• Musik zum Eingang
• Eingangslied: Herbei, o ihr Gläub’gen (EG 45, 1-2)
• Votum
Durch die Dunkelheit sind wir hierher gekommen.
Es ist dunkel wie in jeder Nacht,
und doch ist diese Nacht nicht wie die anderen Nächte.
Diese Nacht ist eine besondere Nacht.
Diese Nacht hat ein Geheimnis.
Der Himmel hat sich geöffnet.
Gott ist Mensch geworden.
Eine Heilige Nacht.
Gott kommt zu uns. Ein Kind, neugeboren im Stall.
In das Dunkel der Nacht fällt das Licht.
Gott ist Mensch geworden.
Das feiern wir heute.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
• Liturgischer Gruß
• Psalmgebet, im Wechsel gelesen
(1) Das Lied der Engel: Ehre sei Gott in der Höhe.
(2) Ja, Ehre sei dir. Wir singen dir Lob.
Wir loben dich für das Geheimnis dieser Nacht,
das auch unsere Herzen berührt.
Wir loben dich für das Licht,
das inmitten der Finsternis aufgegangen ist
und es hell macht bis in unser Leben hinein.
Wir loben dich für den Glanz des Festes,
der auch unsere Gesichter vor Freude strahlen lässt.
Ehre sei Gott in der Höhe.
(1) Das Lied der Engel: und auf Erden Fried
(2) Um diesen Frieden bitten wir
für unsere Erde, auf der die Finsternis noch so groß ist,
für Menschen, die heute auf der Flucht sind,
angesichts gemeinsamer Wege, die an ein Ende gekommen sind,
vor Begegnungen, die wir am liebsten vermeiden würden,
für Beziehungen, in denen Streit jede Besonnenheit unmöglich macht.
Frieden auf Erden.
(1) Das Lied der Engel: und den Menschen ein Wohlgefallen.
(2) Um Freude bitten wir dich
für die, deren Herz schon lange wie vereist ist,
die sich nicht freuen können, weil ein Mensch fehlt,
dass unser verzagtes Herz wieder Mut fasst,
jedes Kind das bekommt, was es braucht,
Kranke neue Kraft finden,
Sterbende die Hoffnung trägt, nach Hause zu kommen zu dir.
Und den Menschen ein Wohlgefallen.
• Gloria: Hört der Engel helle Lieder (EG 54)
• Eingangsgebet
Gütiger Gott,
diese Nacht ist eine besondere Nacht.
Ihre Stille birgt ein Geheimnis.
Im Rauschen des Windes höre ich das Gewisper von Engeln,
und die Sterne flüstern einander die gute Nachricht zu.
In der Unruhe der Kinder habe ich das Lachen der Hirten gehört
und zwischen den vielen Gesichtern
die suchenden Augen der Könige entdeckt.
Du bist geboren.
Du bringst ein Licht,
das auch uns erhellt,
das aufleuchtet in den fröhlichen Augen der Kinder,
in den Erinnerungen, die ein Lächeln hervorbringen und
in der Freude, die zaghaft beginnt.
In die Herzen, in denen es dunkel bleibt,
auch dort, wo kein Festtagslicht hinreicht,
lass es hell leuchten, dein Licht.
• Kyrie
• Gnadenzusage
Hört die Botschaft von Engeln: Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch eine große Freude. Euch ist heute der Heiland geboren! (Lukas 2, 10-11)
• Gloria
• Loblied: Freuet euch, ihr Christen alle (EG 34, 1)
• Tagesgebet
Jesuskind,
an diesem Abend kommen wir zu deiner Krippe
und bitten dich: Verändere auch unser Herz.
Stärke unsere Liebe.
Lass uns Mut fassen für unseren Weg.
Begleite und behüte uns.
• Lesung: Lukas 2, 1-5
• Lied: Es ist ein Ros entsprungen (EG 30, 1)
• Lesung: Lukas 2, 6-14
• Lied: Vom Himmel kam der Engel Schar (EG 2, 1-3)
• Lesung: Lukas 2, 15-20
• Lied: Kommet, ihr Hirten (EG 48)
• Predigt
Wie besonders ist diese Nacht. Als würde sich ein Fenster öffnen in eine andere Welt. Das Schwarz ist schwärzer als sonst. Die Sterne strahlen heller am Himmel. Die Stille ist tiefer. Die Stimmen von Engeln wehen im Wind heran.
