Kapitel 2
Die adaptogene Leber
Fettverarbeitung und Schutz der Bauchspeicheldrüs e
Die Leber ist das einzige wirklich adaptogene, also sich anpassende Organ Ihres Körpers. Das Gehirn erweist sich als erstaunlich flexibel, wenn die Umstände günstig sind, wenn Verstand, Körper, Geist und Seele auf den richtigen Menschen eingestimmt sind und auch das Umfeld stimmt, aber für die Leber ist das alles nicht wesentlich. Eine gut versorgte Leber vermag sich auf alle Umstände einzustellen.
Haben Sie schon mal erlebt, dass Sie mit Ihren Vorstellungen einfach nicht zu Ihrem Gegenüber durchdringen konnten? Bei manchen Menschen hat das Gehirn Schwierigkeiten, sich auf bestimmte Auffassungen einzulassen. Aus dem Grund wird zum Beispiel ein Vorgesetzter in einem Betrieb jemanden, der neu eingestellt worden ist, beobachten, wie er sich bei speziellen Aufgaben bewährt, um dann zu bestimmen, wofür er eingesetzt wird und wofür nicht. Wir betrachten das Gehirn als sehr anpassungsfähig, doch tatsächlich verlangt diese Fähigkeit unseren gezielten Einsatz, und darüber hinaus passen sich manche Menschen leichter an als andere, die dann als »begriffsstutzig« gelten.
Die Leber ist da beweglicher als unsere grauen Zellen. Von jetzt auf gleich und immer rechtzeitig schaltet sie um, ohne dass wir es auch nur merken. Ununterbrochen und blitzschnell wechselt sie zwischen ihren Aufgaben hin und her und versieht ihre verschiedenen chemischen Dienste, ohne auch nur nachzufragen. Die neue Kraft im Büro dagegen stellt sich erst im Laufe von Wochen und nach unzähligen Fragen auf die Anforderungen der Arbeit ein und muss Schwierigkeiten eine nach der anderen niederringen, bis das Gehirn endlich alle Anpassungen vorgenommen hat. Schon an den neuen Weg zur Arbeit gewöhnt man sich erst im Lauf der Wochen oder Monate. Ganz anders die Leber. Niemand könnte sie je als begriffsstutzig bezeichnen.
Eine gut versorgte Leber gibt und nimmt selbstständig und nach Bedarf. Wenn Ihnen kalt ist, erzeugt sie zusätzliche Wärme; sind Sie überhitzt, nimmt sie diese Hitze auf und verschafft Ihnen dadurch Kühlung. Bei einem Marathonlauf wird sie jedes letzte bisschen Glukose mobilisieren, damit Sie es über die Ziellinie schaffen, und wenn Sie zu viel Wasser trinken und das Blut stark verdünnt wird, saugt sie das überschüssige Wasser wie ein Schwamm auf. Nach dem Einatmen von Tabakrauch filtert Ihre Leber die Giftstoffe aus dem Blut, und wenn Sie ein 350-Gramm-Steak mit Pommes frites und anschließendem Dessert verdrücken, wird sie zu Ihrem Schutz all die Transfett- und denaturierten Omega-6-Fettsäuren aufspalten. Beim Baden im Meer ziehen uns manchmal unberechenbare Wasserbewegungen zu weit vom Strand fort, oder der Brandungsrückstrom drückt uns unter Wasser und gibt uns eine ganze Weile nicht mehr frei. In solchen Fällen setzt die Leber ihren Notvorrat an Adrenalin frei, damit uns ungeahnte Kräfte zuwachsen und wir uns irgendwie in Sicherheit bringen können.
