Die STIKO wird vom Bundesgesundheitsministerium berufen und vom Robert Koch Institut in ihrer unabhängigen Arbeit unterstützt. Am Ende der Arbeit steht eine Impfempfehlung – oder eben nicht. Quelle: www.stiko.de
Nein, sonst wären sie nicht von der Zulassungsbehörde zugelassen. Wenn eine Impfung nicht empfohlen ist, kann das mehrere Gründe haben: Die STIKO kam noch nicht dazu, sich damit zu beschäftigen. Da sie evidenzbasiert arbeitet und das sehr aufwendig ist, kann nicht alles gleichzeitig entschieden werden. Oder: Es liegen aus Sicht der STIKO noch nicht ausreichend Daten vor, sodass sie noch keine Entscheidung treffen kann oder will. Das ist der Vor- und gleichzeitig Nachteil der Evidenzbasierung: Um auf der Grundlage von Daten zu entscheiden, muss es diese erst mal geben, und zwar in ausreichender Menge und Qualität.
Oder: Die STIKO spricht sich gegen eine Impfung als Standardimpfung aus: Diese Impfungen sind dann nur für bestimmte Gruppen relevant oder nur bei bestimmten erhöhten Risiken.
Die Impfempfehlungen der STIKO gelten in Deutschland als medizinischer Standard – auch vor Gericht (siehe > f.). Warum gibt es dann in anderen Ländern ganz andere Impfempfehlungen? In den meisten Ländern gibt es unabhängige Kommissionen, die die Impfempfehlungen erarbeiten – wie in Deutschland die STIKO. Die Expertengruppen arbeiten nach Regeln, die die Weltgesundheitsorganisation mit den Ländern abgestimmt hat. Hierbei ist ein wichtiges Kriterium, dass die Empfehlungen an die spezifischen Bedürfnisse des jeweiligen Landes angepasst werden. Ist genug Geld da, das Impfprogramm zu finanzieren? Gibt es ausreichend Impfstoff, wenn eine neue Empfehlung ausgesprochen wird? Ist die Krankheit in dem Land überhaupt ein größeres Problem, sodass der Aufwand und die Kosten für die Empfehlung gerechtfertigt sind? Gibt es Vorsorgeuntersuchungen, mit denen die Impftermine verzahnt werden können, und in welchem Alter finden sie statt?
Die Windpocken-Impfung ist zum Beispiel in nur etwa der Hälfte der EU-Länder empfohlen, zumeist nur für Risikogruppen. Der Hauptgrund sind die hohen Kosten der Impfung und der vergleichsweise harmlose Verlauf bei Kindern. Aus eigener Erfahrung können wir jedoch berichten, dass Windpocken äußerst unangenehm sind. Und wer die Krankheit nicht als Kind, sondern als Erwachsener durchmacht, für den kann der Verlauf sehr viel schwerwiegender sein.
Große Unterschiede gibt es auch bei den Impfprogrammen für Erwachsene: In einigen Ländern wie etwa Österreich müssen die Impfungen aus eigener Tasche bezahlt werden. In vielen Ländern gibt es teilweise auch Pflichtimpfungen, die wir hier nicht haben. So ist es in Frankreich verpflichtend, sich gegen Diphterie, Tetanus und Polio impfen zu lassen; dies wurde kürzlich noch ausgeweitet und umfasst jetzt acht weitere Impfungen inklusive Masern. Interessanterweise ist es nicht so, dass die Impfquoten für die verpflichtenden Impfungen immer höher sind, wenn eine Impfpflicht herrscht – es gibt immer Wege, diese zu umgehen. So ist die Impfpflicht eben kein Mittel, um die Impfraten sicher zu erhöhen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Empfehlungen in den verschiedenen Ländern immer sowohl international bestes Wissen als auch nationale Situationen und Bedürfnisse in den Blick nehmen.
Info
RÖTELN IN POLEN
Gegen Röteln wurden lange nur Mädchen und Frauen geimpft – denn wenn eine Frau in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft Röteln bekommt, ist es nahezu sicher, dass ihr Kind mit schweren Schädigungen auf die Welt kommt. Doch dann kam es in einigen Ländern zu größeren Ausbrüchen, etwa 2013 in Polen. Insgesamt erkrankten dort mehr als 21.000 Menschen an Röteln, über 80 Prozent davon waren Männer zwischen 15 und 29 Jahren. Die Röteln verbreiteten sich rasend schnell und erwischten auch ungeimpfte Frauen. Wie kam es zu diesem Ausbruch? Seit 1989 wurden nur jugendliche Mädchen geimpft, ab 2004 wurde die Empfehlung geändert und sowohl Mädchen als auch Jungen geimpft. Wer also 2013, im Jahr des Ausbruchs, männlich und neun Jahre oder älter war, war ziemlich sicher nicht gegen Röteln geimpft und konnte die Krankheit weiterverbreiten. Und weil auch nicht alle Mädchen geimpft waren, kamen während dieser Epidemie dann tatsächlich auch zwei Babys mit schweren Schädigungen auf die Welt.
Im Vergleich dazu: In Deutschland werden seit 1991 Jungen und Mädchen gegen Röteln geimpft. Mittlerweile sind 93 Prozent der Schulanfänger zweimal gegen Röteln geimpft, die Fälle sind stark rückläufig.