In der Heiligen Nacht 1943 schreibt Maria von Wedemeyer an ihren Verlobten Dietrich Bonhoeffer. Sie schreibt über die tiefe, dunkle Nacht. Sie beschreibt, wie in der Stille Stimmen und Klänge in ihr wach werden. Die Toten sprechen zu denen, die sie zurückgelassen haben, Tote, die nun Engel sind. Die Nacht öffnet die Herzen. In dieser besonderen Nacht kann in all das Leid und die Not Friede einziehen.
Im Frühjahr des Jahres hatten sich die beiden schriftlich verlobt – kurze Zeit später wurde Bonhoeffer wegen seiner Mitarbeit in einer Widerstandsgruppe verhaftet. Weihnachten 1943 hat sich die Hoffnung auf eine baldige Freilassung zerschlagen. Dietrich und Maria hatten gehofft, sich Weihnachten in Freiheit umarmen zu können, ohne dabei von Gefängniswärtern beobachtet zu werden. Nun müssen sie auch Weihnachten getrennt feiern. Maria von Wedemeyer ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 19 Jahre alt.
An ihren Verlobten schreibt Maria über die häusliche Weihnachtsfeier. Sie erzählt von der Ruhe, die zu ihr gekommen ist, als sie die Krippe angeschaut und ihren Kummer und ihre Gedanken ins Stroh gelegt hat, zum Jesuskind und vom Trost der vertrauten und lieben Weihnachtslieder.4
Maria schreibt das Weihnachten 1943: Ihr Vater war gefallen, ihr Bruder gefallen, ihr Verlobter inhaftiert. Wir werden am Ausgang des Gottesdienstes „O, du fröhliche“ singen. „Welt ging verloren“ – das war 1943 nicht einfach ein Liedvers, sondern die Wirklichkeit, in der die Menschen lebten. Und dennoch ging selbst damals von dem anderen, das ja auch wahr ist: „Christ ward geboren“, eine große Ruhe aus. Da erschließt sich ein Ort, an dem wir all unsere Gedanken und Sorgen ablegen können.
In der Beschreibung Maria von Wedemeyers wird deutlich: Weihnachten hat nichts mit Weltflucht zu tun. Wir stellen Weihnachtsbaum und Krippe nicht auf, um eine künstliche Idylle zu schaffen. Es geht uns nicht darum, an Weihnachten für ein, zwei Tage heile Welt zu spielen. Wo man das versucht, da geht vom Weihnachtsfest keine Ruhe aus. Da ist zumeist nur Krampf und Verstellung. Wir stellen Weihnachtsbaum und Krippe auf, um einen Ort zu schaffen, an dem wir unsere Sorgen ablegen können, um einen Ort zu schaffen, zu dem wir kommen können, so wie wir sind, mit unseren Schwächen, mit unseren Grenzen, mit unserer Freude, mit unserer Sorge.
Ich bin immer wieder überrascht, dass das Weihnachten funktioniert, vielleicht nicht jedes Jahr, aber doch immer wieder: Die Tage vor Weihnachten sind mit großer Hektik gefüllt, und dann entfaltet dieses Fest doch eine Stimmung, die einem Ruhe schenkt.
Weihnachtsbaum und Krippe weisen uns den Weg zur Krippe von Bethlehem, zur Krippe Gottes. Von dieser Krippe Gottes geht eine große Ruhe aus: Gott selbst ist Mensch geworden – das befreit uns. Wenn Gott selbst Mensch wird, dann ist doch auch von uns nicht mehr verlangt, als schlicht Mensch zu sein. Wir müssen keine Heiligen werden. Es reicht, wenn wir Menschen sind. Wir sollen keine Übermenschen sein, wir müssen nicht alle Probleme dieser Welt auf unsere Schulter nehmen. Wenn Gott Mensch wird, dann sagt er Ja zum Menschen – und zwar zum konkreten Menschen mit seinen Grenzen und Schwächen. Ich muss nicht mehr aus mir machen als ich bin. Wenn ich meine, etwas übersteigt meine Kräfte, dann muss ich das nicht tun. Ich darf Mensch sein, dieser konkrete Mensch, der ich bin, mit dem was er kann – und der das, was er kann, verantwortlich tun soll – und mit dem, was ich nicht kann. Und ich darf mich in beidem – meinem Können und meinem Nicht-Können – geliebt wissen. Wie viele Sorgen, wie viele Gedanken fallen ab, wenn man das einmal realisiert hat. Vom Kind in der Krippe geht eine große Ruhe aus.