Dann ist die Leber auch noch ein Speichermodul, eine Art drittes Gehirn nach dem eigentlichen Gehirn und der Schilddrüse, ein Gedächtnisorgan wie das Gehirn im Kopf. Wenn Sie zum Beispiel jeden ersten Freitag im Monat mit Freunden ausgehen und sich alkoholische Getränke, Chickenwings und Tiramisu gönnen, weiß Ihre Leber schließlich, wann die Ausschweifung wieder ansteht, und stellt sich rechtzeitig darauf ein. Gibt es bei Ihnen am Wochenende immer Pizza, weiß sie bald Bescheid, und sollten Sie wechselnde Vorlieben haben, kann sie auch das berücksichtigen: Sie hat ein längeres Gedächtnis als Sie. Angenommen, Sie genehmigen sich, einem Augenblicksimpuls folgend, am ersten kalten Tag des Jahres einen doppelten Bacon-Cheeseburger oder führen Ihre Familie am Tag des Eintreffens Ihrer Steuerrückzahlung zum All-you-can-eat-Buffet aus. Das erscheint Ihnen ganz spontan, aber für Ihre Leber ist wahrscheinlich doch ein Muster zu erkennen, das sie sich mit den Jahren einprägt und in ihren (der medizinischen Forschung noch unbekannten) Gedächtnismembranen abspeichert. Ihr können Sie nichts vormachen, und vor allem erinnern Sie sich nicht besser als Ihre Leber. Sie unterscheidet sich vom Gedächtnis unseres Gehirns, das uns schon mal im Stich lässt. (»Warte mal, ich hab doch den Wagen hier geparkt. Oder war es da drüben auf dem Parkplatz?«) Das Gedächtnis der Leber hat keine Lücken und führt uns nicht auf den Holzweg. Eine Ernährungsform, die Ihnen neuartig erscheint, haben Sie vielleicht vor Jahren schon einmal ausprobiert und vergessen, aber Ihre Leber hält die Daten noch bereit. Und sollte es sich wirklich einmal um eine ganz zufällige Wahl handeln – beispielsweise das erste Mal, dass Sie einen Bacon-Cheeseburger zum Frühstück verspeisen –, dann ist das einfach ein Fall für die adaptogenen Fähigkeiten Ihrer Leber, die ihr augenblicklich bedarfsgerecht zu reagieren erlauben. Außerdem dokumentiert sie jedoch dieses ungewöhnliche Frühstück und hat die Erinnerung parat, um gegebenenfalls bei der nächsten Überraschung zu dieser Tageszeit darauf zurückzugreifen.
Fettverarbeitung
Gute Fette, schlechte Fette, hoher und niedriger Fettgehalt, fettfrei, gesättigte, ungesättigte Fettsäuren, Transfette, gesunde Fette, Omega-Fettsäuren – da kann einem der Kopf schon gewaltig schwirren. Fett gehört zu den ganz zentralen Gesundheitsthemen, aber es ist inzwischen derart mit Schlagwörtern besetzt und so voller widersprüchlicher Ratschläge, dass wir kaum noch sicher sagen können, was uns und unserer Familie nun wirklich bekommt. Wenn wir auf die lange Geschichte irreführender Ernährungsmoden und Gesundheitstrends zurückblicken, sollen wir dann wirklich annehmen, irgendeine derzeitige Philosophie sei jetzt endlich richtig? Solange wir unsere Informationen aus ständig wechselnden Modeströmungen beziehen, kommen wir nie zu etwas Verlässlichem, denn solche Trends können sich morgen ändern und übermorgen schon wieder.
Wer hier zu richtigen Entscheidungen finden will, braucht erst einmal festen Boden unter den Füßen und muss sich vor Augen führen, wie der Körper überhaupt Fette verwertet – und das bedeutet, dass er sich die Arbeitsweise der Leber vergegenwärtigt. Ihre Leber ist nämlich das Zentrum der Weiterverarbeitung von praktisch allem, was in Ihren Körper gelangt, und die Fettverarbeitung gehört zu ihren Hauptaufgaben. Immer wenn Sie Fett verzehren, erzeugt sie Galle, um es aufzuspalten und dem Organismus als Energieträger zuzuführen.
