öffnen Sie einmal kurz die Augen.
Wenn Sie mögen, schütteln Sie sich einmal aus oder atmen tief durch.
Bitte entspannen Sie sich nochmal, schließen die Augen und sagen sich: Ich „kann“ immer perfekt sein.
Horchen Sie bitte wieder in sich hinein, wie sich diese Aussage im Vergleich zur letzten Aussage für Sie anfühlt.
Spüren Sie jetzt einen Unterschied in Ihrem Körper?
Was spüren Sie und wo?
Wie fühlt es sich jetzt an?
Wenn Sie mit Ihrer Übung zu Ihren inneren Antreibern zum Ende gekommen sind, übernehmen Sie bitte aus Ihrer Standortbestimmung, Ihrem Ist-Bild, nur noch die für Sie stimmigen Rollen in Ihre Lebensbereiche Ihres Kompasses, die Ihre Top-6-Bedürfnisse nähren. Alles andere übernehmen Sie bitte nicht. Weder die unstimmigen Rollen, noch die unstimmigen inneren und äußeren Erwartungen und Antreiber, die Sie loslassen möchten. Fragen Sie sich bei jeder Rolle, die Sie übernehmen bitte jedes Mal nochmal, ob Ihre Top-6-Bedürfnisse durch diese Rolle wirklich genährt werden und Sie sich hier kongruent verhalten, oder – auch das wird der Fall sein – ganz bewusst inkongruent (Schmid, 1990/2002, o. J.).
Sie haben alles Relevante in Ihren neuen Lebenskompass übertragen? Klasse. Dann heißt es jetzt in der folgenden Übung final Abschied nehmen von allem, was von Ihrer Standortbestimmung, Ihrem Ist-Bild, jetzt noch übrig ist.
2.5.3 Abschied nehmen von Einflussfaktoren, die Sie bisher ausgebremst haben
Jetzt ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen von Ihren unerwünschten Bedürfnissen, Rollen, Erwartungen und inneren Antreibern, von denen Sie spüren, sie tun Ihnen nicht mehr gut, und im Herzen möchten Sie das einfach gar nicht mehr so in Ihrem Leben. Wichtig ist es hier, für alles, was Sie loslassen möchten, sich noch einmal deren positive Absicht für Sie und Ihr Leben vor Augen zu führen.
Übung 34 – Positive Absicht
Denn diese positive Absicht, die sollte idealerweise erhalten bleiben und auf einem anderen Wege erfüllt werden. Auch hier zu Ihrer inneren Reflexion einige Fragen zur Unterstützung:
Angenommen, eine gute Freundin wäre an Ihrer Stelle, wie würde Sie „xy“ loslassen?
Wovon wäre mehr da, wenn „xy“ weniger wäre oder gar nicht mehr Teil Ihres Lebens?
Angenommen, „xy“ wäre kein Teil mehr Ihres Lebens, was müsste dann da sein, damit Sie auch ohne „xy“ leben können?
Wäre das eine bestimmte Sache, die dann alternativ da sein müsste, oder gäbe es da mehrere Alternativen, die möglich wären?
Stellen Sie sich vor, es sind 5 Jahre vergangen und Sie blicken zurück, wie sind Sie „xy“ losgeworden?
Woran können Sie festmachen, dass „xy“ in Ihrem Leben weniger Relevanz hat?
Angenommen, Sie haben nun für sich herausgefunden, wie Sie „xy“ am besten loslassen. Prüfen Sie dann jetzt bitte auch nochmals, ob die positive Absicht von „xy“ ab jetzt auf einem anderem Wege sichergestellt werden kann. Dieser sollte sich auch in Ihrem neuen Lebenskompass wiederfinden und bitte jetzt noch ergänzt werden (INeKO Institut, 2020a).
Danach lade ich Sie ein, ein kleines Lebewohl-Ritual daraus zu machen, jedem einzelnen Bedürfnis, jeder Rolle, Erwartung oder inneren Antreiber, die sich im Laufe der Jahre in Ihr Leben geschlichen haben, lebe wohl zu sagen, indem Sie einen wertschätzenden Abschiedsbrief schreiben.
Übung 35 – Lebe wohl Ritual
Verabschieden Sie sich so von jedem einzelnen dieser Nervensägen und Stressmacher. Würdigen Sie in diesem Brief nochmal die positive Absicht und verzeihen Sie sich und anderen, die in diesem Zusammenhang relevant sind. Bedanken Sie sich zum Beispiel bei Ihrem Perfektionismus, dass er Ihnen lange gute Dienste getan hat und dafür gesorgt hat, dass Sie nicht anecken und negatives Feedback vermeiden. Erklären Sie ihm dann zum Beispiel, dass Sie ihn jetzt nicht mehr brauchen, oder nicht mehr in dem Ausmaß, da Sie jetzt zum Beispiel bereit sind, eben nicht allen Menschen auf diesem Planeten zu gefallen und es selbstwirksam verarbeiten können, sollten sie aufgrund der Tatsache, dass Sie nicht perfekt sind, auch einmal negatives Feedback bekommen. Nehmen Sie sich in Ruhe Zeit dafür. Wenn Sie fertig sind, lade ich Sie ein, diesen Brief an einem (für ein kleines Mini-Feuer sicher geeigneten) Ort zu verbrennen, der sich für Sie sicher und stimmig anfühlt, und ihn so dem Feuer und dem Wind zu übergeben. Verbrennen Sie Ihren Brief und lassen Sie so Ihre Störenfriede auch physisch los (Uhlenbrock, o. J.).
Sie haben sich gebührend verabschiedet? Herzlichen Glückwunsch! Super, dass Sie immer noch für sich dabei sind. Sie können wirklich zufrieden mit sich sein. Denn jetzt wird es final richtig kreativ. Im nächsten Schritt gestalten Sie sich Ihren kongruenten, ganz auf Ihren wichtigsten Bedürfnissen aufgebauten Lebenskompass. Lassen Sie sich überraschen.
2.5.4 Die Gestaltung Ihres bedürfnisorientierten Lebenskompass mit ADHS
Ihre Top-6-Bedürfnisse haben Sie sich bereits ins Zentrum Ihres Lebenskompasses auf einen Haftnotizzettel geschrieben. Diese sollten jetzt idealerweise bestmöglich mit Ihren verschiedenen Lebensbereichen verwoben werden, sodass sie durch Ihre Rollen und Aktivitäten dort wirklich regelmäßig und ausreichend genährt werden. Auf diese Weise gestalten Sie sich selbstwirksam ein Leben mit Ihrer ADHS, dass sich für Sie ganz persönlich kongruent anfühlt. So stärken Sie Ihre Resilienz und schaffen sich mehr Lebensqualität.
Übung 36 – Ihr neuer Lebenskompass mit ADHS
Sie haben dazu in die verschiedenen Lebensbereiche bereits die Rollen übernommen aus Ihrer Standortbestimmung, die auf Ihre Top-6-Bedürfnisse eingehen und Sie diese somit beibehalten möchten. Bitte übertragen Sie nun auch Ihre ADHS-Life-Hacks mit Haftnotizzetteln in den Lebensbereich „Selbst- und Stressmanagement“, die Sie sukzessive in Ihrem Leben verinnerlichen möchten. Ihre gewählte achtsame Entspannungstechnik und den für Sie stimmigen Sport übernehmen Sie bitte im Bereich „Gesundheit und Wohlbefinden“. Haben Sie alles übertragen? Klasse.
Schauen Sie sich nun Ihre einzelnen Lebensbereiche in Ihrem Kompass bitte einmal von oben an. Stellen Sie sich bitte die folgenden Fragen und nehmen Sie sich wieder in Ruhe Zeit dazu.
Sind die Lebensbereiche so stimmig für Sie von der Flächenaufteilung?
Ist Ihre Work-Life-Balance so stimmig für Sie?
Möchten Sie etwas verändern?
Welchen Lebensbereichen möchten Sie zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken?
Welche Lebensbereiche möchten Sie vielleicht reduzieren?
Was bedeutet dies für die Rollen in den jeweiligen Lebensbereichen?
Gibt es hier bestehende Rollen, die Sie stärken möchten?
Was möchten Sie zukünftig dafür tun?
Gibt es auch Rollen, die in Ihrem bisherigen Leben noch keine Relevanz hatten und in die Sie hineinwachsen möchten?
Was und wen benötigen Sie dazu?
Nehmen Sie bitte entsprechend Ihrer Erkenntnisse durch diese Übung Ergänzungen in Ihren Lebensbereichen vor. Prüfen Sie in diesem Zuge bitte auch, ob die Rollen, die Sie zukünftig in Ihrem Leben innehaben möchten, auch wirklich Ihre Top-6-Bedürfnisse nähren (Schmid, 1990/2002, o. J.).
