FERMENTIEREN

Ich liebe es zu fermentieren. Wenn sich unter meinen Händen der Weißkohl in die Vorstufe von leckerem Sauerkraut verwandelt, fühle ich mich wie eine Alchemistin.

Fermentieren ist in meinen Augen neben dem Einkochen eine weitere Königsdisziplin des Haltbarmachens. Nicht, weil es so besonders schwierig ist, sondern weil es das zu konservierende Gemüse wertvoller und geschmackvoller macht. Fermentierte Gemüse sind sogar vitaminreicher als rohe oder gekochte Gemüse, da die Milchsäurebakterien das Beste aus dem Gemüse herausholen und noch zusätzliche Vitamine entstehen lassen. Die Gemüse sind in fermentierter Form auch leichter verdaulich, da die probiotischen Bakterien die Zellwände beim Fermentieren aufbrechen und auf diese Weise vorverdauen. Fermentiertes Gemüse bietet zudem ein Geschmackserlebnis, welches wir weder durch chemische Zusatzstoffe noch durch Essig oder Gewürze erreichen können – die Geschmacksveredelung passiert nur durch dem Gemüse anhaftende Mikroorganismen, die Zugabe von Salz und Zeit. Also ein wahres Wunderwerk, welches wir recht einfach entstehen lassen können.

Die Kunst des Fermentierens geht bis weit in die Geschichte zurück. Auch beim Bau der Chinesischen Mauer bekamen die Arbeiter wohl jeden Tag eine Portion fermentiertes Gemüse zu essen, um sie gesund zu erhalten. Und auch bei den Seefahrern war Sauerkraut – das ist fermentierter Weißkohl – sehr beliebt. So hatte z. B. James Cook auf all seinen langen Reisen nur einen einzigen Fall von Skorbut an Bord. Unsere näheren Vorfahren hatten ebenso immer mehrere Fässer Sauerkraut im Keller stehen, damit sie sich auch im Winter mit Gemüse und vor allem Vitamin C versorgen konnten.

In heutiger Zeit sind Fermente eine gute Art, sein Gemüse aus dem Sommer haltbar zu machen und vor allem auch seinem Körper wichtige Vitamine, Mineralstoffe und gute Bakterien zuzuführen und die Darmgesundheit zu fördern. Nicht nur im Winter, sondern ganzjährig. Meine Familie und ich essen oder trinken während des gesamten Jahres täglich fermentierte Speisen, sei es nun selbst fermentierter Joghurt, Kombucha oder Apfelessig oder die verschiedensten fermentierten Gemüse.

Frisch gebackenes Brot, etwas Butter und als Hauptdarsteller: fermentierte Radieschen.

FERMENTIEREN IN GLÄSERN

Um Gemüse fermentieren zu können, braucht man nicht unbedingt einen großen Sauerkrauttopf. Ich ziehe sogar kleine Mengen an fermentiertem Gemüse vor, da man so gut mit der Zugabe von Gewürzen oder auch von Obst spielen kann. Zum Ansetzen verwende ich am liebsten die Einmachgläser mit zweiteiligem Verschluss und der breiten Öffnung, da es für diese Gläser Gäraufsätze und Gärgewichte zu kaufen gibt. Von diesen Gläsern habe ich zwar verschiedene Größen, aber nicht viele Gläser, da ich die fertigen Fermente in andere Gläser umfülle – somit habe ich diese speziellen Gläser wieder zur Verfügung. Man kann aber auch Bügel- oder Einmachgläser verwenden, muss jedoch darauf achten, dass das entstehende CO2 entweichen kann (dazu gleich mehr). Als Gärgewicht kann man auch einfach einen Stein nehmen, den man vorher gründlich gewaschen und abgekocht hat.

Es wäre gut, wenn man die Glasgröße der Gemüsemenge anpasst. Oben sollten 3–5 cm Luft bleiben, damit das Glas nicht sofort überläuft. Aber auf keinen Fall zu große Gläser verwenden und diese dann nur halb voll füllen! Dann wäre einfach zu viel Sauerstoff im Glas, sodass es zu Keimbildung oder Schimmel an der Oberfläche kommen kann. Gläser mit Twist-Off-Deckel sollten nicht verwendet werden, auch nicht zur weiteren Aufbewahrung, da die Säure der Fermente das Weißblech angreift und zu Korrosion führt.