Das klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit recht kompliziert. Unterschiedliche Nahrungsmittel von wechselndem Fettgehalt brauchen mehr oder weniger Galle von jeweils eigener Zusammensetzung. Hier muss sich die Leber auf ihr Gedächtnis und ihre Anpassungsfähigkeit verlassen können, damit sie sich bei jeder Mahlzeit auf den Fettanteil einstellen kann. Dies sollten Sie dabei bedenken: Ein erhöhter Gallespiegel hilft Ihnen zwar im Augenblick, aber es tut Ihnen nicht gut, wenn es immer wieder dazu kommt. Es schwächt die Leber, die sich vielleicht schon mit anderen Störenfrieden wie Giften und pathogenen Keimen herumschlägt. Hier eine Aufstellung der Warnstufen Ihrer Leber:
Sie sehen also, dass es hier nicht einfach um »gute« und »schlechte« Fette geht. Natürlich ist es wichtig, für unsere Ernährung Fette aus gesunden Quellen zu wählen. Aber das kann nicht der einzige Gesichtspunkt sein, es kommt auch auf die reine Menge an. Wir können uns auch nicht ausschließlich am Umfang Ihres Körpers orientieren. Sogar wenn Sie schlank sind und für regelmäßige Bewegung sorgen, fallen Sie bei starkem Fettverzehr möglicherweise in die Kategorie Rot plus, denn Ihre Leber muss dann mit Hochdruck die erforderliche Galle produzieren, um Sie vor Schaden zu bewahren. Dabei verausgabt sie sich, und Sie haben später im höheren Lebensalter vielleicht mit Übergewicht und anderen von der Leber ausgehenden Gesundheitsstörungen zu kämpfen.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten am Morgen nach dem Aufwachen geduscht, sich für den Tag nett hergerichtet und seien jetzt auf dem Weg nach unten zum Frühstück, als sich plötzlich ein Kübel Öl über Sie ergießt. Haar, Gesicht, Kleidung – alles öltriefend. Da müssten Sie von vorn anfangen, noch einmal duschen und sich neu ankleiden. Sie gingen zur Arbeit, aber kaum bricht die Mittagspause an, würden Sie schon wieder mit Öl übergossen. Da müssten Sie nach Hause fahren und sich frisch herrichten für Ihren dritten Start. Und jetzt stellen Sie sich vor, wie Sie sich nach Feierabend auf ein nettes Abendessen freuen, aber vorher eine weitere Öldusche abbekämen. Wieder müssten Sie alles abbrechen, was Sie vorhatten, um sich auf glitschigen Sohlen Richtung Bad und Dusche zu bewegen und sich ein weiteres Mal zu säubern und frisch anzuziehen. Solch einen Tag fänden Sie nicht sehr amüsant. Am Abend würde es Ihnen einfach reichen, Sie wären völlig gestresst und ungenießbar.
So ungefähr geht es bildlich gesprochen Ihrer Leber, wenn ihr mit den Mahlzeiten immer wieder zu viel Fett zugemutet wird. Mit einem Frühstück, zu dem es in Öl oder Butter Gebratenes gibt, gefolgt von einem fettigen Salatdressing beim Mittagessen und schließlich Grillhähnchen, Pizza, gegrilltem Käse oder Schinken-Käse-Toast zum Abendessen, hat sie wirklich allerhand zu tun. Da spielt es kaum eine Rolle, ob es sich beim Frühstück um in konventioneller Butter mit Hormonrückständen gebratenen Bacon aus der Massentierhaltung mit Eiern aus Antibiotika verwendenden Betrieben handelt, zu dem weißes Toastbrot gereicht wird, oder ob wir zu Bio-Schinken von Schweinen aus artgerechter Haltung und Eiern von freilaufenden Hühnern greifen und zum schonenden Backen Kokosöl, Ghee oder Butter aus ökologischer Erzeugung verwenden. Für die Leber ist das, was die Fettverarbeitung angeht, einerlei. Natürlich leidet sie unter Pestiziden, Hormonen und Schwermetallen, doch spielen diese für die Fettverdauung keine Rolle. Zu viel Fett belastet die Leber immer, egal, aus welcher Quelle es stammt.