Immer eine 100 %ige Bedürfnisbefriedigung eines Ihrer Top-6-Bedürfnisse in allen Lebensbereichen zu erlangen, ist wenig realistisch, genauso wie das Meer nicht immer nur spiegelglatt ist und die Sonne scheint. Im Auf und Ab des Lebens sehen Sie sich immer wieder mit Herausforderungen, Krisen, Ihrer ADHS- Symptomatik und Schicksalsschlägen konfrontiert. Und auch ein Job, der uns zu 100 % erfüllt, eine Partnerschaft, die immer nur zu 100 % rosig ist und Freundschaften, in denen es niemals knirscht, sind wenig realistisch. Es wird immer Bereiche geben, in denen trotz eines kongruent aufgesetzten Lebenskompasses unsere Bedürfnisse nicht 100 % erfüllt werden. Laut der Psychologen Kitz und Tusch (2010) brauchen wir dies jedoch auch nicht für unser Glück und unsere Zufriedenheit. Sie haben ein Modell der Bedürfniskompensation entwickelt. Aus Ihrer Sicht kompensieren sich Bedürfnisse wechselseitig in den verschiedenen Lebensbereichen. Ist jemand zum Beispiel in einem sehr strukturierten geordneten Job tätig, der voll auf das Top-6-Bedürfnis von Struktur und Sicherheit einzahlt, zum Beispiel ein Lokführer, in dem sein anderes Top-6-Bedürfnis von Kreativität kaum genährt wird, lässt sich dies zum Beispiel durch kreative Freizeitbeschäftigungen kompensieren und stärken. Er könnte beispielsweise in seiner Freizeit in einer Band spielen. Ein anderes Beispiel wäre, wenn jemand in der Stadt arbeitet, obwohl er das Bedürfnis nach Ruheund Natur hat. Hier kann zum Beispiel ein Zuhause am grünen Stadtrand oder noch weiter draußen im Grünen, mit mehreren Tagen arbeiten von zu Hause, eine Möglichkeit zur Kompensation sein.
Die Befriedigung von Ihren Top-6-Bedürfnissen kann somit von einem in den anderen Lebensbereich übertragen werden. Final sollte sich auf diese Weise für Sie ein stimmiges Bild an Rollen und Aktivitäten in Ihrem Leben ergeben, die ausbalanciert miteinander harmonieren (Kitz & Tusch, 2010). Bitte behalten Sie dies jetzt bei der weiteren Gestaltung Ihres Lebenskompass im Hinterkopf, wenn Sie abgleichen, ob die Gestaltung Ihrer Lebensbereiche voll auf Ihre Top-6-Bedürfnisse eingeht.
Um Ihr kreatives visionäres Potenzial für Ihre Lebensgestaltung mit Ihrem Kompass jetzt noch weiter zu aktivieren, lade ich Sie zu folgender Übung ein. Diese ist angelehnt an die sogenannte Disney-Strategie (Dilts et al., 1994).
Übung 37 – Disney-Strategie
Nehmen Sie sich bitte sieben Haftnotizzettel und notieren Sie bitte Folgendes darauf: ideale Lebensgestaltung, Visionär, Realist, Kritiker, kleines Tier, großes Tier und weise Person.
Dann fragen Sie sich bitte, wer in Ihrem Umfeld ein absoluter Visionär ist, dies kann auch ein Träumer oder Künstler sein. Diese Person steht dann für diesen Visionär.
Wer in Ihrem Umfeld ist am ehesten ein Realist?
Wer ist eher der Kritiker? Es kann auch eine bekannte Persönlichkeit sein?
Welches kleines Tier kommt Ihnen spontan in den Sinn, das die Welt ganz klein von unten wahrnimmt?
Welches große Tier fällt Ihnen spontan ein?
Die weise Person hingegen sollte eine fiktive intuitive weise Person sein.
Kleben Sie dann bitte den Haftnotizzettel „ideale Lebensgestaltung“ auf den Boden und mit etwas Abstand die sechs anderen Haftnotizzettel darum herum.
Treten Sie nun bitte auf den Haftnotizzettel „ideale Lebensgestaltung“.
Fühlen Sie sich dort hinein.
Fühlen Sie sich hinein in Ihre zukünftige Lebensgestaltung.
Denken Sie hier groß, wirklich grenzenlos, träumen Sie, alles ist möglich.
Treten Sie dann von diesem Haftnotizzettel herunter auf einen anderen Ihrer Wahl und nehmen Sie dann diese Sichtweise ein und fühlen sich dort hinein.
Auch hier lassen Sie sich voll darauf ein.
Alles ist möglich.
Denken Sie groß und befreit.
Schließen Sie gerne die Augen.
Welchen Rat würde Ihnen diese Person geben zu Ihrer zukünftigen Lebensgestaltung?
Merken Sie sich diesen Rat, treten Sie von dem Haftnotizzettel herunter und schütteln sich einmal kräftig aus.
Wählen Sie jetzt den nächsten Haftnotizzettel und wiederholen den Ablauf, schütteln sich wieder aus, wählen den nächsten und so weiter.
Wenn Sie auf dem Haftnotizzettel „kleines Tier“ stehen, kann es hilfreich sein, in die Hocke zu gehen oder sich auf den Boden zu setzen, um auch körperlich den Blickwinkel von unten einzunehmen.
Bei der Position der „weisen Person“ horchen Sie ganz besonders auf die feinen intuitiven Botschaften, die Sie bekommen.
Wenn Sie alle Positionen durchgespielt haben, schütteln Sie sich final noch einmal aus, und stellen Sie sich bitte wieder wie zu Beginn auf Ihre „ideale Lebensgestaltung“.
Fühlen Sie hier wieder in sich hinein. Wie fühlen Sie sich jetzt nach den Erkenntnissen und Botschaften der anderen Positionen?
Dann bitte nehmen Sie noch einmal der Reihe nach (ohne Ausschütteln) alle Positionen ein und fühlen sich noch einmal in die jeweiligen Positionen hinein.
Stellen Sie sich dann final wieder auf Ihre „ideale Lebensgestaltung“.
Fragen Sie sich hier bitte: Welche Erkenntnisse haben Sie gewinnen können?
Wie wirken sich diese Erkenntnisse auf die Gestaltung Ihres Lebenskompasses aus?
Welche Erkenntnisse möchten Sie in Ihren Lebenskompass übernehmen?
Ergänzen Sie diese jetzt bitte gerne dort.
Haben Sie die Übung beendet? Prima. Dann kann es weiter gehen mit der weiteren Entfaltung Ihrer Kreativität. Viel Spaß dabei.
Übung 38 – Far far away
Stellen Sie sich bitte vor, Sie befinden sich ganz weit weg an einem Urlaubsziel Ihrer Träume. Hier wollten Sie schon immer einmal hin. Sie sind wunderbar gelöst und erholt und denken über Ihren Lebenskompass mit seinen verschiedenen Lebensbereichen nach (INeKO Institut, 2020a).
Aus dieser räumlichen Distanz, was würden Sie jetzt in den einzelnen Lebensbereichen noch verändern wollen?
Gehen Sie gedanklich aus dieser Haltung doch einmal alle Bereiche und die Life Hacks durch und integrieren Sie Ihre Erkenntnisse danach in den jeweiligen Bereichen Ihres Lebenskompasses.
Schweifen Sie bitte anschließend in die Zukunft. Es sind 5 Jahre vergangen. Sie blicken zurück auf den heutigen Tag. Sie sind gerade dabei, sich Ihren neuen Lebenskompass zu gestalten (INeKO Institut, 2020a).
Was raten Sie sich rückblickend selbst?
Was hat sich in den 5 Jahren verändert?
Wie hat sich der Umgang mit Ihrer ADHS in Ihrem Leben verändert?
Wie haben Sie die Life Hacks verinnerlicht?
Wie haben Sie sich eine achtsame Lebenshaltung angeeignet?
Wie haben Sie regelmäßig Ihren Sport in Ihr Leben integriert?
Wie haben Sie das gemacht?
Wie schaut Ihr Leben in 5 Jahren aus?
Was macht Sie glücklich in 5 Jahren?
Was hat Sie in den 5 Jahren beim Managen Ihrer Symptomatik vorangebracht?
Welche Erkenntnisse können Sie bereits heute daraus für sich ziehen für die Gestaltung Ihres Lebenskompasses?
Ergänzen Sie jetzt bitte Ihre Erkenntnisse, die Sie übernehmen möchten, ebenfalls in den jeweiligen Bereichen Ihres Lebenskompasses.
Bitte gehen Sie nun jetzt noch einmal zu den Ergebnissen der Übung zurück, bei der Sie sich Gedanken dazu gemacht haben, was Ihre Freunde Ihnen für Stärken und Talente zusprechen (Übung 26 – Fragen über Fragen an Ihre besten Freunde – was macht Ihre Persönlichkeit aus?).
Übung 39 – Stärken stärken
Finden sich die Stärken und Talente, die sich für Sie stimmig anfühlen, bereits in der Gestaltung Ihrer Lebensbereiche wieder?
Was sind Ihre besonderen ADHS-Stärken, Ihre Superpower?
Was möchten Sie noch in Ihren Lebenskompass übernehmen und stärken?
Reflektieren Sie dies bitte einmal in Ruhe für sich, und nehmen Sie dann bitte noch Ihre Ergänzungen vor.
Gehen Sie dann bitte noch einen Schritt weiter. Schauen Sie bitte zurück auf Ihr Leben, und zwar auf für Sie emotional bedeutsame Situationen in Ihrem Leben. Dies können Situationen sein, in denen Ihre ADHS eine Relevanz hatte, oder andere Situationen, in denen Ihre ADHS weniger relevant war für den damaligen Kontext. Das können positive Erlebnisse sein oder auch herausfordernde:
Welche Menschen waren damals bedeutsam für Sie im Rahmen dieser Situationen?
Was haben diese damals in Ihnen gesehen, welche Stärken und Talente haben Ihnen Menschen aus Ihrem Umfeld zugesprochen?