Wenn wir die Sorgen und Gedanken, die wir uns über uns selbst machen, an der Krippe ablegen, dann wird unser Blick frei für die anderen: gerade auch für die, die in Not sind. Wir sammeln deshalb nachher für Brot für die Welt. Aber Maria von Wedemeyer nimmt wahr: Es gibt noch eine andere Not, an die keine Kollekte heranreicht: den Tod. Trauer und Tod – das sind Geschwister. Und wer die Macht der Trauer erlebt hat, ihren grauen Schleier über das Leben zu legen, der fürchtet sich um die Toten. Maria trauert um ihren Vater und ihren Bruder, aber sie stemmt ihrer Sorge um die Toten auch etwas entgegen. In der Nacht kommen die Toten zu den Lebenden, tröstend und schützend. Sie sind wirklich Engel geworden. Für Maria von Wedemeyer ist das kein Kinderglaube, sondern tragende Gewissheit.
Gerade an Weihnachten wandern die Gedanken zurück. Schmerzhaft vermissen wir liebe Menschen, die zu uns gehörten, mit denen wir – vielleicht noch letztes Jahr – Weihnachten gefeiert haben. Mitten in der Heiligen Nacht drängt sich die Frage nach unseren Toten auf. Deshalb kommt auch Maria von Wedemeyer in ihrem Brief auf die Verstorbenen zu sprechen. Wir brauchen diese Gedanken in dieser Nacht nicht verdrängen; wir dürfen auch mit unserer Trauer an die Krippe treten.
An der Krippe aber stehen wir nicht allein. An die Krippe sind vor uns und mit uns schon jene getreten, die wir heute so schmerzlich vermissen. Und manchmal fühlen wir wie Maria von Wedemeyer: An der Krippe, da sind die Verstorbenen immer noch bei uns. An der Krippe, da stehen sie mit uns zusammen: die Hirten von Bethlehem, Christen und Christinnen aller Zeiten und Weltgegenden, Menschen, die wir besonders geliebt haben.
Manche Familien bringen diese Gemeinschaft dadurch zum Ausdruck, dass in ihnen die Familienkrippe vererbt wird. Der Stall, die Figuren, das Kind in der Krippe stiften eine Gemeinschaft über Generationen hinweg. Aber auch hier liegt es nicht an unserer Inszenierung. Die Krippen in unseren Häusern weisen uns den Weg zur Krippe von Bethlehem, zur Krippe Gottes. Wir erkennen im Kind in der Krippe Gott selbst. Gott ist Mensch geworden, um das Verlorene zu suchen. Er geht den Einsamen hinterher, er sucht die Trauernden auf, er vergibt den Schuldigen. Er sucht aber auch die Verstorbenen auf. Gott gibt keinen verloren. Der Stern von Bethlehem leuchtet auch über unserer Vergangenheit. Der Stern über Bethlehem leuchtet über allen Menschen, die wir vermissen. In seinem Licht erinnern wir uns an all das Gute, was gewesen ist. Wo Schuld die Erinnerung belastet, da leuchtet nun der Stern mit seiner Botschaft. „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“.
Wir dürfen mit unserer Trauer und unserer Schuld an die Krippe treten. Das Kind in der Krippe, Gott selbst, will Trauer und Schuld von uns nehmen. Trauer und Schuld sollen der Dankbarkeit weichen, einer Dankbarkeit, die die Qual der Erinnerung in eine stille Freude verwandelt.
Für Maria von Wedemeyer ist die Nacht Zeit, in der Stimmen zu ihr sprechen, die im Alltag nicht zu hören sind. Die Stimmen der Verstorbenen, die Stimme des fernen Geliebten. Und auch die Stimme Gottes. Christus ist in der Nacht zu den Menschen gekommen, weil ihre Herzen dann verletzlicher und ihre Ohren feiner sind.
Die Nacht ist eine gefährliche und bedrohliche Zeit. Tagsüber trägt uns in der Regel der Alltag, erhellt die Sonne unser Gemüt. Wir schaffen es, Sorgen und Trauer zu verdrängen. Am Abend aber, in der Nacht, da sind wir unseren Sorgen und Erinnerungen ausgeliefert. 40 Fernsehsender, mit Satellitenschüssel unzählige mehr, sind ein einziger Versuch zu verhindern, dass Nacht wird. Wir ahnen, die Nacht ist eine gefährliche Zeit.