Bei der Gelegenheit möchte ich auf einen ganz besonders groben Schnitzer der Nahrungsmittelindustrie hinweisen, der in der Angabe des Fettgehalts auf Verpackungen besteht. Der tatsächliche Fettgehalt Ihrer Lieblingsspeisen entspricht nämlich nicht unbedingt diesen Angaben. Wenn Sie die Zahlen in Ihrer Küche überprüfen könnten, würden Sie wahrscheinlich staunen. Verschiedene Hühner haben nicht den gleichen Fettgehalt, aber Sie werden auf allen Packungen eines Lieferanten dieselben Angaben vorfinden – es handelt sich um Durchschnittswerte. Kein Stück Schweinefleisch hat den gleichen Fettgehalt wie ein anderes, keine Dose Thunfisch, kein Glas Nussmus, keine Packung Hummus ist wie die andere. Abweichungen von den angegebenen Werten sind also möglich. Im Jahr 2012 hat die EU-Kommission zwar einen Leitfaden mit Toleranzen für die Nährwertangaben veröffentlicht, an dem die Überwachungsbehörden sich bei stichprobenartigen Untersuchungen orientieren können. Wie groß die Differenzen sein dürfen, ist jedoch nicht durch die Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) festgelegt, und der Leitfaden hat keine Rechtsverbindlichkeit. Für Fett gilt demnach, dass Folgendes gestattet ist:
Nährwertangaben sind also eher Glückssache, am Ende verzehren wir in der Regel jedenfalls mehr Fett, als wir ahnen. Es handelt sich um einen dieser alten, eingefleischten Systemfehler.
Es gehört zu den Routineaufgaben der Leber, gesunde Mengen gesunder Fette aufzubereiten. Jedes Zuviel wird für sie zur Belastung, und dann kann sie ihre Arbeit nicht mehr gemächlich und dabei fröhlich pfeifend verrichten. Die Leber wacht nicht am Morgen auf und denkt: »Was für ein herrlicher Tag, um sich so richtig mit Fett vollzuschlagen.« Sie gehen ja auch nicht beim Aufwachen davon aus, dass es ein schöner Tag ist, um sich dreimal die Kleidung ruinieren zu lassen und immer wieder zu duschen. Fettreiche Kost raubt der Leber Zeit und Kraft für ihre sonstigen Aufgaben, weil sie ständig mit Reinigungsarbeiten beschäftigt ist. Es geschieht immer wieder, Jahr für Jahr – da braucht die Leber einfach so etwas wie Denkvermögen, um Ihrem gedankenlosen Verhalten ein wenig voraus zu sein. Dann weiß sie wie gesagt zwar, wann Sie wieder mal über die Stränge schlagen werden, und kann für diesen Ernstfall reichlich Galle der etwas potenteren Art bereitstellen. Es tut ihr aber nicht gut, ständig solche Ausrutscher bereinigen zu müssen. Sie kann es nur – und damit schützt sie auch den übrigen Körper vor schweren Schäden –, weil sie immer gut vorbereitet ist. Doch wie Sie in den weiteren Kapiteln erfahren werden, gibt es auch für die Leber eine Belastungsgrenze.
Der Schutz der Bauchspeicheldrüse
Aber was hat es nun eigentlich auf sich mit dieser ganzen Fettverarbeitung? Warum tut sich die Leber das an? Weshalb ruht sie sich nicht manchmal einfach aus? Könnte sie nicht einen Teil der Arbeit delegieren? Ihre Leber widmet sich dieser Arbeit auch dann noch, wenn sie ihre ganze Kraft und Vitalität und sämtliche Reserven dafür aufwenden muss. Sie hat ein hohes Ziel: Ihr Leben zu retten.
Das beginnt mit der Sauerstoffversorgung. Die Leber verfolgt die Sättigung Ihres Bluts mit Sauerstoff (O2 ) sehr genau und weiß immer, auf welcher Warnstufe – zwischen Grün und Rot plus – Sie sich gerade befinden. Wenn wir viel Fett konsumieren und unsere Kalorien hauptsächlich aus Fetten gewinnen, seien sie gesund oder ungesund, befinden sich viele Fetttröpfchen im Blut, und der Sauerstoffgehalt geht zurück. Das spürt die Leber und produziert mehr Galle, um die Fette abzubauen und so das Blut zu verdünnen – vor allem weil der Sauerstoff dringend in Herz und Gehirn benötigt wird. Bei schlechter Sauerstoffversorgung können diese Organe nicht mühelos arbeiten, sondern rackern sich ab. Wenn Sie also einer dieser populären Ernährungslehren anhängen und es mit eiweißreicher Ernährung versuchen (die übrigens so gut wie immer auch fettbetont ist, ob man Sie darüber aufklärt oder nicht, ob Sie sich vegan oder vegetarisch ernähren oder Mischkost bevorzugen), entziehen Sie Herz und Gehirn damit unwissentlich Sauerstoff und muten Ihrer Leber unglaubliche Strapazen zu, selbst wenn Sie mächtig trainieren.