Wie haben Sie herausfordernde Situationen bewältigen können?
Lassen Sie sich hier bitte in Ruhe Zeit für diese kleine Zeitreise und notieren Sie sich doch bitte daraus abgeleitet Ihre Stärken und Talente.
Finden sich diese bereits wieder in Ihren Lebensbereichen oder inspirieren sie Sie vielleicht jetzt für weitere Ergänzungen, wie Sie diese in den einzelnen Lebensbereichen zukünftig mehr nutzen möchten?
Eine ähnliche Übung wurde Ihnen bereits vorgestellt, um sich selbstwirksam aus Ihren Weltschmerz-Phasen heraus zu begleiten (Übung 5 – Biografischer Lebensverlauf). Falls Sie diese Übung daher bereits für sich gemacht haben, holen Sie diese jetzt gerne einfach noch einmal hervor und stellen Sie sich dann gerne nochmals die obigen Fragen (Hinkelmann, 2016b). Fragen Sie sich bitte zudem auch nochmal ganz spezifisch für den Umgang mit Ihrer ADHS und Ihrer Symptomatik (INeKO Institut, 2020a):
Gab es schon einmal Momente oder sogar längere Zeiträume, wo Ihr Leben mit Ihrer ADHS schon einmal so war, wie Sie es sich gewünscht haben?
Oder besser als heute?
Gab es diese Situationen vielleicht sogar vor Ihrer Diagnose im Erwachsenenalter?
Wie haben Sie das gemacht?
Was war da anders als heute bezüglich Ihrer Symptomatik, wenn Sie sich Ihre verschiedenen Lebensbereiche anschauen?
Wie haben Sie das gemacht?
Was war da anders?
Fragen Sie sich bitte auch hier noch einmal: wer war in den Situationen da?
Was haben hier andere in Ihnen gesehen?
Wie können Sie auch diese Erkenntnisse in Ihren neuen Lebenskompass mit einweben, um sich zukünftig zufriedener und glücklicher zu fühlen?
Nehmen Sie bitte die Ergänzungen Ihrer Erkenntnisse dieser Übung in Ihrem Lebenskompass vor.
Vom Horror-Szenario zu Ihren Bedürfnissen
Erinnern Sie sich bitte an Ihr Horror-Szenario (Übung 19 – Was muss passieren, damit es noch schlimmer wird? Was ist Ihr Horror-Szenario?). Holen Sie sich doch bitte Ihre Notizen dazu auch noch einmal hervor. Sie hatten sich dort notiert, was Sie ganz proaktiv machen müssten, damit es noch schlechter wird in Ihrer Lebensgestaltung als es aktuell ist. Bitte gehen Sie gedanklich doch jetzt noch einmal alle Lebensbereiche durch und stellen sich die gleiche Frage. Denken Sie dabei bitte speziell auch an den Umgang mit Ihrer ADHS und dem Management Ihrer Symptomatik:
Was müssten Sie tun, damit es in diesem Lebensbereich noch schlechter wird?
Bitte lesen Sie noch nicht weiter und machen sich dazu in Ihrem Notizbuch zunächst Ihre Notizen. Wenn Sie fertig sind kommt der nächste Schritt dieser Übung:
Alles was Sie notiert haben, drehen Sie jetzt bitte einmal um ins Positive.
Zum Beispiel wäre „Ich sorge für noch weniger Schlaf in meinem Leben.“ dann positiv gedreht „Ich sorge für ausreichend Schlaf in meinem Leben.“
So erstellen Sie sich für jeden Lebensbereich nochmal Impulse für zukünftige positive Veränderungen.
Achten Sie bitte darauf, hier nur so zu formulieren, dass Sie selbst betroffen sind, denn andere Menschen oder Ihr Umfeld können Sie nicht ändern (INeKO Institut, 2020a).
Wenn Sie damit fertig sind, gleichen Sie diese Impulse doch bitte noch einmal mit Ihren einzelnen Lebensbereichen ab. Übernehmen Sie bitte die Elemente, die Sie dort noch nicht berücksichtigt hatten, die jedoch wichtig für Sie sind, und die Sie zukünftig in Ihr Leben integrieren möchten und die auch voll auf Ihre Top-6-Bedürfnisse einzahlen.
Nehmen Sie sich bitte wieder in Ruhe Zeit dafür, und dann machen Sie sich bitte bereit für die nächste und letzte Übung, bevor Sie Ihren Lebenskompass finalisieren: das Wunder.
Übung 40 – Das Wunder
Jetzt zünden Sie zum Abschluss Ihre Kreativitätsrakete noch einmal so richtig: Angenommen, Sie wachen morgen auf, und es ist ein Wunder geschehen. Das Wunder besteht darin, dass die Herausforderung, (noch) kein zufriedenstellendes Selbst- und Stressmanagement für Ihr Leben mit Ihrer ADHS etabliert zu haben, was Sie dazu motiviert hatte, sich dieses Buch zu kaufen, einfach nicht mehr besteht. Klar hat sich an Ihrer ADHS und Ihrer Symptomatik an sich nichts geändert, doch Ihre Herausforderung, sich ein effizientes Stress- und Selbstmanagement damit zu verinnerlichen, ist auf magische Weise: gelöst. Sie wachen in Ihrem Zuhause auf, in Ihrem Bett, nachdem über Nacht das Wunder geschehen ist:
Woran würden Sie das bemerken?
Woran würde Ihr Umfeld das bemerken?
Was wäre anders in Ihrem Leben?
Was wäre anders im Bereich Freunde und Familie?
Woran würden Ihre Freunde erkennen, dass ein Wunder geschehen ist?
Wo spüren Sie eine Veränderung in der Liebe?
Was ist plötzlich mit Ihrem Stress- und Selbstmanagement passiert, nachdem das Wunder geschehen ist?
Wie managen Sie Ihre Symptomatik?
Was ist jetzt konkret anders?
Wie hat das Wunder sich auf Ihren Beruf ausgewirkt?
Woran erkennen Sie das konkret?
Woran bemerken Sie gesundheitlich und hinsichtlich Ihres Wohlbefindens, dass ein Wunder geschehen ist?
Wie macht sich das genau bemerkbar?
Was ist jetzt anders im Umgang mit Ihrer ADHS?
Wie bemerkt das Ihr Umfeld?
Wie bemerken Sie hinsichtlich Ihrer Freizeitgestaltung, dass ein Wunder geschehen ist?
Woran merken Sie das konkret?
Was hat sich hier verändert?
Was ist jetzt anders in Ihrem Zuhause?
Woran merken Sie dies?
Auch bezüglich Ihrer finanziellen Situation und dem Umgang mit Geld ist ein Wunder geschehen. Woran merken Sie hier, dass sich etwas verändert hat?
Woran würden Sie und Ihr Umfeld das Wunder noch bemerken?
Woran noch?
Fragen Sie sich bitte danach zu Ihren Erkenntnissen, was davon so realistisch ist, und vor allem durch Sie selbst erreichbar, dass Sie es vielleicht jetzt schon umsetzen könnten oder zumindest beginnen könnten, um die Weichen dafür zu stellen (Sydow & Borst, 2018). Behalten Sie dabei bitte immer im Hinterkopf: Sie können nur sich ganz allein ändern, nicht die Menschen um Sie herum, sondern nur Ihre Haltung diesen Menschen gegenüber. Ergänzen Sie Ihre Erkenntnisse dann bitte final in Ihrem Lebenskompass.
Übung 41 – Finalisierung Ihres Lebenskompass mit ADHS
Sie können wirklich stolz auf sich sein, wenn Sie so lange die Konzentration und Aufmerksamkeit gefunden haben und so zielstrebig drangeblieben sind über all Ihre Selbstcoaching-Übungen. Richtig klasse!
Sie haben jetzt Ihren Lebenskompass schon reichlich gefüllt. Sehr gut. Ihre Top-6 Bedürfnisse finden sich in der Mitte, und zu den einzelnen Lebensbereichen haben Sie auch aus den Übungen Ihre Erkenntnisse ergänzt. Sie haben jetzt schon eine gute Idee davon, welche Rollen und Bedürfnisse die verschiedenen Lebensbereiche ausfüllen sollen. Jetzt geht es darum, das Ganze einmal mit dem Helikopterblick von oben zu betrachten und strukturiert final fine zu tunen.
Fragen Sie sich bitte Folgendes dazu:
Ist der Raum, den Sie Ihren Lebensbereichen gegeben haben, für Sie so stimmig oder möchten Sie nochmal eine Veränderung vornehmen und einzelne Lebensbereiche doch noch vergrößern und andere dafür reduzieren?
Möchten Sie vielleicht auch Rollen nochmals stärken, um Ihre Top-6-Bedürfnisse noch mehr zu nähren, und anderen Rollen dafür weniger Bedeutung geben?
Lassen Sie Ihren Kompass noch einmal in Ruhe mit dem Blick von oben auf sich wirken und nehmen Sie dann die entsprechenden Veränderungen vor (Schmid, 1990/2002, o. J.).
Dann schauen Sie sich jetzt im Detail bitte noch einmal jeden einzelnen Lebensbereich an zum Fine Tuning. Fragen Sie sich dazu bitte Folgendes für jeden Lebensbereich sowie auch final die abschließenden Fragen ganz unten. Nehmen Sie bei Bedarf bitte beim Bearbeiten der Übung direkt Ergänzungen in Ihrem Lebenskompass vor, idealerweise jedoch immer mit einem eigenen Haftnotizzettel pro Aktivität oder Ziel.