Darum wird Christus mitten in der Nacht geboren. Gott kommt nicht in einem Palast zur Welt, nicht dort, wo man meint, das Leben im Griff zu haben. Gott kommt dort zur Welt, wo die Verzweiflung groß ist, unter den Hirten, den sozial Ausgegrenzten, bei denen, die im Dunklen leben. „Gott will im Dunklen leben, und hat es doch erhellt“ (EG 16, 5). Christus wird mitten in der Nacht, in einem Stall, bei den Hirten geboren – er wird dort geboren, wo es dunkel ist. Aber das Kind in der Krippe erhellt dieses Dunkel. Gott selbst tritt in das Dunkel dieser Welt ein – und macht so deutlich: Es gibt keine Dunkelheit, die stark genug wäre, uns von Gottes Liebe zu trennen. Vielleicht ist die Dunkelheit so schwarz, dass wir nichts von dieser Liebe Gottes erkennen. Aber auch die schwärzeste Dunkelheit kann nicht verhindern, dass wir die Botschaft der Engel hören, die den Hirten gesagt ist: „Euch ist heute der Retter geboren!“. An dieses Wort sollen wir uns halten. Dann geht in der Tat vom Weihnachtsfest eine große Ruhe aus – und wir machen die Erfahrung: Nicht wir halten uns an dieses Wort, sondern das Wort „Euch ist heute der Retter geboren!“ trägt uns.
Wenn wir nachher die Kirche verlassen, dann müssen wir wieder hinaus in die Nacht. Unsere Weihnachtsfeier führt uns nicht hinaus aus den Nöten und Lasten unsres Lebens, sie führt uns nicht ins Paradies. Auch wir müssen wie die Hirten wieder umkehren, zurück in die alten Verhältnisse mit all ihrem Druck, der uns wund macht. Aber – wenn uns nur die Weihnachtsfeier der Hirten geschenkt wird, wenn wir nur so zu hören und zu glauben vermögen: Der Retter ist da! Gottes Hand ruht wieder auf der Welt und lässt die Welt nicht mehr los!, dann darf es auch von uns heißen wie von jenen Hirten: nicht nur ‚sie kehrten wieder um’ in all die bittere Not hinein, sondern auch ‚sie priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war’, mitten in allen persönlichen Nöten, mitten in der Nacht der Welt.
Dann kommt der Weihnachtsfrieden auch zu uns. Der Frieden, der höher ist denn alle unsere Vernunft.
• Lied: Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37, 1-4)
• Fürbitten und Vaterunser
Lass den Stern aufgehen für die, die im Dunkeln sind,
für die, die an diesem Weihnachtsfest so deutlich die Wunden spüren,
die es in ihrem Leben gibt,
weil ein geliebter Mensch fehlt,
weil nichts mehr so ist, wie es einmal war.
Lass ihnen deinen Stern aufgehen, dass Licht auf ihren Weg fällt.
Lass den Weg zur Krippe finden alle,
die in ihrem Leben keinen Sinn und keine Richtung mehr sehen,
die sich fragen: Wozu das alles?
Die keinen Grund mehr finden, auf dem sie fest stehen können.
Lass sie zu deiner Krippe finden, dass sie dort gestärkt werden.
Lass das Loblied der Engel hören, die ganz erstarrt und verstummt sind in ihrer Trauer, in ihren Sorgen, in ihrer Müdigkeit,
deren Leben nur noch aus Klage besteht.
Lass sie das Loblied der Engel hören, dass sie zur Freude finden.
Lass mit den Königen das Jesuskind finden all jene, die inmitten der Glitzerwelt, den vielen Geschenken, den Aufgaben, die sie bewältigen müssen,
nach der Mitte und dem Wunder von Weihnachten suchen.
Lass sie das Jesuskind finden, dass ihr Herz und ihre Gedanken Frieden finden.
Mit Hirten und Engeln an deiner Krippe versammelt beten wir:
Vater unser…
• Schlusslied: O du fröhliche (EG 44)
• Segen
Gott lasse dir einen Stern aufgehen,
der deinen Weg beleuchtet.
Gott lasse dich einem Engel begegnen,
der zu dir sagt: Fürchte dich nicht.
Gott lasse dich deinen Weg zur Krippe finden,
dass die Freude von Weihnachten
groß werde in deinem Leben.
So segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
• Musik zum Ausgang
4 Der Brief von Maria von Wedemeyer vom 25.12.1943 ist nachzulesen in: Dietrich Bonhoeffer/Maria von Wedemeyer: Brautbriefe Zelle 92, hrsg. v. Ruth Alice von Bismarck/Ulrich Kabitz, München 1997, S. 104–107.