FERMENTIERTES GEMÜSE SCHRITT FÜR SCHRITT

Zuerst bringe ich das Gemüse in die von mir gewünschte Form: Ich schneide es mit dem Messer, raspele oder hobele es mit dem Krauthobel.

1. Man kann nahezu jedes Gemüse fermentieren, welches man auch roh essen kann. Jedoch eignen sich Gemüsesorten mit geringerem Wassergehalt am besten, also eher feste Gemüse wie Kohl, Wurzelgemüse oder Kürbis. Biogemüse oder eben das Gemüse aus dem eigenen Garten fermentiert generell besser und leichter, da von Natur aus genügend Mikroorganismen, die wir für den Fermentationsprozess benötigen, auf dem Gemüse vorhanden sind. Mit gespritztem Gemüse erzielt man oft schlechtere Ergebnisse, da die verwendeten Pestizide die Mikroorganismen im Vorfeld zerstört haben. Auch sollte man das Gemüse, und damit die Mikroorganismen, nicht unnötig abwaschen. Das Gemüse wird entweder geraspelt, Kohl auch gerne in Streifen geschnitten, ganz nach Belieben – je feiner zerkleinert, desto weicher wird es später.

Ich wiege das Gemüse und vermische es mit 2 % Salz. Dann knete ich alles so lange mit den Händen, bis Saft aus dem Gemüse austritt.

2. Das so vorbereitete Gemüse wird gewogen und mit 2 % Salz (am besten Steinsalz o. Ä., auf alle Fälle ohne chemische Zusätze wie Rieselhilfen etc.) vermischt. Dann mit den Händen so lange kneten, bis der zelleigene Saft austritt. Das sollte bei Sauerkraut schon 10 Minuten dauern, Möhren oder Rote Bete brauchen weniger Zeit beim Kneten. Je länger man knetet, desto geringer wird das Volumen. Hat man eine große Menge, kann man das Gemüse ein paar Minuten kneten, 10–20 Minuten warten und dann weiterkneten. Dadurch erspart man sich ein bisschen Arbeit, da der Saft durch die Osmosewirkung selbstständig aus dem angekneteten Gemüse austritt.

Mein Tipp: Ich stelle mir die Schale zum Kneten immer auf den Fußboden und hocke mich davor. So kann ich mehr Kraft zum Kneten einsetzen und schone meine Schultern.

Ich stopfe das Gemüse dicht an dicht in ein Glas und bedecke die oberste Schicht mit einem Kohlblatt. Wichtig ist, dass alles mit Flüssigkeit bedeckt ist.

3. Anschließend wird das Gemüse dicht in Gläser gestopft. Dabei ist es wichtig, das Gemüse immer wieder runterzudrücken und zu pressen, damit sich möglichst kein Sauerstoff dazwischen befindet. Je nach Glas kann man mit der Faust nachstopfen oder man benutzt einen Kochlöffelstiel, Kartoffelstampfer oder das Ende eines Nudelholzes. Das Gemüse muss komplett von dem ausgetretenen Saft bedeckt sein. Hat man zu wenig Eigensaft, kann man etwas Wasser auffüllen. Ab 10 % der Gesamtmenge muss das Wasser zum Auffüllen gesalzen werden, da sonst zu wenig Salz für den Fermentationsprozess vorhanden ist. Normalerweise reichen aber 1–2 EL Wasser zusätzlich, um alles zu bedecken.

Als oberen Abschluss für das Gemüse bietet sich ein Kohlblatt an, welches natürlich ebenfalls unter der Flüssigkeit liegen muss. Das verhindert die Verfärbung des Gemüses an der Oberfläche. Hat man kein Kohlblatt zur Hand, kann man auch eine Apfelscheibe nehmen – und es geht natürlich auch ohne, dann verfärbt sich das Gemüse der obersten Schicht unter Umständen etwas, ist aber dennoch essbar.