1. Familie und Freundschaft von 1–10
Hier fallen die Beziehungen und Rollen zu Ihrer Ursprungsfamilie darunter, jedoch gegebenenfalls auch die zu Ihrer aktuellen Familie sowie auch die zu Ihren Freunden.
Wie möchten Sie hier aus Ihren Rollen heraus agieren?
Für was stehen Sie?
Welche Bedürfnisse und Werte sind Ihnen hier wichtig?
Wie steht es um Ihr Bedürfnis nach Nähe, Distanz und Kommunikation?
Wie möchten Sie andere Menschen hier behandeln und wie möchten Sie selbst behandelt werden?
Was muss für den Bereich Familie und Freundschaft erfüllt sein, um jede Woche im Rückblick hier eine 10 vergeben zu können. Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich jetzt ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
2. Liebe und Partnerschaft von 1–10
Dieser Bereich bezieht sich auf die Beziehung(en) und Rollen in Ihrem Liebesleben, egal ob Sie Single sind oder in einer Partnerschaft oder eine anderweitige Beziehungsform leben.
Wie möchten Sie hier aus Ihren Rollen heraus agieren?
Für was stehen Sie?
Welche Bedürfnisse und Werte sind Ihnen hier wichtig?
Wie steht es um Ihr Bedürfnis nach Nähe, Distanz und Kommunikation?
Wie möchten Sie in einer Partnerschaft behandelt werden und wie mit Ihrem Partner umgehen?
Was muss für den Bereich Liebe und Partnerschaft erfüllt sein, um jede Woche im Rückblick hier eine 10 vergeben zu können. Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich Liebe und Partnerschaft jetzt ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
3. Selbst- und Stressmanagement von 1–10
Hier bewerten Sie, wie gut Sie für sich aktuell bereits die Rolle Ihres internen Coaches einnehmen, und für sich selbstfürsorglich ein gutes Selbst- und Stressmanagement anwenden und Ihr Leben konsequent danach gestalten. Hier sollten sich auch die Life Hacks befinden, die Sie sukzessive in Ihr Leben integrieren möchten. Denken Sie daran, wie beschrieben, zunächst nur an Ihren Top-3-Life-Hacks zu arbeiten und dann sukzessive erst an den anderen.
Was muss für den Lebensbereich Selbst- und Stressmanagement erfüllt sein, um jede Woche im Rückblick hier eine 10 vergeben zu können? Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich jetzt ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
4. Beruf(ung) von 1–10
Unter diesen Punkt fällt Ihr aktueller Beruf den Sie ausüben, und die verschiedenen Rollen die Sie hier inne haben.
Wie möchten Sie hier aus Ihren Rollen heraus agieren?
Für was stehen Sie?
Welche Bedürfnisse und Werte sind Ihnen hier wichtig?
Wie möchten Sie andere Menschen behandeln und wie möchten Sie selbst behandelt werden?
Was muss für den Lebensbereich Beruf(ung) erfüllt sein, um jede Woche im Rückblick hier eine 10 vergeben zu können. Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich jetzt ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
5. Gesundheit und Wohlbefinden von 1–10
Dieser Bereich spiegelt wider, wie wohl und gesund Sie sich fühlen und was sie konkret dafür tun. Hier sollten sich auch die Life Hacks zum Thema Gesundheit befinden wie regelmäßiger Sport und tägliche achtsame Entspannungsübungen, die Sie sukzessive in Ihr Leben integrieren möchten, wenn Sie diese nicht bereits schon im Lebensbereich Selbst- und Stressmanagement mit aufgeführt haben.
Was möchten Sie hier ganz konkret für sich umsetzen, um jede Woche in dem Bereich Gesundheit und Wohlbefinden auf eine 10 zu kommen?
Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich jetzt bitte ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
6. Freizeit (Sinnhaftigkeit) von 1–10
Wie zufrieden Sie mit der (sinnvollen) Gestaltung Ihrer Freizeit sind, findet sich in diesem Bereich wieder. Hier finden sich Ihre Rollen, die sich aus Ihrer Freizeitgestaltung ergeben oder auch aus einem Ehrenamt.
Welche Aktivitäten begeistern Sie, die sich hier wiederfinden?
Was sind Ihre Leidenschaften in Ihrer Freizeit?
Gibt es etwas, was Sie gerne neu erfahren möchten wie zum Beispiel einen Kochkurs, ein Instrument lernen oder ähnliches?
Falls Sie Ihre Wohlfühlliste noch nicht in Ihren Lebenskompass integriert haben, lade ich Sie ein, dies jetzt zu tun. Sie werden davon natürlich nie alles auf einmal tun können. Es geht vielmehr darum, hier einen Blumenstrauß an Aktivitäten zu wissen, die Ihnen guttun, und die Sie immer wieder für sich aktiveren können. Vielleicht betreffen diese Wohlfühlaktivitäten auch andere Lebensbereiche. Dann ergänzen Sie diese Elemente aus der Wohlfühlliste bitte einfach jetzt auch noch dort.
Was muss hier erfüllt sein, um jede Woche im Rückblick hier eine 10 vergeben zu können?
Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich Freizeit (Sinnhaftigkeit) ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
7. Wohnung/Zuhause von 1–10
Wie wohl Sie sich in Ihrem aktuellen Zuhaue fühlen, zeigt Ihnen dieser Bereich. Auch Ihre Rollen in diesem Kontext Zuhause finden sich hier wieder.
Was muss hier erfüllt sein, um jede Woche hier eine 10 zu vergeben?
Denken Sie bitte auch hier an Ihre Life Hacks, die sich hier wiederfinden sollten wie zum Beispiel (wenn dies auf Sie zu trifft) eine ruhige Umgebung.
Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich Wohnung/Zuhause ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
8. Geld/Finanzen von 1–10
Den Umgang mit Geld und das Managen Ihrer Finanzen bewerten Sie hier für sich und auch Ihre Rollen in diesem Bereich. Hier sollten sich die Life Hacks zum Thema Finanzen befinden, die Sie sukzessive in Ihr Leben integrieren möchten.
Was muss hier erfüllt sein, um jede Woche im Rückblick hier eine 10 vergeben zu können.
Notieren Sie sich Ihre Ziele für diesen Bereich Geld/Finanzen ganz konkret und SMART mit Haftnotizzetteln.
Stellen Sie sich bitte für jeden Lebensbereich darüber hinaus jeweils auch die folgenden Fragen. Nehmen Sie sich bitte immer nur einen Lebensbereich einzeln, einen nach dem anderen vor. Vielleicht haben Sie sich diese Fragen so noch nie gestellt und bekommen auf diese Weise auch nochmals neue Erkenntnisse und Impulse:
Welche Zahl auf der Skala von 1–10 haben Sie diesem Bereich in Ihrer Standortbestimmung, Ihrem Ist-Bild, ursprünglich gegeben?
Was hat sich bis jetzt für Sie verändert während Ihres Selbstcoachings in diesem Bereich?
Wie würden Sie diesen Bereich jetzt, nach den Übungen in Ihrem Buch und Ihrem jetzigen Entwurf für diesen Lebensbereich, bewerten?
Dies wird nicht für alle Bereiche eine 10 sein oder in Richtung 10 gehen. Die 10 werden Sie oftmals erst noch durch Zwischenziele und -schritte erreichen in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren.
Doch was hat sich hier neben der Integration Ihrer ADHS-Life-Hacks und Ihrer Wohlfühlliste noch konkret verändert, sodass Sie den Bereich jetzt höher bewerten?
Gibt es darüber hinaus noch etwas, was Sie tun könnten, damit es aus Ihrer aktuellen Sicht noch besser würde, sodass Sie den Bereich jetzt gerade noch höher für sich bewerten würden?
Oder ist die Gestaltung so aktuell stimmig für Ihre weitere Lebensplanung?
Welche Konsequenzen hätte es, wenn Sie Ihrem jetzt so stimmigen Gefühl für diesen Lebensbereich weiter Vertrauen schenken?
Achten Sie bitte in jedem Fall darauf, nur aus einer Haltung Ihr Leben zu planen, sodass Sie es so gestalten und Veränderungen initiieren, die ausschließlich Sie selbst vornehmen können. Denn andere Menschen oder Ihr Umfeld können Sie nicht ändern. Sie können nur sich ändern oder Ihre Einstellung: love it, change it or … leave it. Bleiben Sie daher bitte in jedem Falle bei sich bei der neuen Gestaltung Ihres Lebens (INeKO, 2020a; Kogon et al, 2016).
Was Ihnen jedoch dabei helfen könnte, wenn eine Person „xy“ oder Ihr Umfeld „xy“ in einem Lebensbereich Ihnen Stress verursacht, ist sich Folgendes zu fragen (INeKO Institut, 2020a):
Davon ausgehend, Person „xy“ – was nicht in Ihrer Macht steht – hätte sich so verändert, wie Sie sich das wünschen. Was könnten Sie dann tun, was Sie jetzt nicht tun können?
Was fällt Ihnen hier ein?
Das heißt, es wäre eventuell möglich, dass Sie davon schon jetzt Teile dieser Erkenntnisse in Ihren Lebensentwurf mit einbeziehen könnten, die Sie selbst angehen könnten?