Ihre Leber widmet sich dieser Arbeit auch deshalb so hingebungsvoll, weil sie damit die Bauchspeicheldrüse schützt. Wenn man die Leber als »Arbeitstier« und »Schlachtross« bezeichnen kann, handelt es sich bei der Bauchspeicheldrüse um eine zartere Blüte. Ihr Nektar ist das Hormon Insulin, das den Blutzucker reguliert. Unsere Leber möchte den ganzen Körper vor zu viel Fett bewahren, weil sonst die Bauchspeicheldrüse zu sehr belastet wird und mit der Zeit immer mehr Insulin produzieren muss, was schließlich zu Unregelmäßigkeiten der Ausschüttung führt oder sogar dazu, dass die Insulinproduktion ganz zum Erliegen kommt. Und ohne Insulin sind wir Diabetiker.
Ihre Leber gibt sich größte Mühe, Fette so schnell wie möglich aufzuschließen und verwertbar zu machen, damit sie nicht unnötig lange im Blut verweilen und Organe oder das Nervensystem beeinträchtigen oder auf indirektem Wege die Bauchspeicheldrüse schädigen und das Diabetesrisiko erhöhen. Da unsere Ernährung heute durchweg sehr fettlastig ist, schafft die Leber es nicht immer, die Überschüsse von uns fernzuhalten. Dann verschiebt sie diese Überschüsse zum Schutz von Gehirn und Herz ins Lymphsystem, wo sie als Suspension zwischengelagert werden. Sehr gesund ist das allerdings auch nicht. Fett in der Lymphe schwächt das Immunsystem, sodass die weißen Killerzellen im Kampf gegen Viren, Bakterien und Toxine nicht mehr so effektiv sind, wie es wünschenswert wäre. Das liegt aber nicht an der Leber oder am Immunsystem, sondern an dem viel zu hohen Fettkonsum, der uns im Laufe unseres Lebens antrainiert worden ist.
Je mehr Fett sich im Blut, in den Organen, im Verdauungstrakt und in der Lymphe aufhält, desto mehr Insulin muss eingesetzt werden, um in dieser Überfettung doch noch Zucker zu transportieren und ins Innere der Zellen gelangen zu lassen, damit der Körper weiterhin funktionieren kann. Bei zu viel Fett im Blut leidet beispielsweise das Nervensystem Hunger, weil es von Zucker (und Mineralstoffen) lebt und die Glukose einfach nicht so leicht an all dem Fett vorbei zu den Nerven findet. Die eigentliche und unbekannte Bedeutung des Begriffs »Insulinresistenz« liegt in diesem mühsamen Geschäft, gegen den Widerstand überschüssiger Fettsubstanzen die für das Leben des Körpers so wichtige Glukose in die Organe, Muskeln und Nerven zu bringen.