Damit das Gemüse nicht aufsteigt, wird es mit einem Gärgewicht oder einem abgekochten Stein aus dem Garten beschwert und unter die Flüssigkeit gedrückt.

Um das Gemüse unter der Flüssigkeit zu halten, beschwere ich es mit einem Glasgewicht oder einem Stein und verschließe das Glas mit einem Gäraufsatz.

4. Nun wird das Glas mit einem Gäraufsatz (aus dem Fachhandel) verschlossen, sodass kein Sauerstoff mehr hineingelangt. Benutzt man Einmachgläser, wird der Glasdeckel nur lose, ohne Ring aufgelegt und nicht mit Klammern verschossen – das entstandene CO2 hebt den Deckel und kann entweichen. Bei Bügelgläsern wird der Bügel verschlossen; sie müssen während des Fermentierens aber regelmäßig zwei- bis dreimal täglich durch vorsichtiges Lösen der Klammer entlüftet werden. Dabei muss man es nicht ganz öffnen, sondern nur vorsichtig die Klammer lösen und das CO2 entweichen lassen. Bei Einmachgläsern mit einfach aufliegendem Glasdeckel und bei den Gäraufsätzen bahnt sich die Flüssigkeit von alleine einen Weg nach draußen.

Während der ersten Zeit arbeiten die Mikroorganismen sehr stark, sodass es hilfreich ist, wenn man das Glas mit dem Ferment auf einen Teller oder in eine Schale stellt, um austretende Gärflüssigkeit aufzufangen. Besonders am 2. und 3. Tag wird es kräftig im Glas blubbern. Das Gemüse nun für 5–7 Tage bei Zimmertemperatur fermentieren.

Nach fünf bis sechs Tagen Fermentieren, wenn das Gemüse nicht mehr blubbert und sauer genug ist, ersetze ich den Gäraufsatz durch einen Deckel aus Edelstahl.

5. Nach ein paar Tagen kann man probieren, wie sauer das Gemüse schon ist. Ist der gewünschte Säuregrad erreicht, wird der Gäraufsatz entfernt. Natürlich kann man das Gemüse gleich essen, aber es lohnt sich, noch ein paar Wochen länger zu warten. Dazu das Glas mit einem normalen Deckel verschließen (Einmachgläser verschließt man mit Gummi und Klammern, bei den Bügelgläsern schließt man einfach die Klammer) und für 3–4 Wochen in den Kühlschrank stellen. Im Kühlschrank wird der Fermentationsprozess aufgrund der kühleren Temperatur verlangsamt, aber die Aromen bilden sich noch weiter heraus.

Fermentiertes Gemüse ist locker 6 Monate haltbar, wenn es kalt steht. Danach kann man es immer noch essen, es wird aber immer saurer. Ich bereite im Sommer und Herbst immer sehr viele Gläser zu, um frisches Gemüse zu verarbeiten und um im Winter genügend Fermente vorrätig zu haben. Da mein Platz im Kühlschrank jedoch begrenzt und mein Keller zu warm ist, lagere ich die Gläser einfach bei meinem Wurzelgemüse in der Erdmiete (siehe >). Das funktioniert einwandfrei.

Auf diese Weise fermentiere ich Weiß- oder Rotkohl. Den kann man leicht abwandeln, indem man ein oder zwei Möhren zur Mischung gibt oder einen grob geraspelten Apfel (Obst sollte nicht mehr als 10–20 % der Gesamtmenge ausmachen). Außerdem kann man wunderbar mit Gewürzen spielen (falls man die Wahl hat: Gewürze besser getrocknet als frisch verwenden, da diese matschig werden). Klassisch wird mit Pfeffer, Nelke und Lorbeerblatt (das wird hinterher einfach aussortiert) oder mit Chiliflocken bzw. mit Ingwer und Kurkuma gewürzt.