Wenn ja, nehmen Sie dies doch bitte noch mit auf.
Prüfen Sie bitte auch noch einmal final für jeden Lebensbereich, ob Ihre neue Lebensgestaltung mit Ihrem Kompass gesamtgesehen wirklich Ihre Top-6-Bedürfnisse dauerhaft nährt und vor allem auch nachhaltig realistisch umsetzbar ist (INeKO Institut, 2020c):
Sind die von Ihnen angestrebten Veränderungen in dem System, dem Umfeld in dem Sie sich befinden und leben, wirklich realistisch möglich?
Wie wirkt sich Ihr neuer Lebenskompass auf Ihr Umfeld aus?
Angenommen, Sie stellen jetzt fest, dass die ein oder andere Wunschvorstellung für die Gestaltung in diesem Lebensbereich aufgrund ihres Umfeldes aktuell leider (noch) nicht möglich ist: Was könnte hier (zunächst) eine 2. Wahl-Alternative sein, die ebenfalls Ihre Top-6-Bedürfnisse nährt, jedoch in Ihrem Umfeld auch nachhaltig umsetzbar ist und für Sie (erstmal) einen gangbaren Weg darstellt? Horchen Sie hier für eine Plan-B-Alternative in sich hinein, die dennoch auf Ihre Bedürfnisse eingeht und notieren Sie sich diese bitte in Ihrem Lebenskompass.
Schauen Sie sich abschließend jeden Lebensbereich und Ihren kompletten Lebenskompass gesamtgesehen von oben dann nochmals an und fühlen Sie in sich hinein, ob sich dieser nun stimmig für Sie anfühlt.
Wenn nein, drehen Sie bitte in jedem Fall nochmals eine Runde. Nehmen Sie die einzelnen Rollen und Bedürfnisse dann nochmals sorgfältig unter die Lupe. Fragen Sie sich „Was brauche ich konkret noch, damit sich dieser Bereich für mich stimmig anfühlt?“. Nehmen Sie auch hier gerne nochmals Ihre bisherigen Notizen als Inspiration zur Hilfe.
Spüren Sie hier vielleicht an der ein oder anderen Stelle, wenn Sie Ihren Lebenskompass von oben betrachten, einen inneren Widerstand oder fühlt sich jetzt etwas unangenehm anders an, dann horchen Sie bitte noch einmal in sich hinein und fragen sich jetzt bitte (INeKO Institut, 2020a):
Was ist die positive Absicht dieses Widerstands?
Könnten Sie dennoch eine Veränderung vornehmen, die jedoch diese positive Absicht beibehält?
Wie könnte diese aussehen?
Was wäre das Schlimmste, das passieren würde, wenn Sie dies einfach einmal versuchen würden?
Was wäre dann weniger, wenn Sie es ausprobieren?
Was wäre dann mehr da?
Schauen Sie sich auch noch einmal Ihr Horror Szenario an (Übung 19 – Was muss passieren, damit es noch schlimmer wird? Was ist Ihr Horror-Szenario?).
Wollen Sie wirklich riskieren, dass es so weit kommt?
Wenn Sie final das Gefühl haben, dass sich alle Lebensbereiche jetzt stimmig für Sie anfühlen, schauen Sie bitte dann noch einmal auf Ihren gesamten Kompass, ob sich dieser ebenfalls stimmig für Sie anfühlt. Und falls es bei der Befriedigung Ihrer wichtigsten sechs Bedürfnisse immer noch haken sollte, dann drehen Sie final einfach noch einmal eine Schleife durch die Lebensbereiche, und zwar so lange, bis sich alles stimmig für Sie anfühlt bezüglich Ihres neuen Lebenskompasses (Kogon et al, 2016; Schmid, 1990/2002, o. J.). Einen gefüllten Kompass als fiktive Beispielabbildung finden Sie auch in Abb. 2.4.
Abb. 2.4
Fiktive Beispielabbildung für einen Lebenskompass mit ADHS. (Eigene Darstellung 2023)
Wenn dem final so ist, haben Sie wirklich guten Grund, richtig stolz auf sich zu sein. Sie haben schon so viel für sich geschafft mit Ihrem Selbstcoaching. Richtig gut! Bleiben Sie jetzt so selbstwirksam für sich dran, denn jetzt gehen Sie in die Umsetzung. Etablieren Sie für sich jetzt ein konsequentes Selbstmanagement, um Ihren Lebenskompass im Alltag erfüllt zu leben und zu verinnerlichen. Sie stärken so Ihre Resilienz, Ihre Selbstwirksamkeit, und kreieren sich so ein bedürfnisorientiertes, zufriedenes Leben mit möglichst vielen Glücksmomenten. So steigern Sie jetzt Ihre Lebensqualität mit Ihrer ADHS und zünden Ihre Superpower. Los geht’s!
2.6 Selbstmanagement mit Ihrer ADHS – so bleiben Sie auf Kurs
Sie haben wirklich schon eine ganze Menge geschafft auf dem Weg zu mehr Lebensqualität mit Ihrer ADHS. Ihr Lebenskompass ist erstellt. Klasse.Jetzt geht es darum, ihn richtig anzuwenden und ihn so Schritt für Schritt für Ihre neue bedürfnisorientierte Lebensgestaltung zu verinnerlichen. So kann er Sie zukünftig bei Sonnenschein und auch bei Sturm und Regen über Ihr Meer des Lebens steuern. Und das Schritt für Schritt.
2.6.1 Realistische Zwischenziele definieren und priorisieren
Ihr Zauberwort dazu heißt, wie schon in den ADHS-Life-Hacks erwähnt: Zwischenziele, Zwischenziele und … Zwischenziele – und leider nicht Spontanheilung à la „ich setze alle Veränderungen sofort um und das gleich und das natürlich auch noch super perfekt“ oder aber „oh nein, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, ich will ja so viel auf einmal verändern und bin völlig überfordert“.
Eine enge Freundschaft mit Zwischenzielen mit klaren Teilschritten aufzubauen, ist daher jetzt sehr wichtig, damit Sie für sich Ihren Kompass und so Ihr individuelles Stress- und Selbstmanagement verinnerlichen. Nur so erreichen Sie Ihr langfristiges Ziel, mit Ihrem Lebenskompass rückblickend jede Woche in Richtung 10 von 10 Wohlfühl-Punkten mit Ihrer Lebensgestaltung mit ADHS zu kommen: Schritt für Schritt mit Selbstdisziplin und dranbleiben.
Übung 42 – Zwischenziele
Damit das gelingt, definieren Sie sich in dieser Übung für Ihre einzelnen Lebensbereiche bitte noch dort realistische, umsetzbare Zwischenziele für Ihren Alltag, wo das jeweilige Ziel ohne diese Zwischenziele nicht innerhalb der kommenden Wochenplanung erreichbar ist. Wenn Sie das erledigt haben, geht es dann darum, klar zu priorisieren, was Sie als erstes, als wichtigste Hebel an Routinen in Ihren Alltag übernehmen möchten.
Doch identifizieren Sie jetzt bitte zunächst erst einmal, für welche Ziele Sie noch Zwischenziele benötigen. Gehen Sie dazu bitte Lebensbereich für Lebensbereich durch. Fragen Sie sich dazu für jeden Lebensbereich bitte zu den SMARTen Zielen, die Sie sich im letzten Kapitel gesetzt haben (INeKO Institut, 2020a):
Läuft hier schon jetzt alles so rund wie ich mir das wünsche, oder ist hier noch Luft nach oben auf einer Skala von 1–10 und 10 steht für „So soll es idealerweise sein, so wünsche ich mir das.“?
Wenn noch Luft nach oben ist, wo stehen Sie jetzt auf der Skala statt auf 10?
Ist Ihre aktuelle Einschätzung zum Beispiel eher bei 3, und Sie halten es für unrealistisch innerhalb einer Woche hier auf eine 10 zu kommen, dann fragen Sie sich bitte, ob hier jeweils noch Teilschritte als Zwischenziele hilfreich und nötig sind.
Formulieren Sie diese dann bitte ebenfalls SMART. Stellen Sie sich dazu vielleicht folgende Fragen:
Was könnte für die kommende Wochenplanung ein erster Schritt sein, um dies in Ihrem neuen Leben zu einem festen Bestandteil zu machen?
War es schon einmal von Ihnen höher bewertet in der Vergangenheit?
Was war da anders?
Wenn Sie am Ende der Woche ein wenig höher wären auf der Skala oder Sie hätten sogar schon eine volle 10 von 10 Punkten, was hätten Sie dann anders gemacht?
Woran würden Sie am Ende jeder Woche, wenn Sie zurückblicken, erkennen, dass Sie sich der 10 erfolgreich genähert haben?
Was oder wen benötigen Sie, um Ihr Ziel zu erreichen?
Reflektieren Sie Ihre Erkenntnisse dazu bitte als konkrete Handlung(en), die Sie als Zwischenziele sukzessive vornehmen möchten, um hier Schritt für Schritt in Richtung einer 10 zu kommen.
Notieren Sie diese Handlungen auf einen Haftnotizzettel unter das jeweilige Ziel.
Ihre Ziele und Zwischenziele sollten durchweg positiv formuliert sein und SMART, um erreichbar und überprüfbar zu sein, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein (BWL-Lexikon.de, o. J.)