Die Bauchspeicheldrüse steigert ihre Insulinausschüttung nicht nur dann, wenn wir Zucker und andere Kohlenhydrate zu uns nehmen. Wenn Sie sich fettreich ernähren und entsprechend viel Fett im Blut haben und sich ansonsten von Gemüse und grünen Säften ernähren, wird Ihre Bauchspeicheldrüse trotzdem viel Insulin produzieren, und auch ohne viel Kohlenhydrate wird es zur Insulinresistenz kommen. Es ist nur so, dass nicht gleich auffällige Symptome auftreten, sondern erst dann, wenn der Heißhunger kommt und Sie ihm nachgeben. Dann greifen Sie vielleicht zu Pasta, Brot oder Süßem, und wenn diese Kohlenhydrate ins Blut gelangen, würde ein Blutzuckertest ergeben, dass etwas nicht stimmt. Jeder wird hier die Kohlenhydrate als »Anstifter« sehen, doch tatsächlich sind gesunde Kohlenhydrate nicht das Problem; sie sind eher wie dieses spezielle UV-Licht, das man in der Gerichtsmedizin verwendet, um bestimmte Dinge sichtbar zu machen, die sonst leicht übersehen werden. In diesem blauen Licht werden Spuren von Blut an den Wänden oder von anderen Körperflüssigkeiten am Boden erkennbar. Man macht dieses Licht an, und was eben noch wie ein blitzsauberes Hotelzimmer aussah, verwandelt sich in den Schauplatz eines Kapitalverbrechens. Niemand wird der Lampe die Schuld geben wollen. Sie ist das Licht der Wahrheit, sie arbeitet für uns, wenn sie Geheimnisse aufdeckt. So müssen wir uns auch gesunde Kohlenhydrate vorstellen: als die Guten, nicht als die Bösen. Wenn durch allzu viel Fett ein »Verbrechen« geschieht, machen es die Kohlenhydrate sichtbar.
Würden wir den Fettanteil unserer Ernährung senken und dafür mehr Kürbis, Süßkartoffeln, Kartoffeln, Zucchini, Beeren und anderes Obst essen, wäre unser Blutzucker ausgeglichener, und es gäbe weniger Insulinresistenz. Der Bauchspeicheldrüse bliebe es erspart, zusätzliches Insulin ausschütten zu müssen. Noch einmal: Natürlicher, gesunder Zucker und andere Kohlenhydrate sind nicht der Feind, es handelt sich vielmehr um Verbündete. Überschüssige Fette sind vielmehr die Rüpel und Spielverderber.
Der Leber Freiräume schaffen
Wenn Sie sich je für Menschen oder eine Sache eingesetzt haben, die Ihnen etwas bedeuteten, können Sie sich jetzt sagen, dass Ihre Leber auch diesen Einsatz verdient hat. Sie kämpft jeden Tag für Sie, und Sie sollten jetzt anfangen, auf ihrer Seite mitzustreiten – dann ist es auch kein aussichtsloser Kampf mehr. Zunächst einmal können Sie Ihrer Leber einige der Belastungen ersparen, durch die sie überhaupt in die Defensive geraten ist. Außerdem können Sie ihr mit den Anregungen, die Sie im vierten Teil dieses Buchs erwarten, immer wieder Verschnaufpausen verschaffen. Dazu brauchen Sie Ihr Leben nicht völlig umzukrempeln, Sie müssen sich nicht ständig mit dem Thema »Fett« auseinandersetzen. Bewusste Wahrnehmung genügt. Wenn Sie die Wirkung verschiedener Nahrungsmittel beobachten, sind Sie bestens informiert und können nach eigenem Ermessen fortfahren. Das ist viel besser als die Abhängigkeit von konkurrierenden Gesundheitslehren, die Trends folgen und nicht auf der Wahrheit basieren.
Tatsächlich ist es keine mühsame Aufgabe, Ihre Leber gut zu versorgen; Sie sollten es vielmehr als ein Privileg und eine Ehre ansehen. Wenn Ihre Leber nicht mehr allzu sehr damit beschäftigt ist, Fett von Ihrer Bauchspeicheldrüse fernzuhalten, gewinnt sie Vitalität für ihre vielen weiteren so wichtigen Aufgaben für das Ganze. Sie werden dann nach und nach immer besser aussehen und sich wohler fühlen, weil sich die Leber, Ihr treuer Weggefährte, immer besser um Ihr Wohl kümmern kann. Zunächst einmal wird sie vor allem umfangreiche Glukosereserven für Sie bereithalten, denn die entscheiden unter Umständen darüber, ob Sie in einer schwierigen Situation einen Nervenzusammenbruch bekommen oder ganz gefasst bleiben und sich einfach sagen, dass es halt nicht Ihr bester Tag ist. Das ist ein himmelweiter Unterschied.