Eine andere bei uns sehr beliebte Mischung ist eine Art buntes Gemüse, welches im Endeffekt aber meistens rot endet. Hierfür verwende ich Rote oder geringelte Bete, Möhren, Kohlrabi und Weißkohl. Man kann sogar eine kleine Zucchini hinzufügen (wenn man gerade eine Schwemme hat), jedoch sollte sie höchstens 20 % der Gesamtmenge betragen und grob geraspelt werden, da fermentierte Zucchini sehr weich wird. Für diese Gemüsemischung verwende ich nur 1,5 % Salz und es ist meistens auch schon 1–2 Tage eher sauer genug, sodass es in den Kühlschrank kann. Möhren mit einer italienischen oder griechischen Gewürzmischung schmecken ebenfalls sehr gut oder mit getrocknetem Dill.

ESSIG ANSETZEN

Eine gute Möglichkeit, um Schalen und Kerngehäuse von Äpfeln oder Birnen, die beim Kuchenbacken oder Apfelmuskochen anfallen, zu verwerten, ist die Herstellung von eigenem Essig. Natürlich eignen sich auch noch viele andere Obstsorten (sämtliche Beeren und Zwetschgen usw.) zur Essigherstellung. Das Grundverfahren ist immer gleich.

Man verwendet entweder ganze Früchte, Schalen oder Kerngehäuse von Äpfeln und Birnen (natürlich ohne faule Stellen). Sie werden bis zur Hälfte in ein großes, heiß ausgewaschenes Glas (1–2 l Fassungsvermögen) gefüllt und bis ca. 5 cm unter den Rand mit Wasser aufgegossen. Nun wird ein Starter benötigt, damit der Fermentationsprozess beginnen kann. Dafür kann man entweder 1 EL Zucker pro Liter hinzufügen oder falls vorhanden eine Essigmutter oder 2 EL selbst hergestellten Apfelessig pro Liter. Das Glas wird zum Schutz vor Fruchtfliegen mit einem dünnen Tuch (dünner Nesselstoff, Mulltuch oder dünne Gardine) abgedeckt und bei Zimmertemperatur gelagert. Ganz wichtig ist, dass genügend Sauerstoff an die Mischung gelangt. Zweimal am Tag die Apfel- oder Birnenstücke mit einem Holzlöffel umrühren, damit sie an der Oberfläche nicht braun werden und vielleicht sogar anfangen zu schimmeln. Zusätzlich wird auf diese Weise Sauerstoff in die Flüssigkeit gebracht. Nach 1–2 Tagen fängt das Ganze an zu schäumen und zu blubbern – es beginnt zu gären.

Nach spätestens 2 Wochen, oft schon nach 1 Woche, sind alle Fruchtstücke nach unten abgesackt und die Mischung hat einen feinen Essiggeruch angenommen. Durch ein sauberes Tuch in ein anderes Gefäß abgießen, wieder mit einem Tuch abdecken und für weitere 6 Wochen gären lassen – dann ist der Essig bereit, in Flaschen oder Gläser abgefüllt zu werden. Er muss noch 2–3 Monate nachreifen und wird mit der Zeit immer besser. Bis zur Verwendung kann er im Keller aufbewahrt werden.

Hat sich eine Essigmutter an der Oberfläche gebildet, eine Art gallertartige Scheibe aus Essigbakterien, die mit der Zeit immer dicker wird, drücke ich sie, wenn sie schon älter und dicker ist, immer mal wieder mit einem Holzlöffel vorsichtig nach unten, damit sie die Sauerstoffzufuhr nicht unterbindet. Die Essigmutter hüte ich wie einen Schatz, kann ich sie doch bei der nächsten Essigherstellung als Starter verwenden. Ansonsten verbleibt sie einfach in einem meiner fertigen Essige im Keller und wartet auf ihren nächsten Einsatz.

An der milchigen Färbung sieht man, dass der Fermentationsprozess angefangen hat.

TIPP: War man im Essigfieber und hat zu viel Essig hergestellt, kann man ihn einfach 1:3 mit Wasser verdünnt als Haarspülung verwenden oder unverdünnt als Putzmittel, um Kalkspuren zu entfernen.