Fühlt sich der Lebensbereich, den Sie betrachtet haben, so stimmig an, dann gehen Sie bitte so mit jedem weiteren Lebensbereich vor.
Wenn Sie final mit allen Lebensbereichen durch sind, und alle relevanten Handlungen als Zwischenziele definiert haben, dann legen Sie sich bitte doch noch einmal die Hand aufs Herz und schauen noch einmal aus der Vogelperspektive auf Ihren Kompass und was Sie sich insgesamt über alle Lebensbereiche vorgenommen haben. Denn Sie wissen ja, ADHSler sind sehr kreativ und sprudeln oft nur so vor Ideen und Wünschen und Zielen und da kann es schon einmal vorkommen, dass man sich verzettelt.
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Ihren Lebenskompass mit Ihren Zielen und Zwischenzielen nun betrachten?
Fühlen Sie sich wohl mit Ihrer Gestaltung und Ihren Zielen?
Haben Sie sich vielleicht zu viel vorgenommen?
Löst der Gedanke, das alles umzusetzen, Motivation, Vorfreude und Wohlbefinden in Ihnen aus?
Oder löst Ihre Planung Stress in Ihnen aus?
Könnten Sie sich auf den ersten Blick gesehen vielleicht doch viel zu viel vorgenommen haben?
Das heißt nicht, dass Ihr Kompass so nicht stimmig ist. Jetzt ist bei der Umsetzung nur Obacht geboten, dass Sie sich konsequent jede Woche nur so viele neuen Routinen in Ihr Leben integrieren, dass Ihre Wochenplanung realistisch machbar ist und sich für Sie angenehm und motivierend anfühlt. Dabei ist Ihre regelmäßige Wochenplanung und Ihr Wochenrückblick mit Ihrem Kompass als Indikator, wo Sie aktuell stehen, ganz essenziell für Ihr Selbstmanagement. Dem widmen wir uns im Folgenden. (Kogon et al, 2016; Schmid, 1990/2002, o. J.).
2.6.2 Dranbleiben mit Ihrem wöchentlichen Lebenskompass-Check
Sie nutzen dazu einfach den Termin, den Sie sich für Ihre Wochenplanung bereits im Kalender als Serientermin eingestellt haben, und werfen in diesem Termin genau wie oben beschrieben jede Woche auch einen Blick auf Ihre Lebensbereiche im Kompass. So checken Sie Ihre Fortschritte, ob Sie Ihre anvisierten Ziele oder Teilziele für diese Woche erreicht haben. Sie sehen auch, wenn Sie etwas nicht erreicht haben und wo es noch hakt und wo Sie nochmal Anpassungen vornehmen sollten (Kogon et al, 2016).
Übung 43 – wöchentlicher Lebenskompass-Check
Dies ist dann kein Beinbruch, denn ein gesundes Selbst- und Stressmanagement mit Ihrem Lebenskompass ist ein längerer Prozess. Fragen Sie sich dann bitte (INeKO, 2020a):
Was hat gefehlt, um auf eine 10 zu kommen oder um Ihr Zwischenziel zu erreichen?
Was können Sie daraus für die Planung der kommenden Woche mitnehmen?
Welche Top-6-Bedürfnisse wurden frustriert und wollen kommende Woche mehr genährt werden?
Was sollten Sie weniger tun?
Was mehr?
Was brauchen Sie noch dazu?
Wen brauchen Sie darüber hinaus noch dazu?
Seien Sie bitte milde mit sich und wertschätzen Sie sich für das, was Sie schon geschafft haben. Sie setzen sich dann bitte für die Folgewoche einfach wieder neue, eventuell adaptierte realistische Ziele für Ihre Wochenplanungundübernehmen diese in Ihre Prio-B-To-do-Liste und Ihren Kalender. So bringen Sie Ihren Kompass Schritt für Schritt in Richtung 10 von 10 Punkten in Ihren Lebensbereichen. Bleiben Sie dran für sich!
Denken Sie jedoch bitte daran, dass Sie bereits schon an Ihren maximal 3 Life Hacks, Ihrer gewählten achtsamen Entspannungstechnik und dem für Sie stimmigen Sport für die Verbesserung Ihrer ADHS-Symptomatik arbeiten möchten, wie im ersten Teil des Buches definiert. Ich empfehle Ihnen darüber hinaus daher zunächst maximal an 3 weiteren Zielenoder Zwischenzielenüber all Ihre Lebensbereiche hinweg zu arbeiten, bis Sie ein Gefühl dafür bekommen haben, wie viel Veränderung pro Woche für Sie realistisch zu verinnerlichen ist.
Vielleicht sind das bei Ihnen nur insgesamt 3 Ziele pro Woche, vielleicht jedoch auch 5. Jeder Mensch ist da sehr individuell. Finden Sie für sich hier mit der Zeit den stimmigen Mix heraus. Und erst wenn ein Ziel für Sie davon auch erreicht ist, dann nehmen Sie sich aus Ihrem Kompass bitte ein neues Ziel vor, das Sie umsetzen möchten. Denn gut Ding will Weile haben. Sie werden Ihr Leben nicht von heute auf morgen komplett umkrempeln können. Planen Sie Ihre Wochen in jedem Falle so, dass Sie immer noch genug Puffer, Zeit für sich, Zeit zum „nichts tun“ und auch Flexibilität einplanen. All Ihre Lebensbereiche und Ziele und Zwischenziele bedürfnisorientiert in Richtung einer 10 zu bekommen, wird ein längerer Prozess von Wochen und Monaten, vielleicht sogar Jahren sein. Sie schaffen das, nur eben nicht alles auf einmal.
Planen Sie also bitte zunächst Ihre Top-3-Life-Hacks, Ihre achtsame Entspannungstechnik, Ihren Sport und maximal 3 weitere (Zwischen-)Ziele in Ihre Prio-B-To-do-Liste und in Ihre Wochenplanung in Ihren Kalender ein, und setzen Sie sich dafür bitte auch immer eine Erinnerung. Markieren Sie sich diese Ziele oder Zwischenziele, die Sie in dieser Woche erreichen möchten, mitzum Beispiel kleinen Haken daneben in Ihrem Lebenskompass, und schreiben Sie sich auf der Skala von 1–10 auf, wo Sie zu Beginn der Woche stehen und am Ende der Woche, wo Sie rückblickend jetzt stehen.
Sie sollten diese Wochenreflexion jede Woche einplanen, bis Sie an all Ihren noch offenen (Zwischen-)Zielen in Ihrem Kompass gearbeitet haben und das Gefühl haben, Sie können sich im Wochenrückblick überwiegend in Richtung 10 von 10 Punkte für alle einzelnen Lebensbereiche einschätzen, was die Erfüllung Ihrer Top-6-Bedürfnisse angeht. Doch auch hier seien Sie bitte geduldig. Betrachten Sie das Ganze als Lern- und Reflexionsprozess für sich, um sich besser kennenzulernen. Und dieser kann einige Wochen oder sogar Monate bis Jahre dauern.
2.6.3 Identifizieren Sie Ihre Leuchttürme, die Sie auch in stürmischen Zeiten leiten
Auf dem Weg dahin wird Ihnen von Woche zu Woche mehr auffallen, wo Sie in Ihrem Kompass in jedem Falle auf eine 10 kommen sollten, damit Ihre wichtigsten Bedürfnisse genährt werden und Sie sich so in Ihrer Mitte und kraftvoll fühlen. Es müssen nicht immer alle Themen eines Lebensbereiches sein, die eine 10 erreichen sollten. Es werden sich vielmehr die wichtigsten Elemente für Sie herauskristallisieren, die Ihre wichtigsten Eckpfeiler in Ihrem Lebenskompass für mehr Lebensqualität mit Ihrer ADHS darstellen.
Das sind Ihre ganz persönlichen Leuchttürmeauf Ihrer Reise zu mehr Lebensqualität. Ihre Wohlfühlpfeiler in den einzelnen Bereichen, die Sie in jedem Falle jede Woche aufs Neue in Richtung einer 10 bewegen und nähren sollten.
Übung 44 – Identifikation Ihrer Leuchttürme durch Wohlfühlpfeiler in Ihrem Leben
Markieren Sie sich diese bitte besonders, vielleicht mit einem Stern. Denn sollte es einmal wieder eine Krise in Ihrem Leben geben, dann haben Sie schon einmal einen guten Wegweiser, dass diese mit einem Stern markierten Elemente Ihres Lebenskompasses die wichtigsten sind, die Sie jetzt am schnellsten wieder auf Kurs mit 10 Punkten bekommen sollten, um so Ihren Akku an Bedürfnisbefriedigung wieder aufzuladen.
Die mit einem Stern markierten Elemente könnten zum Beispiel so aussehen:
Wohlfühlpfeiler (Beispiele):
Life Hack Mind-Body-Check + ALI + Wohlfühlliste
Life Hack ABC-Prioritäten To-do-Liste
Life Hack Wochen-/und Jahresplan
mindestens 7 h schlafen
Zeit nur für mich einplanen 1 Abend pro Woche
Abends offline sein ab 20 Uhr
30 min Mittagspause einhalten
morgens + nachmittags 10 min Pause
meditieren jeden Tag (zunächst 7 min)
Yoga 1 × pro Woche 1 h
Schwimmen 2 × pro Woche 30 min
Einen fiktiven, final gefüllten Kompass als Beispiel mit markierten Leuchttürmen als Wohlfühlpfeiler finden Sie auch in Abb. 2.5.
Abb. 2.5
Fiktive Beispielabbildung für einen Lebenskompass mit ADHS. (Eigene Darstellung 2023)
Wenn Sie Ihre Wohlfühlpfeiler für sich herauskristallisiert haben nach einiger Zeit, und in Ihr Leben integriert haben, dann ist das ein Riesenschritt, den Sie gemacht haben. Sie haben dann nicht nur Ihren Lebenskompass fine getuned, sondern Sie haben auch sehr gut für sich erspürt, welche Wohlfühlpfeiler aus Ihrem Lebenskompass Sie in Krisenzeiten als erstes wieder für sich aktivieren sollten, um sich wieder zufriedener und glücklicher zu fühlen. Sie haben dann idealerweise sich und Ihre Bedürfnisse im Leben jetzt viel besser kennengelernt als noch vor dem Start Ihres Selbstcoachings und spüren diese jetzt und leben danach. Dies können Sie wirklich feiern!
Denn wenn Sie dies erreicht haben über mehrere Wochen und Monate, dann reflektieren Sie Ihren Lebenskompass, wenn Sie möchten, nur noch alle 2 Wochen. Wenn Sie merken, das reicht auch und Sie sind stabil in Richtung einer 10 in allen Lebensbereichen unterwegs, dann irgendwann nur noch alle 4 Wochen. Wenn Sie jedoch hingegen merken, Sie schlittern in eine Krise, dann erhöhen Sie bitte die Taktung wieder auf einmal pro Woche. Setzen Sie sich auch hier bitte einen entsprechenden Serientermin in Ihren Kalender mit Erinnerungsfunktion. So erspüren Sie immer wieder sukzessive neu, was Sie wirklich aktuell brauchen und wie Sie Ihr Leben selbstwirksam gestalten müssen, um glücklich zu leben mit Ihrer ADHS.
Und da das Leben immer im Fluss ist, wird sich Ihr Kompass natürlich auch verändern. Die Bedeutung von Lebensbereichen, Bedürfnissen und Rollen ist im stetigen Wandel. Durch den fortwährenden regelmäßigen Check, ob Ihr Kompass zum einen noch stimmig ist mit Ihren Top-6-Bedürfnissen in der Mitte und zum anderen, ob Sie ihn auch in Richtung 10 von 10 Punkten umsetzen, behalten Sie so auch in Phasen der Veränderung das Steuer für Ihr Leben mit Ihrer ADHS mit innerer Sicherheit in der Hand. Denn Sie lernen Ihre Symptomatik durch die regelmäßigen Checks immer besser in Schach zu halten.
2.6.4 Ihre Jahresplanung als hilfreicher Überblick
Unterstützen kann Sie dabei zudem ergänzend noch Ihre Jahresplanung, die Sie bereits im Abschn. 1.5.5.3 mit den Life Hacks kennengelernt haben.
Übung 45 – Ihre Jahresplanung
Nutzen Sie parallel idealerweise auch Ihre Jahresplanung, die Sie in dem Abschnitt Life Hacks beschriebenen Jahreskalender und in Ihrem Handy Kalender vornehmen (Übung 7). Hier hatten Sie bereits Geburtstage, fixe Termine wie Konzerte, Urlaub oder Wochenendtrips eingeplant. Denn Sie werden durch die Reflexion Ihrer Wochenplanungen auch ein feineres Gespür dafür bekommen, wie häufig Sie unterwegs sein möchten oder sich am Wochenende verplanen möchten und wie häufig Sie zu Hause sein möchten, damit Sie sich wohlfühlen. Auch für Ihre Urlaubsplanung werden Sie womöglich ein anderes Gespür bekommen. Vielleicht waren Sie bisher jedes 2. Wochenende unterwegs und rastlos getrieben davon, etwas Spannendes verpassen zu können. Sie haben so Ihr Bedürfnis nach neuen Erfahrungen genährt, und spüren nun jedoch, dass dies leider immer wieder mit Ihrem Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung kollidiert. Daher nehmen Sie sich jetzt vielleicht vor, nur noch 1× pro Monat wegzufahren und auch Ihren Urlaub generell ruhiger und für Sie bedürfnisorientierter zu gestalten, statt jedes Mal eine gefühlte Alpenüberquerung zu planen oder mit dem Auto vollgepackt mit der ganzen Familie nachts bis nach Spanien zu fahren. Oder aber Sie haben festgestellt, dass Ihr Bedürfnis nach neuen Erlebnissen und Abenteuer bisher viel zu wenig genährt wurde und Sie planen daher einfach einmal eine Rucksacktour durch Asien ein oder mieten für die Familie ein Wohnmobil und machen damit Urlaub entlang der französischen Atlantikküste, statt wie immer nach Holland in den gleichen Bungalowpark zu fahren (Kogon et al, 2016).
2.6.5 Gestaltung Ihres Lebenskompass mit ADHS als kreative Visionstapete
Wenn Sie kreativ veranlagt sind – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, denn Sie haben ADHS – kann es auch sehr hilfreich und bereichernd sein, Ihren Lebenskompass gestalterisch als Visionstapete zu visualisieren. Wenn Sie dies anspricht und Sie über die Erstellung Ihres Lebenskompass hinaus noch Lust haben auf einen kreativen Prozess: los geht’s! Wenn nicht, dann lade ich Sie ein, einfach nur die Visualisierungsübung, wie im Folgenden beschrieben, für sich zu machen.
Übung 46 – Ihre Visionstapete
Sammeln Sie für Ihre Visionstapete zunächst einen Stapel Zeitschriften, und nehmen Sie sich Kleber und Schere und ein Din-A3-Tonpapier oder Flipchart. Zeichnen Sie wie für Ihren Lebenskompass einen Bereich in der Mitte für Ihre Top-6-Bedürfnisse und darum herum die Lebensbereiche mit dem entsprechenden Platzanteil, den Sie diesen gegeben haben.
Legen Sie sich Ihren Lebenskompass am besten direkt daneben oder hängen Sie ihn in Sichtweite auf. Schaffen Sie sich eine Wohlfühlatmosphäre und nehmen Sie eine entspannte Haltung ein. Visualisieren Sie vor Ihrem inneren Auge, wie es sich anfühlt, wenn Sie Ihren Kompass mit vollen 10 von 10 Punkten umgesetzt haben (INeKO Institut, 2020a).
Wie fühlt sich das an?
Was sehen Sie?
Was hören Sie?
Wie fühlen Sie sich?
Was riechen und schmecken Sie?
Schweifen Sie durch Ihre einzelnen Lebensbereiche und tauchen Sie ein in dieses neue Leben mit der Lebensqualität mit ihrer ADHS, wie Sie es sich von Herzen wünschen und so, wie es Ihren Bedürfnissen entspricht. Schwelgen Sie eine Weile in diesem Zustand und kommen dann langsam wieder im Hier und Jetzt an.
Und nun geht es los mit Ihrer Visionstapete:
Schneiden oder reißen Sie intuitiv alle Bilder, Wörter, alles was Ihnen gefällt aus den Zeitschriften aus und visualisieren so Ihren Lebenskompass kreativ in Bildern in einer Collage.
Vertrauen Sie hier Ihrer Intuition und Kreativität.
Hängen Sie den Kompass und auch Ihre Visionstapete gut sichtbar in Ihrer Wohnung auf, sodass Sie sie täglich immer wieder wahrnehmen.
Sie nutzen so den Effekt, sich zu primen, das heißt, Ihre unbewusste Wahrnehmung beeinflusst Ihre nachfolgenden Wahrnehmungen, Gedanken und Entscheidungen.
Sie kennen dies sicher aus der Werbung oder Product Placements von Markenartikeln in Filmen oder von der Eiswerbung im Kino, bevor dann in der Tat der Eismann durch die Gänge läuft und Eis verkauft. Dies können Sie sehr gut für sich nutzen, um sich selbst positiv zu beeinflussen, Ihren neuen Lebenskompass mit ADHS zu verinnerlichen und so Schritt für Schritt dranzubleiben und umzusetzen in Richtung von 10 von 10 Punkten (NLP-Zentrum Berlin, o. J.). Eine Visionstapete als Beispiel finden Sie auch in Abb. 2.6.
Abb. 2.6
Fiktive Beispielabbildung für eine Visionstapete. (Eigene Darstellung 2023)
Übung 47 – Ihr Selbstcoaching 2.0
Den Selbstcoaching-Prozess in diesem Buch macht man in der Regel nicht nur einmal, denn eine zufriedene und glückliche Lebensgestaltung mit ADHS erfordert lebenslange Selbstdisziplin und dranzubleiben.
Sie wiederholen Ihr Selbstcoaching idealerweise regelmäßig, um so immer wieder den Kompass Ihres Lebens für sich neu auszurichten und sich so selbstwirksam und effizient durch Ihr Leben zu steuern. Das Ziel hier ist es nicht einen völlig fixen Endpunkt mit Endergebnis zu erreichen, sondern Ihre Resilienz, Ihre psychische Widerstandskraft, so zu stärken, dass Sie im Auf und Ab des Lebens Ihr Boot sicher durch das Auf und Ab der Wellen auf dem Meer steuern. Empfehlenswert wäre, sich einmal im Jahr, vielleicht passend zum Jahreswechsel, ausreichend Zeit dafür nur für sich einzuplanen. Setzen Sie sich auch hier vielleicht einen Serientermin zur Erinnerung in Ihren Kalender.
Denn in einem Jahr kann viel passieren. Viel kann sich wandeln und verändern. Vielleicht haben Sie einen neuen Job, einen neuen Partner oder eine Trennung oder einen Verlust hinter sich. Vielleicht sind die Kinder jetzt immer mehr aus dem Haus oder Sie haben welche bekommen. Dies hat auch einen Einfluss auf Ihre aktuellen Bedürfnisse. Nehmen Sie sich doch dann einfach nochmal dieses Buch zur Hand für Ihren Tapetenwechsel für die Seele 2.0. Ihr Selbstcoaching-Prozess beginnt dann wieder von vorn. Sie checken so, ob Ihr Kompass noch stimmig für Sie ist oder adaptiert werden muss.
Sie sind jetzt schon geübt darin, und aktualisieren so einfach Ihren bestehenden Lebenskompass für Ihre derzeitige Lebenssituation hinsichtlich Ihrer aktuellen Top-6-Bedürfnisse und deren Umsetzung in den einzelnen Lebensbereichen. So bleiben Sie fortlaufend für sich im Flow und gleichzeitig in Balance für eine stimmige Gestaltung Ihres Lebens, das im stetigen Wandel ist.
Natürlich können Sie Ihren Tapetenwechsel für die Seele 2.0 auch wieder mit dem kreativen Teil Ihrer Visionstapete kombinieren und diese ebenfalls aktualisieren oder sogar gänzlich neu erstellen. Lassen Sie Ihrer Kreativität hier freien Lauf.
Seien Sie, vor allem in Zeiten einer Krise oder wenn alles einmal wieder droht aus dem Ruder zu laufen, bitte milde mit sich. Diese Phasen gehören zum Leben und es sind Phasen. Und das Gute ist: Phasen gehen vorbei. Denken Sie dann an Ihre Leuchttürme in Ihrem Kompass, Ihre Wohlfühlpfeiler, die Sie sich markiert haben, und konzentrieren Sie sich zunächst fokussiert auf diese, um so auf Kurs zu bleiben. Der Grand Canyon ist auch nicht in drei Wochen entstanden. Auch unser Gehirn und das Verinnerlichen von Gewohnheiten benötigt einfach Zeit, Übung und Wiederholung. Schauen Sie sich bei Bedarf auch noch einmal Ihr Horror-Szenario an und fragen sich, ob Sie wirklich wollen, dass es so kommt (Übung 19).
Übung 48 – Dranbleiben
Wenn Sie einen Widerstand spüren, Ihren Kompass wöchentlich zu checken und so sukzessive umzusetzen, fragen Sie sich bitte (INeKO Institut, 2020a):
Was ist die positive Absicht hinter diesem Widerstand?
Was wäre dann weniger da, wenn Sie Ihren Kompass jetzt beginnen, konsequent umzusetzen?
Wie können Sie genau dies dennoch beibehalten, indem Sie Ihren Kompass jetzt beginnen beharrlich umzusetzen?
Wie können Sie diese positive Absicht in Ihre Lebensgestaltung mit Ihrem neuen Lebenskompass übernehmen?
Justieren Sie Ihren Kompass dann gegebenenfalls nochmal. Alternativ oder ergänzend können Sie sich auch Unterstützung durch Ihren Partner oder einen guten Freund suchen, der Sie wohlwollend auf Ihrem Weg des Selbstcoachings mit Ihrem Lebenskompass unterstützt und dieses Buch zusammen mit Ihnen durcharbeitet.
Zufriedenheit mit Ihrem Selbstcoaching
Sie befinden sich jetzt am Ende Ihres Selbstcoaching-Prozesses. Erinnern Sie sich bitte jetzt eingangs an die Frage, was die Erwartungshaltung an Ihr angeleitetes Selbstcoaching in diesem Buch ist, wenn Sie es final durchgearbeitet haben.
Übung 49 – Zufriedenheit mit Ihrem Selbstcoaching
Schauen Sie doch bitte noch einmal in Ihre Notizen zur Übung 17, der Erwartungshaltung an Ihr Selbstcoaching in diesem Buch.
Wurde Ihre Erwartungshaltung erfüllt?
Was waren besonders wichtige Erkenntnisse für Sie?
Sie hatten zudem auf einer Skala von 0–10, wobei 0 für absolute Unzufriedenheit steht und die 10 für völlige Zufriedenheit, in Übung 18 bewertet, wie zufrieden auf dieser Skala Sie zu Beginn Ihres Selbstcoaching-Prozesses mit Ihrem Selbst- und Stressmanagement mit Ihrer ADHS in Ihrem Leben waren. Schauen Sie auch hier bitte noch einmal in Ihren Notizen nach (INeKO Institut, 2020a).
Wo würden Sie sich heute auf dieser Skala nach der Erstellung Ihres Lebenskompasses mit ADHS und Ihrer Visionstapete einschätzen?
Was waren besonders wichtige Erkenntnisse für Sie für diese Entwicklung?
Bitte notieren Sie sich diese.
Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich für Ihr Vertrauen und hoffe, Sie haben sich wohl gefühlt und gut begleitet durch dieses Buch, auf Ihrem ganz individuellen Weg des Selbstcoachings zu mehr Lebensqualität mit Ihrer ADHS. Wenn Sie dennoch einmal das Gefühl haben sollten, Sie kommen alleine nicht weiter mit Ihrem Selbstcoaching, es hakt irgendwie und Sie treten auf der Stelle, und auch gute Freunde, der Partner oder Kollegen als Motivatoren und Sparrings-Partner stoßen an ihre Grenzen, Sie zum täglichen und wöchentlichen Dranbleiben zu motivieren, dann begleite ich Sie gerne auch durch 1:1-Coachings weiter. Sie haben alternativ auch die Möglichkeit, Ihren kompletten Selbstcoaching-Prozess in diesem Buch begleitet durch 1:1-Coachings mit mir vorzunehmen über einen längeren Zeitraum, wenn Ihnen dies alleine zu viel erscheint für sich. Mein aktuelles Angebot dazu finden Sie auf meiner Website www.tapetenwechsel.me. Ich unterstütze Sie sehr gerne online oder persönlich weiter auf Ihrem Weg im Umgang mit Ihrem Selbst- und Stressmanagement mit Ihrer ADHS. Denn manchmal hat man einfach selbst blinde Flecke oder Blockaden, die man ganz alleine für sich in einem Selbstcoaching nicht lösen kann, und die so die eigene Entwicklung und das Vorankommen behindern.
Vielleicht haben Sie jedoch auch zu einschränkende ADHS-Symptome, um Ihr Selbstcoaching in diesem Buch selbstständig diszipliniert durchzuführen und dranzubleiben. Oder Sie haben bis heute negative Erfahrungen durch Ihre ADHS-Symptomatik gemacht, die Ihr Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein sehr beeinträchtig haben, und Ihnen mangelt es deswegen noch an Mut zu Veränderungen, Ihr Leben inspiriert durch dieses Buch bedürfnisorientiert zu gestalten. In diesen Fällen kann zunächst eine Psychotherapie für Sie empfehlenswert sein, und nochmal zu überdenken, ob eine (temporäre) medikamentöse Therapie Ihrer ADHS eine Möglichkeit für Sie darstellen könnte.
Stellen Sie sich bitte einmal vor, alle Menschen, die gesund sind und ohne ADHS leben, sind von Natur aus mit einem E-Bike ausgestattet, dessen Akku sich immer wieder automatisch auflädt und sich so niemals entleert. Sie nehmen so Täler und Höhen immer mit links. ADHS-Betroffene haben leider keine E-Bike-Ausstattung von der Natur bekommen, bei der sich ihr Akku immer automatisch von alleine wieder auflädt. Die gleiche Strecke am Tag zu bewältigen wie die anderen kostet sie so Unmengen mehr an Energie und Kraft. Sie können dies kompensieren, indem Sie hart trainieren jeden Tag, und sich ein gutes Selbst- und Stressmanagement mit Ihrer ADHS aneignen, und sich zudem ihr Leben bedürfnisorientiert gestalten. Sie fahren dann vielleicht überwiegend liebe flache Strecken statt rauf und runter, oder sie finden ganz neue Wege für sich. Medikamente können in dieser Zeit des Trainings wie ein nachgerüsteter Akku für Ihr Fahrrad wirken, der sich dann auch automatisch immer wieder auflädt. Sie sind dann so auch eine Zeit lang als immer aufgeladenes E-Bike unterwegs und haben so mehr Kraft und Energie, sich ein neues gesundes Selbst- und Stressmanagement überhaupt erst anzueignen und dafür die nötigen Veränderungen in Ihrem Leben vorzunehmen. Wenn Medikamente bei Ihnen wirken, was nicht immer der Fall ist, und Sie sie gut vertragen, dann kann dies eine enorme Unterstützung auf Ihrem Weg sein. Wenn Medikamente nicht wirken, oder Sie die Einnahme ablehnen, was ebenso völlig verständlich ist, dann kann es sein, dass Ihr Training eben einfach länger dauert und sehr viel mehr Anstrengung für Sie erfordert. Doch auch das gleiche Ergebnis kann so möglich sein. Wichtig ist in jedem Falle, dass Sie dranbleiben mit Ihrem Selbstcoaching.